”Bleeding October” 04
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Nur langsam drang das lebhafte Vogelgezwitscher in Cols Sinne und ebenso die Wärme des Sonnenlichts, das auf seine Haut schien ... ihm war, als ob sein Körper durch Lava getaucht oder einige Male an eine hübsch harte Bergwand geschleudert worden war, jeder Knochen tat ihm weh und seine Muskeln schmerzten so sehr, daß er ein leises Aufstöhnen nicht verhindern konnte. Als er schließlich seine Lider hob, blinzelte er zuerst wegen der unangenehmen Helligkeit – doch dann riß er sie bei dem Anblick des auf seiner Bettkante sitzenden Vampirs auf und keuchte ein leises "Du ?!!!", ehe ihm wieder alles einfiel und er mit einem erneuten, leisen Aufstöhnen zurück in das Bett sank. "Warum bist du noch hier ? Was willst du denn jetzt noch ? Und bevor du was sagst – ich kann heute nicht arbeiten, nicht so - mir tut alles weh, ich komm ja nicht mal aus dem Bett raus. Du solltest vorsichtiger mit mir sein, ich bin nur ein Mensch ... ich halte nicht soviel aus, wie du." Seine Worte waren leise und durch die Erschöpfung hörbar weniger anklagend, als sie eigentlich gemeint waren.
Langsam, ganz langsam, wie in Zeitlupe, drehte sich der Vampir zu Col herum und sah ihn an. Kein Wort kam über seine dunklen Lippen. Er krabbelte an Col heran, schien an ihm zu riechen, sog dessen Geruch auf. Neugierig war sein Blick dabei, hin und wieder hielt er inne, als würde er überlegen. Dann setzte er sich irritiert auf und sah den Forscher mit einem fragenden Blick an "Du frierst nicht mehr...." Verständnislos klangen seine Worte. Aber er wußte auch gleich, daß ihm Col auch keine plausible Antwort darauf geben konnte. Vielleicht lag es ja an seinem Blut, was er dem Forscher zu trinken gegeben hatte. Zum erstem Mal sah der Vampir verunsichert aus, zum ersten Mal war er es auch wirklich. Da klingelte Sha'kafirs Handy und plötzlich war der Vampir samt Klamotten verschwunden. Col konnte gar nicht sehen, wohin er aus dem Zimmer raus ist, konnte auch das Klingen des Handys nicht hören.
Ein wenig verdutzt sah Jener auf den leeren Fleck, wo gerade noch der Vampir gewesen war – dann ließ er sich wieder zurückfallen und murrte noch ein leises "Warum sollte ich frieren, du Idiot ?! Wenn man am Morgen in eine schöne, warme Decke gepackt aufwacht, dann ist einem warm und nicht kalt. Aber aufs Klo hättest du Arschloch mir wenigstens noch helfen können, genug von mir gesoffen hast du ja !" hinterher, ehe er wieder verstummte und sich über das Gesicht strich. Erst dann mühte er sich auf und setzte sich auf die Bettkante – hielt sich mit einem Stöhnen den Kopf und seufzte erneut, stand dann langsam auf und schlurfte ins Bad, um dort seine Morgentoilette zu erledigen, wenn auch diesmal wesentlich langsamer als sonst. Erst dann kroch er zurück ins Bett und schlief wieder ein – wachte gegen Mittag etwas erholter auf und bestellte beim Zimmerservice ein reichhaltiges Mittagessen, legte wieder auf und zog sich etwas an, während er auf das Essen wartete, dabei schon wieder seinen Laptop anschaltend.
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Sha'kafir hetzte durch die Straßen. Sein Blut rumorte unruhig in seinen Adern und hämmerte so stark in seinen Schläfen, daß sich feine Äderchen darüber zogen. Der Anrufer war sein Herr und Meister gewesen, der auch gleichzeitig sein Vater war. Er hatte ihm ausführlich Bericht erstattet, verschwieg dabei aber das kleine Detail mit seinem Blut. Er konnte sich sehr gut verstellen, sein Vater konnte ihm in solchen Fällen nie etwas ansehen. Aber der hatte andere Möglichkeiten, ihn zum Sprechen zu bringen. Unwillkürlich faßte er sich an den Hals, an den dünnen Reif, der dort war. Ja, einer konnte ihn zwingen. Aber der war nicht hier. So mußte Sha'kafir sich beeilen, das schnellstens selbst zu klären.
