”Das Spukschlößchen” 01
"Meine Güte, was für ein Reinfall !" murrend, fuhr Emile durch die engen Serpentinen, die sich an dem Berg entlangschlängelten. Der schwarzhaarige Parapsychologe kam gerade aus Rumänien und war auf einer großen Burg gewesen, auf der es angeblich spuken sollte. Aber dort war nicht mal annähernd die Spur von einem Geist zu finden gewesen, nicht mal ne alte Spur. "Pfff ... gerade da, wo man es für am Wahrscheinlichsten hält, ist immer nichts ... son Dreck !" Es dauerte ein wenig, bis Emile sich beruhigte und er seufzte leise, weil sein alter VW die Steigung des Berges immer langsamer hochkam. "Komm schon, Kleiner, nicht aufgeben. Du hast schon so viel mitgemacht." Er spornte sein treues Auto an und seufzte, als er auf die Anzeige blickte, die die Motortemperatur anzeigte. Sie war deutlich zu hoch und dann passierte es. Der Motor ging aus, qualmte und gab keinen Ton mehr von sich, außer ein zischen und dampfen. "Na, super !" Mit den Worten zog er die Handbremse an, schaltete den Warnblinker an und stieg aus, um nach dem Motor zu sehen. Als er die Motorhaube öffnete, kam ihm schon eine Dampfwolke entgegen und er öffnete ganz vorsichtig den Deckel vom Kühlwasser. Dort kam ihm ein Dampfstoß entgegen und er zog seine Hand weg, damit er sich nicht verbrühte. "Mist ! Mist, Mist, MIST !" Der alte VW war hinüber und musste abgeschleppt werden. Alles hatte sich gegen Emile verschworen und jetzt zogen auch noch dunkle Wolken auf, die nach Regen aussahen. "MIST !!!!!"
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Eine Stunde später guckte die alte Dame, der eine kleine Pension in einem ebenso kleinen Dorf gehörte, nicht schlecht, als die Türe aufging und ein von dem strömenden Herbstregen durchnäßter Fremder hereinkam und leicht zitternd die Türe hinter sich schloß. So schnell es ihr möglich war, stand sie auf und nahm eine Decke von der Seite, kam zu ihm und legte sie ihm um, ehe sie ihn zu der Couch zog und draufdrückte. "Mein Gott, was ist ihnen denn passiert ? Sie sind ja völlig durchnäßt."
"Danke ... und mein Auto ist liegengeblieben. Ich bin froh, daß so bald ein Dorf kam." Obwohl zehn Kilometer nicht wirklich bald war, aber immerhin hatte es nur eine knappe Stunde gedauert. "Haben sie zufällig ein Zimmer frei ? Ich könnte ein heißes Bad gebrauchen." klapperte Emile heraus, denn es war Herbst und er war total durchnässt.
"Aber natürlich habe ich ein Zimmer frei – hier ist niemals viel los und sie brauchen erst einmal ein heißes Bad. Kommen sie, kommen sie ... bevor sie sich eine Erkältung holen. Die Formalitäten regeln wir Morgen, in Ordnung ? Diese Nacht brauchen sie nicht zu bezahlen und Morgen können sie unseren Mechaniker anrufen, damit er ihr Auto abschleppt und nachsieht, was denn gemacht werden muß." Sie machte sich Sorgen um diesen jungen Mann und lächelte innerlich, da dies eine der Eigenarten war, die man mit dem Alter entwickelte ... doch irgendwie mochte sie diesen jungen Fremden und gerade da er so durchnäßt war, weckte er in ihr ein Hilfebedürfnis.
"Danke, sie sind wirklich zu gütig, meine Dame." Emile mochte die alte Frau auch irgendwie. Sie war eine typische Oma, die nur so vor Herzlichkeit strotze und der man ansah, daß sie viel gearbeitet hatte, obwohl sie noch sehr fit war. Er ließ sich von ihr das Zimmer zeigen und lehnte vorsichtig ab, als sie ihm noch eine Suppe kochen wollte, damit er etwas Warmes in den Magen bekam. Irgendwie war er aber nicht sicher, ob sie es nun ließ oder nicht und wenn er wetten würde, dann stand sicher eine Suppe auf dem Tisch, wenn er aus dem Bad kam, das auf dem Flur lag.
