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“Blood and Silver” 06
 

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In der Lagerhalle knisterte es vor Anspannung. Die vier Russen liefen hin und wieder nervös auf und ab und warteten auf einen Anruf ihren Bosses. Falco war wach, er hatte nicht schlafen können. Er fror noch immer, seine Kleidung war nicht richtig trocken geworden, wie sollte sie auch, wenn es so kühl in der Halle war. Pinkeln musste er auch und so machte er doch auf sich aufmerksam und einer der Männer nahm ihm den Knebel aus dem Mund. "Ich muss mal." erklärte Falco müde und mit trockenem Mund. Er erntete jedoch nur ein "Piss dir in die Hose, Italiener !", bevor er den Knebel wieder in den Mund gestopft bekam und dann erneut einen Schlag ins Gesicht bekam, so daß sein rechtes Auge leicht zuschwoll. "Los, lass uns Karten spielen, bis der Boss anruft." Rief ein Anderer und so verschwanden alle an der Seite an einem kleinen Tisch und spielten Karten.

Die vergangenen Stunden hatte Lir mehr als nur gut genutzt ... es zahlte sich aus, wenn man hier und da gute Kontakte hatte und noch Gefallen, die man einfordern konnte. Und nun kniete er auf dem Dach eines der anderen Lagerhäuser, die dort am Hafen lagen – er hatte sehr schnell herausgefunden, wer der Kurierfahrer gewesen war und ihn innerhalb kürzester Zeit zum Reden gebracht ... schnell und sauber getötet, so wie es seine Art war. Danach hatte er noch einen kurzen Abstecher zu seiner Wohnung gemacht, um etwas Bestimmtes zu holen, ehe er zu dem Russen fuhr, der diese Entführung beauftragt hatte. Es war eine schnell erledigte Arbeit, sowohl ihn als auch seine Untergebenen zu töten ... lediglich die Hure, die der Boß bei sich gehabt hatte, lebte noch, um den Anderen hiervon zu erzählen. Und wie auch dort, so sprang Lir lautlos auf das Dach der Halle ... öffnete langsam eines der Oberlichter und nickte, als er die Russen an der Seite kartenspielen sah und unweit von ihnen, in einer dreckigen Wasserlache liegend, Falco. Eine kalte Hand schien das Innerste des jungen Killers zusammenzupressen bei dem Gedanken, was sie ihm angetan hatten ... doch dann stählte er sich selbst und seine Züge nahmen die Ruhe an, die er bei seinem Beruf immer trug. Langsam öffnete Lir die Linke und ließ die bisher darin geborgenen Kirschen- und Rosenblüten in die Halle rieseln ... ein sanfter Schauer vollkommer, roter Blüten, den Symbolen des Todes und des Blutes. Als die Russen verdutzt auf die Blüten sahen und sich lautstark wunderten, stieg der Rothaarige durch das Oberlicht ... ließ sich fallen, drehte seinen Körper in sanfter Eleganz und kam geschmeidig und lautlos auf dem Boden der Halle auf. Langsam erhob er sich und zog aus den Scheiden auf seinem Rücken zwei armlange, gerade und beidseitig geschliffene, asiatische Schwerter – das eher schwache Licht der Halle glitzerte auf den Gravuren der Klingen, die Rosenranken und chinesische Zeichen zeigten, ehe Lir unmerklich den Blick neigte, so seinen Respekt zeigte und dann wortlos zu ihnen kam, eingehüllt von den noch immer fallenden Blüten.

Falco bemerkte erst, daß was im Gange war, als die vier Männer von den Stühlen aufsprangen und diese mit lauten Geräuschen umkippten. Er öffnete sein Auge und sah erst verschwommen etwas im Licht, das vom Oberlicht kam. Eine Gestalt mit Schwertern, auf die Blüten rieselten. Als das Haar rötlich im Licht glänzte, erkannte er Lir erst und starrte ihn einfach nur an. Die Männer hatten rasch ihre Schusswaffen gezogen. Einer, der Anführer der Gruppe, machte sich davon und einer der drei Verbliebenen schoss, während die andern Zwei starr dastanden, die Waffen in den zitternden Händen, als wüssten sie, daß sie gleich sterben würden.

