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”Das Spukschlößchen” 07
 

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Es war fast ein Monat vergangen, seit Emile vom Schloss geflohen war, und jetzt kehrte er wieder dorthin zurück. Was ihn dort erwartete wusste er nicht, aber vermutlich ein wütender Rainer, der ihm eine verpasste, weil er Adi so feige verlassen hatte. Emile konnte jedoch einen Neuanfang wagen, er hatte mit seiner kaltherzigen Familie gebrochen und war nun frei, auch wenn ihm sein Erbe jetzt verwehrt blieb. "Egal, ich kann auch ohne überleben." murmelnd, atmete Emile tief durch und richtete seinen Blick weiterhin angestrengt auf die dunkle Straße. Er war schon bei den Serpentinen angelangt - dort, wo sein Wagen letztes Mal liegengeblieben war. Dieser Tag hatte sein Leben deutlich verändert und er bereute nichts, außer, daß er Adi verlassen hatte. Urplötzlich riss Emile die Augen auf und trat fest auf die Bremse. Ein Reh stürzte aus dem Wald und lief über die Fahrbahn, die Reifen quietschten und dann wurde es dunkel um den Franzosen.

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Währenddessen saß Adalrich wieder einmal auf einem Fensterbrett, sah aus dem alten Buntglasfenster und seufzte leise, als seine Gedanken zu dem Grund seiner schon seit Wochen andauernden Melancholie wanderten. Der sonst so fröhliche Geist war nur noch ein Schatten seiner selbst – und das wortwörtlich, denn er blieb meist halb durchscheinend und verfestigte sich nur noch selten. Auch wenn er schon oft in seinem langen Dasein als Geist den Schmerz eines gebrochenen Herzens gefühlt hatte, so schlimm wie jetzt war es noch nie gewesen – nicht einmal der Anblick von Rainer und Adrian munterte ihn auf, auch wenn er den Beiden ihr wachsendes Glück mit einem wehmütigen Lächeln gönnte. Sicherlich gab es zwischen den Beiden kein solch romantisches und zärtliches Band wie es zu einer Romanze gehörte – doch die Beiden begannen sich zu lieben, es waren die harschen und intensiven Gefühle zweier dominanter Männer, die Gefallen aneinander gefunden hatten. Wieder einmal schweifte der Blick des schlanken Geistes zu dem Kaschmirpullover, der Emile gehört hatte und nun auf seinem fellbedeckten Bett lag ... des Nachts wiegte der noch immer sacht anhaftende Geruch des Franzosen Adalrich in den Schlaf, doch unter Tags versagte er sich diesen Trost, da es sonst zuviel für ihn werden würde. Dieser Abend war aber anders als sonst - und das lag nicht nur an den ersten Schneeflocken des viel zu früh hereingebrochenen Herbstabends, irgendetwas lag in der Luft wie die Ahnung eines Sturmes, eine Ahnung, die auch Adrian fühlte und sich ein wenig damit beeilte, das gehackte Holz aufzustapeln und trockenes Holz für die Öfen und Kamine hereinzutragen.

Nicht mehr weit weg vom Schloss ging Emile die Straße entlang. Sein Auto war wegen dem Frost auf der Straße ins Schleudern gekommen, und ein Stück weg von der Straße im Wald an einem Baum gelandet. Emile verarbeitete das Ganze erst jetzt, er musste sich irgendwie aus dem Wagen befreit haben und hatte sich auf dem Weg zu dem einzigen Ort gemacht, wo er hin wollte: Er ging direkt zum Schloss. Irgendetwas stimmte aber nicht mit ihm, er hatte nicht einmal eine Prellung abbekommen und irgendwie fiel ihm erst jetzt auf, daß sein Atem, trotz der Kälte um ihn herum, nicht zu sehen war. Dann fing es an zu schneien und er sah auf, um die Schneeflocken in seinem Gesicht zu fühlen - er fühlte sie zwar aber sie schmolzen nicht auf seiner Haut. ‚Seltsam - was ist nur ... bin ich etwa tot ? Aber da war kein Licht.' Sein Licht in der Dunkelheit kam in einer anderen Form auf ihn zu, er konnte das Schloss sehen und auch, wenn es weit weg war, sah er Adi in dem offenen Fenster sitzen. "Adi ..."

