Balken01a


”Sternenstaub” 02
 

backset3line

}|{

Als am nächsten Morgen die Sonne durch die halbgeöffneten Vorhänge spitzte, wachte Gianni langsam auf und seufzte leise. Das Ausräumen der Koffer war eine schnell erledigte Angelegenheit gewesen und so hatte der junge Italiener schließlich doch dem Schlaf nachgegeben und sich hingelegt. Nun jedoch weckten ihn einerseits die Wärme und Helligkeit der Morgensonne und andererseits das Bedüfnis nach einer ausgiebigen Morgentoilette. Allein schon dieser Gedanke ließ Gianni kurz schmunzeln, denn es waren nur triviale Dinge – doch sie reichten aus, seinen zuvor noch tiefen Schlaf zu verbannen und ihn zumindest halbwach werden zu lassen. Gedacht, getan – eine halbe Stunde später trat der Schwarzhaarige frischgeduscht und mit geputzten Zähnen in sein Zimmer, zog sich frisch an und ging leise in die Küche, um wie schon früher mit Henri das Frühstück zu richten. Als schließlich der Kaffee durchgelaufen war und die Brötchen im Ofen lagen, wagte sich Gianni schließlich in das Atelier und schmunzelte, als er Paul auf dem alten Sofa schlafen sah.

Als Gianni zu ihm kam, ihn sanft berührte und auf die Wange küsste, fuhr Paul aber zusammen und starrte Gianni an. Er brauchte einen Moment, um sich zu orientieren, und fluchte leise. "Erschrecke mich nicht so."

"Bitte verzeih – ich wollte dich nicht erschrecken." Der junge Schwarzhaarige lächelte ein wenig verlegen, denn er ahnte schon, daß Pauls grummelige Art weniger von seinem Wecken als mehr von dem unbequemen und viel zu kurzen Schlaf kam. "Ich habe dir Frühstück gemacht, Paul ... und du solltest dich danach wieder hinlegen, doch lieber in dein Bett, von der Couch bekommt man Nackenschmerzen. Warte ..." Noch während er sprach, trat Gianni hinter die Couch und strich behutsam die bunten Haare Pauls zur Seite, ehe er damit begann, behutsam doch erfahren die harten Muskeln im Nacken- und Schulterbereich Pauls zu massieren.

Zuerst hatte Paul protestieren wollen, aber er war noch so müde, daß Gianni ihm viel zu schnell war. Er konnte sich den sanften Händen nicht entziehen und dann war er ihnen auch schon verfallen, weil Gianni wirklich gut massieren konnte. "Nächstes Mal lass mich einfach weiterschlafen."

"Das nächste Mal geh einfach ins Bett, wenn du müde wirst, ja ? Es ist nicht gut, wenn du immer hier schläfst und deine Muskeln sich so verhärten. Es macht dir deine Arbeit nur unnötig schwerer, in dieser Hinsicht gleichst du deinem Vater sehr. Wenn ihr inspiriert seid, vergeßt ihr alles um euch herum und damit auch euer eigenes Wohl." Die Worte des jungen Italieners waren weich und auch ein wenig wehmütig, denn er konnte sich noch gut daran erinnern, daß er auch Henri oft genug genau auf dieser Couch vorgefunden hatte, wenn er in der Früh aufstand.

Bei den Worten verspannte sich Paul wieder und sprang auf. "Du kennst Papa nicht mal richtig und mich auch nicht. Also lass die Vergleiche." Er war nicht sauer, aber es schnürte ihm gerade die Kehle zu, denn eigentlich hatte Gianni Recht. Er ähnelte seinem Vater verdammt gut und er sah ihm sogar sehr ähnlich. In der Jugend hatte Henri fast genau so ausgesehen wie er selber. Seine Mutter hatte es immer wieder festgestellt.