Als der Anführer sich aus dem Staub machte, warf der junge Killer in einer fließenden Bewegung das Schwert seiner Rechten hoch – zog noch in der Bewegung einen langen Dolch aus seinem Armschoner, warf ihn nach dem Fliehenden und fing das Schwert, während er der Kugel auswich, die ihren Weg in seinen Leib suchte. Seine Bewegungen waren schnell, doch so geschmeidig und fast fein, daß es wie ein Tanz wirkte, als er sich nun drehte und dem Ersten die schmale Klinge durch den Hals zog – ein zarter Regen blutroter Tropfen mischte sich mit den ebenso roten Blüten, die sich langsam senkten. Einen nach dem Anderen tötete Lir, schnell und sauber, doch ohne dabei eine der Blüten zu verletzen ... als es schließlich vorbei war, sah der Rothaarige mit den ruhigen, traurigen Augen auf die Männer, die noch im Tod erstaunt blickten, so, als ob sie es nicht begreifen könnten, daß ihnen ihre Kehlen keine Luft, ihre Adern kein Blut mehr geben konnten, die durchbohrten Herzen keine Kraft mehr hatten, zu schlagen. Langsam senkten sich die Kirschblüten auf die Leichen und bildeten eine zarte, vergängliche Decke des Todes ... die dunklen Rosenblüten, die zwischen ihnen lagen, überdeckten mit ihrem Duft jegliche andere Gerüche und untermalten dieses Gemälde der Vergänglichkeit noch. Nur langsam rührte sich Lir wieder und wischte seine Schwerter an der Kleidung eines der Toten ab – steckte sie in einer geschmeidigen Bewegung wieder in die Rückenscheiden, ehe er zu dem Mann ging, den er mit seinem Dolch sauber und gekonnt getötet hatte. Nachdem er die Klinge aus dessen Nacken gezogen hatte, säuberte er auch diese und seufzte leise ... stand dann auf und kam zu dem Gefesselten, ging neben ihm auf seine Knie und für einen kurzen Moment zeigte sich all der Schmerz und das Leid, das er empfand, Falco hier so sehen zu müssen – sich ihm so gezeigt zu haben. Doch dann fing er sich wieder und lächelte zögerlich ... schnitt Falco die Fesseln durch und steckte den Dolch ebenso geschmeidig, und ohne hinsehen zu müssen, in dessen Armscheide zurück. "Es ist vorüber, Falco ... es ist vorüber und dir wird nichts mehr geschehen." Leise, fast liebevolle, doch auch scheue Worte, die Lir wisperte ... allein der Blick des Entführten zeigte ihm, daß sich etwas verändert hatte, das eingetreten war, was der junge Killer seit einem Monat fürchtete.

Falco hatte alles starr angesehen. Lir war ein Killer, das konnte er nicht verkraften. Er liebte Jemanden, der Menschen umbrachte. Diese Liebe verblasste nun schlagartig, er konnte so einen Menschen nicht lieben. Wie Lir den Monat zuvor war, drängte er fast völlig zurück und so richtete er sich mit etwas Mühe ein Stück auf und kroch verängstig aus Lirs Reichweite. "Geh weg... Lass mich in Ruhe." hauchte Falco fast nur, sein Mund war zu trocken und der Schock saß zu tief, als daß er lauter werden konnte. Daß er weinte, bemerkte er gar nicht, die Tränen liefen ihm in unaufhaltsam über die blass gewordenen Wangen.