Leicht erschauernd, schloß dieser für einen Moment die Augen – dann öffnete er sie wieder und runzelte kurz die Stirn, ehe er wieder nach draußen blickte. "Irgendetwas stimmt nicht ... ich ... was ?" Erst jetzt, da er konzentrierter blickte, sah Adi ein wenig weiter weg im Schnee eine Bewegung – und erstarrte völlig. Irgendetwas war ihm daran bekannt und dann sah er es, den so bekannten Pferdeschwanz schwarzen Haares, den schlanken Körper ... ohne weiter zu zögern, sprang der schlanke Geist auf und sank durch die Fußböden, materialisierte in der Küche und lief auf Rainer zu. "Rainer ! Draußen ist Jemand – wir müssen ihn holen, ehe er erfriert ! Ich glaube, es ist Emile, bitte hole ihn, ehe er erfriert !"

"Was ?!" Rainer donnerte gleich ein wenig los, denn er hatte einen ziemlichen Hals auf Emile. "Den Kerl hole ich mir ganz sicher !" Mehr sagte er nicht, er schnappte sich eine Decke, die auf der Küchenbank war, und lief zügig hinaus, um nachzusehen, ob es wirklich Emile war. Wenn er es war, würde er ihn reinschaffen, sehen, daß er sich aufwärmte und zur Not wieder rauswerfen. Es kam drauf an, was Emile zu seiner Flucht zu sagen hatte. Rainer stoppte aber abrupt, als er Emile zu sehen bekam. Sein Körper zitterte und der Schnee verblieb auf seiner Haut und den Haaren ... und er weinte, wie Adi weinte. Seine Tränen verschwanden in diesem seltsamen Glitzern. "Oh, Gott, Emile ... was ist passiert ?!" Emile war ein Geist und scheinbar war ihm das eben erst bewusst geworden. Der Franzose blickte hilfesuchend auf und die Wut, die Rainer bis eben noch gehabt hatte, war verflogen. "Komm rein ... Mann, Emile, wie ist das nur passiert ?" Von dem Schwarzhaarige bekam er jetzt sicher erstmal keine Antwort, dafür war der junge Geist viel zu aufgelöst, und das nicht im wahrsten Sinne des Wortes. Rainer fragte sich jetzt nur, was Adi dazu sagen würde, aber das sollte er sicher gleich erfahren.

Der braunhaarige Geist ging währenddessen unruhig in der Küche hin und her, während er immer wieder mit den Händen rang oder sie wahlweise vor sich verkreuzte. Adrian grummelte und stand schließlich auf, ging zu ihm und zog ihn in seine starken Arme, damit Adalrich sich ein wenig beruhigte. Es half auch eine Weile, doch als die Außentüre der Küche sich öffnete, erschrak der schlanke Geist bis ins Mark. "Oh, Gott – Emile ! Wie ... das ... oh nein." Adi erfaßte sofort, was los war und kam zu Emile, umarmte ihn und zog ihn sanft an sich, da er fühlen konnte, daß dieser mit dieser Situation völlig überfordert war. "Komm, setz dich ... es wird besser, wenn du ruhiger wirst. Anfangs ist es sehr schwer, wie lange gehst du denn schon durch den Schnee ?"