Und wie er es schon erwartet hatte, stand ein wenig später am Tisch ein Tablett mit einer kleinen Schüssel Suppe, ein Stück Kuchen und dazu eine heiße Tasse herrlich duftender Früchtetee, das Fenster war gekippt und die Tagesdecke vom Bett abgezogen und säuberlich auf die Seite gelegt. Frau Tannenhofer war zwar schon alt, doch noch immer rüstig genug, sich ein wenig um die Pension und auch die Gäste zu kümmern, falls sie einmal welche hatte. Und so rief sie nur noch ein kurzes "Lassen sie es sich schmecken, junger Mann – und legen sie die Kleidung auf die Heizung, dann ist sie bis Morgen trocken. Und schlafen sie gut.", als sie von unten die Türe des Bades und den jungen Gast hörte, der in einem der Morgenmäntel der Pension heraustrat.
"Vielen Dank, Frau Tannenhofer." rief Emile herab und lächelte sacht, weil ihn die Frau an seine Oma erinnerte. Sie war auch noch so rüstig und tat mit ihrem Dickschädel, was sie wollte. Das Zimmer, in das Emile nun trat, war warm und gemütlich, und er legte die ausgewrungene Kleidung sofort über die Heizung. "Zum Glück hatte ich eine Stoffhose an, eine Jeans wäre bis Morgen nicht trocken." murmelnd, nickte er, als alles einen Platz gefunden hatte und machte sich über die herrliche Suppe her, die nun auch von innen wärmte und hoffentlich eine Erkältung verhinderte. Gleich nach dem Essen wollte er sich hinlegen, denn der Fußmarsch im Regen war ziemlich anstrengend gewesen.
Unten nickte die alte Dame noch und setzte sich wieder in ihren Sessel, um weiterzustricken ... sie ahnte zwar, daß kein weiterer Gast kommen würde, doch das machte ihr nichts aus und sie war es gewohnt. Oft genug war nur ihr alter Kater da, um ihr Gesellschaft zu leisten ... und manchmal ihre Enkelsöhne, wenn sie ihr ein wenig bei den schwereren Arbeiten halfen.
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Am Morgen wurde Emile durch den Duft von Kaffee und Semmeln geweckt. Gerade der Kaffee weckte seine Lebensgeister und er schlug seine Augen auf. "Mann, hab ich gut geschlafen." murmelnd, setzte er sich auf und streckte sich erstmal ein wenig. Auch wenn der gestrige Tag nicht schlechter hätte laufen können, Heute war ein neuer Tag und der würde hoffentlich besser sein. Mit etwas Mühe krabbelte Emile aus dem weichen Bett und er prüfte gleich, ob seine Kleidung schon trocken war. Glücklicherweise war sie trocken und er zog sich ganz in Ruhe an und versuchte, seine Haare unter Kontrolle zu bekommen. Die längeren Nackenhaare waren kein Problem, aber die kürzeren Haare vorne waren widerspenstiger. Mit Hilfe seiner kämmenden Finger schaffte er es, sie ein klein wenig zu richten, und er band die langen Nackenhaare mit einem Haargummi zusammen, um dann hinabzugehen. Das Tablett mit dem Geschirr vom Abend vergaß er dabei nicht und so betrat er leise den kleinen Frühstücksraum der kleinen Pension. "Guten Morgen, Frau Tannenhofer."
"Ah, der junge Herr – einen schönen, guten Morgen wünsche ich ihnen. Ich hoffe, sie haben gut geschlafen ... sie sehen allerdings so blendend aus, daß ich mir da schon fast sicher bin. Setzen sie sich doch und lassen sie es sich schmecken – ich bringe in der Zwischenzeit das Geschirr weg." Während sie sprach, nahm die alte Frau ihren jungen Gast am Arm und drückte ihn sanft auf die Bank des Frühstückstisches, ehe sie leise schmunzelnd das Tablett mit dem Geschirr aufnahm und es in ihre Küche brachte.