In dem Moment, als die Worte fielen, war es, als ob in dem Rothaarigen etwas zerbrechen würde ... langsam schloß er die Augen und nickte, stand auf und öffnete die Augen nur zögernd wieder. Aus den Seinen rann nur eine einzige Träne ... sie enthielt all den Schmerz, den Lir empfand, all die Liebe, die nun kein Gegenüber mehr fand und für einen Herzschlag sah man ihm diesem Schmerz und diese Liebe auch an. Dann versiegte es und machte Trauer Platz ... leise wehte ein "Du hast nichts mehr zu befürchten, Falco ..." zu ihm, ehe Lir sein Handy herausnahm und Angelo anrief, daß der Auftrag erledigt sei und Falco sicher, bat ihn, daß er ihn abholen würde, da Jener sich weigerte, auch nur in seine Nähe zu kommen und legte mit einem weiteren, leisen Seufzer auf, ehe er wieder zu dem Einäugigen sah. "Es tut mir leid, mein Falke ... es tut mir leid, daß ich dachte, daß ich dir ein Nest, eine Heimat hätte bieten können. Ich hätte wissen müssen, daß meine Dornen dich zu sehr ängstigen, so sehr, daß du meine Rosen nicht mehr siehst. Du bist frei, Falco ... frei, zu fliegen, ich halte dich nicht mehr." Man hörte seinen Schmerz und die Trauer auch in den Worten ... unbewußt hatte Lir seine Hand zu dem Anderen gehoben, doch er senkte sie wieder, ehe er unmerklich nickte und sich abwandte. "Sie sind sofort hier - dein Vater wird dich holen kommen, er kann dich besser beschützen als ich. Leb wohl." Mit diesen Worten verabschiedete sich der Rothaarige - nahm aus der Mantelinnentasche eine seiner langstieligen, schwarzen Rosen heraus, schnitt eine Haarsträhne ab und legte sie mitsamt der Rose neben den Verängstigten. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich wieder ab und verschwand, trat aus der Seitentüre der Halle und nickte, als der Wagen Angelos anhielt und Jener in die Halle lief, um seinen Sohn in die Arme zu ziehen.

Falco lag eher wie eine starre Puppe in den Armen seines Vaters, dieser Moment verging jedoch nach einigen Augenblicken und er ließ seinen Gefühlen freien Lauf und klammerte sich schluchzend an ihn. "Du hattest mir versprochen, daß nicht mehr passiert... Du hattest es versprochen."

"Bitte verzeih mir ... ich ... ich habe nicht damit gerechnet, daß sie sich nicht an den Codex halten. Ich werde mein Versprechen halten, mein Junge ... ich will nicht noch einmal Jemand verlieren, den ich liebe. Ich werde dafür sorgen, daß dir nichts mehr passiert - ich gebe dir eine neue Identität, Niemand soll mehr wissen, daß du mein Sohn bist. Sie alle sollen glauben, daß du gestorben bist, dann wird dir Niemand mehr folgen, Falco. Das verspreche ich dir." Leise Worte, in denen sowohl unendliche Freude wie auch leise Trauer schwangen ... Angelo hatte die Rose mit dem Haar gesehen und er wußte sie sehr wohl zu deuten - ebenso wie die Angst und die Tränen Falcos und auch die Tatsache, daß Lir nicht mehr hier war, ihn angerufen und gebeten hatte, Falco zu holen.

"Bitte mach das...Bitte...Ich ertrag das nicht mehr.. ich kann's nicht." Die Tränen rannen noch immer über Falcos Wangen und versickerten im feinen Stoff des Anzugs, den sein Vater trug. "Bitte bring mich heim....mir ist so kalt." bat er leise, er fror erbärmlich und sog regelrecht die Wärme auf, die sein Vater ausstrahlte. Robert war nun auch in die Halle gekommen, er hatte ein warme Decke aus dem Wagen mitgenommen und wartete nun etwas abseits. "Herr ?"

