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“Erasmus und Dario/Koi” 07
 

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Der Überfall der Räuber lag nun schon drei Tage zurück. Erasmus saß noch immer da und schrieb und schrieb, ohne sich ablenken zu lassen. Nebenher aß er nur ein wenig von dem, das Dario ihm hinlegte, ansonsten hätte er in seiner Leidenschaft nicht daran gedacht. Erst jetzt schrieb er langsamer auf ein neues Pergament. Der Spruch war fertig und nun brachte er ihn ins Reine. Die Magie, die er dafür brauchte, hatte er auch schon aus den Zutaten gezogen und er war nur noch einen Katzensprung vor der Fertigstellung. Die meiste Zeit hatte es ihn gekostet, daß der Spruch, nachdem er ihn gesprochen und für sich benutzt hatte, weiß wurde. Es war eine böse Falle, die er eingebaut hatte, denn obwohl der Spruch dann weiß war, würde ihn weder Schwarz noch Weiß nutzen können. Aber um diesen Gedanken kümmerte er sich jetzt nicht mehr. Er schrieb weiter ins Reine und lächelte, als er die letzten Schriftzeichen setzte. Es war wirklich ein erhabener Moment, als der letzte Buchstabe geschrieben war und er das Schreibwerkzeug beiseite legte. "Fertig ... endlich fertig."

Bei den Worten blickte Dario auf und ein erleichtertes Lächeln erwachte auf seinen Zügen, als er aus dem Wasser stieg und zu dem jungen Magier ging. Bei ihm angekommen, reichte er ihm eine Schale frisches Wasser und setzte sich neben ihn, ehe er leise zu ihm sprach. "Das ist gut, Herr – du hast fast nichts gegessen und getrunken. Bitte trink ein wenig Wasser ? Ich habe auch Fisch für dich gefangen, er ist bald fertig." Der Goldene hatte sich zuletzt wirklich Sorgen um Rasmus gemacht – und wenn dieser nicht selbst aufgehört hätte, so hätte er ihn am Abend darum gebeten.

"Danke, mein Schöner." wisperte der Magier und stürzte das Wasser herunter. Er bemerkte erst jetzt, wie besorgt der Blonde war und stellte die Schale, nachdem er sie geleert hatte, neben sich. "Mach dir keine Sorgen. Ich habe in meinem Leben schon oft gehungert, ein paar wenige Tage hauen mich da nicht um ... und der Zauber ist nun fertig. Ich muss ihn nur noch sprechen, dann kann ich ewig jung bleiben und leben. Durch dein Blut sterbe ich nicht." Seine Stimme wurde leicht euphorisch und er blickte auf das Pergament, das vor ihm lag.

Dario verstand nichts von Magie und er wußte auch nicht, daß es seine Lebensenergie war, die dem jungen Meister die ewige Jugend ermöglichte. Doch er sah, wie begeistert Rasmus war und lächelte, nickte und neigte sich ein wenig vor, um ihn scheu zu küssen. "Das ist gut, Herr – und ich werde immer bei dir bleiben und dich beschützen. Ich bin froh, daß du nun nicht mehr alt wirst und stirbst ..." Auch wenn der Goldene es nicht sagte – das war eine seiner größten Ängste gewesen und er war mehr als nur erleichtert, daß sie ihm nun genommen wurde.

Rasmus zog ihn rasch wieder näher und küsste ihn voller Feuer und Leidenschaft. Er wirkte aufgekratzt und stand nach dem Kuss auf. Den Zettel mit dem Spruch hatte er in der Hand und er atmete tief durch. "Ich tue es jetzt." wisperte er und er wirkte plötzlich etwas nervöser.

"Viel Glück, Herr." Es war nicht so, daß Dario kein Vertrauen in die Fähigkeiten des jungen Magiers hatte – im Gegenteil. Doch er wußte aus eigener Erfahrung, daß die Magie manchmal nicht so wollte, wie es die Magier wollten, und dies schien ein sehr mächtiger und komplizierter Spruch zu sein, so daß er ihm trotz allem Glück wünschte.