"Vielen Dank, Frau Tannenhofer." rief Emile ihr noch nach und schmunzelte. "Ganz wie Oma." Dann griff er zu und schenkte sich als allererstes etwas Kaffee in seine Tasse und gab Sahne und Zucker dazu. Er brauchte erstmal einen Schluck, danach war er ein Mensch und konnte frühstücken. Vor ihm waren frische Semmeln, Hausmacherwurst, Käse, Butter und Marmelade, alles frisch und großteils selber gemacht. "Herrlich." Mehr sagte der junge Franzose nicht, er griff sich eine der Semmeln und machte sich sein Frühstück zurecht.
In der Zwischenzeit steckte die alte Dame das Geschirr in den Geschirrspüler und wischte das Tablett ab, stellte es an seinen Platz und kam dann zurück in das kleine Eßzimmer, um sich an den Tisch zu setzen und ebenfalls eine Tasse Kaffee zu trinken. "Lassen sie es sich schmecken, es ist genug da, um satt zu werden. Ich habe schon unserem Mechaniker Bescheid gegeben, er wird in einer Stunde hier sein und sie können mit ihm reden."
"Sie sind wirklich ein Schatz, Frau Tannenhofer - ich kann mich immer wieder nur bei ihnen bedanken. Gestern war wirklich nicht mein Tag. Erst fahre ich umsonst nach Rumänien, und dann gibt mein alter Golf den Geist auf. Sie sind ein wirklicher Lichtblick gewesen, und sind es immer noch."
Das brachte die alte Dame dazu, leise zu schmunzeln, und sie tippte spielerisch strafend auf den Arm ihres Gastes. "Sie Charmeur ... da kommt der Franzose durch, nicht wahr ? Auch wenn sie fast akzentfrei sprechen. Sie waren in Rumänien ? Mit dem Auto ? Was haben sie denn da gesucht, wenn ich fragen darf ? Das ist ja nun doch nicht der nächste Weg und gerade die Straße hier durch ist sehr abgelegen."
"Nun, es klingt vielleicht etwas seltsam, aber ich habe dort nach Geistern gesucht. Ich bin Parapsychologe, das heißt, daß ich nach Geistererscheinungen forsche. Ich habe von Geschichten in einer bestimmten Burg gehört, aber dort konnte ich nicht die geringste Spur eines Geistes finden." Emile erwartete entweder Neugierde oder totale Abneigung mit Vogelzeigen. Oder bei älteren und gläubigen Menschen, daß sie sich bekreuzigten und Angst hatten. "Klingt wirklich ein Bisschen verrückt, aber ich kann Geister sehen."
Doch die alte Dame ihm gegenüber schmunzelte nur und nahm einen Schluck Kaffee, ehe sie die Tasse behutsam wieder hinstellte und zu ihrem Gast lächelte. "Das ist nicht verrückt, junger Mann ... im Gegenteil. Ich kann es auch – so wie eigentlich Jeder in unserem kleinen Dörfchen, allerdings nicht immer. Also wenn sie Geister suchen, sind sie in Rumänien eigentlich nicht unbedingt richtig gewesen, aber hier in der Nähe gibt es im Wald ein kleines Schlößchen, das einen wirklichen Geist beherbergt. Möchten sie mehr darüber hören ? Oder denken sie, ich bin nur eine alte, schrullige Oma vom Land ?" Bei dem Letzteren schmunzelte sie wieder und nahm schließlich einen weiteren Schluck Kaffee, während sie ihrem Gast die Gelegenheit gab, über ihre Worte nachzudenken.
"Ein Geisterschlösschen ? Und dort lebt ein Geist ? Bitte erzählen sie ... und Nein, ich denke nicht, daß sie eine alte, schrullige Oma vom Land sind. Ich respektiere die alten Geschichten und höre sie gern, denn oft sind sie wirklicher als die von jüngeren Menschen." Emile antwortete sofort und seine silbernen Augen blitzen gespannt.
Für einen Moment wurde der Blick der alten Frau ernst und sie musterte ihr jüngeres Gegenüber – sie sah freudige Erwartung und Ehrlichkeit, und das überzeugte sie davon, daß sie weitererzählen konnte. "Sie müssen mir aber versprechen, daß sie keinen dieser seltsamen, übereifrigen, blaugewandeten Exorzisten holen – denn dieser Geist ist alles andere als gefährlich und verdient es nicht, verjagt zu werden." Allein schon der Gedanke an diese Männer ließ ihr einen sichtbaren Schauder über den Rücken laufen und sie zog für einen Moment ihre Strickjacke enger, als sie an diese Männer dachte, die vor etwa zehn Jahren gekommen waren und versuchten, Informationen zu erhaschen.