Als Adalrich seine Arme um ihn schlang, fing Emile wieder an, zu weinen. "Ich weiß nicht ... es tut mir so leid, bitte verzeih mir." schluchzte der Schwarzhaarige. Rainer seufzte leise, es dürfte wohl noch einen Moment dauern, bis Emile sich ganz an das Geschehen, das zu seinem Tod führte, erinnerte. "Jetzt haben wir zwei Geister." wisperte er zu Adrian und bereitete vorsorglich schon mal zwei Becher heißer Milch mit Honig vor. Einmal für Adi und einmal für Emile, damit der sich beruhigte.

"Jep – aber ich hoffe, daß der nicht genauso ist wie der Braunschopf, sonst dreh ich noch durch. Hm – was ihm wohl passiert ist ?" Adrian war ein wenig skeptisch, denn er hatte sich gerade eben ein wenig an den einen Geist gewöhnt, und nun war noch ein weiterer Geist hier. Adalrich hingegen war außer sich vor Sorge und führte Emile behutsam an den Tisch, setzte Emile hin und hielt ihn weiterhin an sich, um ihn ein wenig Nähe zu geben. Denn das wußte er genau: Egal, ob stofflich oder halbstofflich oder nicht sichtbar ... Geister konnten einander immer berühren und auf diese Weise gab er ihm ein wenig Halt und Sicherheit.

Man merkte, daß es half - denn je ruhiger Emile wurde, um so weniger konnte er die stoffliche Form halten. Auch wenn er ein Geist war, wirkte er erschöpft und müde, und lehnte sich nun von selber an Adi an. "Es tut mir so leid, daß ich ... ich bin einfach weg. Bitte verzeih mir." Die Worte kamen jetzt immer wieder über die blassen Lippen des neuen Geistes. Rainer stellte beide Tassen auf den Tisch und seufzte leise, bevor er versuchte, erneut nachzufragen. "Emile ... wo ist der Unfall passiert ? Wir müssen da hin und deinen Körper holen. Wenn man ihn findet, wirst du für tot erklärt und du kannst deine Identität nicht behalten." Seine Worte waren leise aber durchdringend, und ließen Emile aufsehen. "Bei den Serpentinen ... in der Nähe von da, wo ich die Panne hatte ... ich weiß aber nicht genau, wo da."

Im ersten Moment war Adi geschockt – doch dann nickte er kurz und fühlte nach, schluckte schwer und legte schließlich die Fingerspitzen auf das Herz Emiles, schloß die Augen und ließ das, was passierte, vor seinem inneren Auge Revue laufen. Er sah, wie der schlanke Franzose mit dem Auto fuhr und das Reh über die Straße lief, das Schleudern des Wagens und schließlich, wie der Wagen über die Böschung fiel und schwer aufprallte. Und genau dieser Aufprall war es, der Emile tötete: Denn dessen schon angeschlagenes Herz konnte diesem Trauma nicht standhalten und versagte, so daß Emile schnell und durch den Schock auch schmerzlos starb. Sichtlich getroffen, nahm Adi die Hand wieder weg und wandte sich zu Rainer und Adrian, um es ihnen zu sagen. "Ihr könnt die Stelle nicht verfehlen – es ist der alte Wildwechsel bei den Serpentinen, ziemlich nahe am oberen Ende. Der Wagen ist über die Böschung gefallen und der Aufprall sorgte dafür, daß Emiles Herz versagte. Rainer, ruf in der Werkstatt und in der Polizeistation an, sie sollen gleich herkommen und den Wagen verschrotten. Komissar Huber kommt am Besten hier ins Schloß und wir regeln die Sache, wenn ihr den Leichnam Emiles hergebracht habt." In diesem Moment sah man, daß Adalrich einmal ein junger Fürst gewesen war und noch immer diese Rolle einnahm, um für seine Leute zu sorgen – und auch, daß es hier in den kleinen Dörfern um das Schloß herum seit sehr langer Zeit akzeptiert und beherzigt wurde.