Die Worte ließen Gianni sichtlich zusammenzucken und er blickte betroffen zur Seite. Er wollte ihn nicht verletzen, es war eigentlich nur gut gemeint gewesen. "Bitte verzeih ... du hast natürlich Recht, ich wollte dich nicht ... mir ist es nur aufgefallen." Und das mehr als nur deutlich – Paul ähnelte Henri so sehr, daß Gianni immer wieder etwas bemerkte, das ihn an seinen Liebsten erinnerte. Dann drehte sich der junge Italiener um und ging in die Küche, seufzte leise und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein, um sich daran zu wärmen.

Paul blieb im Atelier zurück und fluchte leise auf seine große Klappe. Mit seinen Worten hatte er Gianni getroffen, das wusste er und es tat ihm leid. Dieser Kerl war so verletzlich wie ein Reh und hatte die Wirkung eines Katzenkindes, das einen mit großen Augen anblickte. Nach kurzem inneren Hin und Her, folgte er in die Küche und setzte sich an den gedeckten Tisch. "Tut mir leid, ich hab's nicht so gemeint."

Mit einem leicht wehmütigen Lächeln schüttelte Gianni den Kopf und schenkte ihm ebenfalls einen Kaffee ein, ehe er sich ihm gegenüber setzte und die eigene Tasse mit den Händen umfaßte. "Doch, das hast du ... und du hattest völlig Recht, Paul. Ich habe deinen Vater nur sehr kurz gekannt, doch für mich schien es viel länger. Ich habe ihn oft einfach nur beobachtet, wie er reagiert ... und es ist wirklich so, ihr Beide gleicht euch in vielen Dingen. Auch wenn ich mir sicher bin, daß es ebenso viel gibt, das euch unterscheidet. Ich hätte es nicht sagen dürfen, auch wenn es mir aufgefallen ist. Ich habe mir nur Sorgen um dich gemacht, da ich weiß, wie verspannt und müde Henri immer war, wenn er auf der Couch einschlief."

Der Kaffee war wirklich eine Wohltat und Paul trank erstmal ein paar Schlucke, bevor er antwortete. "Ich schlafe nicht wegen dem Sofa schlecht, ich schlafe allgemein sehr schlecht ... egal, wo ich schlafe." Er träumte schlecht und das war der Grund für seine schlaflosen Nächte. Dazu kamen die Vorwürfe, die er sich machte, er hätte bei seinem Vater übernachten sollen und war lieber ausgegangen.

Gianni nickte nur und nahm einen weiteren Schluck Kaffee. Er konnte sich denken, daß Paul durch seine Trauer schlecht schlief, doch von dem anderen Grund wußte er nichts. "Ist der Kaffee so in Ordnung ? Ich habe ihn so gemacht, wie ich ihn gewohnt bin ... ebenso wie das Frühstück. Soll ich dir nachher noch eine Wanne einlassen ? Ein heißes Bad ist gut, um leichter schlafen zu können."

"Der Kaffee ist sehr gut, das Frühstück auch und die Wanne lasse ich mir dann selber ein. Wenn du magst, kannst du nachher runter in die Galerie, du hast ja noch nicht gesehen, wo das Bild hängt, nicht wahr ?" Henri hatte sich immer vorgestellt, wie begeistert Gianni sein würde.

Der schüttelte nur kurz den Kopf und strich sich ein Brot – es war schwer, darauf zu antworten, doch schließlich rang er sich dazu durch. "Nein, ich habe es noch nicht in der Galerie gesehen. Es wurde erst kurz vor meiner Abreise fertig und Henri zeigte es mir erst, als es fertig war. Er meinte noch, daß er mir eine Kopie schicken würde ... doch scheinbar ist er nicht mehr dazu gekommen. Könntest du ... wäre es möglich, daß du mir ein wenig von ihm erzählst ? Er hat nur auf den ersten Brief geantwortet, die anderen Briefe blieben unbeantwortet." In den dunkelblauen Augen Giannis keimte eine leichte Hoffnung, denn Paul war der Einzige, der ihm dies sagen konnte.