Mit einem unmerklichen Nicken nahm Angelo seinem Leibdiener die Decke ab und legte sie um Falco - hob ihn dann behutsam auf die Arme und wies Robert an, auch die Rose mitzunehmen, ehe er seinen Leuten befahl, alles zu bereinigen und es so darzustellen, als ob Falco hier ebenso gestorben sei. Die Männer nickten einfach nur und machten sich an die Arbeit - viele schauerten bei der schieren Perfektion, mit der die Russen getötet worden waren und trauten sich nicht, die Blüten zu berühren, die auf dem Boden ruhten. Die Ermittlungen würden ebenso bereinigt werden wie diese Halle, dafür würde Angelo sorgen - nach einem letzten Blick trug er seinen Sohn zu der draußen wartenden Limousine, stieg mit ihm ein und wartete nur, bis auch Rob eingestiegen und neben ihm Platz genommen hatte, ehe er dem Fahrer den Befehl gab, zu seinem Anwesen zu fahren. "Ich bringe dich zu mir, mein Sohn .... deine Wohnung ist nicht mehr sicher. Ich werde dafür sorgen, daß deine Sachen geholt werden und auch deine kleine Katze - dann verwischen wir auch hier alle Spuren und du kannst neu anfangen, in einem anderen Teil der Stadt, in dem ich dich auch beschützen kann."

"Danke, Vater." wisperte Falco nur, er kuschelte sich in die warme Decke und sah kurz zu Robert, der ihm aus einer Thermoskanne heißen Tee eingoss und ihm dann reichte. Rob hielt die Tasse mit fest, da Falco noch immer so sehr zitterte, daß er den Tee verschüttet hätte. "Vielleicht...kannst du noch ein Arzt holen.. Ich glaub, meine Rippen sind gebrochen." Er fühlte sie erst jetzt wirklich und Falco lehnte sich leicht an die anderes Seite, um die Rippen zu entlasten.

"Natürlich, mein Junge. Es wird alles gut werden ..." Leise und beruhigend wisperte Angelo zu seinem Sohn, während sie zu seinem Anwesen fuhren ... sobald sie angekommen waren, trug er Falco in das Zimmer neben dem Seinen, wies Robert an, sich darum zu kümmern, daß der Familienarzt gerufen wurde und die besprochenen Sachen in die Wege geleitet wurden. Erst dann schloß er die Türe und zog seine Jacke aus, setzte sich zu Falco ans Bett und strich ihm zärtlich durch die Haare. "Es wird alles gut werden ... Robert kümmert sich schon darum und regelt alles, was wichtig ist und der Arzt wird gleich kommen. Jetzt kannst du dich erholen ... von vorne anfangen, mein Junge. Und in Ruhe."

Falco schob die Hand beiseite, die durch sein Haar strich. Es lockte sich schon wieder, weil es nass geworden war und somit erlaubte er Niemanden, es zu berühren, wie er es schon so oft getan hatte. "Ich hoffe es... Ich hoffe, es ist das letzte Mal. Ich schaff das sonst nicht mehr." Er richtete sich wieder auf und hielt sich dabei die Rippen. "Ich muss nur mal...ich komme gleich wieder." Somit stand er vorsichtig wieder ganz auf und ging langsam zum Badezimmer. Nachdem er sich endlich erleichtert hatte, blieb er im Bad und glitt in einer Ecke an der Wand herab und schluchzte leise auf. Er musste an Lir denken, er sah es immer wieder vor sich, wie sein Geliebter die vier Männer tötete.

Angelo hatte es akzeptiert, daß sein Sohn en wenig allein sein wollte und war ihm nicht gefolgt ... doch als er das leise Schluchzen hörte, konnte er nicht anders und kam ihm nach, kniete sich neben ihn und nahm ihn behutsam in die Arme. Er ahnte, was in Falco vorging und seufzte leise ... ließ ihn eine Weile weinen und strich ihm sanft über den Rücken, ehe er schließlich leise zu ihm sprach. "Er hat es dir verschwiegen, weil er dich liebt, Falco ... ich habe es in seinen Augen sehen können, als er von mir erfuhr, weshalb er die Russen töten sollte. Er wollte niemals, daß du Angst vor ihm hast oder in diese Welt hineinkommst - er tarnt sich gut, es gibt nur Wenige, die von ihm wissen und Niemand wird sich an ihm rächen, denn er ist zu gut dazu und wird von allen gebraucht. Aber er ist nicht wie die Killer, die du kanntest ... Lir ist einer der Besten, doch er sucht sich seine Aufträge ganz genau aus. Er tötet niemals Unschuldige - nicht einmal, wenn sein Leben davon abhinge. Auch dich hat er versucht zu bewahren ... und er tut es noch immer, denn er hat sich von dir verabschiedet. Ich kenne diese Rose ... ich kannte schon seinen Ziehvater und ich habe es mit ansehen müssen, wie er sich verliebte und sie verließ, weil er sie nicht in Gefahr bringen wollte, sie zu sehr dafür liebte. Es tut mir so leid, Falco ... es tut mir alles so leid ....."