"Wir regeln das und du bringst Emile nach oben, da kann er sich noch besser beruhigen. Wir sagen dir Bescheid, wenn alle da sind, Okay ?" Rainer hielt es für besser, wenn Emile sich erstmal hinlegte. Obwohl er als Geist schon tot war, sah er beschissen aus und brauchte ein Bisschen Ruhe. "Ich hab noch meine Sachen im Auto ... ich brauche die unbedingt." Er hatte das erste Manuskript von Adalrichs Geschichte dabei, weil er es ihm unbedingt als ersten zum Lesen geben wollte.

"Mach dir darum keine Sorgen, mein Herz ... es wird sich alles wieder zum Guten wenden, das verspreche ich dir." Als er endete, hauchte Adalrich seinem Liebsten einen sanften Kuß auf die Stirn und seufzte leise, ehe er sich wieder zu Rainer und schließlich zu Adrian wandte, der kurz nickte. "Geht klar, Boß – wir fahren zum Auto, holen alles, was ihm gehört, heraus und bringen es mit der Leiche her, damit das Auto weggeschafft werden kann. Komm, Rainer – die zwei brauchen ein wenig Zeit alleine."

"Schon unterwegs." murmelte Rainer und schnappte sich seine Jacke und den Autoschlüssel. "Wenn wir wieder da sind, rufe ich im Dorf an." Mit den Worten verließ der Blonde zusammen mit Adrian das Haus und sie ließen die beiden Geister alleine. "Es tut mir so leid." murmelte Emile derweil wieder und neigte seinen Kopf. Er schämte sich immer noch dafür, daß er Adi einfach so verlassen hatte.

Das fühlte dieser auch und seufzte leise, ehe er das Kinn Emiles sanft mit seinen Fingern anhob und ihm mit einem zärtlichen Lächeln in die Augen blickte. "Du brauchst dich nicht dafür zu entschuldigen, mein Herz ... es war einfach noch zu früh und du brauchtest Zeit. Vielleicht wäre es von selbst gekommen, wenn ich dir mehr Zeit gegeben hätte – doch es ist müßig, nun darüber zu reden. Du bist wieder hier ... selbst nach deinem Tod. Du bist hier, Emile, das zeigt, daß deine Gefühle tief und rein sind – und es gibt nichts, das mich glücklicher machen könnte. Ich liebe dich, Emile ... so sehr wie Niemand sonst."

"Ich habe erst gemerkt, was ich für dich empfinde, als ich nicht mehr bei dir und bei meiner Familie war. Ich habe dich so vermisst, deine Wärme und Zuneigung. Aber ich hatte irgendwie Angst, wieder herzukommen, weil ich nicht wusste, wie du es aufnimmst, wenn ich plötzlich wieder da bin." Daß Adi ihn immer noch liebte, verursachte ein großes Glücksgefühl in dem Schwarzhaarigen. "Ich glaube, ich liebe dich auch."

Leise schmunzelnd, neigte sich der Braunhaarige näher und küßte seine Liebe zärtlich, ehe er mit der Nasenspitze über die Emiles strich. "Ich danke dir, mein Herz ... und du hättest dir niemals solche Gedanken machen sollen, ich liebe dich doch. Wie könnte ich dir nachtragen, daß du so gehandelt hast ? Für mich zählt nur, daß du jetzt hier bist und wir so lange zusammenbleiben können, wie du es möchtest. Nur das. Und nun komm, gehen wir nach oben – dort haben wir ein wenig mehr Ruhe und es ist gemütlicher als hier in der Küche."

Emile nickte sacht und man sah ihm an, daß er sich jetzt schon besser fühlte, weil ihm durch die Antwort Adis etwas leichter ums Herz geworden war. "Du musst mir dann helfen, wie ich als Geist mit allem umgehen muss." Er kannte die Theorie, aber nicht, wie man es machte ... sicher war nur, daß man alles mit seinem Willen tat.