Ein leiser Seufzer stahl sich von Pauls Lippen und er trank erstmal noch einen Schluck Kaffee. Man sah ihm an, daß er nachdachte, dann stellte er die Tasse aber ab und atmete tief durch. "Das Bild hatte noch trocknen müssen, daher konnte er so schnell keine Kopie davon machen lassen. Sie müsste hier auch irgendwo sein. Er hat sie machen lassen, bevor er das Gemälde in die Galerie brachte. Wie immer gab er eine kleine Party. Er gab immer eine, wenn ein neues Bild in die Galerie gekommen ist. Das Bild kam sehr gut an. Ich bin nicht bis zum Schluss geblieben ... es war die Nacht, in der er starb." Die Ärzte vermuteten, dass die Aufregung dafür sorgte, daß sich die Thrombose löste und daß er durch den Wein, den er getrunken hatte, die Anzeichen für den Schlaganfall nicht bemerkte. "Ich hätte dableiben sollen ..." Letzteres wisperte er so leise, daß man es kaum verstehen konnte.

"Nein ... aber ich hätte es sollen. Er fragte mich noch, ob ich bis zur Vorstellung bleiben könnte und ich war so dumm, nicht noch ein wenig länger zu bleiben oder für diesen Abend hierher zu fliegen. Ich dachte, wir hätten noch so viel Zeit – er wußte immer, daß uns fast ein Leben trennte, doch ich sah ihn niemals als alten Mann. Ich war so dermaßen naiv und verliebt ... ich hätte darauf achten und mich mehr um ihn kümmern müssen. Zum Glück haben wir nie ... ich hätte es mir niemals verzeihen können, wenn dies passiert wäre, wenn ..." Gianni stockte die Stimme, als er an diese Möglichkeit dachte und er schauerte sichtbar unter dieser Vorstellung. "Er war so voller Leben und Energie ... er leuchtete förmlich, wenn er malte, es schien von seinem Inneren direkt durch seine Hand auf die Leinwand zu fließen. Obwohl ich noch immer nicht weiß, was er an mir so besondes fand, daß er so beflügelt wurde. Glaubst du, er könnte noch leben, wenn ich nicht in die Galerie gegangen wäre ? Seit gestern Abend stelle ich mir immer wieder diese Frage."

Paul starrte Gianni total überfahren an, es brauchte scheinbar ewig, bis er alles soweit in seinen Kopf bekam. "Unsinn ! Das hatte jederzeit passieren können, selbst beim Malen hätte er plötzlich umfallen können. Diese verdammten Ärzte haben diese beschissene Thrombose nicht bemerkt !" Er schlug mit der Faust auf den Tisch und stand einen Augenblick später auf, um hin- und herzulaufen. Die Wut kochte wieder in ihm hoch, er hasste diese Quacksalber. "Du brauchst dir absolut keine Vorwürfe machen. Ich hätte da sein müssen. Und wegen dem da sein und kümmern ... Papa hatte dich geliebt, aber nicht so wie du ihn. Du warst für kurze Zeit sein Schützling, sein Sternenkind, seine Muse ... verdammt, du hast mit deiner naiven Art eine Wirkung wie ein Katzenbaby, das man beschützen will !"

Eigentlich hätte man meinen können, daß diese Worte zutiefst verletzend für Gianni sein müßten ... doch er lächelte nur wehmütig und nickte, stand auf und ging zu dem ein wenig Größeren, um ihm die Hand auf den rechten Unterarm zulegen und ihn somit sanft sowohl am Gehen wie auch am Rauchen zu hindern. "Ich weiß, daß ich für ihn nicht das war, was er mir bedeutete, Paul ... aber es tat so gut, davon zu träumen, seine Zuneigung zu fühlen. In dir ist soviel Wut, Paul – es ist nicht gut, daß du sie in dich einschließt, es frißt dich innerlich auf." Man hörte die Sorge Giannis ebenso gut, wie man sie in seinen Augen sah – auch wenn er den Anderen erst seit Gestern kannte, er fühlte nur zu gut mit ihm und konnte nicht dabei zusehen, wie dieser sich selbst marterte.