"Danke, mein schöner Koi." wisperte Erasmus und sein Körper straffte sich leicht, er wurde auch ruhiger und konzentrierter. Dann, als er seine volle Konzentration erreicht hatte, sprach der den Spruch und wob den Zauber. Es dauerte gar nicht lange, dann formte sich eine goldene Lichtkugel vor ihm und dann umschloss ihn dieses Licht und sickerte in sein Innerstes. In seinem Körper tobte es und er keuchte leise. Die Gefühle waren atemberaubend, er fühlte, was in ihm vorging und lächelte sacht. Erst, als das Licht in ihm versickert war, sank er auf die Knie und lachte vor Glück. "Geschafft, ich habe es geschafft !" Er fühlte sich großartig, es war schöner als alles, was er bisher erlebt hatte und noch immer schien sein Körper sacht zu kribbeln.

Währenddessen hatte ihn Dario mit großen Augen beobachtet und schluckte nun schwer .. aber dann gab er sich einen Ruck und kam zu dem jungen Magier, berührte ihn vorsichtig und wisperte schließlich leise. "Herr ...? Geht es dir gut ? Dieses Licht ... ich habe schon befürchtet, daß es dir etwas tut. Aber es war das, was du wolltest, oder ?"

"Ja, ja, das war es, mein Schöner. Genau das hatte ich gewollt. Das Licht war deine Magie, deswegen war es golden ... ich fühle mich großartig. Habe ich mich verändert ?" Erasmus war wieder etwas aufgedreht und noch bevor Dario antworten konnte, wurde er von Rasmus geküsst.

Völlig durch den Wind, erwiderte der Goldene jedoch den Kuß und legte die Arme um ihn, hielt ihn eng an sich und genoß dessen Zuwendung. Wie er selbst in dieses magische Puzzle paßte, wußte Dario nicht und er fragte auch nicht weiter nach, es reichte ihm, wenn er Rasmus dabei hatte helfen können, daß dessen innigster Wunsch Wirklichkeit wurde. Als sie schließlich den Kuß wieder lösten um Atem zu holen, lächelte Dario und betrachtete sich den Anderen, ehe er kurz den Kopf schüttelte und ihm leise antwortete. "Ich sehe jetzt nichts, Herr – du siehst aus wie vorher, nur deine Augen ... sie strahlen richtig."

Mit einem freudigen "Wunderbar !" umarmte Erasmus den Blonden erneut und warf ihn aus Versehen um. Er fühlte sich wie ein neuer Mensch, er hatte sich äußerlich nicht verändert, doch innerlich fühlte er sich anders. "Jetzt kann ich die Zukunft miterleben ... viele Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte ... und du begleitest mich, mein schöner Koi." Dann rollte er sich von ihm herunter und blieb rücklings auf dem weichen Moos liegen. "Und jetzt hole ich mir meine Freiheit, damit ich es auch wirklich erleben kann." Er musste zuerst den Blutvertrag lösen, erst dann konnte er wirklich frei sein.

Die Zukunft war etwas, an das Dario eigentlich nie dachte ... doch er freute sich über die Freude des Anderen und nickte, ehe er die Arme um ihn legte und leise antwortete. "Deine Freiheit ... in Rom, nicht wahr ? Kannst du mir sagen, was du dort tun willst, Herr ? Ich habe es nicht so ganz verstanden, nur, daß es dir sehr wichtig ist." Der Goldene schämte sich ein wenig dafür, daß er in dieser Hinsicht dumm war und auch nur langsam lernte ... gerade, weil er sah, daß Rasmus sehr intelligent war; und bestimmt mußte es ihn ärgern oder langweilen, wenn er ihm immer wieder etwas erklären mußte.

Es ärgerte ihn aber nicht, denn bei Dario war er sehr geduldig, bei Anderen jedoch nicht. Warum, wusste er selber nicht. Er blieb noch rücklings liegen und seufzte leise. "Dort lebt mein Meister. Obwohl ich inzwischen viel, viel besser bin als er. Aber egal." Er drehte sich doch langsam auf den Bauch und sah den Blonden an. "Ich kam als Sklavenkind zu ihm. Schon damals kannte ich die schamanische Magie und er wollte es von mir haben. Ohne, daß ich es wollte, nahm er mein Blut und band mich in einen Vertrag. Ich kann ihn nicht verlassen. Erst, wenn er mich gehen lässt, kann ich es tun und er lässt mich gehen, wenn ich ihm die Schuppe, ein Haar und das Flossenstück bringe. Du erinnerst dich an unseren ersten Kampf ? Von da habe ich alle Drei, aber die Magie ist schwach, weil ich es mit Gewalt genommen hatte. Aber egal, ich verwirre dich nur mit allem. Ich komme frei, wenn ich es ihm bringe, aber ich will mich rächen und ihn töten. Das kann ich selber aber nicht tun, ich möchte, daß du es tust."