"Mach dir darüber keine Sorgen, mein Herz. Ich habe genug Erfahrung, um dir alles zu zeigen – und wir haben nun soviel Zeit, wie wir wollen, um es zu üben." Noch während er sprach, stand Adi auf und lächelte, als er Emile bei der Hand nahm und ebenfalls halbstofflich wurde, um nun mit ihm aus der Küche zu den Treppen zu schweben, damit sie hoch zu seinem Zimmer konnten.

Das Schweben war irgendwie ein schönes Gefühl und Emile lächelte sacht, als er unter sich die Treppe beobachtete, die er hochging, ohne sie zu berühren. "Das ist total seltsam, aber irgendwie schön ... und es ist schön, was wir uns berühren können."

"Ja, das können wir – Geister können sich immer untereinander berühren. Es wird nur ein wenig dauern, bis du gelernt hast, auch etwas anderes berühren zu können ... doch das wird schon." Adi lächelte und schwebte weiter, bis sie an seinem Zimmer angekommen waren – dann verfestigte er seine freie Hand und öffnete die Türe, ehe er wieder völlig durchscheinend wurde und mit ihm zu dem großen, mit weichen Fellen bedeckten Bett schwebte. Hier konnten sie sich ein wenig ausruhen und Kraft tanken, bis die Anderen zurück waren ... und vielleicht weckte die bekannte Umgebung einige schönere Erinnerungen, so daß Emile ein wenig auf andere, erfreulichere Gedanken kam.

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Nach einer knappen Stunde waren Rainer und Adrian zurück. Sie hatten das Auto gefunden und den Leichnam von Emile geborgen. Der Körper war fast unversehrt gewesen und lag nun in ein Laken gehüllt in dem kalten Holzkeller, denn im Auto oder im Haus hätte man ihn nicht lassen können. "Adrian, bringst du die Sachen von Emile in das Turmzimmer ? Ich erledige derweil alle Anrufe, und auf dem Rückweg sag den Beiden doch bitte Bescheid, ja ?" Das Ganze hatte Rainer mehr mitgenommen als er dachte, er war durch das Leben bei Adi etwas weicher geworden.

Genau das hatte sich auch Adrian gedacht und deshalb war auch er es gewesen, der die Leiche aus dem Auto geborgen hatte. "Mach dir keine Sorgen, Blondschopf – ich mach das schon. Und dann bleib ich weg, solange der Bulle hier ist, Okay ? Okay. Bis später." Mit den Worten klopfte er Rainer noch kurz auf die Schulter und schnappte sich den Koffer und den Rucksack Emiles, joggte die Treppen rauf und summte einen der letzten Radiosongs, die sie im Auto gehört hatten.

In der Zwischenzeit klärte Rainer alles am Telefon und seufzte leise, als er auflegte. Er musste sich erstmal setzen und ein Bier trinken. So wie Adrian konnte er nicht mehr sein, der hatte ohne Zögern die verklemmte Autotür aufgebrochen und den toten Leib aus dem Körper gezogen, um ihn dann in die Laken zu hüllen. Er selber hatte gezögert und lieber die Koffer aus dem Auto geräumt. Aber irgendwie bereute er es nicht, so weich zu sein - es war ihm lieber als das, was er früher war.

Für Adrian war es ungewohnt, daß der Blonde sensibler geworden war – doch andererseits galt das nur bedingt für den Sex und das ließ den ehemaligen Streetfighter einen Moment lang breit grinsen, ehe er wieder ein wenig ernster wurde und an der offenstehenden Türe zu Adalrichs Zimmer klopfte. Die beiden Geister waren zwar noch immer angezogen – doch sie schienen zu kuscheln und da klopfte er lieber an. "Wir sind wieder da und Rainer erledigt grad die Anrufe – der Bulle wird bald kommen, am Besten geht ihr schon runter zu ihm." Adi nickte nur und seufzte, als Adrian wieder ging, ehe er sich zu Emile wandte und leise zu ihm sprach. "Wir sollten runtergehen, mein Herz ... Hm ?"