Doch Paul zog seinen Arm weg und wandte sich ab, um genau das zu tun, woran Gianni ihn hatte hindern wollen. "Du weißt nicht, wie ich mich fühle, also lass mich." Er verließ die Küche und verschwand etwas lauter in seinem Zimmer, um sich dort zu beruhigen.

"Besser, als du denkst, Paul ... aber ich verstehe dich." Die leisen Worte verhallten ungehört in der Küche und Gianni seufzte leise, ehe er sich daran machte, die Küche aufzuräumen und abzuwaschen. Ihm war klar, daß Paul Zeit brauchte .... viel Zeit und ebenso viel Ruhe, gerade weil die Gegenwart Giannis unerfreuliche Erinnerungen in ihm wecke.

}|{

Erst nach einiger Zeit kam Paul aus seinem Zimmer und verschwand dann gleich im Badezimmer. Er hatte sich erst beruhigen müssen und jetzt ließ er sich eine Wanne ein, um den Staub und den Ton abzuwaschen, der noch an seinen Händen und in seinen Haaren klebte. Giannis Gegenwart war nicht wirklich unerfreulich, sie hatte nur dafür gesorgt, daß Paul angefangen hatte über das zu sprechen, was in ihm vorging. Unbemerkt von ihm öffnete seine Mutter mit dem Hausschlüssel die Tür und trat leise ein. Sie wollte nach dem Rechten sehen, denn seit Henris Tod war ihr Sohn wie ausgetauscht.

In der Küche schreckte Gianni auf, als er den Hausschlüssel hörte und legte den Stift zur Seite, mit dem er gerade die interessant wirkenden Wohnungsangebote in der Zeitung angestrichen hatte. Doch noch ehe er aufstehen und nachsehen konnte, kam auch schon eine etwas ältere, zierliche, braunhaarige Frau in die Küche, die er nur zu gut von den Fotos kannte, die ihm Henri gezeigt hatte. Ein wenig errötend, stand der junge Italiener auf und neigte seinen Kopf, ehe er noch ein leises "Einen guten Morgen, Frau Claudel." wisperte und zögerlich die Hand zur Begrüßung ausstreckte.

Isabellee brauchte einen Moment, dann reichte sie Gianni die Hand. Aber sie sah ihn immer noch an, als wäre der junge Mann gerade eben aus dem Bild herausgestiegen. "Du bist Gianni, nicht wahr ?" fragte sie leise. Paul hatte gehört, daß seine Mutter gekommen war und stöhnte leise. Er hatte ihr gesagt, sie solle nicht so oft kommen, aber Nein, sie hörte nicht, dafür waren ihre Mutterinstinkte viel zu groß. Gerade wollte er rufen, daß er gleich kam, da fiel ihm ein, daß Gianni da war. "Mist, Gianni ist ja da !" Kurz entschlossen, blieb er im Bad und wollte es aussitzen.

"Ja, Frau Claudel ... ich bin wieder hier, ich dachte, ich könnte Henri besuchen. Es tut mir so leid, ich habe es erst Gestern von Paul erfahren, daß ... ich ... Paul bot mir an, daß ich zumindest für eine Weile hier wohnen kann, bis ich eine eigene Wohnung gefunden habe, in der ich auch meinem Beruf nachgehen kann." Gianni wußte nicht, wie er am Besten reagieren sollte ... schließlich war dies die Frau, mit der Henri ein Kind gezeugt und die er bis zum Schluß geliebt hatte. "Vielleicht möchten sie mit Paul reden ? Er ist noch im Bad, möchten sie einen Kaffee, während sie warten ?"