"Aber er tötet.... Du weißt, was ich davon halte....Ich wollte ihm heute Abend sagen, daß ich ihn liebe, aber ich kann es nicht mehr, ich kann's nicht über die Lippen bringen, es ist weg....und ich will ihn auch nicht wiedersehen." erwiderte der Jüngere leise und schmiegte sich wieder an Angelo heran.

Nur ein leises "Ich weiß ..." wispernd, hielt ihn der Ältere sanft an sich und gab ihm Halt und Trost ... es schmerzte ihn, Falco so zu sehen und dessen Worte zu hören, doch das Einzige, das er ihm geben konnte, war seine Nähe - ein Heim, bis er wieder gesund war und dann ein neues Leben. Erst, als sein Sohn sich wieder etwas beruhigt hatte, nahm ihn Angelo auf und trug ihn in das Zimmer zurück - nickte unmerklich, als Rob mit dem Arzt kam und verabschiedete sich von Falco, versprach ihm, am nächsten Morgen nach ihm zu sehen und verließ das Zimmer mit seinem Leibdiener. Erst, als sie wieder in seinem eigenen Gemach waren, seufzte Angelo leise - dann setzte er sich hin und erledigte die notwendigen Anrufe und Überweisungen, die ihm Rob schon vorbereitet hatte und als er schließlich fertig war, sah er zu dem Blonden und lächelte ein wenig wehmütig zu ihm. "Komm zu mir, Robert ... laß mich ein wenig vergessen, was es bedeutet, geliebte Menschen zu verlieren. Bitte."

"Wie ihr wünscht, Herr." antwortete Robert artig und kam dann langsam zu Angelo. Er trat hinter ihm und half ihm aus dem Jackett, das er ordentlich beiseite legte. Die Krawatte zog er ihm auch aus und legte sie dazu, bevor er von hinten herum die oberen Knöpfe des Hemdes öffnete und seine Finger hinein und zu den Schultern streichen ließ, um Angelo ein wenig Entspannung zu verschaffen, indem er ihn massierte.

Langsam schloß der Schwarzhaarige seine Augen und ebenso langsam begann er, sich zu entspannen ... nach einer Weile nickte er und drehte leicht den Kopf, lehnte ihn an den Roberts und wisperte leise zu ihm. "Komm ... gehen wir ins Bett, dort ist es einfacher für dich." Dann löste er sich langsam und zog die Schuhe und die Hose aus ... schlüpfte aus dem Hemd und seufzte leise, legte sich bäuchlings in das Bett und schloß die Augen, als er den Kopf auf die verschränkten Arme stützte. Der Tag war so anstrengend gewesen wie schon lange nichts mehr für Angelo - er fühlte die Last seines Alters in jeder Pore, gerade die Angst, auch noch Falco verlieren zu können, auch wenn er gewußt hatte, daß Lir ihn ihm zurückbringen würde.

Robert entkleidete sich gänzlich, einzig das Halsband, das Angelo ihm angelegt hatte, trug er noch. Er kam leise zum Bett und fing an, seinen Herren zu massieren. "Ich bin sicher, daß Falco nun auch noch unter dem Schutz von Lir steht. ...Und auch die Vorkehrungen werden ihn ab jetzt schützen, Herr." Er sprach leise, damit es ebenso beruhigte, wie die Massage.