"Ja, das sollten wir wohl." murmelte Emile, der sich inzwischen schon ein wenig erholt hatte, und der junge Geist richtete sich auf, um ein Stück hochzuschweben. Langsam fühlte er sich in diese Gestalt hinein und es ging schon besser mit der Koordination. Zusammen mit Adi schwebte er gleich darauf hinab in die Küche und seufzte leise, als er Rainer sah, der erschöpft an seinem Bier nippte.

Der braunhaarige Geist nickte nur, als er das sah und drückte Emile auf die Küchenbank und ging zu Rainer. Wieder stofflich werdend, kämmte er behutsam mit den Fingerspitzen durch die blonden Haare, denn wenn er nervös war, raufte Rainer sie sich immer wieder. Eine Angewohnheit, die der Blonde nicht ablegen konnte und die ihn menschlicher machte, als manches sonst. "Keine Sorge, Rainer ... es wird alles gut, ich werde das alles regeln. Das weißt du doch, nicht wahr ?"

Rainer war gleich wieder versucht, sich durch das Haar zu raufen, er hielt aber in der Bewegung inne und nahm seine Hand wieder runter. "Ist halt alles drum herum jetzt. Ich hab gemerkt, daß ich ziemlich weich geworden bin, was ich aber eigentlich nicht schlecht finde." gestand Rainer und fuhr sich nun doch wieder durch die blonden Haare. Sie waren schon wieder länger geworden, obwohl er kurz nach Emiles Verschwinden bei Oma gewesen war, um sie sich schneiden zu lassen.

Leise seufzend, fing Adi die großen Hände und hielt sie mit den seinen, ehe er sich näherneigte, Rainer einen sanften Kuß auf die Stirn hauchte und ein wenig ernster werdend zu ihm sprach. "Mach dir keine Sorgen, Rainer – ich regle das. Du weißt, daß ich es kann, wenn ich es muß ... und Adrian mag es, daß du ein wenig sanfter geworden bist, ich habe ihn einige Male gehört, als er beim Arbeiten mit sich selbst sprach. Niemand wollte, daß das passiert, doch es ist gut so. Und nun atme tief durch, der Komissar wird bald kommen und du solltest dann ruhig erscheinen. Und laß bitte deine Haare in Ruhe, Hm ? Ich glaube nicht, daß Adrian dich noch so gern hat, wenn du eine Glatze hast." Bei dem Letzteren lächelte Adi und hoffte, daß der Scherz seinen jungen Verwalter und Freund ein wenig aufmunterte – denn gerade jetzt mußten sie alle ruhig und bedacht sein.

"Neejaaa ... stimmt schon." Jetzt fuhr Rainer sich anders durch die Haare und glättete sie nochmals. "Ich verstehe eh nicht, warum wir der Polizei Bescheid sagen mussten. Wir hätten das Auto eingebunkert, repariert und Emile könnte ohne Probleme mit seiner Identität weiterleben." Das ging ihm schon ne Zeit durch den Kopf. Es wäre nie etwas aufgefallen, wenn sie es nicht gemeldet hätten.

Leise aufseufzend, schüttelte Adalrich seinen Kopf und setzte sich wieder hin, verschränkte die Hände auf dem Tisch und blickte schließlich wieder in die besorgten Augen seines jungen Verwalters. "Du bist noch so jung, Rainer ... du hast es damals nicht so sehr mitbekommen und als du wiederkamst, hatte ich schon alles geregelt. Du weißt ja, daß ich noch immer der Fürst der umliegenden Ländereien bin – und hier in den Dörfern gilt das noch immer, sie zahlen mir Pacht für den Grund und dafür sorge ich für sie. Auch die Polizei und die Gemeinde unterstehen meinem Wort ... der Komissar wird dafür sorgen, daß nichts in irgendwelchen Akten auftaucht und auch, daß Emile hier eingemeindet wird. Verstehst du das ?"