"Oh, ich werde ganz sicher mit ihm reden !" antwortete sie etwas lauter, so daß Paul in der Wanne zusammenzuckte. "Und ein Kaffee wäre mir sehr lieb, Gianni." Sie kam zu ihm und berührte seine leicht zitternde Hand, die die Kaffeekanne hielt. "Sei doch nicht so nervös, mon cher, ich weiß alles über dich und du brauchst dir keine Gedanken machen."

Die Berührung war ebenso sanft wie das Lächeln der älteren Frau und Gianni errötete leicht ... doch dann nickte er und lächelte verlegen, strich sich eine Locke hinter das Ohr und antwortete leise. "Und es macht ihnen nichts aus, Frau Claudel ? Sie sind sehr verständnisvoll, ich ... das ist unerwartet für mich, doch ich freue mich." Er beruhigte sich sichtbar und sein Lächeln vertiefte sich, als er eine Tasse nahmund ihr Kaffee einschenkte, sie dann an den Tisch stellte und nach Zucker oder Milch fragte.

"Beides Bitte." Sie setzte sich nun und wartete geduldig, bis Gianni ihr eingeschenkt hatte. "Es macht mir nichts aus. Henri und ich haben uns mit Verständnis und Liebe getrennt. Sicher war es anfangs für mich ein Schock, aber ich bin froh, dass er mir erzählte, dass er sich zu Männern hingezogen fühlte. Er hatte mich auch nie betrogen, weißt du, mon cher ? Erst, als ich ihn gehen ließ, hat er alles entdeckt. Und ich habe vor Längerem wieder geheiratet und eine Tochter. Unser Kontakt blieb immer sehr eng." Nebenher fiel ihr Blick auf die Zeitung mit den angestrichenen Anzeigen. "Und Paul hat dir angeboten, hier für eine Weile zu wohnen ?" Das erstaunte sie ein wenig, sie hätte es in seinem Zustand nicht wirklich von ihm erwartet, aber da brach wohl doch seine Erziehung durch.

Während sie sprach, schenkte ihr Gianni ein wenig Milch ein und gab Zucker in den Kaffee, bis sie kurz den Kopf schüttelte, setzte sich zu ihr an den Tisch und nickte leicht. "Ich war sehr blauäugig und naiv, weil ich dachte, daß ich vielleicht bei Henri bleiben könnte ... Paul hat mir in dieser Hinsicht schon ins Gewissen geredet. Wissen sie, ich hatte so oder so vor, aus Florenz wegzuziehen, um mir eine eigene Zukunft aufzubauen. Und Henri war der erste Mann, der mich zumindest ein wenig geliebt hat, deshalb entschloß ich mich, hierher zu kommen. Ich bin Paul sehr dankbar, daß er mich hier wohnen läßt, bis ich etwas Geeignetes gefunden habe, auch wenn es schwieriger wird als ich dachte. Ich brauche nicht viel Platz zum Wohnen, doch es ist schwer, etwas zu finden, wo ich mir eine kleine Werkstatt aufbauen kann." Bei dem Letzteren blickte er auf die Zeitung und die wenigen angestrichenen Anzeigen ... die Wohnungen, die darin angeboten wurden, würden eine horrende Miete kosten, doch er hatte keine andere Wahl.