Allein schon die Tatsache, daß sein geliebter Herr in einem Blutvertrag gefangen war, reichte aus, um in Dario den Wunsch zu wecken, diesen Magier zu zerfleischen ... denn er wußte aus eigener Erfahrung, wie hinterhältig und grausam ein Blutvertrag war. "Wie du es wünscht, Herr – mit dem größten Vergnügen. Niemand darf es wagen, dich zu binden – oder dich zu verletzen. Ich zerfleische ihn gern für dich, Herr ... sehr gern."

Das brachte den Magier zum Lächeln, er robbte etwas dichter und küsste den Blonden sehr liebevoll und zärtlich. "Ich danke dir, mein wunderschöner Koi." Dann vertiefte sich sein Lächeln noch etwas. "Jetzt weißt du, warum ich so nach Rom dränge. Wir gehen Heute noch weiter und wenn wir dort sind und er getötet ist, dann bin ich frei und kann gehen, wohin ich will und du wirst immer bei mir sein. Am Meer warst du noch nicht, oder ?"

"Das Meer ? Nein, Herr. Ich habe nur immer davon gehört – es soll so unendlich groß sein und wenn die Stürme toben, verschlingt es alles. Viele der Fischmenschen des alten Meisters träumten davon, sie wollten dorthin, um sicher zu sein – doch ich habe mich immer nur in den Flüssen und Seen aufgehalten, das salzige Wasser macht mir Angst." Daß es eigentlich die Weite und erschreckende Tiefe war und die Schiffe, die darauf fuhren, sagte Dario nicht – er schämte sich dafür, doch er konnte diese tiefverwurzelte Angst nicht leugnen.

"Wenn ich bei dir bin, brauchst du keine Angst davor haben. Das Haus meines Meisters liegt am Meer, dort ist ein Strand und das Wasser ist klar wie ein Quellbach. Ich würde gern dort mit dir zusammen schwimmen." Auch hier wusste er nicht warum, aber es war sicher ein Erlebnis, im Meer zu tauchen, so wie sie in dem See getaucht hatten.

Der Goldene nickte nur und lächelte weiter, ehe er dem Schwarzhaarigen einen sanften Kuß auf die Lippen hauchte. Er würde ihm folgen – auch ins Meer, wenn es sein mußte, obwohl ihm nicht ganz wohl dabei war. Doch dann vergingen diese Gedanken wieder und Dario genoß es, den Schlankeren an sich zu fühlen, schnupperte sich in dessen dunkles Haar und grollte weich, da er es so sehr auskostete.

Und so kam Rasmus noch näher und legte sich auf den Größeren, er mochte dessen Grollen und er würde ihm jetzt noch mehr dieser und anderer Laute entlocken. So bereitete es ihm und Dario Freude, die sie Beide sicher mehr als nur auskosten würden.

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Seither waren einige Wochen vergangen, die sichtbare Spuren an dem goldenen Fischmenschen hinterlassen hatten. Da sie nicht mehr auf den Flüssen reisen konnten, waren sie gezwungen, zu gehen – und Darios Beine fanden langsam, doch sicher, wieder zu ihrer alten Form zurück und die kräftigen Muskeln waren nun fähig, ihn auch für längere Märsche ohne Probleme zu tragen. Lediglich das Laufen fiel ihm noch immer schwer ... wenngleich auch nicht mehr so schwer wie zu Anfang und er übte es regelmäßig, damit er seinem Herrn besser dienen konnte. Zu seinem Glück fiel er nurmehr wegen seiner Größe und Kraft auf, da der Tarnzauber Rasmus mehr als nur gut wirkte – Dario trug neben der Hose des Räubers auch den Mantel, den ihm der Magier gekauft hatte, doch er verbarg nur unzureichend die kräftige Gestalt des Fischmenschen. Allerdings barg dies auch viele Vorteile – allein schon der Anblick Darios ließ manchen Räuber einen Bogen um sie machen und auch die Raubritter der Bergtäler ließen sie unbehelligt, da die Späher sie früh genug entdeckten. Auch die beschwerliche Alpenüberquerung hatten sie hinter sich gebracht und genossen seit einiger Zeit das mildere Klima Italiens ... bald würden sie in Rom ankommen und Dario fühlte die Rastlosigkeit des jungen Magiers, er verstand ihn gut und nach einiger Zeit fragte er ihn schließlich leise. "Möchtest du lieber auf den Flüssen reisen, Herr ? Es würde schneller gehen, auch wenn wir nur Nachts reisen könnten."

