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“Und es gibt sie doch !” 10
 

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Noch einige Tagesreisen von den beiden jungen Forschern entfernt, weit unten in der Erde, merkte ein schlanker und für seine Rasse junger Blauhäutiger auf und öffnete ein wenig seine durchscheinenden Schwingen, während er die völlig weißen, leicht blauschimmernden Augen zu der von einer riesigen Kristalldruse erhellten Decke der Höhle richtete, die seine Welt bildete. Wie der im zunehmenden Licht nurmehr erahnbare Morgennebel, fühlte Nele etwas am weitesten Rand seiner Seele, das so angenehm und warm war, wie nichts zuvor in seinem Leben. Doch noch ehe er dieses Gefühl näher erkunden konnte, war es wieder vergangen und der junge Geflügelte seufzte leise, als er sich wieder im heller werdenden Licht der Sonnenkristalle daran machte, aus den Stammfasern eines Riesenschachtelhalms einen Korb zu flechten.

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Am nächsten Morgen gähnte Chris und streckte sich wohlig, ehe er Luc kurz eng an sich drückte und dessen beruhigende und vertraute Nähe genoß. In der Nacht hatte der Rotblonde einige ziemlich merkwürdige Träume gehabt, doch nun brach der Morgen an und er wachte gewohnheitsgemäß auf, da er Morgens immer ein wenig trainierte und sich auch die Bartstoppeln abschaben wollte. "Morgen, Luc ... gut geschlafen ?"

"Hmmm, ja, sehr gut. Es war schön warm, und ich hab von den Geflügelten geträumt. Das erste Mal bisher, ich hoffe, es ist ein gutes Zeichen." Luc räkelte sich und knurrte dabei wohlig. "Ich steh gleich auf."

Nun doch ein wenig verwundert, hob Chris eine Braue und fragte seinen Freund. "Du hast von den Geflügelten geträumt ? Ich auch ... aber nur kurz, dann sah ich kurz die Nachtjäger und schließlich wechselte in meinem Traum die Höhle zu einem weiten Schneefeld, in dem wiederum einige kleine Berge mit kleinen Höhlen waren und in diesen Höhlen lebten die Schneemenschen. Denkst du, das hat etwas zu bedeuten ? Oder ist es nur die Aufregung, weil wir unserem Ziel so nahe sind ?"

"Ich weiß nicht. Ich vermute, es liegt an der Erwartung, die wir haben." Anders konnte er sich das jetzt nicht erklären. "Vielleicht wirklich ein gutes Zeichen." Lucius zuckte mit den Schultern und streckte sich nochmals, um dann aufzustehen, damit er ein warmes Frühstück zaubern konnte.

Ihm folgte der genießende Blick des Rotblonden, der es immer wieder gerne sah, wenn Luc seine inzwischen gut entwickelten Muskeln streckte. Gerade jetzt die Anstrengung dieser Reise machte sich in dieser Hinsicht gut bei ihm bemerkbar und die guten Anlagen, die dieser gehabt hatte, entwickelten sich wunderbar. Und da die Gelegenheit günstig war, griff Chris einfach zu und zog Luc an sich, küßte ihn sanft in den Nacken und wisperte schließlich leise an dessen Ohr. "Wenn du so weitermachst, kommst du erst viel später dazu, uns ein Frühstück zu machen ... denn dann vernasche ich dich als Frühstück, weil du nämlich viel besser schmeckst."

Luc lachte und erwiderte den Kuss. "Dann höre ich erstmal auf, ich will nämlich was Warmes in den Magen bekommen, und das ist nicht dein du weißt schon was." Sie hatten auch schon andere Praktiken ausprobiert und Chris wusste, was Luc meinte.