"Neejaaa ... ich verstehe es schon irgendwie." Adi hatte es gut erklärt, und Rainer verstand, was gemeint war. "Ich brauch noch ein Bier." Das hieß, daß er nicht weiter drauf eingehen musste und wollte, und er holte noch ein Bier aus dem Kühlschrank. "Die werden eh noch brauchen, es schneit inzwischen wie verrückt."

Das wußte auch Adi und er seufzte leise, als er durch die Fenster blickte. Doch er wußte auch, daß er sich keine Sorgen machen mußte, da der Komissar einen Geländewagen besaß und sicherlich keinen Unfall bauen würde. Und wie er es sich dachte, dauerte es nicht lange und man hörte den starken Motor des Wagens, der vor dem Schloß hielt und schließlich das vordere Tor, als der Komissar hereinkam. "Gehst du ihm entgegen, Rainer ? Bitte ..."

Rainer zögerte nicht lange und stellte das Bier auf den Tisch, zog seine Jacke und Stiefel an und machte sich auf den Weg, um den Kommissar das Tor zu öffnen und um ihn hineinzubitten. Emile sank wieder ein Bisschen zusammen, richtete sich aber auf, als Adi beruhigend seinen Arm um ihn legte. Dann hörte man die beiden Männer, wie sie den Schnee von den Stiefeln trampelten und wie sich gleich darauf die Außentür der Küche öffnete. "Guten Abend, Adalrich ... und du bist der Pechvogel ?" Emile zuckte sacht und seufzte. "Das ist ja noch harmlos ausgedrückt."

Der braunhaarige Geist lächelte, als er seinen alten Freund sah und stand auf, um ihn kurz zu umarmen und ihn dann auf einen der Stühle am Tisch zu drücken. "Ja, das ist Emile – er verunglückte und starb, kam hierher und wird hier auch bleiben. Kannst du das regeln, Erich ? Er müßte hier angemeldet werden und von dem Unfall soll Niemand erfahren – sein Ausweis ist hier und sobald ich ihm dabei geholfen habe, kann er die Unterlagen auch unterschreiben."

"Unfall ? Was denn für ein Unfall ?" schoss Erich gleich heraus und lächelte warm. "Der Junge hat doch nicht mal nen Kratzer, Hm ? Das Anmelden regle ich dann schon, ich spreche mit Rudolf vom Meldeamt, der macht das klar." Auf seine Art gesagt, ließ er den Unfall unter den Tisch fallen und ging nur auf das Anmelden ein, um zu sagen, daß er verstanden hatte, was Adi wollte.

Das brachte den älteren Geist zum Schmunzeln und er nickte, als er Erich von hinten umarmte. "Ich wußte, daß ich mich auf dich verlassen kann, mein Freund. Sag Rudolf einfach, daß er die nächsten Tage einmal vorbeikommen soll ... dann können wir das alles hinter uns bringen, Emile ist noch nicht sicher genug, um ins Dorf zu kommen. Wie geht es denn deiner Frau und deinen Söhnen ? Ihr habt uns schon lange nicht mehr besucht und seit die Jungs auf dem Gymnasium in der Stadt sind, hört man auch nicht mehr viel von ihnen." Adi ging eigentlich schon fast übergangslos dazu über, ein wenig vertraulicher zu werden und über alltägliche Kleinigkeiten zu reden, denn das, was wichtig war, hatten sie ja nun zur Zufriedenheit geregelt.

"Oh, denen geht es gut. Die Burschen sind glücklich und haben Beide schon ne Freundin. Deswegen melden sie sich so selten." Erich erzählte alles und Rainer machte ihm eine heiße Schokolade. Derweil lauschte Emile dem Gespräch und wirkte jetzt deutlich beruhigter. Jetzt fing für ihn ein neues Leben als Geist an und er würde es mehr als nur genießen, weil er jetzt endlich frei von Zwängen war und einen wundervollen Gefährten an seiner Seite hatte.

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