"Nein, ich kann dir das verdreckte Wasser nicht zumuten. Die Städte, die daran liegen, leiten ihr Abwasser hinein. Zwar wirkt das römische Reich zivilisiert, doch ich würde keinen Fisch aus den Flüssen essen, geschweige denn darin baden." Bei der Sache kam das durch, was er bei dem Schamanen gelernt hatte. "Wir laufen." legte er erneut fest und streckte sich zu Dario hinauf, um ihn sacht zu küssen. "Wir sind bald da. Kannst du das Meer schon riechen ? Es ist ein salziger Geruch ... Seetang, der Wind treibt es herüber."

Der Goldene nickte nur und erwiderte den Kuß, solange er anhielt, ehe er tief einatmete und erneut nickte. "Ich kann es schon eine ganze Weile riechen ... das Salzwasser ist so anders als der Geruch der Flüsse und Seen, die ich gewohnt bin. Hier ist alles so anders als es in meiner Kindheit war - die Flüsse waren damals noch sauber und es gab nicht so viele Menschen, so viele Felder. Hier war alles Wald ... nur einige Straßen führten hindurch und hin und wieder gab es Dörfer. Doch nicht so viele Städte, Straßen und so viel offenes Land ohne eine Möglichkeit, Schutz zu finden." Es ängstigte Dario, daß sich so vieles verändert hatte – auch wenn er sich nicht beschwerte und Rasmus weiterhin treu folgte.

Rasmus war beeindruckt, daß Dario all dies noch wusste, der Fischmensch war sechshundert Jahre alt und konnte sich erinnern, wie es früher war. Jetzt würde er selber es auch können, in hundert oder mehr Jahren würde er vielleicht hier stehen und es war wieder alles anders, und er konnte sich dann erinnern, wie es jetzt gewesen war. Allein das versetzte ihn in einen seltsamen Rausch. Was wäre in tausend Jahren oder mehr ? Was würde sich verändern, wenn sich in den sechshundert Jahren schon so viel verändert hatte ? Er wollte es herausfinden. Nach einigen weiteren Stunden, es war schon am Dämmern, kamen sie an der Küste an und Rasmus lächelte, als der salzige Wind sie Beide umwehte. Die Sonne war am Untergehen und bot einen herrlichen Ausblick auf das ruhige Meer. "Das Meer ... siehst du, wie groß es ist ?"

Ihm antwortete zunächst nur ein Nicken, ehe Dario noch ein leises "Ja, Herr." nachwisperte. Sicherlich war es ein schöner Anblick – doch für den Fischmenschen war es mehr als nur beängstigend. Diese riesige Weite – all das Wasser, tief genug, um die Schiffe zu tragen, die er sah ... tief genug für die Fischschwärme, die von den Fischern in den Schiffen gejagt wurden und auch tief genug für all die Ungeheuer aus den Legenden. Doch Dario hoffte, daß man ihm nicht ansah, wie sehr er sich vor dem Meer fürchtete – er fühlte die Euphorie des Magiers neben sich, der sich darauf freute, bald von dem Joch des Blutvertrages befreit zu sein und wollte ihn nicht mit seiner Angst belasten. "Ist es noch weit zu deinem Meister, Herr ?"

Erasmus schüttelte den Kopf. "Nein, es ist nicht mehr weit. Wir gehen am Stand entlang." Er fühlte die Angst des Fischmenschen, und das mehr als deutlich. "Hab keine Angst vor dem Meer, mein Schöner. Es ist zwar stark und gewaltig, aber der Wind ist ebenso stark und gewaltig ... ebenso wie Feuer und Erde. Wenn man die Elemente respektiert, dann braucht man sie nicht zu fürchten." Er küsste den Blonden wieder, dann stieg er aus seinen Sandalen und nahm sie auf. "Mein Meister ..." Er sprach dieses Wort inzwischen mit Abscheu aus. "... wird dich nicht fühlen können und bei mir wird er nur die Kraft fühlen, die er fühlen soll."