"Ja, durch mich wird er geschützt - doch Lir hält sich raus, er wird aus seinem Leben gehen, damit Falco sicher ist. Und auch, weil er dessen Entscheidung respektiert ..." Man hörte heraus, daß es Angelo sehr beschäftigte, denn er hatte auch gesehen, wie tief die Gefühle der Beiden füreinander gewesen sein mußten. Doch dann schaltete er ab ... die Hände seines Leibdieners entspannten ihn weiter und ein leises Lächeln zeigte sich auf seinen Zügen, milderte die Last, die er auf sich fühlte und er wisperte ein leises "Komm zu mir, Robert ..." zu dem Blonden.

Robert gehorchte natürlich und inzwischen schon gern. Er legte sich zu Angelo und strich ihm über den Körper. Mehr tat er nicht, er gab Angelo nur die Nähe und Wärme, die er nun brauchte.

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Mit einem Einkaufszettel in der Hand und einem großen Korb am Arm, trottete Falco Richtung Markt. Er brauchte für sein Restaurant ein paar Kleinigkeiten. Er hatte endlich ein Eigenes und wohnte direkt darüber. Die Entführung und die Trennung von Lir hatte er noch immer nicht ganz verkraftet, er hatte sich in seine Arbeit gestürzt, das Restaurant ausgebaut, ebenso seine Wohnung und vor zwei Monaten hatte er das ,La Piccolo Cucina' [=die kleine Küche], geöffnet. Zuerst kamen Wenige, doch es wurden immer mehr Gäste, je mehr es sich herumsprach. Gute, italienische Küche für wenig Geld und trotz allem wurde man satt und das sehr schmackhaft. Offiziell galt er als verstorben. Er hatte seine eigene Todesanzeige in der Zeitung gelesen. Die kleine Beerdigung im engsten Kreise hatte er natürlich sausen lassen, was sollte er auch dort, ein leerer Sarg war beerdigt worden. Seine Freunde musste er auch aufgeben. Fabio vermisste er ein wenig und doch war es ihm eine Erleichterung. Er hatte ganz neu anfangen können. Eine Beziehung war für ihn bis jetzt undenkbar, er wollte nicht wieder enttäuscht werden oder Jemanden verlieren. Einzig ein bis zwei One-Nights hatte er sich gegönnt und die waren am nächsten Morgen immer verschwunden. Falco hatte sich gehen lassen in der Zeit, sein Haar war wieder schwarz, er trug es lockig und am Kinn trug er ein kleines Bärtchen. Ohne es groß bemerkt zu haben, fand er sich auf dem Markt wieder, er strebte sofort zu dem Gemüsestand, an dem er immer einkaufte und besorgte den frischen Knoblauch und einiges Anderes. Während der Verkäufer auswog, streifte sein Blick über den eher leeren Markt und dann blieb er an einem Blumenstand hängen. Seine Lippen presste er zu einem schmalen Strich aufeinander. Er sah Lir bei den Rosen stehen. Es war unverkennbar er, das Sonnelicht ließ sein schwarzes Haar rot aufschimmern.

Doch der junge Killer bemerkte ihn nicht - der angenehmen Frühsommerwärme wegen trug er nur ein weites, fast schwarzrotes Hemd, das einen tiefen Ausschnitt besaß ... dazu einen fessellangen, schwarzen Rock aus feinem Stoff, der glatt seine schlanken Hüften runterfiel und durch die langen Seitenschlitze die ebenso langen, schlanken Beine enthüllte. Einfache Sandalen, die er bis zum Knie hochgeschnürt hatte, rundeten sein Ensemble ab, ebenso wie eine kleine Tasche, die er um seine Taille gebunden hatte. Das lange Haar trug er offen und der Wind spielte immer wieder leicht damit, hielt es in Bewegung ... doch auch das bemerkte Lir nicht, als er die dunklen Rosen berührte, die dort in der Auslage standen und ihre duftende Herrlichkeit der hellen Sonne entgegenreckten. Dann zog er die Hand wieder weg und seufzte leise ... berührte einen kleinen Anhänger, der an einer hauchzarten Platinkette hing und drehte sich beim Betrachten der Rosen herum, so daß das Sonnenlicht darin glitzerte. Eine zarte, aus Platin gefertigte Rose, in derem Inneren zwei halbe Diamanten gefaßt waren, die so geschliffen waren, daß sie zusammen ein Ganzes bildeten, der Eine in einem fast schwarzen Rot, der Andere in einem sanften, weichen Gold. Dann war dieser Augenblick wieder vorbei, als er die Verkäuferin bat, eine der kleinen Miniröschen zu kaufen, ihr einen Geldschein gab und sich das kleine Töpfchen rausnahm, dessen Blüten in einem zarten, dunklen Rosa blühten. Mit der Minirose in der Hand ging Lir dann und setzte sich an einen nahen Brunnen ... betrachtete die Rose und lächelte wehmütig, ehe er über die hauchzarten Blüten strich und in seine Gedanken versank.

