“Kühne Forscher” 01
Das war ja eine tolle, internationale Expedition ! Da konnte man meinen, die hatten Ahnung, und dann passierte so etwas. "Gut, daß ich mitgekommen bin, wer weiß, was sonst noch passiert !" knurrte Reno wütend und packte seinen kleinen Bruder an der dicken Winterjacke. "Bleib bei mir, sonst gehst du mir in den Sturm auch noch verloren. Gut, daß ich mit war ... verflucht, diese Idioten !" Die Gruppe war von ihnen getrennt worden, und jetzt irrten sie Beide hier mitten am Arsch der Welt in einem Gebirge herum. "Das ist doch aufregend." erwiderte Blair und folgte dem Zug seines Bruders. Sich zu wehren hatte eh keinen Zweck - und Beide wussten, daß sie in dem Sturm nicht zum Basislager zurückfanden. "Pah ... aufregend ? Du bist lustig wie immer. Wir müssen einen Unterschlupf suchen, sonst erfrieren wir - und darauf habe ich keinen Bock." Daß sein Bruder mitging, war ja schon mal nicht schlecht, aber Reno ließ ihn nicht los, nicht, daß er den Wirbelwind doch noch im Schneegestöber verlor. "Ich weiß, daß wir was finden müssen, ich bin ja nicht dumm ... aber aufregend ist es trotzdem." Reno blieb stehen und ließ seinen kleinen Bruder los. "Gib mir das Seil." forderte er und der Kleinere tat, was er sagte, um ihm nächsten Moment das Seil um den Bauch gebunden zu bekommen, damit er nicht verloren ging. "So gehst du nicht verloren und ich hab beide Hände frei." Das andere Seilende verknotete er um seinen Bauch und schon stapfte er weiter und zog seinen kleinen Bruder hinterher.
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Einige Stunden von ihnen entfernt schlängelte Babuschko sich durch den tiefen Schnee und genoß den Sturm, der um seinen dunklen Körper fegte. Auch wenn er die heißen Quellen im Inneren seiner Höhle gerne auskostete, es lag in seiner wahren Natur, die Kälte und den Schnee um sich herum ebenso gern zu mögen und es sichtbar zu genießen. Die dichten Stürme boten auch die einzige wirkliche Chance für ihn, zu jagen ... denn dann bemerkten ihn die Pferde- oder Rentierherden nicht, da sie zu sehr damit beschäftigt waren, zu überleben. Und auch die Menschen, die manchmal hierherkamen, konnten ihn nicht entdecken, da der wirbelnde Schnee seinen blauschwarzen Körper gerade Nachts völlig unkenntlich machte. Babu ahnte nicht, daß erneut Menschen in diesen Teil Sibiriens gekommen waren ... und daß zwei von ihnen in dem Gebirge waren, in der auch seine Höhle lag. Babus Aufmerksamkeit lag einzig bei einer Herde Rentiere und der Tatsache, daß er zwei bis drei von ihnen erlegen mußte, damit er wieder für eine Weile frisches Fleisch hatte.
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Nach einer halben Stunde blieb Blair stehen und grinste breit. "Na bitte, ein Unterschlupf." Am Übergang von Gletscher zu Berg war ein Spalt im Gestein des Berges, der gut zwei Meter breit war. "Komm, wir kucken, ob es sich eignet - auf jeden Fall sind wir da nicht unmittelbar Wind und Schnee ausgeliefert." Der Braunhaarige wollte schon losmarschieren, da wurde er von einem Ruck an seinem Bauch aufgehalten. Reno war stehengeblieben und stoppte so den Tatendrang. "Ab jetzt gehe ich wieder vor." legte er fest und ging an seinem Bruder vorbei in die Höhle. Die Taschenlampe hatte er gleich gezückt und so tasteten sich die zwei langsam immer weiter in das Innerste der Höhle vor. Auch Blair hatte seine Taschenlampe angeschaltet und strahlte nur so vor sich hin. Diese Höhle war wirklich faszinierend, und hier und da schimmerten Adern aus blauem Gletschereis in den Spalten zwischen dem Gestein, bis sie an eine Stelle kamen, wo eine Seitenwand nur aus Gletscher bestand. Also blieb der Kleinere stehen und bremste seinen Bruder aus. "Warte doch mal ... kuck mal, da ist etwas im Eis." Seine Taschenlampe richtete sich auf das Eis und er stand mit offenem Mund da. "Ein Wollnashorn ! Das ist ja Wahnsinn, einfach irre ... los, halt die Taschenlampe drauf, das muss ich fotografieren." Reno gehorchte mit einem leisen Knurren und schon knipste sein Bruder das eingefrorene Wollnashorn.
