Balken01a


“Der Kuß des Winters” 01
 

Als sie in ihrem Streifenwagen die Straße entlangfuhren, die in das verfluchte Tal führte, schauderte Alwin kurz und seufzte schließlich leise, als sein Blick auf den sich verdunkelnden Himmel fiel. "Verdammt, Tony ... ein jedes Mal, wenn wir durch das Tal fahren, kriege ich Gänsehaut. Ich weiß, daß es nur Legenden sind, aber der Himmel gefällt mir nicht - es zieht immer weiter zu und es ist Vollmond, du weißt, was man sagt." Ein jeder Einwohner der kleinen Stadt Hillstown, die eine halbe Stunde Autofahrt entfernt lag, wußte von Legenden über die Eishexe ... und auch von dem Eisdämon, der in den Vollmondnächten Männer tötete, die an der Brücke in dem kleinen Tal hielten und entweder eine Nummer mit ihren Freundinnen schoben, oder einfach nur rasteten. Seit den fünfziger Jahren passierten immer wieder Morde - und alle Opfer hatten vier Gemeinsamkeiten: Sie waren zwischen siebzehn und vierzig Jahre, männlich, starben an Unterkühlung und die Leichen blieben selbst Tage nach dem Auffinden gefroren. Niemand wußte, wie das passieren konnte und deshalb wurden die Vorfälle bisher immer unter den Teppich gekehrt und die Todesursachen verschwiegen oder geändert ... und Alwin hoffte, daß sie keinen dieser Morde mehr erleben würden, da der neue Sheriff aus der Stadt viel genauer war und schon jetzt viel zu viele Fragen stellte.

Tony war schon länger dabei, und hatte schon viel mehr von den Leichen gesehen als Alwin. Er grummelte leise und atmete tief durch, als vor ihnen ein dichter Nebel auftauchte. „Verdammt ! Jetzt hast du es beschrien.“ Da er es kannte, wußte er auch daß diese Nebel immer auftauchten, wenn es sehr plötzlich abkühlte und er bremste langsam, weil die Brücke auch anfing rutschig zu werden. Oft gefror der Nebel dort, wo die verfluchte Stelle war und Toni machte sich darauf gefaßt, eine Leiche zu finden.

Ein leises "Oh, shit ..." murmelnd, schluckte Alwin schwer, als auch er den immer dichter werdenden Nebel sah - denn auch er wußte, daß es an den Tatorten immer dichten Nebel gab, der sich nur langsam wieder verzog. Und wie befürchtet, sahen sie einen Truck an der Raststelle bei der Brücke und er schluckte erneut, als Tony langsamer wurde und schließlich bei dem Truck anhielt. "Steigst du aus ? Oder soll ich ?"

„Bleib sitzen, du machst dir eh gleich in die Hose.“ Toni war schon etwas abgehärtet, was diese Tatorte anging, und er stoppte den Wagen und stieg mit einem „Gib über Funk Bescheid.“ aus und schaltete seine Taschenlampe an. Seine Hand lag wie gewohnt an der Waffe, auch wenn er wußte, daß es  nie einen Angreifer gegeben hatte. Als er um den Truck herumgelaufen war, stockte ihm kurz der Atem. Auch wenn er schon viele der Leichen gesehen hatte, an den Anblick gewöhnte er sich wohl nicht mehr. „Wir haben wieder einen Toten.“ Er funkte in den Wagen und fröstelte leicht, da die neblige Luft eiskalt war.

Alwin redete gerade mit der Zentrale, als er die Nachricht seines Vorgesetzten bekam und sofort verstummte. Dann fluchte er kurz und schluckte, ehe er wieder sprach. "Bessy - wir haben einen weiteren Toten im Tal bei der Brücke. Ich weiß noch nichts genaues, aber Tony hat es gerade durchgegeben. Ich gehe zu ihm und helfe ihm, und sage dir dann Bescheid."

„Was ? Nicht schon wieder. Nimm ne Jacke mit, Jungchen.“ Bessy wußte auch von Erzählungen, wie kalt es war, und sagte Alwin deswegen gleich Bescheid. Tony leuchtete derweil die Umgebung ab und wie erwartet, war absolut nichts zu finden ... wie immer. Als er die Schritte des jungen Partners hörte, leuchtet er in dessen Richtung. „Wie immer hier ... keine Spuren. Ich bin gespannt, was der neue Boß dazu sagen wird.“

"Ehrlich ? Er wird natürlich gleich alles weitertratschen, und wir bekommen noch Besuch von den Idioten aus der Stadt. Der alte Sheriff wußte schon, wieso er es nicht weitermeldete - wenn wir jetzt wieder eine tiefgefrorene Leiche finden, dann sind wir alle im Eimer." Dann nahm Alwin vorsichtshalber seine Pistole heraus und entsicherte sie, leuchtete seinem Kollegen und deckte ihn, als dieser die Türe des Trucks öffnete.