Noch war es dem Vampir nicht klar, daß die fehlende Kälte nicht mit seinem Blut in erster Linie zu tun hatte und er wußte auch noch nicht, was ihn wieder in die Nähe von Col zog. In seinem eher einfach gestricktem Denken schob er diese Tatsache auf seinen Durst. Col's Blut besaß für ihn eine noch nie geschmeckte Süße.
Außerdem mußte er den Forscher wieder antreiben. Sein Vater hatte zwar wohlwollend registriert, daß sie schon ein Stück weiter waren, aber das sollte auch nicht abbrechen. Sha'kafir wollte im Zeitplan bleiben und das bedeutete, den Forscher schnellsten zu den 9 Orten zu bringen, um die Edelsteine zu finden.
Und dann hockte er als dunkler Schatten wieder auf dem Balkon vor Col's Hotelzimmer. Groß und drohend war sein Schatten, der in das Zimmer fiel, als hinter dem Vampir die blutrote Sonne am Horizont versank. Schlierige Wolken zogen schnell am Himmel vorrüber und die Sonne verfärbte diese in einem atemberaubendem Feuerwerk. Der Himmel brannte und Sha'kafirs Verlangen auch. Allein in seinen Augen wurde dieses Feuer gezeigt.
Col hatte den Nachmittag über im Internet und auch in seinen Aufzeichnungen Nachforschungen angestellt und war noch immer damit beschäftigt ... doch langsam ließ seine Konzentration nach und er schloß die Augen, rieb sich die Nasenwurzel und die Lider, leise dabei seufzend. "Scheiß Zeugs ... verdammtes, scheiß Zeugs ...." Dann kroch ein kurzes Schauern über seinen Nacken, das jedoch anders war als die letzten Tage – schon fast instinktiv sah er auf und zum Fenster, sah dort Nichts außer den Schatten und erstarrte keuchend, als darin die Augen aufleuchteten. "Nein ... nicht du schon wieder, Bitte ...." Er wich in den Stuhl zurück und seine Müdigkeit war auf einen Schlag wie weggewischt.
Der Vorhang ging fast wie von selbst auf. Ein leichter Windstoß ließ ihn ein Stück hochwirbeln und gab den Blick auf die Gestalt des Vampirs frei. Doch er saß im nächsten Augenblick schon nicht mehr auf dem Balkon. Col fühlte sich herumgerissen und an der nächstbesten Zimmerwand festgenagelt. Fest war der Griff von Sha'kafir, dessen Fingernägel den Putz von den Wänden holten, als sie sich nicht nur in Col's Handgelenke bohrten. Dann glitt seine kühle Zunge über die Halsbeuge des Forschers. Blut begann hörbar in Sha'kafirs Ohren zu rauschen. Sein Blut. Col's Blut. Blut. Ruppig zerrte er sein Opfer zu Boden und begann, ihm die Sachen vom Leib zu fetzen. Stoff riß und auch Haut. Und endlich floß Blut. Schnell leckte seine gierige Zunge über die Wunden. Sie waren nicht tief, hatten nur die Haut oberflächlich geschnitten. Doch das reichte, um ein paar Schlucke insgesamt zu erhaschen. Der Vampir beugte seinen Kopf zurück und schloß die Augen, aber ließ dabei Col nicht los, sondern hielt ihn am Boden fest, setzte dabei sein eigenes Gewicht noch mit ein. Er spürte, wie das Blut seine Kehle hinterkroch und ihn regelrecht vitalisierte. Er schnurrte dunkel und öffnete seine gleißenden Augen. Lust und Gier konnte Col in ihnen erkennen. Und der Vampir würde bekommen, wonach ihn gelüstete.
Ein letzter Sonnenstrahl glitt in das Zimmer, ließ die blutigen Reißzähne aufblitzen und auch die Metallkrallen an seinen Händen.