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Währenddessen jagte Babu weiter und wußte nicht, daß zwei Menschen nicht nur in seine Höhle eingedrungen waren, sondern auch einen Teil seiner Vorräte entdeckt hatten. Denn der große Eisnagamischling lagerte in seiner Höhle Jahrtausende altes, durch damalige Unwetter eingefrorenes Fleisch: Mammuts, Wisente, Wollnashörner und manchmal auch Höhlenbären, die er in der Tundra oder in den Gletschern fand. Natürlich war dies nur der Vorrat für äußerste Notzeiten – denn das uralte Fleisch war zwar durch das ewige Eis noch frisch, doch es schmeckte längst nicht so gut wie frisch geschlagene Beute. Und das war auch der Grund, weshalb Babuschko zwei Rentiere erlegt hatte und nun einem Dritten nachstellte ... er hatte Hunger und wollte die Notvorräte nicht unbedingt anpacken.
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Als Blair genug Bilder geschossen hatte, zogen die zwei noch tiefer in die Höhle. Hier im Eis und in dem Gestein wurde es durch die natürliche Erdwärme langsam nicht mehr so klirrend kalt und Reno schob die Kapuze von seinem Kopf und nahm den Mundschutz ab. "Endlich wird's wärmer." Blair war froh und tat es seinem Bruder gleich. Beide trugen jetzt noch warme Mützen, aber das war auch immer noch notwendig. "Gehen wir noch tiefer rein ? Ich bin sicher, das eben war noch nicht alles ... merkst du es ? Vom Tunnel nach innen kommt es etwas wärmer hoch." Bis Blair eine Antwort bekam, wartete er nicht ab, er stapfte weiter und hörte nur das Seufzen seines Bruders. Nach zehn Minuten kamen sie erneut an eine Eiskammer und der Forscher verzog nachdenklich das Gesicht. "Das sind Mammut, Wollnashörner, Höhlenbären ... Rentiere ? Irgendwie ist das irre, aber auch seltsam." Im Eis lagen noch mehr Tiere, aber sie sahen nicht aus wie das erste Nashorn, sondern wirkten wie angeordnet. "Schaut aus wie ein Fleischlager." stellte Reno fest und lehnte sich an eine Wand an, um auf seinen Bruder zu warten, der wieder anfing, zu fotografieren und jetzt auch Notizen machte. ‚Das kann dauern.' Aber es war schön, ihm dabei zuzusehen.
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Einige Stunden später machte Babu sich endlich wieder auf den Weg zurück in seine Höhle. Zwei der Rentiere trug er auf seinen breiten Schultern und das dritte Rentier hielt er in einer Windung seines Schlangenkörpers ... doch trotz seiner mittlerweile jahrhundertelangen Erfahrung war es nicht leicht, wieder zurück zu seiner Höhle zu finden. Die Jagd hatte ihn sehr erschöpft und der Sturm wurde schlimmer, so daß er seine so oder so nicht sehr stark ausgeprägte Macht Eis und Schnee zu formen benutzen mußte, um zumindest ein wenig die Richtung zu erahnen. Erst, als er an den Ausläufern des Gebirges angekommen war, atmete Babu auf und rastete ein wenig ... doch dann stieg ihm der kaum mehr erahnbare Geruch von Menschen in die Nase und er stutzte.