"Die Blauen Jäger ? Keine Sorge, ich erzähle denen nichts. Ich habe auch kein Interesse daran, den Geistern etwas zu tun, ich will halt etwas über sie wissen und erforschen. Obwohl ich auch gerufen werde, wenn Geister nicht gehen wollen und die Hinterbliebenen ängstigen. Aber das ist selten." Emile versicherte der alten Dame, daß er nichts tun würde und man sah ihm an, daß er es ernst meinte. "Ich kann die Kerle auch nicht leiden."
"Das ist gut – sie haben mir und auch den Anderen im Dorf fürchterliche Angst gemacht, lediglich der junge Rainer konnte ihnen die Stirn bieten, er ist der Verwalter des Schlößchens. Wissen sie, dieser Geist ist sehr klug gewesen ... er holte sich schon kurz nach seinem Tod einen Verwalter, jedoch einen jungen Mann von der Straße, der auch groß und stark genug war, um ungebetene Gäste zu verjagen. Und diese Tradition wird nun schon seit sehr langer Zeit fortgeführt und auch der jetzige Verwalter ist wehrhaft genug, um diese Fanatiker zu verjagen. Aber genug davon, sie wollen mehr von dem Geist wissen, nicht wahr ? Das ist eine sehr alte und auch lange Geschichte." Leise seufzend, nahm die alte Dame noch einen Schluck Kaffee, ehe sie wieder zu ihrem Gegenüber lächelte und darauf wartete, daß dieser seine Semmel aß.
Emile biss auch erstmal ab und konnte sich gut vorstellen, wie dieser Rainer aussehen musste, wenn er es schaffte, die Jäger zu verjagen. "Dieser Rainer muss ein Riese sein, wenn er die Jäger vertreiben konnte ... und bitte erzählen sie, ich platze vor Neugierde." Schon wieder blitzten seine Augen und er hibbelte fast schon ein Bisschen hin und her.
"Nur nicht so neugierig, Hm ? Aber gut, ich erzähle es ihnen. Es geschah vor etwa tausend Jahren in genau dem kleinen Schlößchen ... es war der Landsitz der von Hagen und Adalrich war der zweite Sohn und deshalb dazu erzogen, den Weg eines Gelehrten zu gehen. Er wandte sich jedoch nicht der geistlichen Gelehrtheit zu, sondern der weltlichen ... er lernte die Mathematik und Sprachen, Architektur und alle Künste, die man ihm gestattete. Die Priester wollten ihn nicht in ihren Reihen wissen, denn er war in ihren Augen zu schön und deshalb eine Versuchung und Gefahr. Schlanker, als es die Männer zu dieser Zeit waren und auch ein wenig größer – ich denke, nur etwas kleiner als sie es sind. Und er war wunderschön, hatte ein ebenmäßiges, feines Gesicht, sanfte, honiggoldene Augen und so langes, sattbraunes, goldschimmerndes Haar, daß es ihm bis zum Hintern ging. Er war so schön und sanftmütig, daß der junge Prinz ihn bei einem Turnier entdeckte und er der Geliebte dieses Prinzen wurde ... für einige wenige Jahre waren sie glücklich, doch die Neider wuchsen und als der Prinz sich wegen Adalrich weigerte zu heiraten, ermordeten sie den jungen Fürstensohn in dem kleinen Schlößchen, als er mit dem Prinzen im Sommer hier verweilte." Man sah der alten Frau an, daß ihr diese Geschichte sehr ans Herz ging ... entgegen der Meinung vieler Menschen in ihrem Alter hatte sie nichts dagegen, wenn zwei Männer sich liebten, solange die Gefühle dabei echt waren. Doch dieses tragische Ende der reinen Liebe der Beiden ging ihr sehr nah und wie ein jedes Mal, wenn sie daran dachte, mußte sie ihr Taschentuch herausholen, da ihr einige Tränen entwichen.