Falco wurde vom Verkäufer aus der Starre gerissen, er hatte Lir bis zum Brunnen hin beobachtet und jetzt drehte er sich um und zahlte die Rechnung. Seinen Korb hängte er sich wieder über den Arm und sah noch mal zu Lir. Er war wohl nicht der Einzige, denn viele Andere sahen auch zu dem schlanken Mann, der am Brunnen saß. Falco löste sich, zuckte dann aber zusammen, als sein letzter One-Night ihn wiedererkannt hatte und seinen Namen quer über den Markt schrie. "Falco !!!...Hey, Falco !!!!!!" Der blonde Mann winkte wie verrückt und kam näher. Falco hingegen würde gern verpuffen und neigte seinen Blick ein wenig, damit ihm die Locken ins Gesicht fielen. Warum musste Cody ihn gerade jetzt erkennen und wiedersehen wollen ?

Bei dem nicht zu überhörenden Rufen sah Lir ein wenig verwundert hoch und folgte dem Blick des wild winkenden Blonden .. als er schließlich sah, auf wen dieser zuging, erwachte ein leises, wehmütiges Lächeln auf seinen Lippen und den einen Herzschlag, den ihre Augen sich striffen, zeigte sich sowohl die leise Freude darüber, ihn wiederzusehen, wie auch der Schmerz, ihn verloren zu haben ... und dann neigte er sacht den Kopf und sah zu dem Blonden, der auf Falco zurannte und sein Lächeln wurde noch ein wenig melancholischer, denn er gönnte es dem jungen Italiener, sein Glück mit einem normalen Mann, einem, der keine Gefahr bedeutete, gefunden zu haben. Lir nutzte den Moment, den Falco abgelenkt war, als ihn der Blonde umarmte – stand auf und veschwand ungesehen in den den Menschen um sie herum, einzig die kleine Rose, die er gekauft hatte, stand noch immer an dem Brunnenrand und zeigte, daß dies kein Traum gewesen war.