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Der Forscher der beiden Menschen hatte sich in der Zwischenzeit ausgetobt, sie waren noch ein Stück weitergegangen und Blair blieb immer wieder stehen, weil er etwas neues im Eis fand. So zog sich alles ein Bisschen hin und Reno nahm zwischendurch einen Snack in Form von Päckchenessen, das sie als Notration dabei hatten. "Bist du bald fertig ? Wir sollten noch weitergehen, bis es noch etwas wärmer ist, damit wir gut schlafen können." Langsam klang er genervt und Blair reagierte darauf mit einem sanften Lächeln und einem Kuss. "Ich komme ja schon, aber es ist alles so aufregend." Er wusste genau, wie er Reno milde stimmen konnte, und es wirkte. "Ich weiß, aber wir haben doch noch Zeit, alles anzuschauen. Also los, ein Stück noch, Okay ?" Ein Nicken gab ihm Antwort und es ging noch weiter in die Höhle. Das Eis verschwand langsam aber sicher und irgendwie wurde es so warm, daß sie in der warmen Kleidung schwitzten. Kurzerhand wurden die Jacken ausgezogen und in den Rucksäcken verstaut, dann konnte es weiter gehen, da Leuchtmoose die Gänge erhellten. "Schon seltsam das ganze ... ziemlich seltsam." Letzteres sprach der Braunhaarige aus, als sie von dem Gang in eine große Höhle traten, die von heißen Quellen beheizt wurde. Hier und da lagen Felle, Hörner und irgendwie sah alles so aus wie ... "Eine Wohnhöhle ?" Blair war verzückt und Reno in Habacht-Stellung, das Ganze war ihm nicht ganz geheuer.
Und dieses Gefühl beschlich auch einen völlig Anderen: Je tiefer Babu in seine Höhle schlängelte, desto stärker wurde der Geruch nach Menschen und er legte schließlich seine Beute ab, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Irgendetwas war an diesen Menschen seltsam – er konnte Aufregung, Ungeduld, leichte Erregung und auch Adrenalin riechen, doch die Mischungen waren so seltsam, daß er einen Moment lang irritiert züngelte, einatmete und dann leise nieste. Zumindest einen Vorteil hatte er – sie konnten nicht raus, ohne an ihm vorbeizukommen, und so zögerte Babu auch nicht lange und kehrte an den Eingang zurück, konzentrierte sich und fing den Schnee des Sturms mit dem Eis des Gletschers, um den Eingang mit Stangen aus kopfdickem Eis zu versperren. Dann verschnaufte er ein wenig und wischte den Schweiß der Anstrengung von seiner Stirn, ehe er sich wieder umdrehte und nun langsam der Spur der Menschen folgte, die ihn tiefer in seine Höhle führte.
Und in der tobte Blair herum, um sich alles anzusehen. "Schau nur, diese Felle, sie sind wie ein Nest angeordnet. Und die Hörner ... und ..." Blair stand da und blickte an die Wand, weil dort etwas hing. "Menschenschädel ? Wie schön, schau nur, Blair." Renos Freude war mehr als nur ironisch und er wollte seinen Bruder gerade am Kragen packen und wieder rauszerren, als er vom Gang ein leises Niesen hörte. Beide starrten in den Gang und hörten ein leises, schabendes Geräusch, das langsam lauter wurde. "Bleib hinter mir." zischte Reno, sein Gesicht wurde mehr als ernst und er zog ein langes Messer.
"Hatschi !" Just in diesem Moment erklang ein weiteres Niesen, und es war schon viel näher als das zuvor. Völlig irritiert durch den andauernden Reiz in seiner Nase, lehnte Babu einen Moment an der Wand des Ganges und atmete zitternd ein – er kannte diesen Geruch, es war wie bei den Soldaten, die ihn früher gefangen und gequält hatten. Doch irgendwie war dieser Mann anders, er roch noch anders, so unerklärlich anders, daß dieser ungewohnte Reiz ihn immer wieder zum Niesen brachte. Erst, als es wieder ging, löste sich der große Nagamischling von der Wand und schluckte, ehe er weiterschlängelte und schließlich entsetzt auf die beiden Männer in seiner Wohnhöhle blickte. Noch nie zuvor waren Menschen hier in seiner Höhle gewesen – und vor allem nicht solche. Sie hatten nur Pullover und Schneehosen samt ihrer Stiefel an ... die Jacken und Rucksäcke lagen auf der Seite und der Größere der Beiden stand beschützend und mit einem Messer bewaffnet vor dem Kleineren, bedrohte Babu und sonderte diesen seltsamen Geruch aus, so daß der Nagamischling instinktiv laut auffauchte, mit dem Schweif zuschlug und noch im gleichen Moment nieste.