„Wir werden eine finden, die Scheiben sind schon von innen gefroren.“ murmelte Toni beim Öffnen der Tür und zuckte leicht zusammen, als er die sitzende Leiche erblickte. Der Mann hatte weit aufgerissene Augen und wirkte, als hätte er einen Geist gesehen. „Ich werde mich nie an den Anblick gewöhnen ... nicht anfassen, sonst fällt er auseinander, oder deine Finger bleiben dran kleben.“ Beides war schon Kollegen passiert, denn die Leiche war absolut schockgefrostet.

"Ich weiß - wie wenn du Tiefkühleis anfaßt. Ich rühre die Leiche garantiert nicht an, ich weiß noch wie heute, wie man Barry den Finger amputieren mußte, weil er ebenfalls gefror. Weißt du, was schon seltsam ist ? Nur, wenn sie so frisch wie jetzt sind, geben die Leichen die Kälte weiter ... später bleiben sie nur kalt, aber die Leichenbeschauer haben keine Probleme mehr damit, sich anzustecken. Verdammt, ich fasse es nicht - ausgerechnet heute." Dann seufzte Alwin und ging zum Auto zurück, da außer dem Fahrer Niemand in der Kabine war und erstattete Bericht, während Tony schon einmal damit begann, den Platz abzusichern. Es lohnte sich nicht, nur zu zweit die Gegend zu durchsuchen - denn unter dem Laster war nicht gewesen und auf der anderen Seite gab es nur den Abgrund zu dem fast gefrorenen Fluß, in dem der Mörder sich nicht verstecken konnte.

 

}|{

 

Tony seufzte laut als er sah, wie eine ganze Kavallerie auf der Brücke beim Tatort auftauchte. Der neue Sheriff hatte den Vorfall tatsächlich an das FBI gegeben, und auch noch die ganzen alten Fälle ausgegraben. „Oh Mann, das kann ja was werden ...“ murmelte der Polizist und schon kamen zwei FBI-Leute auf ihn zu, damit er ihnen alles, was er gesehen hatte, berichten konnte. Jetzt war es aus mit der Beschaulichkeit der Stadt, denn auch die Presse hatte Wind von der Geschichte bekommen.

Und gerade das war der Grund, weshalb Bane den hiesigen Sheriff mit einem mehr als nur wütenden Blick musterte und ihn schließlich zusammenstauchte. "Ich habe gelesen, daß sie noch ein Greenhorn sind und nach nur zehn Jahren Dienstzeit in dieses Kaff versetzt wurden - aber bei Gott, wie kamen sie nur auf die hundsblöde Idee, daß es gut wäre, die Presse einzuschalten ?!!! Es war mehr als nur richtig, daß sie den Fall an das FBI meldeten, damit wir uns darum kümmern können ... aber bevor wir auch nur ansatzweise dazu in der Lage sind, müssen wir uns erst um die Geier und Haie der Presse kümmern !!! Sie können froh sein, wenn man ihnen ihren Posten läßt und sie nicht zu einem gewöhnlichen Streifenpolizisten degradiert - und wenn sie nicht endlich kooperieren, dann werde ich das auf jeden Fall in meinem Bericht empfehlen !!" Mit seinen siebenundzwanzig Jahren war Bane Clarke nicht nur schon ein Veteran bei den blauen Jägern und hatte sich dort den Titel eines Sankt verdient, sondern konnte auch in den Rängen des FBI soweit aufsteigen, daß er und ein anderer Jäger die Abteilung für die ungewöhnlichen Fälle bekamen. Shane blieb in der Zentrale bei den Akten ... und Bane ging den Fällen nach, da er der bessere Jäger und mehr als nur erfahren im Kampf war. Und genau diese Erfahrung und die damit verbundene Sicherheit und Härte ließ er nun direkt auf den Sheriff einwirken, der sichtbar von dem zwar jüngeren, doch mit seinen ein Meter einundneunzig über eine Handbreit größeren, und wesentlich stärkeren Mann eingeschüchtert war. "Haben wir uns verstanden, Sheriff McAnnes ?!" Der Sheriff zuckte nur erneut zusammen und nickte heftig, ehe er sich in den Wagen setzte und erst einmal ruhig blieb. Bane schnaubte nur und verengte die Augen, ließ den Blick über die Absperrung streichen und nickte, als er sah, daß seine als FBI-Leute getarnten Jäger den Tatort sicherten, und die ersten Presseleute ruhig aber bestimmt hinter die weit vom Tatort errichtete Barriere drängten. Erst jetzt ging er zu dem Truck und sah dabei zu, wie die beiden Gerichtsmediziner hinter einer mobilen Barriere mit besonders dicken Handschuhen den noch immer gefrorenen Trucker aus der Fahrzeugkabine hoben und ihn so vor den Augen der Presse verdeckt auf die Bare legten. Dabei fiel dem schwarzhaarigen Jäger auf, daß sie es scheinbar schon gewohnt waren und nickte innerlich, denn die Jäger waren es gewohnt, daß die Leute auf dem Land diese unerklärlichen Fälle lieber verschwiegen und höchstenfalls Legenden darum bildeten, so wie es hier der Fall war. Die Legende der Eishexe des Simmersontales war schon sehr alt ... und es gab immer wieder Gerüchte, daß sie sich Golems oder Diener schuf. Doch nur die Jäger wußten, daß es keine Legenden waren - und deshalb war er nun hier, damit er diese Hexe und ihre Diener vernichten konnte. Aber das durfte Niemand hier erfahren, deshalb waren er und seine Leute unter dem Deckmantel des FBI hier und ermittelten gegen einen vermeintlichen Serienkiller, der schon seit Jahrzehnten sein Unwesen trieb.