Falco war so abgelenkt von Cody, daß er nicht bemerkte, wie Lir verschwand. Was der Blonde nun von ihm wollte, wusste er gar nicht, er laberte ihn voll und verschwand dann auch wieder so schnell, wie er gekommen war. Falco blieb wie immer allein zurück. Sein Blick schweifte zum Brunnen. Lir war weg und nur die kleine Rose war noch da. Er wandte sich ab zum Gehen, hielt dann aber inne und sah erneut zu der kleinen Rose. Die Rose mit dem Haar, die Lir ihm damals in der Lagerhalle zurückgelassen hatte, hatte er nicht angenommen. Sie war noch immer bei seinem Vater, der sie hütete, doch diese kleine Rose ?....Falco ging auf sie zu und setzte sich neben das zarte Pflänzchen. Zögernd pickte er das große Blütenplatt auf den Blättern und roch daran. Es war von den Rosen, die Lir züchtete. Seufzend entschloss er sich, er stellte die kleine Rose in seinen Korb und ging wieder zu seinem neuen Zuhause. Die Rose würde bei ihm sicher eingehen, er hatte schon früher kein Glück mit den Winzlingen. Die kleine Rose war ein Abschiedsgeschenk, das wusste er, aber wollte er diesen Abschied wirklich ?...Das, was er mit Lir erlebt hatte, dieser eine Monat, war eine der glücklichsten Zeiten in seinem Leben gewesen. Aber Lir tötete, für Geld. Aber er tötete nur bestimmte Menschen. Die Worte seines Onkels kamen ihm nun wieder in den Kopf, ebenso die von Lir. Er hatte sie damals in der Lagerhalle nicht deuten können. Ja, er war frei zu fliegen, er hatte ein eigenes, kleines Restaurant, eine neue Wohnung. Aber es fehlte etwas in seiner Freiheit, sein Nest war leer und kalt, er war allein. Allein... ein Wort das ihm Angst machte. Falco erschrak fast, als er merkte, daß er vor seinem Restaurant stand. Seufzend ging er hinein und hinauf in seine Wohnung, wo er sogleich von Molle begrüßt wurde. Wenigstens einer, der ihm das Gefühl nahm, daß er allein war. Um seinen Gefühlen nachzuhängen, hatte er nicht viel Zeit, die Küche machte gleich auf und er fütterte Molle nun nur noch und stellte die kleine Rose auf das Fensterbrett, bevor er hinabging und die frischen Lebensmittel in die Restaurantküche brachte. Die Hintertür öffnete er, so konnten die zwei angestellten Kellner hinein. Er stürzte sich wieder in seine Arbeit, es hatte ihm bisher gutgetan und er hatte so ein wenig vergessen können, doch Heute ging ihm Lir nicht aus dem Kopf.

Wie immer saß der Rothaarige in seinem Garten und hatte die Augen geschlossen ... die ersten Rosenknospen begannen schon, sich zu öffnen und die Kirschen standen noch in voller Blüte, da der Winter dieses Jahr besonders lang gewesen war und erst jetzt, im Juni, war es so warm, daß die Knospen erblühen konnten. Lir hörte das eifrige Summen der Bienen, die ein befreundeter Imker in dem obersten Penthouse des Nachbarhauses hütete ... die Kirschen in seinem Wintergarten bestäubte er selbst, doch hier auf der Terasse überließ er es gern den Bienen, dafür bekam er auch jedes Jahr ein Glas des herrlichen Kirschblütenhonigs geschenkt. Und wie jeden Tag und vor allem jede Nacht, seit diesem Vorfall, dachte der junge Killer an das, was er verloren hatte. Er hatte gewußt, daß es so kommen würde – gerade deshalb hatte er es ihm nicht gesagt, versucht, es geheimzuhalten und vielleicht hätte Falco es nie erfahren müssen, wenn er nicht entführt worden wäre. Doch dann schüttelte Lir unmerklich den Kopf und betrachtete die fallenden, dunkelrosanen Blüten, die der leichte Wind spielerisch aufnahm ... Kirschblüten, so vergänglich ... ebenso unstet und nur ein Traum, wie es auch die Liebe war, die der Rothaarige gegeben und empfangen hatte. Mit einem wehmütigen Lächeln kamen ihm die Worte seines Ziehvaters in den Sinn ... daß er selbst es schon erlebt habe, sein Herz einer jungen Frau geschenkt – doch auch sie scheute davor zurück, einen Killer zu heiraten und verließ ihn, und er ließ sie auch gehen, denn er liebte sie zu sehr, um sie zurückzuhalten. Erst jetzt verstand Lir die Worte und die Weisung, sein Herz niemals zu öffnen ... doch andererseits, was wäre sein Leben leer und kalt gewesen, wenn er nicht immer wieder ein wenig geliebt – den Monat mit Falco gehabt hätte ? Dieser Gedanke zauberte ein sanftes Lächeln auf seine Lippen und die Melancholie, die er all die letzten Monate verspürte, wurde ein wenig leichter ... vielleicht würde er einmal wieder in die Stadt gehen und ein wenig bummeln, um ein wenig auf andere Gedanken zu kommen.

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