Auch wenn die Worte des jungen Magiers ihm die Angst nicht völlig nahmen, so beruhigten sie Dario jedoch sehr, da er fühlte, daß Rasmus es ernst meinte. "Ich danke dir, Herr. Wegen deinem Meister – wie ...? Ist das ein Zauber, der mich tarnt ? Bisher konnten alle Magier und Schamanen mich fühlen ..." Dies war etwas, das dem Goldenen ein wenig Kopfzerbrechen bereitet hatte, denn er verstand zwar vieles nicht, diese Tatsache jedoch schon.

Das entlockte Rasmus ein Lächeln. "Nun, ich bin inzwischen sehr stark geworden. Ich klinge vielleicht eitel, aber ich glaube, ich bin inzwischen stärker als alle Anderen. Ich vermische Schamanisches mit anderer Magie, das macht mich stark. Magier beherrschen gewöhnlich keine schamanische Magie." Daß er abschweifte, bemerkte er und so kam er zum Thema zurück und machte es kurz. "Kurz und einfach gesagt, ich bin so stark, daß ich dich verbergen kann." Von weitem sah man Licht und im Halbdunkel konnte am die Umrisse eines großen, römischen Hauses sehen, das auf einer leichten Klippe gebaut worden war. "Da ist es." Sogleich erkaltete sein Blick, auch sein Gesicht wurde kühl und der Hass stieg wieder ungehemmt in ihm auf.

Dario nickte nur wieder auf die Worte seines Herrn – er vertraute ihm und wenn dieser sagte, er wäre stark genug, dann glaubte er es ihm auch. In dem Haus merkte jedoch jemand Anderes auf – der alte Meister von Erasmus hob eine Braue und lachte leise, denn er war sehr über die Rückkehr seines ehemaligen Sklaven erfreut. "Endlich hat er es gefunden – endlich kann ich die Zauber wirken, die ich schon so lange plane. Dieser Nichtsnutz hat dafür ganze vier Jahre gebraucht – und ist dabei nur minimal stärker geworden. Pah – ich wußte schon lange, daß er zu nichts taugt." Nach seinen Worten spuckte der Alte aus und nickte, als sein neuer Sklave sofort nachwischte, ehe er aufstand, in sein Studierzimmer ging und dort auf Rasmus wartete.

Rasmus ließ Dario im Vorgarten warten. Dort war ein großer, sauberer Brunnen, in dem er sich etwas ausruhen und zumindest seine Füße etwas kühlen konnte. Er hatte ihm gesagt, daß er ihn rufen würde, wenn es soweit war, und ging dann hinein. Er wusste, wo er seinen Meister finden würde und das Haus hatte sich in den Jahren auch nicht sonderlich verändert. Rasmus selbst hatte sich verändert, er wirkte sicher ziemlich schäbig in der dreckigen Tunika und den langen Haaren. Als er in das Studierzimmer trat, bemerkte er zuerst den neuen Sklaven, mit leichter Magie gesegnet, der mit Schriftrollen beladen nach hinten verschwand, um sie einzusortieren. Dann bemerkte er den geringschätzigen Ausdruck seines Meister, jedoch blitzten seine Augen vor Gier auf. "Wie ich sehe, ist es hier noch genau so schäbig wie früher." stellte Rasmus laut fest und grinste so frech wie früher schon immer.

"Und du hast noch immer nicht gelernt, mir den Respekt zu erweisen, der mir gebührt !" Noch während er schimpfte, wob der Alte den Schmerzzauber, den er so gerne bei Rasmus anwandte – und ein hartes, zufriedenes Lächeln erwachte auf seinen Zügen, als er merkte, wie sein ehemaliger Sklave darunter litt. Erst nach einigen Herzschlägen hob er den Zauber wieder auf und keifte Rasmus ungeduldig an. "Ich hoffe, du hast das, was ich will ?! Wenn nicht, dann werde ich dich ein für alle Mal beseitigen – wie eine Ratte, denn du bist nicht mehr wert."

Rasmus keuchte gespielt, er hatte sich sofort nach dem Zauber wieder erholt und lächelte nun kalt. "Ratten sind meist klüger als Menschen, vergiss das nicht, Meister. Und ich habe, was du wolltest, sonst wäre ich nicht gekommen. Ich bleibe hier nicht länger, als ich unbedingt muss." Aus seinem Beutel holte er das Beutelchen mit den geraubten Zutaten. Er warf es dem Alten zu und wartete, wie der wohl auf die schwache Magie reagieren würde. "Vergiss nicht den Vertrag, alter Mann." Der Alte hatte, was er wollte und MUSSTE den Vertrag nun lösen.