Jener grinste nur und lachte leise, ehe er seine Arme wieder löste und Luc aufstehen ließ. Dann gingen sie beide raus und erleichterten sich, wuschen sich mit ein wenig Schnee ab und gingen wieder zurück ins Zelt, um sich dort anzuziehen. Während Luc sich an ihr Frühstück machte, holte Chris sein Rasiermesser und einen kleinen Reisespiegel heraus, schabte sich die Stoppeln ab und nickte, denn während ihrer Reise konnte er keinen Seifenschaum verwenden. Doch hier war das Schaben genug und so wischte er die Klinge ab, legte sie samt den Spiegel auf den Schlafsack und lächelte, als sein Freund mit dem Tee fertig wurde und ihnen auch Brot und Schinken abgeschnitten hatte.

Ein einfaches, aber gutes Frühstück, das sie sättigte und durch den Tee wärmte. "Mal sehen, was wir Heute so entdecken. Ich kann es kaum erwarten, daß wir die Höhle finden. Hoffentlich ist sie noch da."

"Ich denke schon - auf den Höhlenmalereien ist sie verdammt groß gezeichnet und so etwas geht so schnell nicht kaputt. Ich denke, es ist das Beste, wenn wir das Lager hierlassen und ohne das Gepäck weitergehen - wir nehmen nur das Nötigste, so kommen wir schneller voran. Was meinst du ?" Es wäre eine gute Möglichkeit, ihre Umgebung auszuloten ... und sie mußten nicht jeden Tag das Lager aufs Neue errichten.

"Gute Idee. Aber wir sollten die Sachen nachholen, wenn es da eine gute Möglichkeit gibt, zu nächtigen. Also in der Höhle dann, wenn wir sie finden." Was er wirklich weiterhin hoffte, aber fürs Erste konnten sie das Lager hierlassen. "Ohne all das sind wir erstmal beweglicher."

"Sage ich doch." Chris grinste und nickte, ehe er aufaß und danach aufstand, um sich wieder anzuziehen. "Ich gehe schon raus und packe unsere Rucksäcke - in der Zwischenzeit kannst du dich auch fertigmachen." Dann trat er aus dem kleinen Zelt und ging leise pfeifend zu den Schlitten, um ihnen die Rucksäcke mit ein wenig Essen, Wasserflaschen, Seilen und einigen anderen Kleinigkeiten zu füllen.

Derweil zog Luc sich mollig warm an und kam hinaus. Er verzichtete vorerst noch auf eine Rasur, da sein Bartwuchs recht langsam war und nicht unbedingt täglich abgeschabt werden musste. "So, es kann losgehen. Ich kann es kaum erwarten." Dann schob er sich die Brille auf die Nase und nahm den Rucksack von dem Rotblonden an, um ihn zu schultern. "Ich glaube, für Elton wäre das wirklich nichts gewesen."

"Ja - der Arme wäre schon vor dem Gletscher zusammengebrochen, er hätte es niemals bis hierher geschafft. Leider, denn er versteht es, die besten Fotos zu machen, wir können es beide nicht so gut wie er. Nun, vielleicht geht es ja später einmal ... wenn wir ihn dazu bringen, auch ein wenig Sport zu machen und seinen Körper zu stärken." Einer der Gründe, weshalb Chris und Elton kein Paar geworden waren, war die Tatsache, daß der Blonde einfach zu schlank für Chris gewesen war ... doch wenn Chris nach ihrer Reise hier die Gelegenheit hatte, würde er schon dafür sorgen, daß sich das änderte. "Gut - laß uns noch das Feuer ausmachen und dann gehen wir, ich kann es kaum erwarten. Bis jetzt ist das Land hier noch völlig unentdeckt, alleine schon das jetzt ist einfach nur herrlich."

Das sah Lucius ebenso, es war aufregend, dies zu erkunden und er löschte das Feuer mit etwas Schnee, ehe sie sich endlich auf den Weg machten. Sie gingen dorthin, wo sie auf der Karte die Höhle ausmachen konnten. Zwar war es ein nicht unbeachtlicher Weg, aber dort war nun mal ihr Ziel. "Wie lange schätzt du, werden wir brauchen ?"