Nur ein leiser Aufschrei war den Lippen des jungen Forschers entkommen, als er gepackt und herumgewirbelt wurde – doch der Schmerz der leichten Wunden ließ ihn leise aufwimmern und seine Augen weiteten sich, als der Größere ihn ansah und mehr einem wilden Tier als etwas Anderem glich. Angst durchfloß Cols Adern und er schluchzte leise auf – er machte sich keine Hoffnungen, daß er die nächsten Momente noch überleben würde und schloß die Augen, um sich auf den Schmerz der nächsten Wunden, die sicherlich tiefer, viel tiefer sein würden, vorzubereiten.
Schwarze Schwingen breiteten sich über Cols Gesichtsfeld aus. Feine Daunenfedern rieselten auf den Boden. Doch das war auch das letzte Stück Sanftheit, was von dem Vampir ausging. Meinte der Forscher, daß die letzten Begegnungen hart und grausam waren, war das jetzt sicher der Beweis, daß das noch ein ganzes Stück gesteigert werden konnte. Sha'kafir achtete wirklich nicht darauf, was er dem Menschen antat. Seine Krallen zogen sich durch das Fleisch, als wäre es nur Butter, seine Reißzähne öffneten mühelos Adern. Blut tropfte über den bleicher werdenden Körper des Forschers. Sha'kafir glich mehr einem hungrigem Tier, dessen Hunger nur mit Fleisch und Blut gestillt werden konnte. Ab und an schabten seine Krallen über Knochen, wobei ein unfeines Geräusch entstand, was den Vampir aber nur noch mehr anheizte. Vor seinen Augen explodierten Sternchen, als sich die Gier in ihm manifestierte. Cols Körper wurde währenddessen immer wieder einmal in andere Richtungen geschoben, daß dabei Knochen brachen, ignorierte Sha'kafir großzügig. Ein Killer kannte keine Gnade und auch nur ein Ende. Zu einem letzten Kuss setzte der Vampir an, verschloß hart Col's Mund und saugte. In dem Blutfluß hörte er den Herzschlag des Menschen, nahm den Takt in sich auf. Das war das Einzige, was sich Sha'kafir von seinen Opfern merkte. Noch ein Schluck. Fest bohrten sich seine Krallen in Fleisch und auch Knochen, der Schulterknochen gab unter dem festen Griff nach. Noch ein Schluck. An anderen Stellen hingen Hautstücke in Fetzen an dem Körper herab, der langsam in seinen letzten Zuckungen lag. Noch ein Schluck. Col's Körper bäumte sich in den Armen des Vampires auf. Noch ein letzter Schluck. Sha'kafir gab den Menschen frei. Er lag im Sterben.
"Du ... verdammtes ... Aas ... hoffentlich krepierst du ... daran ... und hoffentlich ... killen dich deine eigenen ... Leute, weil dus ... verbockt hast." Der junge Forscher wußte, daß er starb, denn sein Körper war kalt, er selbst wurde immer müder und die gleißenden Schmerzen, die zuvor noch weiß in seinen Geist gestochen hatten, verblaßten langsam. So wie seine Wahrnehmung immer verschwommener und schwärzer wurde und er nur noch die Kraft für diese wenigen, leisen Worte hatte. Schließlich gab er nach ... er wollte nur noch schlafen, weg von all dem und nur noch ruhen.
Doch das ließ der Vampir nicht zu. Er wischte sich über die Lippen, riß dabei die Haut von der Unterseite seines Handgelenks auf und preßte sie auf Col's Lippen. Die ersten Blutstropfen suchten sich ihren Weg. Den Rest übernahm seine Hypnose. Er pflanzte dem Forscher ein, daß er trinken mußte. So genau wußte Sha'kafir nicht, warum er das tat. Doch er wußte, daß der Forscher jetzt noch nicht starb. Allerdings brauchte dieser hin und wieder eine Lektion, vor wem er sich in Acht zu nehmen hatte, wem er Respekt entgegen zu bringen hatte. Während sich Col an seinen Unterarm regelrecht zu klammern schien, bemerkte Sha'kafir, daß er doch ein wenig übertrieben hatte. Denn es kostete jetzt seinerseits zuviel. Knurrend ließ er dennoch zu, daß Col weiter trank. Sha'kafir fluchte innerlich, daß er sich nicht schon vorher sattgetrunken hatte und sich bei Col nicht ganz zurückgehalten hatte. Das gefährdete seinen Plan. Aber es war auch das erste Mal, daß er einen Auftrag hatte, der das Überleben eines Menschen mit einbezog. Col trank weiter. Der Vampir wandelte sich unbewußt zurück, langsam. Mit jedem Schluck floß spürbar Leben zurück in Col. Die heilende Wirkung des dunklen Blutes hatte längst eingesetzt. Die kleineren Wunden gab es schon nicht mehr, Knochen fügten sich wieder zusammen und sein Herzschlag hatte sich normalisiert. Inzwischen fühlte sich Col wie nach einer Schlägerei vom Vortag. Aber er lebte und nur das zählte. Damit verließ Sha'kafir die Bewußtseinsebene und kippte um, entriß dabei seinen Arm Col und die Wunde verschwand.