Und Reno flog - getroffen von dem Schweif - durch die Luft und stöhnte auf, als er an die Wand prallte und ihm davon die Luft aus der Lunge gedrückt wurde. Jetzt stand Blair ohne seinen Beschützer da, sein Mund stand kurz offen, seine Augen waren aufgerissen und ein leises "Oh, mein Gott, ist das geil !" entkam von seinen Lippen. "Die Legenden stimmen also ... oh, Mann !" Ein Stück weg von ihm hustete Reno, stürzte auf seinen Bruder zu und riss ihn zu sich, um ihn wieder zu schützen.
Der Ausruf des schlanken Brillenträgers hatte Babuschko sichtbar irritiert und so reagierte er erst wieder, als der Größere sich erneut zwischen sie stellte. Er kannte diese Sorte – ein Kämpfer, der auch sichtlich kampfbereit und nicht im Mindesten eingeschüchtert war ... und so ganz anders als dieser Schlankere, dessen Augen förmlich vor Neugier strahlten. Doch noch ehe Babu etwas tun konnte, nieste er wieder und fauchte schließlich laut, als er den Schweif um sich ringelte und die Arme spreizte, um mit den ebenso aufgestellten Kämmen seines Schweifes bedrohlicher zu wirken.
Blair und auch Reno sahen, daß es eine Verteidigungsposition war - was den Größeren der Brüder aber nicht hinderte, weiterhin schützend vor Blair zu stehen. Nur stand der plötzlich nicht mehr hinter, sondern vor ihm und ging auf das Schlangenwesen zu. "Hab keine Angst, wir wollen dir nichts Böses. Wir sind von einer Forschergruppe getrennt worden und haben hier Unterschlupf vor dem Schneesturm gesucht." Er ging offen auf den Naga zu und sein Gesicht war immer noch voller Neugierde. "Blair, geh nicht so dicht ran." Reno folgte seinem Bruder und zog ihn mit einem gezielten Griff wieder zu sich.
Der Nagamischling verstand nur einen Bruchteil von dem, was gesagt wurde – er erkannte, daß diese Beiden Amerikaner zu sein schienen, doch er konnte mehr als das durch den Geruch dieser Menschen erkennen. Dieser Bebrillte war neugierig und keine Gefahr ... doch der Andere war es, er schien es als seine Aufgabe anzusehen, diesen Anderen zu beschützen. Und als dieser Größere wieder dichter zu ihm kam, nieste Babu ein weiteres Mal und schlängelte von ihm weg, ehe er ein dunkles "Hör ... auf !" in gebrochenem Englisch hervorknurrte.
Ein Befehl, der Reno verblüffte, denn er wusste nicht, womit er aufhören sollte. Seinen geliebten Bruder wollte er ganz sicher auch weiterhin beschützen. "Womit soll ich aufhören ?" fragte er also mürrisch und er verzog sein Gesicht. Blair hingegen war total happy. "Du kannst uns verstehen ? Das ist irre ... was bist du ? Bist du das Wesen, von dem die Russen in den Dörfern reden ?" Das Ganze war so aufregend, daß ihm fast die Brille von der Nase rutschte.
Doch Babu hörte ihn fast nicht, da er von einem weiteren Niesanfall geschüttelt wurde und schließlich laut auffauchend vorschnellte, den großen Menschen am Kragen packte und ein weiteres Mal ein "Hör auf – aggressiv !" in dessen Gesicht brüllte, das sofort von einem weiteren Niesen abgebrochen wurde. Schwer keuchend, hielt sich der große Nagamischling die Nase zu und ließ dabei den Menschen wieder los, atmete keuchend ein und schüttelte sich, als er ein weiteres Niesen unterdrücken konnte.
Aber dann war ein leises Kichern zu hören, das langsam zu einem Lachen anschwoll. Reno brüllte aber gleich los. "Du bist eine Riesenschlange mit einem menschlichen Körper, da ist es doch kein Wunder, wenn ich kampfbereit bin !" Das Lachen ging im ersten Moment unter, aber nach seinen Worten drehte der Ältere sich zu seinem Bruder und sein Blick zeigte deutliches Missverstehen. "Das ist nicht lustig !"