Chris schattete seine Augen ein wenig ab und verengte die Augen, als er die Entfernung zu den nur schwach erkennbaren, kleineren Bergen schätzte, auf die sie zusteuerten. "Mindestens fünf bis acht Stunden, Luc. Also werden wir es hinschaffen und uns kurz umsehen - dann kehren wir wieder zurück zum Lager, verbringen dort die Nacht und je nachdem, ob wir etwas finden oder nicht, werden wir Morgen weitersuchen oder das Lager abbrechen und bei der Höhle wieder aufbauen."

"Gut ... ich vertraue dir, was das angeht, voll und ganz." Mehr Informationen waren nicht nötig, und so folgte Lucius seinem Freund, denn es war leichter, wenn sie hintereinander gingen und sich abwechselten.

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Auf diese Weise vergingen die Stunden - nur einmal rasteten sie kurz und aßen etwas, ehe sie wieder weitergingen und auf die Berge zuhielten. Als die Mittagssonne schließlich am Höchsten stand, konnten sie schon mehr erkennen und nach einer weiteren Stunde hielt Chris inne, als er etwas entdeckte. "Hey, Luc - sieh doch mal ! Der eine Hügel da ein wenig in der Mitte, der ist dunkler ... könnte das eine Höhle sein ?"

"Was ? Moment." Lucius war vorbereitet und holte ein kleines Fernrohr hervor, zog es auf und blickte hindurch. "Oh, mein Gott ! Ja, das sieht aus wie eine Höhle ... ach Mist, beschlagen." Das Glas beschlug nach kurzer Zeit und Luc wischte es schnell ab. "Schau selber mal."

Nun doch sichtbar aufgeregt, nahm Chris das Fernrohr und blickte selbst hindurch, ehe er aufjuchzte und es Luc wiedergab. "Das ist auch eine Höhle ! Verdammt ... sicherlich, es kann jede beliebige Höhle sein und wenn wir Pech haben, schläft ein Bär darin. Aber ich will es wissen, und wenn ich dich so ansehe, dann würdest du am Liebsten gleich hinlaufen, Hm ? Na, dann los !"

"Sicher will ich, was denkst du denn ?" Luc lachte auf, und rannte los. "Ich bin Erster !" Ein Wettlauf würde gut tun, und es war bis jetzt nichts Gefährliches in Sicht.

Chris lachte und folgte ihm so schnell er konnte. Da der Schnee nurmehr vereinzelt in Senken lag, hatten sie die Schneeschuhe ausgezogen und konnten auf dem nur minimal angetauten Tundraboden gut laufen, so daß der Rotblonde ihn auch sehr schnell wieder einholte. Sie behielten das Tempo noch eine Weile bei, doch dann verlangsamten sie wieder und gingen normaler weiter, bis sie schließlich unterhalb der hohen Felsen ankamen. "Verdammt ... es ist tatsächlich eine riesige Höhle. Du hattest Recht, Luc - du hattest wirklich Recht !"

"Unglaublich!" Lucius jauchzte auf und sprang Chris vor Freude an den Hals, um ihn zu umarmen. "Sieh dir das an, sie ist so groß ... komm, lass uns reingehen, ja ?" Auch hier konnte er es kaum erwarten, er löste sich und ging langsam auf den Eingang zu. Nicht, daß doch ein Tier darin hauste.

"Warte - laß mich vor." Während Chris sprach, nahm er seinen Revolver heraus und spannte ihn, ehe er voranging und vorsichtig eintrat. Er merkte jedoch schnell, daß sie nichts zu befürchten hatten - denn nirgends konnte man tierische Fußspuren in dem Staub sehen, den der Wind jahrtausendelang hereingetragen hatte. "Hier ist nichts, Luc - sie ist einfach viel zu groß, Bären suchen sich kleinere Höhlen und andere Raubtiere, die Höhlen bewohnen, gibt es hier nicht. Verdammt, das ist fantastisch - siehst du diese Stalaktiten und Stalagmiten ?! Sie sind so alt, daß sie zusammengewachsen und so dick wie meine Schultern sind !"