"Sei nicht so ungeduldig, kleine Ratte – erst muß ich sehen, ob das auch das ist, was ich wollte." Leise vor sich hingrummelnd, öffnete der Alte das Beutelchen und ließ den Inhalt auf den Tisch fallen, inspizierte ihn und schließlich stahl sich ein kurzes, hartes Lächeln auf die knorrigen Züge des Alten, das allerdings auch sofort wieder verging. "Seltsam – in den alten Aufzeichnungen stand, daß mehr Magie darin gefangen sein müßte. Doch es genügt, um meinen Zwecken zu dienen. Perfekt, ich hätte nicht gedacht, daß ein Nichtsnutz wie du es schafft, einen der Fischmenschen zu finden - geschweige denn, mir zu bringen, was ich wollte." Mit einem kurzen, geringschätzigen Schnauben fischte der Alte die Pergamentrolle mit dem Blutvertrag aus dem Stapel auf seinem Tisch und betrachtete sie wie einen Käfer, den er sofort zermalmen würde, wenn er könnte. Doch dann sah er wieder zu Rasmus und schnaubte erneut, als er das Pergament mit seiner Faust umschloß. "Denke daran – du hast einen Eid geschworen, mich nicht anzurühren, wenn ich deinen Vertrag auflöse. Und wage es ja nicht, dich an meinem Sklaven zu vergreifen oder auch an meinem Besitz, denn auch das gehört zu deinem Eid !" Dann verbrannte er die Pergamentrolle in einer Flamme, die aus seiner Hand erwuchs, ließ die Asche zu Boden rieseln und konnte sich ein geringschätziges Lächeln nicht verkneifen.

Doch das Lächeln von Erasmus wurde wirklich eisig und das von dem Moment an, wo der Vertrag in Flammen aufging. Jetzt war er frei und er hatte Jemanden, der ihm bei seiner Rache liebend gern half. "Weißt du, ich habe nicht nur die Zutaten mitgebracht, sondern auch einen der Fischmenschen. Und weißt du, warum die Magie so schwach ist ? Weil die Zutaten geraubt wurden. Und ich habe die Zutaten von ihm geschenkt bekommen. Willst du ihn kennenlernen ? Er freut sich schon darauf, dich zu sehen." In dem Moment ließ er den Tarn- und auch den Dämpfungszauber um Dario fallen und ebenso um sich selber. "Dario ! Zeig dich, mein Schöner !"

"Was ist das ?! Das kann nicht sein !" Der Alte wich zurück, als er die wahre Stärke seines ehemaligen Sklaven fühlen konnte – sie übertraf die Seine bei weitem und Tustian fühlte, wie Angstschweiß aus seinen Poren zu treten begann. Doch die Angst vor Rasmus war nichts im Vergleich zu der, die ihn ergriff, als er noch etwas Anderes fühlte, das alt und mächtig genug war, um ihm gefährlich zu werden, da er wußte, daß Rasmus die Hand nicht gegen ihn erheben konnte. Und wie um seine Befürchtung zu bestätigen, kam Dario in das Studierzimmer und knurrte kalt – dies war der Mann, der seinen geliebten Herrn versklavt hatte. Der Mantel, der ihn vor neugierigen Blicken verbarg, lag vergessen auf dem Hof und er kam näher – insgeheim wünschte sich der Goldgeschuppte, daß sie in einem Fluß oder See wären, damit er dieses Stück Dreck ersäufen könnte, doch er wußte, daß das nicht möglich war. Also kam er einfach zu ihm und packte ihn an der Gurgel, schlug ihn an die Wand und fletschte knurrend die langen Fänge, ehe er sich näherneigte und leise in das Ohr des panischen Alten wisperte. "Ich bin froh, daß mein Herr mir gestattet hat, ihn zu rächen – auch wenn du alt und häßlich bist, dein Blut wird mir schmecken und mich stärken." Und noch im gleichen Moment, in dem der Alte vor Angst aufschrie, verlagerte Dario den Griff und packte die Schultern des Alten, zerbrach sie unter seinen Händen und Krallen und schlug die langen Fänge in dessen Hals, um mit Genuß das Blut des Alten zu trinken und dessen gurgelnde Schreie zu hören.