Und im selben Moment erlosch auch die treibende Kraft, die den Verletzten dazu gebracht hatte, das Blut zu trinken. Leise aufkeuchend, rollte sich Col an die Seite und spuckte das Blut, das er noch im Mund gehabt hatte, aus – würgte leicht, doch es verging wieder, so wie sein Körper sich langsam erholte. Cols Geist jedoch raste ... er konnte nicht fassen, was hier eigentlich vorgefallen war. Gerade noch war er an seinem Laptop gesessen und im nächsten Moment wäre er beinahe lebend zerfetzt und ausgesogen worden. Was danach passierte, war nur verschwommen, doch aus einem unerfindlichen Grund mußte ihm der Vampir von seinem Blut gegeben - und dieses dem Verletzten geholfen haben, wieder zu gesunden. Einen Moment lang regte sich der Forscher in Col und er bedachte diesen Gedanken weiter – doch dann ließ er ihn wieder fallen, da er zu müde dafür war, kam mit großer Mühe auf alle Viere und versuchte, zu seinem Bett zu gelangen. Doch auf dem Weg dorthin sah er den Vampir daliegen und zögerte – das Bett schien so weit weg, doch die Decke lang halb auf dem Boden, da sie heruntergerissen war. Die Entscheidung fiel innerhalb eines Herzschlages und Col zog die Decke völlig vom Bett auf den Boden und zu sich her – legte sich dann an den kühlen Körper des Größeren, der sich jedoch trotzdem irgendwie warm anfühlte und zog die Decke über sie Beide, ehe er in einen tiefen, erschöpften Schlaf fiel und nichts mehr mitbekam.
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Eine Menge Zeit verging. Die Sonne war aufgegangen, wechselte die Seiten und schickte sich erneut daran, unterzugehen. In dieser Zeit waren die Schatten, die die Möbel und andere Gegenstände warfen, das Einzige, was sich bewegte. Niemand betrat das Zimmer, niemand verließ es. Und von den beiden Wesen am Boden zeugten nur bei dem Einen die sich hebende und senkende Brust von Leben. Col's Atem war ruhig und gleichmäßig, sein Herzschlag beruhigend, sein Geruch erfrischend. Was dachte Sha'kafir sich da ? Abrupt öffnete er die Augen. Was war hier losgewesen ? Eine Decke ? Col neben ihm ? Stirnrunzelnd wollte er sich erheben, doch er sank gleich wieder stöhnend auf den Boden zurück. Dann kam die Erinnerung. Er hatte Col von seinem Blut gegeben und jetzt war er selbst so geschwächt, daß er nicht einmal aufstehen konnte. Knurrend versuchte er seine Position zu verändern und sah dabei den Forscher an. Ja, er hatte seine Lektion wohl gelernt. Nicht noch einmal würde er sich so an Col vergreifen. Zu wichtig war dessen Leben wegen des Auftrages. Die jetzige Schmach, in der sich der Vampir befand, tat ihr Übriges dazu. Er war nicht fähig, im Moment allein zu handeln, würde sicher lange brauchen, um den Blutverlust durch neues Menschenblut zu tilgen. Aber wie, wenn er nicht jagen konnte ? Col schied aus fürs Erste. Knurrend biss sich Sha'kafir auf die Unterlippe. Er wußte nicht, wie der Forscher auf all das hier reagieren würde und er war sich nicht sicher, daß er das herausfinden wollte. Doch ihm blieb nichts weiter übrig, als liegenzubleiben und Kraft zu sammeln. Hoffentlich schlief Col noch die Nacht hindurch, denn nicht mal per Hypnose konnte er dem Menschen jetzt noch etwas einpflanzen. Ein Gutes mochte es haben, Col wußte jetzt, wem er Respekt entgegenzubringen hatte.