Tony hatte gut mitbekommen, wie der Sherriff zusammengestaucht worden war und schluckte leicht, als Bane auf ihn zukam. Er war zum Glück auf Augenhöhe und dadurch, daß Tony schon älter war, wußte er auch mit solchen Männern umzugehen. Der Blick von Bane sagte ihm schon, daß er einen Bericht haben wollte, und Tony hatte die Mappe mit seinem Bericht auch schon in der Hand. „Hier ist der aktuelle Bericht, Sir. Wenn sie noch Fragen zu den älteren Fällen haben, ich bin mit einer der Dienstältesten hier.“

"Danke - man merkt, daß sie Erfahrung haben und ihren Dienst ernst nehmen." Bane wußte die Art des älteren Polizisten zu schätzen und nickte ihm dankbar zu, als er ihm die Mappe abnahm. "Sie haben mit ihrem Kollegen das neueste Opfer dieses Serienmörders entdeckt ? Bitte erzählen sie mir alles, das dem Fund vorausging, damit ich mir ein genaues Bild machen kann." Es tat gut, neben der Inkompetenz des Sheriffs einem erfahrenen Polizisten zu haben und Bane zeigte das auch, indem er sich ein wenig entspannte und auch die Härte aus seinem Blick nahm.

Tony entspannte sich auch deutlich ... er mochte das FBI eigentlich nicht, aber er wußte besser damit umzugehen. „Es ist immer ähnlich. In etwa seit den fünfziger Jahren passiert das immer wieder. Im Sommer zieht Nebel auf, und je näher man dieser Stelle hier kommt, umso kälter scheint es zu werden. Im Herbst gefriert dann auch schon der Nebel, und fällt zu Boden.  Im Winter ist es dann extrem kalt hier und es liegt Schnee, auch wenn mal kein Schnee gefallen ist. Die Opfer sind immer wie schockgefrostet, als wenn man sie in flüssigen Stickstoff getaucht hat.“ Toni pausierte nur einen Moment, dann sprach er weiter. „Wir haben nie etwas gefunden, womit das verursacht werden könnte. Oft erwischt es Trucker ... hin und wieder auch junge Männer, die hier als Mutprobe herkommen. Frauen hat es bisher niemals erwischt. Die Leichen kann man nach dem Fund auch nicht gleich anfassen, ein Kollege hat deswegen einige Finger verloren. Bewegen ist auch jetzt erst möglich, weil die Toten wie Glas zerspringen können.“

Als er das hörte, verengte Bane kurz die Augen, ehe er nickte und nachdenklich durch die Berichte blätterte. "Niemals eine Frau - sie überlebten auch oft die Anschläge und beschrieben den Täter. Aber um ehrlich zu sein, diese Beschreibungen können nicht wahr sein ... der Täter muß eine Maske tragen oder die Frauen einem Halluzinogen ausgesetzt haben, denn es gibt keine Männer mit weißer, glitzernder Haut, eisblauen Augen und bläulichen Haaren." Innerlich fluchte Bane jedoch ... denn er wußte ganz genau, daß es solche Lebewesen gab und auch, daß er ihn vernichten mußte.

„Ja, das ist es ja eben. Der alte Sherriff hat es deswegen immer verschwiegen, damit hier keiner als verrückt abgestempelt wird, und er ist auch etwas verbohrt. Ich bin jetzt zwar auch nicht begeistert, daß hier so viel los ist aber ich denke, es ist vielleicht doch mal gut, daß hier aufgeräumt wird.“ Tony gab es ungern zu, aber es war vielleicht wirklich mal ganz gut soweit.