"Wie traurig ... ich denke, dieser Mord ist der Grund, daß er noch auf Erden verweilt ... ich muss einfach mehr über ihn wissen. Glauben sie, der Verwalter ist bereit, mir etwas zu erzählen ?" Gerade weil die Geschichte so tragisch war, gefiel sie dem jungen Mann sehr und schürte seine Neugierde noch weiter. "Ich glaube sogar, daß ich diese Geschichte schon mal wo gehört habe."
Das wiederum überraschte sie sehr und sie hob eine Braue, als sie ihre Kaffeetasse aufnahm. "Meinen sie ? Eigentlich weiß das Niemand, das Schlößchen kennen nur die Bewohner der Dörfer in der Umgebung des alten Waldes. Und ich denke, Rainer kann ihnen schon etwas sagen ... ob er es jedoch will, ist die andere Frage. Aber wir können nachher darüber reden, ich glaube, der junge Meier-Sohn ist gerade gekommen, er hat sicherlich eine Menge Fragen an sie wegen dem Auto." Die Hupe des Abschleppwagens war nicht zu überhören und dann kam auch schon ein junger Mann herein, der den unverkennbaren, ölverschmierten Overall eines Mechanikers trug.
Emile stand auf und ging zu dem jungen Mechaniker, um alles zu klären. Er beschrieb ihm genau, wo der Wagen war und gab ihm letztendlich den Autoschlüssel. Emile vertraute auch darauf, daß nichts aus dem Inneren des Autos wegkam und daß er diese Sachen nachher abholen konnte, denn sein Laptop war noch in dem VW, weil er es im Regen nicht hatte mitnehmen können. Als dies alles geklärt war, kehrte Emile zurück zum Tisch und trank einen weiteren Schluck Kaffee. "Würden sie mir den Weg zum Schlösschen erklären ? Ich möchte gleich dorthin, wenn mein Auto da ist und ich meine Sachen geholt habe."
"Das wäre eine Möglichkeit ... doch ich denke, es ist besser, wenn ich vorher dort anrufe, sie anmelde und sie dann dorthin begleite. Mein Wagen ist zwar auch nicht mehr der Jüngste, doch er ist zuverlässig und hat mich bisher noch nie im Stich gelassen." Sie winkte noch kurz aus dem Fenster und lächelte, als der junge Mechaniker zurückwinkte, ehe sie sich wieder an den Tisch setzte und zu ihrem Gast lächelte.
Emile kuckte etwas verblüfft, lachte dann aber leise. "Ich denke, sie haben Recht ... und ich vermute, der Verwalter ist so gewissenhaft, daß er mich wegscheucht." Der junge Forscher lächelte und nahm die Hand der alten Dame. "Sie sind ein Engel, Frau Tannenhofer." Dann ließ er los und schmierte sich noch eine Semmel, weil er immer noch Hunger hatte.
"Danken sie mir nicht zu früh, junger Mann ... auch wenn ich mir denken kann, daß sie letztlich doch das finden werden, das sie möchten. Und ja – wenn sie unangemeldet gekommen wären, hätte Rainer sie einfach gepackt und hochkant wieder hinausgeworfen, er war nicht umsonst Türsteher in einer Disco, ehe er in das Schloß kam. Essen sie ruhig noch, es ist genug da ... und nach dem Regen Gestern braucht ihr Körper etwas Richtiges im Magen, damit sie sich nicht noch erkälten." Die alte Dame lächelte, denn sie wußte ein wenig mehr, als sie jetzt preisgab ... doch sie dachte sich, daß sie nicht zuviel preisgeben sollte, damit die Überraschung nicht verdorben wurde.
Daß da noch etwas lauern könnte, ahnte Emile nicht, und er langte noch kräftig zu, um seinen Magen mit den Köstlichkeiten zu füllen. Daß die alte Dame ihm dabei lächelnd zusah, ließ er sich gefallen und sie sprachen noch ein wenig, und er entlockte ihr auch noch den Preis für Zimmer und Essen und stellte so sicher, daß er hier nicht für ganz umsonst unterkam, denn das wäre ihm sehr unangenehm. So verging die Zeit und er merkte auf, als der Abschleppwagen wieder hupte und vor der Pension hielt, damit Emile seine Sachen aus dem Wagen holen konnte. "Ich hole meine Sachen, und danach können wir zum Schlösschen. Wenn es ihnen zeitlich passt, Frau Tannenhofer ?"