"Henri hat dich sehr geliebt. Vielleicht nicht so wie du ihn, eher wie einen Sohn. Ich weiß, das klingt nicht sehr schön, aber es ist ein großes Kompliment. Und wegen der Wohnung ?" Isabellee zog die Zeitung zu sich und warf einen Blick auf die angestrichenen Anzeigen. Dann nahm sie die Zeitung auf und warf sie in den Mülleimer. "Ich rede kurz mit Paul." Sie zögerte nicht lange und stand auf. Paul beeilte sich, daß er aus der Wanne kam, doch gerade, als er aufstand und rauswollte, platzte Isabellee ins Badezimmer. Sie wusste, daß Paul nicht absperrte, er hatte es nicht mehr getan, seit Henri den Treppensturz gehabt hatte, es war aus Vorsicht, falls ihm mal etwas passierte. "Mama !" Paul schrie entsetzt auf, dann hörte man wie sie redeten und einige Minuten später kamen Isabellee und Paul, der sich ein Handtuch umgebunden hatte, wieder in die Küche. "Nu raus damit, Paul." Sie piekte ihn kurz in die Seite und Paul reagierte sogleich. "Du brauchst dir keine Wohnung suchen, du kannst hier zur Untermiete wohnen. Es ist genug Platz da."

Währenddessen war Gianni in der Küche geblieben und hatte sich damit beschäftigt, das Geschirr abzuwaschen, auch wenn er so oder so nichts verstanden hätte, da das Gespräch im Bad zu leise gewesen war. Doch die Worte Pauls überraschten ihn sichtlich, er errötete tief und senkte kurz den Blick, ehe er wieder ernster werdend zu den Beiden blickte. "Das ... ich danke dir für das Angebot, aber ich möchte dir nicht zur Last fallen, Paul. Ich hätte nichts zu ihnen sagen sollen, Frau Claudel, es war unhöflich, ich ... ich möchte nicht noch mehr Leid verursachen, als ich eh schon getan habe." Man konnte ihm nur zu gut ansehen, daß er sich die größten Vorwürfe machte, daß Paul jetzt durch seine Mutter gezwungen zu sein schien, ihn bei sich wohnen zu lassen.

"Wie oft denn noch ? Du hast dir gar nichts vorzuwerfen ... und ich hätte er früher oder später untervermietet, bei dir bin ich wenigstens sicher, daß du nichts kaputt machst oder unten in der Galerie herumstromerst." Das Erste hatte Paul unbedingt sagen müssen, es nervte ihn, daß Gianni dachte, er habe Schuld. Das zeigte seiner Mutter aber wieder mal, wie sehr ihr Sohn unter dem Tod seines Vaters litt. Aber vielleicht konnte Gianni etwas bewirken.

Der schluckte erst einmal bei dem Wutausbruch und nickte kurz, ehe er sich leise bedankte und zögerlich eine der Tassen aufnahm, um sie abzutrocknen. "Dann danke ich dir, daß du mich hierbleiben läßt, Paul. Möchtest du, daß ich dir einen Vertrag unterschreibe ? Und wie ist es mit Kaution und der Miete ? Ich kann dir je nach Höhe zwei oder drei Monate im voraus zahlen, wenn du willst ... ich weiß nicht, wie bald ich durch meinen Schmuck ein Einkommen haben werde." Das war ihm ein wenig peinlich, doch er konnte es nicht verschweigen und tat es deshalb auch nicht.

"Das ist mir klar mit dem Einkommen. Ich mach später einen Vertrag und vergiss diese dumme Kaution. Miete lege ich später fest." murmelte Paul und versuchte, sich aus den Fängen seiner Mutter zu befreien. Er wollte sich anziehen und sie entließ ihn dann gütigerweise doch endlich. "Er hat sich seit Henris Tot sehr verändert, er meint es nicht so, wenn er mürrisch ist."

Sacht lächelnd, nickte Gianni und trocknete die Tasse fertig, stellte sie an die Seite und kam zu der älteren Frau, nachdem Paul in sein Zimmer gegangen war. "Ich weiß ... in ihm ist soviel Schmerz und Wut. Er ist so zerrissen ... einerseits möchte er weglaufen und sich verstecken, um zu trauern, doch andererseits kann er diese Schwäche nicht zulassen sondern möchte kämpfen. Er beschützt sich vor sich selbst und dieser Kampf zerreißt ihn innerlich. Es wird noch eine lange Zeit dauern, bis er es verarbeiten kann, doch ich bin mir sicher, daß er es schafft. Und es macht mir nichts, wenn er wütend ist und mich anbrüllt ... machen sie sich keine Sorgen, Frau Claudel." Während er sprach, dachte der junge Silberschmied über seine Worte nach und eine Idee formte sich in seinen Gedanken ... eine Idee, die er vielleicht bald in Silber umsetzen würde.