Diesen Moment nutzte Babu und schlängelte an die andere Seite der Höhle, tauchte in das heiße Wasser und blieb einen Moment drin, ehe er wieder herauskam und die beiden diskutierenden Männer betrachtete. Er wurde aus den Beiden nicht schlau und blieb mißtrauisch, auch wenn es inzwischen besser wurde mit dem Niesreiz, da die Aggressivität des größeren Menschen sich gewandelt hatte.
"Doch es ist lustig ... er niest, wenn du so bist, wie du eben warst ... obwohl du mein Held bist." Das Letzte säuselte Blair und er machte eine Zuckerschnute und große Augen, um seinen Bruder wieder milde zu stimmen. "Ich wollte dich nur beschützen, da war nichts aggressives dabei. Du bist immer viel zu sorglos." Reno gestikulierte wild mit seinen Händen und stemmte sie schließlich in die Hüften. "Du bist und bleibst unverbesserlich." Daß der Naga sich inzwischen in Sicherheit gebracht hatte, bemerkten weder Reno noch Blair.
Babu sah den Beiden noch einige Momente lang zu, doch dann wurde ihm die laute Stimme des Großen und dessen Gestikulieren zu irritierend und er umschlang ihn mit seinem Schweif, fesselte ihn auf diese Weise und preßte die Haut seines Schweifkammes auf dessen Mund, um ihn zum Schweigen zu bringen. "Laut ... ZU laut !"
Daß Wehren zwecklos war, merkte Reno sofort. Die Windungen waren so dermaßen eng, daß man sich kaum bewegen konnte und er knurrte nur durch den verschlossenen Mund und starrte seinen Bruder mit glimmenden Augen an. "Bitte lass ihn los, er wird sonst wieder wütend." Blair ging vorsichtig auf den Nagamischling zu. "Bitte, er meint es nicht so. Reno ist halt etwas aufbrausend."
Zuerst antwortete dem schlanken Brillenträger nur ein erneutes, lautes Fauchen – doch als der Mensch ihn kurz mit einer schlanken Hand berührte, schrak Babu sichtbar zurück und ließ auch den bisher Gefangenen wieder frei, funkelte ihn aus wütenden Augen an und verengte sie kurz, ehe er den Blick wieder auf diesen neugierigen Menschen richtete. "Wieso ?! Sagen ... sonst ich fressen euch."
"Wieso was ? Was soll ich sagen ?" Blair verstand nicht ganz und zuckte zusammen, als Babu schon wieder nieste, weil Reno scheinbar wieder vorsichtiger wurde. "Reno, er hat nur Angst, er tut mir bestimmt nichts ... also bleib ruhig." Die Worte waren ruhig, aber der Blick seines Bruders ließ sogar Reno leicht zucken.
Und das war wiederum etwas, das den Nagamischling sichtbar verwirrte. Denn der deutlich größere und dominantere der Beiden gehorchte und grummelte nur leise, während dessen Aggression und damit dieser seltsam beißende Adrenalingeruch abnahm und damit auch der Niesreiz fühlbar wegfiel, so daß Badu unbewußt erleichtert aufatmete. "Wieso ... ihr hier ? Ihr mich töten wollt ?" Daß er diese Sprache nur so dürftig konnte, verärgerte den Schwarzhäutigen leicht ... doch er konnte nur einige Worte, die er in seiner Gefangenschaft von den Soldaten aufschnappte. Sie sprachen damals nicht russisch, sondern diese Sprache, da sie nicht wollten, daß er sie verstand ... ein Trugschluß, denn Badu war klug genug gewesen, um zumindest ein wenig der fremden Worte zu lernen.
"Nein, das wollen wir nicht. Und wir sind von einer Forschergruppe getrennt worden, ich bin Archäologe und Biologe. Ich erforsche alte, tote Tiere und auch lebende Tiere und Pflanzen. Und mein Bruder kam mit, um mich zu beschützen, weil hier viele Gefahren lauern." Blair erklärte leise und zeigte immer wieder, daß er nichts Böses wollte. "Wir wollten uns vor dem Schneesturm in Sicherheit bringen, und fanden zufällig den Tunnel und deine Höhle."