"Aber natürlich, Emile. Ich habe dir doch gesagt, daß ich nicht viel zu tun habe, du bist der einzige Gast und ich denke nicht, daß Heute andere Gäste kommen werden. Laß dir ruhig Zeit damit, deine Sachen zu holen ... ich telefoniere in der Zwischenzeit." Sie lächelte, als der junge Mann nach draußen ging und seine Sachen aus dem Auto holte, während sie zum Telefon ging und die Nummer des jungen Verwalters wählte.
Weiter weg beim Schlösschen eilte Rainer hinein und warf das Holz, welches er eben geholt hatte, in die dafür vorgesehen Nische und nahm das Telfon ab. "Rainer Bergmann, wer da ?"
"Hallo, junger Mann – hier ist Oma Tannenhofer. Das Wetter gestern hat mir einen jungen Gast hereingeweht, der sich für Geister interessiert ... und er kann diese blauen Idioten auch nicht leiden, scheinbar hat er schon schlechte Bekanntschaft mit ihnen gemacht. Ich habe ihm von Adi erzählt und bringe ihn nachher vorbei – wenn du Glück hast, mag ihn Adi und du hast ein wenig deine Ruhe, Junge. Hm ?" Die alte Dame lächelte bei ihren Worten, denn sie kannte Rainer sehr gut ... und mochte ihn auch sehr.
"Öhm." kam es von Rainer, der erstmal alles sacken lassen musste. "Du willst doch nicht im Ernst einen jungen Burschen hier anschleppen ?" wisperte er ins Telefon und hielt dabei die Sprechmuschel ein wenig zu. Er wusste, daß Adi in der Bibliothek war, las und MP3 hörte, aber man konnte ja nie wissen. "Hast du ihm alles von Adi erzählt ? Oder nur ein Bisschen ?"
"Nur die Kurzversion seiner Herkunft, mein Junge. Den Rest überlasse ich dir – und ja, das ist mein Ernst, du brauchst auch einmal ein wenig Erholung. Wir wissen Beide, daß Adi es manchmal ein klein wenig übertreibt und so kann er seine Aufmerksamkeit völlig auf den jungen Mann lenken. Hm ?" Sie wußte nur zu gut, daß Rainer zu gutmütig war, um sich zu beschweren ... und sie wußte auch, daß Adalrich es nicht böse meinte, auch wenn er manchmal zu übermütig war.
"Neeejaaa ... hmmmm." brummte der junge Verwalter und seufzte leise. "Also gut, aber ich muss es dann wieder ausbaden, wenn der Kerl wieder abhaut. Dann wird Adi sich nämlich wieder bei mir ausheulen. Aber gut, ich erwarte euch dann mal." Adi wollte er noch nichts sagen, sonst hätte er jetzt keine ruhige Minute.
Das brachte die alte Frau dazu, leise zu lachen und sie schüttelte ein wenig den Kopf, ehe sie ihm antwortete. "Lassen wir uns überraschen, mein Junge ... dieser Franzose ist anders als die Idioten, die bisher kamen und recherchieren wollten, weil sie in den alten Kirchenbüchern von Adi gelesen hatten. Selbst wenn es nicht klappen sollte, hast du ein wenig deine Ruhe – denn Adi wird sich so oder so wieder bei dir ausheulen, wenn er bei der Kirmes Niemand findet."
In der Zwischenzeit hatte Emile seine Sachen gesichert und in sein Zimmer gebracht. Der Mechaniker war schon wieder weg und der Franzose hatte sich noch einen Pullover übergezogen. Erst jetzt kam er herunter und lächelte, weil die alte Dame auch fertig war zum Fahren. "Dann wollen wir mal los."
"Gerne, mein Junge – steig ein." Mit den leisen Worten startete Frau Tannenhofer ihren kleinen Wagen und als Emile sich angeschnallt hatte, fuhr sie langsam los und schlug den ihr wohlbekannten Weg zu dem kleinen Schlößchen ein, von dem sie dem jungen Parapsychologen erzählt hatte.
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