"Vielleicht - aber die Presse hätten wir garantiert nicht gebraucht." Gerade das ärgerte Bane am Meisten und er fluchte kurz, ehe er einen seiner Leute herwinkte und ihm die Aufgabe übertrug, die Pressegeier mit dem Versprechen eines Interviews am nächsten Morgen abzuspeisen und zu beruhigen. "Ich werde Morgen eine kurze Pressekonferenz mit dem Sheriff halten und den Geiern den Wind aus den Segeln nehmen ... in der Zwischenzeit regeln meine Leute alles, und ihre Leute helfen uns einfach. Wir beide fahren mit den Gerichtsmedizinern mit und sehen uns die Leiche des Opfers genau an, und vielleicht gibt es ja andere Hinweise im Truck, gehen wir."

„Natürlich ...“ Tony folgte zu dem Truck, wo auch schon die FBI-Ermittler herumwuselten und nochmal nach Spuren suchten. Daß einer von ihnen etwas einsteckte, hatte er bisher nicht mitbekommen. Ebensowenig bemerkte er den kurzen Blick zu Bane, der unauffällig zeigte, daß sie etwas gefunden hatten.

Der junge Sankt nickte auch unauffällig und widmete sich dann wieder Tony, der nochmal erklärte, wie sie den Toten gefunden hatten. Am Wagen angekommen, blickte Bane hinein und lächelte innerlich, als er sah, daß seine Leute unter dem Sitz etwas plaziert hatten und neigte sich ein wenig vor, hob den Teppich an und wisperte ein hartes "Ha - ich glaube, wir haben etwas !", als er eine schlanke, noch immer leicht gefrorene Metallröhre aufdeckte. Natürlich war sofort einer seiner Männer mit einer Plastiktüte, einer großen Pinzette und einer Kamera zur Stelle, als Bane zurücktrat, fotografierte den Fund und tütete ihn vorsichtig ein, ehe er ihn zu dem Wagen der FBI-Leute brachte. "Sehen sie, Tony ? Diese Röhre könnte ein Teil der Vorrichtung sein, mit der der Killer den Opfern das flüssige Gas einflößt - ich hoffe es, denn dann haben wir eine Spur !"

Daß gerade jetzt so etwas gefunden wurde, überraschte Tony nicht, er wirkte eher erleichtert. „Es wäre das erste mal, daß der Täter etwas zurückläßt. Wir haben bisher nie etwas gefunden.“ Zumindest er, wie gründlich seine Kollegen nachgesehen hatten, wußte er nicht. „Es war doch ganz gut, euch jetzt einzuschalten, sonst würde das vielleicht noch ewig so weitergehen ... es wird Zeit, daß Ruhe in unserem Städtchen eintritt.“

"Ich denke, daß es passierte, als ihr hergefahren seit - es sieht so aus, als ob es herabfiel und unter den Sitz rollte, als er übereilt verschwinden mußte. Und ja, es war gut, uns einzuschalten ... und ich schwöre dir, wir werden dafür sorgen daß das aufhört, und ihr alle hier endlich Ruhe bekommt." Man sah mehr als nur gut an dem aus den kälter werdenden, hellgrünen Augen Banes leuchtendem Ernst, daß in ihm das Feuer der Blauen Jäger schwelte - denn er hatte geschworen, die unnatürlichen Wesen aus dieser Welt zu tilgen, und das würde er auch hier tun. "Verlassen sie sich auf mich und meine Männer - wir werden das lösen."

Diese Entschlossenheit in den Augen von Bane steckte an und Tony ballte seine Faust. „Ich danke ihnen ... und ich helfe, wo ich kann.“ Da sie jetzt am Tatort fertig waren, machten sie sich auf den Weg zum Auto, damit sie zur Leichenhalle fahren konnten. „Möchten sie noch Akten sehen, die vor den Vorfällen anfingen ? Es wurde damals ein Teenager vermißt gemeldet, vielleicht war er schon eines der ersten Opfer.“

"Es gab eine Vermißtenmeldung ? Ja, die Akte will ich sehen und auch die anderen Akten, sie wurden mir bisher noch nicht gegeben." Gerade das war interessant - vielleicht bestand ein Zusammenhang mit dem Eisgeist, denn oft benutzten Hexen Sterbende oder Tote, um den Zauber zu verankern. Doch zuerst mußten sie zurück zur Polizeistation, um den Gerichtsmedizinern zuzusehen und sie befragen, und deshalb sagte Bane seinen Untergebenen Bescheid, daß er schon losfuhr.

 

}|{

 

backset3line
Website Design Software NetObjects Fusion
Bar08
Bar08b