Isabellee seufzte leise. "Er hat Henri aufgefunden, er kann das nicht verarbeiten. Auch weil er ihn schon bei dem Treppensturz gefunden hatte. Und jetzt findet er ihn tot auf, es ist sein größter Alptraum gewesen, Henri hätte schon bei dem Treppensturz tot sein können." Sie rang mit den Tränen und zog ein Stofftaschentuch aus ihrer Handtasche, um sich die Augen abzutupfen. "Die ersten Nächte nach seinem Tod hat er nicht schlafen können und selbst jetzt scheint er wenig zu schlafen, er ist so blass und abgespannt. Und er raucht wie ein Schlot, wenn ich mir die Aschenbecher so ansehe." Sie rümpfte ihre Nase, sie hatte die Aschenbecher gesehen, die in der Wohnung herumstanden.

"Ich weiß, ich muß sie wieder ausleeren. Und ja – er arbeitet nachts und er schläft schlecht, vor allem, wenn er auf der Couch einschläft. In dieser Hinsicht ist er wie Henri ... ich hoffe, daß alles sich zum Besseren hinwendet, Frau Claudel. Machen sie sich keine Sorgen, ich sehe zu, daß er sich nicht zu sehr vernachlässigt." Noch während er sprach, nahm Gianni den Mülleimer und begann, die Aschenbecher hineinzuleeren, eine Arbeit, die er noch von Zuhause gewohnt war und hier in seinem neuen Zuhause nicht vernachlässigen würde.

Eine Angewohnheit, die Isabellee sehr schätzte. "Ich werde dann gehen, mein Sohn ist bei dir ja in guten Händen. Und nenne mich ruhig Isabellee, ja ?" Die ältere Frau folgte dem Florentiner ins Wohnzimmer und steckte dort auch gleich die angebrochene Stange mit den Zigaretten in ihre Handtasche. Ein Päckchen hatte sie liegengelassen. "Er raucht zuviel ... und wegen dem Sofa, besser dort als gar nicht, Hm ?" Im nächsten Moment kam Paul auch schon wieder, er hatte sich angezogen und die Haare in einen Zopf gebunden. "Ich werde bald wieder vorbeischauen." Isabellee packte ihnen Sohn am Hemd und küsste ihn auf die Wange. "Sei nett zu Gianni." Er brummte nur und schon entschwand sie.

Dieser hatte es aber nicht gehört, da er weiterhin die Aschenbecher ausleerte und auch den anderen Müll in dem Eimer zusammensammelte, nachdem er sich mit einem leisen "Wie sie es wünschen, Isabellee." von ihr verabschiedet hatte. Doch er hatte sehr wohl gemerkt, daß sie die Zigaretten mitgenommen hatte und seufzte innerlich ... er konnte sich schon denken, daß dies zu Streß führen würde und ging zurück in die Küche, verknotete den Müllsack und tat einen einen Neuen hinein. "Ich bringe kurz den Müll runter, Paul ... ich bin gleich wieder da." Noch während er sprach, nahm er seinen Geldbeutel und winkte kurz, ehe er die Türe hinter sich schloß und die Treppe runterging, um den Müll in die passende Tonne zu werfen. Dann ging er schnell die Straße hinunter und in den Kiosk an der Ecke, kaufte eine Stange der Marke Pauls und ging leise summend wieder zurück.

}|{

 

Website Design Software NetObjects Fusion
Bar08
Bar08b