Babuschko verstand nicht einmal die Hälfte von dem, was der junge Forscher sagte – lediglich, daß er eben ein Gelehrter und dessen Bruder ein Krieger zu sein schien, sie bei anderen Menschen gewesen und nun durch den Schneesturm gezwungen waren, Schutz zu suchen. "Ihr bleiben, bis Sturm vorbei ? Dann gehen ?" Der Nagamischling hoffte, daß dies der Fall war – denn er wußte nicht, ob es ihm angenehm war, die Beiden hierzuhaben.
"Ganz genau." warf Reno ein, denn seinem Bruder sah man an, daß er lieber länger bleiben wollte. "Ich möchte aber noch länger bleiben ? Er ist so interessant." Blair wirbelte zu seinem Bruder herum und sah Reno flehend an. "Bitteeeee." bettelte er und der Schwarzhaarige seufzte. "Vielleicht will er das nicht ... hast du da mal dran gedacht ?"
Die Diskussion zwischen den beiden Brüdern irritierte Babu sichtbar - denn auch wenn es schon sehr lange her war, daß er in einer Familie leben konnte, so wußte er dennoch, daß die Beiden sich nicht gerade wie Brüder benahmen. Während die zwei noch immer beschäftigt waren, kam er langsam näher und züngelte leicht, ehe er noch ein wenig verwirrter fragte. "Ihr ... Brüder ? Und ihr ... Sex ? Ihr danach riechen."
Das brachte Beide dazu, sofort zu verstummen, und sie wirkten Beide etwas verlegen. "Halbbrüder ... und ja, wir haben auch Sex."gestand Blair, und lehnte sich an seinen Bruder, der fast noch röter auf den Wangen war, als er selber. "Wir lieben uns." stammelte Reno heraus und atmete kurz durch, bevor er ein etwas mürrisches "Was dagegen ?" anfügte.
Nun völlig verwirrt, blickte Babu auf den großen Schwarzhaarigen, der das Letzte gesagt hatte und legte langsam den Kopf schief, während er den langen Schlangenschweif ein wenig neben sich einringelte. "Halb...brüder ? Aber ihr wie ... verheiratet ? Und Nein - nichts dagegen, meine Väter auch Männer." Es verwirrte Babu nur, da er wußte, daß Menschen etwas gegen gleichgeschlechtliche Paare hatten - ein Umstand, den es in den beiden Rassen seiner Eltern nicht gab.
Reno rieb sich seinen Nacken und blickte zu Blair, der antworten sollte. "Wir lieben uns, und streiten uns halt auch hin und wieder. Aber wir sind eben auch Brüder. Es ist etwas kompliziert." So ganz genau erklären konnten sie es sich selber nicht genau.
Doch es genügte dem Nagamischling, denn er sah und roch auch, daß sie die Wahrheit sagten. Es genügte, daß er sich beruhigte und nickte, ehe er sacht zu lächeln begann und auf sein Felllager wies. "Ihr gut – hierbleiben, warm. Ich holen Fleisch, dann essen." Nun, da die Aggressivität des Schwarzhaarigen völlig verraucht war, sah Babu keine Gefahr mehr und neigte kurz den Kopf, ehe er sich wieder in den Gang und den Rentieren schlängelte, um zwei von ihnen ins Eis einzuschließen und von dem anderen Tier ein wenig Fleisch in die Wohnhöhle zu bringen, denn er erinnerte sich dumpf daran, daß seine Zieheltern ihn gelehrt hatten, daß man zu Gästen freundlich sein und sie bewirten mußte.
Zurück blieben die beiden Menschen, die dem Nagamischling nachblickten. Als Babu weg war, warf Blair sich seinem Bruder an den Hals und lachte aufgeregt. "Ein richtiger Naga ! Bitte lass uns etwas länger bleiben, bitte !" Er bettelte schon wieder leise und unterstrich das mit einigen sanften Küssen. "Ja, ja, ist gut. Aber nur, wenn er es auch will." Reno ließ sich wie so oft erweichen und erwiderte die Küsse.
Der Naga bekam noch mit, daß die beiden Menschen redeten ... doch sein Gehör war nicht so gut, daß er verstand, um was es ging, und so horchte er auch nicht weiter darauf, während er das eine Rentier zerlegte und den Rest mit den anderen beiden Rentieren in der Eiswand einfror.
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