"Ja, sie sind ja nicht zu übersehen ... oh, mein Gott, es ist unglaublich." Luc folgte weiter und zündete eine kleine Öllampe an, damit sie besser sehen konnten, wenn sie tiefer in die Höhle gingen. Weiter hinten konnte man schwach etwas schimmern sehen ... etwas, das Luc wohlbekannt vorkam, und er lief schneller. "Da sind Federn ... kleiner, aber sie leuchten auch ... wir haben sie gefunden !"

Chris konnte gar nicht so schnell gucken, wie sein Freund losrannte - doch als dieser etwas Handtellergroßes aufhob, das in dem wohlbekannten, hellen Blau zu leuchten begann, schluckte der Rotblonde und kam eilig näher. "Verdammt ... verdammt, tritt mich. Du hattest wirklich Recht - das ist wie die große Feder ! Fragt sich nur, wie alt sie ist und ob es mehr gibt. Mann, Luc ... du weißt schon, daß wir höchstwahrscheinlich die ersten Forscher sind, die wirklich eine Legende gefunden haben ? Wenn alles stimmt, dann müßte weiter hinten der Tunnel in die Tiefe sein, den dieser Steinzeitkrieger hinabgeklettert ist. Wir haben nur ein Seil, ich laufe und hole die anderen Seile aus den Rucksäcken !"

"Ist gut." Luc betrachtete die Feder und ging schon etwas weiter. Er war nun vorsichtiger, und das war gut, denn vor ihm klaffte plötzlich ein tiefes Loch. Ein Stalagmit wuchs dort hinab und Luc wagte sich vorsichtig weiter, um hinabsehen zu können. Als er über die Kante blickte, kam ihm ein leichter Wind entgegen, doch dann krachte es und der Fels unter seinen Füßen gab nach. Er stürzte nur wenige Meter, schlug dann auf einen Vorsprung und wurde durch den heftigen Schmerz ohnmächtig. So merkte er nicht, daß er eigentlich abprallte und von nun an weiter in die Tiefe stürzte.

Davon bekam Chris außerhalb der Höhle jedoch nichts mit, da er leise pfeifend damit beschäftigt war, die Seile aus den Rucksäcken zu holen. Er war so aufgeregt und beschäftigt, daß er auch nicht das fast nicht hörbare Knirschen von gefrorenem Moos unter einem Fuß hörte - doch das dunkle, wütende Knurren, das plötzlich erklang, hörte er schon und blickte mit einem instinktiven Schrei auf. Hinter und neben ihm standen Menschen - doch sie waren riesig und mit schneeweißem Fell bedeckt, und ehe er etwas tun konnte, wurde er schon durch einen kräftigen Hieb bewußtlos geschlagen. Woanders jedoch, tief in der Erde am Ende des langen Tunnelschachts, krümmte Nele sich leicht, als ein stechener Schmerz in seinem linken Bein und auch am Kopf erwachte. Es verging jedoch wieder und der Geflügelte blickte verdutzt auf sein unverletztes Bein - es war keine Wunde zu sehen, auch wenn noch immer ein leichter Schmerz spürbar war. Dies alles war so merkwürdig ... doch dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen und Nele sprang auf, rannte die Treppe aus Schachtelhalmbaumstammstücken hoch und stieß sich von der Plattform ab, die den Eingang zu seiner Wohnhöhle bildete. Endlich wußte er, was ihn die letzten Tage in seinen Träumen und auch jetzt so geplagt hatte - er spürte seinen Gefährten, und wie schon viele Generationen zuvor, war es ein Mensch aus der Welt oberhalb, der den Weg zu ihnen gefunden hatte. Doch der Schmerz sagte Nele, daß etwas passiert war und so flog er, so schnell ihn seine Flügel trugen, zu dem in der Decke der riesigen Höhle klaffenden Loch, flog direkt hinein und beschleunigte noch, da er das Schlimmste ahnte.

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