Doch entgegen der Hoffnungen des Vampirs fing der junge Forscher langsam an, sich zu rühren und stöhnte leise auf, als seine Muskeln sich mit einem scharfen Schmerz meldeten. Nur langsam schaffte er es, die Augen zu öffnen – doch als er schließlich erkannte, an wen er gekuschelt war, schloß er die Augen wieder und stöhnte ein weiteres Mal auf. "Das darf doch nicht wahr sein ... du schon wieder. Was ... was ist überhaupt passiert ? Verdammt, ich komme mir vor, als wär ich durch den Wolf gedreht worden. Was hast du schon wieder mit mir angestellt ?! Argh .... und warum bist du auf einmal so warm, Herrgott nochmal, was red ich da eigentlich ...." Nur langsam entspannte er sich wieder und seufzte leise ... richtete sich langsam auf und keuchte dabei leise, ehe er mühsam aufstand und in das Bad wankte, sich dort erleichterte und dann einfach den Kopf unter das kalte Wasser steckte, nachdem er sich gesäubert hatte. Ein wenig wacher kam er dann aus dem Bad und ließ sich wieder neben den Vampir nieder – sah ihn aus müden Augen an und seufzte, setzte noch ein "Du siehst einfach nur Scheiße aus. Also noch mehr als sonst." nach, ehe er wieder verstummte und die Decke ein wenig mehr über den Vampir zog, auch wenn er selber nicht so sehr wußte, wieso eigentlich.
Leise vor sich hinknurrend, hatte Sha'kafir den Menschen beobachtet bei seinem Tun. Er vermied dabei größere Bewegungen, da er sonst gleich wieder Sternchen vor der Optik hatte. Als sich Col zu ihm setzte und mit ihm sprach, bleckte er die Zähne und fauchte. Am Liebsten hätte er sich Col jetzt geschnappt und den Hals umgedreht. Solche Töne hatte er sich noch nie anhören oder gar gefallen lassen müßen. "Verzieh dich... hast du sicher was zu tun..." antwortete er im herablassendem Ton. Wenn Col weg war, lag es nahe, daß vielleicht ein Zimmermädchen hereinkommen könnte. Dann wäre die Sache mit dem Blut schon mal geregelt. Sehr viel bleicher als sonst, richtete Sha'kafir sich jetzt auf. Es sah mehr als nur erbärmlich aus. Als er dann doch endlich in der Aufrechten war, rieb er sich über sein Handgelenk. Es schmerzte. Ungewohnter Schmerz. Seine Hände zitterten, welche sonst die Präzision eines Chirurgen besaßen. Aber er fühlte auch gleich nach seiner Körperwärme. Wieso empfand Col ihn als warm ? Seine Haut fühlte sich immer noch leichenkalt an. Und was war mit seiner kalten "Aura", der eisige, leichte Wind um ihn, passiert ? Wieso spürte Col das nicht mehr ? Irritiert nahm der Vampir Abstand vom Forscher. Das alles konnte nicht an dem Blutaustausch gelegen haben. Zu Seinesgleichen hatte er Col auch nicht gemacht. Aber so sehr er nachdachte, er kam nicht dahinter, was sich verändert hatte. Gut, bis auf das Blutband, was jetzt zwischen ihnen bestand. Aber er hatte noch nie gehört, daß das solche Begleiterscheinungen hatte. Das Blutband diente dazu, den jeweils Anderen zu erspüren, zu wissen, was er fühlte und ob er lebte. Und normalerweise brachte es eine Hörigkeit mit sich, daß sich der Mensch dem Vampir ergeben fühlte in jedweder Lebenslage, tat, was ihm befohlen wurde, und nicht eine Veränderung der Wahrnehmung in dieser Hinsicht. Der Vampir wurde unruhiger und sah Col an, als würde dieser nicht richtig ticken.
Noch immer saß Col müde vor dem Vampir und strich sich über das Gesicht ... dann sah er wieder zu ihm und seufzte leise, brauchte eine Weile, bis er ihm antwortete. "Laß mich raten ... das Übliche, Hm ? Aber nicht hier ... ich weiß doch, daß du nur darauf wartest, daß ich gehe und du dann das nächstbeste Putzmädchen töten kannst. Ist dir eigentlich klar, daß du mich immer mehr reinreitest ? Wenn du immer alle killst, die auch nur in meiner Nähe waren, dann sucht mich bald die Polizei von ganz Europa. Verdammt, wieso werd ich nicht wacher ..." Auch wenn sein Körper mit jeder Minute wieder erstarkte, so war er dennoch müde ... so, als ob ihm etwas fehlen würde, wie in der Zeit, als er mal versuchte, eine Zeitlang vegetarisch lang zu leben. Dann sah er wieder zu dem Vampir und unwillkürlich huschte ein kurzes Grinsen über seine Lippen. "Verdammt, du siehst so mies aus, wie ich mich fühle. Wieviel brauchst du, daß du verschwinden und dir einen Penner schnappen kannst, der nicht mit mir in Verbindung gebracht wird ? Und entscheid dich schnell, ehe ich wieder denken kann und mich anders entscheide."
Der Vampir äußerte sich nicht. Er sah Col einfach nur an und schien ihn in Gedanken schon wieder auszusaugen. Lüstern leckte er sich über die Lippen, doch dann wandte er sich wieder ab. Mit Mühe zog er sich an einem Sessel hoch und richtete sich auf. Er mußte hier raus, konnte Col's Herzschlag nicht mehr ertragen. Würde er jetzt auch nur den kleinsten Tropfen Blut von ihm trinken, dann würde er sich nicht halten können. Sein Verlangen war zu groß. So schlug er Cols verhaltenes Angebot aus. Schwankend ging er auf die Tür zu, stieß Col dabei aus seinem Weg. Soviel Kraft hatte er noch, daß Col umkippte. Fauchend ging er auf den Gang hinaus und schlug die Tür hinter sich zu. Col konnte noch hören, wie er mal an diese mal an die andere Wand gegenschlug. Irgendwo brach Glas. Sha'kafir hatte einen Bilderrahmen von der Wand gerissen, als er sich an der Wand abstützen wollte. Aber niemandes Aufmerksamkeit wurde erweckt. Er ging den Gang immer weiter, bis er vor einem Fenster stand. Er sah hinaus auf die französische Stadt Straßburg. Unten zeigte sich eine enge Gasse und die Rückseite von dem Hotel. Dort unten irgendwo gab es sicher Leben und Blut. Sha'kafir riß das Fenster auf und ließ sich fallen. Er landete in einem Haufen Müll, der wohl vom Hotel war. Das Inter Hotel De L'europe war zwar ein 3 Sterne Hotel, doch auch sie hatten ihre Probleme mit dem Müll. Mit einem lautem Krach war Sha'kafir zwischen die Mülltonnen gedonnert. Er brauchte eine Weile, bis er sich wieder bewegen konnte. Stöhnend kroch der Vampir hervor und richtete sich weiter auf. Er sah noch einmal hoch zu dem Fenster, wo er herausgesprungen war, während er an einer Wand lehnte. Er schüttelte den Kopf und schleppte sich weiter. Das Zentrum war nahe und die Gassen versprachen Dunkelheit. Irgendwo hier mußte er Jemanden finden. Seine Witterung schlug an und er nahm die Verfolgung auf.
Die Nacht brach an und endlich ging es dem Vampir um Einiges besser. Grad ließ er sein 3. Opfer fallen und sah zum Sternenhimmel hinauf. Sein Gesicht war verschmiert von Blut, unter seinen Nägeln klebten Fleischreste und zu seinen Füßen lag eine zerrissene Menschengestalt. Zugerichtet, wie in einem Horrofilm, das Innere nach Außen gekehrt, Knochen in ungesunder Haltung durch das Fleisch getrieben, das Gesicht zu einer angstvollen Fratze verzogen, herausquellende Augen. Sha'kafir hatte sich nicht zurücknehmen wollen. Sollte sie hier doch nach einem verrückten Serientäter suchen. Ihn kümmerte es nicht. Er fühlte sich wieder stark. Nach ein, zwei weiteren Opfern würde er auch wieder der Alte sein.
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