Rasmus trat etwas näher und lächelte genussvoll. Es sah mit Hochgenuss zu, wie Dario das Blut des Alten trank und das Leben aus Tustians Körper wich. Schmerz und panische Angst war das, was der Alte als Letztes in seinem Leben fühlte. Als Dario den letzten Rest des Blutes aus dem Körper gesogen hatte und Tustian fallen ließ, neigte Rasmus sich zu dem Goldenen und küsste ihm die blutigen Lippen. "Ich danke dir, mein wunderschöner Koi."

Leise aufkeuchend, schlang dieser die Arme um den jungen Schwarzmagier und vertiefte den Kuß fühlbar, um zumindest ein wenig seiner brodelnden Kraft loszuwerden. Dario hatte gut damit zu tun, daß der Zorn und Abscheu, die er bei dem Alten empfunden hatte, wieder versiegten ... und es beruhigte ihn fühlbar, daß Rasmus sich ohne Scheu an ihn schmiegte und fühl- und sichtbar zeigte, wie sehr er sich freute. "Gerne, Herr ... nun bist du frei, er kann dir nichts mehr antun." Noch in seinem Todeskampf hatte Tustian versucht, den Fischmenschen mit Zauber von sich abzubringen – doch die Zauber waren wirkungslos an ihm abgeprallt, eine Fähigkeit, um die Dario gerade jetzt sehr, sehr froh war.

Genau wie Erasmus. Er küsste ihn noch einmal sehr sanft und es schien nichts mehr an die eben noch vorhandene Wut zu erinnern. Er wendete sich aber herum, als er leises Schluchzen hörte. Der junge Sklave stand zitternd in einer Pfütze Urin und winselte leise um sein Leben. Der Anblick war erbärmlich und bemitleidenswert zugleich. "Keine Angst Junge, wir tun dir nichts. Dein Blutvertrag ist mit seinem Tod gelöst, du bist frei." Man sah die Erleichterung in dem jungen, verweinten Gesicht. "Nimm dir, was du brauchst, auch Gold, soviel du tragen kannst. Damit du dir ein gutes Leben aufbauen kannst." Rasmus war gütig gestimmt, Tustian hatte mehr als genug Gold und ein Teil war entbehrlich. "Danke, Meister ... vielen Dank, großer Meister." Dann eilte der Junge davon und ließ die Beiden zurück. "Wir bleiben ein paar Tage, nicht länger. Ich will etwas ruhen und einige der Dinge mit mir nehmen." Nebenher musterte er den Leichnam und ließ diesen dann mit einem Fingerschnippen in Flammen aufgehen.

Ihm antwortete nur ein weiteres Nicken, während Dario noch immer dem Jungen hinterhersah. Er erinnerte ihn an sich selbst, als er so jung war – der einzige Unterschied war, daß Dario kräftiger und ein wenig größer war durch die harte Arbeit, die er schon damals hatte leisten müssen. Doch dann riß er sich wieder von den Erinnerungen los und nickte ein weiteres Mal, ehe er schließlich leise fragte. "Hat es hier ein Bad ? Ich bräuchte etwas Wasser, nur für ein wenig ..."

"Ja, hat es ... ein sehr großes sogar, es wurde selten von dem alten Stinker benutzt. Komm, wir gehen dorthin." Erasmus ging voran, er kannte sich hier ja mehr als genug aus und er war auch nicht erstaunt, als er das Bad unbenutzt und mit sauberem und klaren Wasser, das aus einer Quelle kam, vorfand. "Du kannst auch darin tauchen ... es hat auch ein gutes, daß die Römer solche Prachtbauten mögen."

Dario stand völlig überwältigt in dem Bad und schluckte kurz – doch dann streifte er sich die Hose so schnell er es konnte ab, stieg in das große Becken und ließ die Beine wieder zu seinem Fischschweif werden, lachte laut und freudig auf und tauchte, um das herrliche Gefühl des Wassers zu genießen. Das war etwas, das er mehr als nur sehnlich vermißt hatte, seit sie die Alpen überquert und durch Italien gegangen waren.

Erasmus freute sich an der Freude seines Goldenen und beobachtet ihn noch ein wenig, bevor er das Bad verließ. Auf dem Weg in die Küche stolperte ihm der Junge entgegen und blieb stocksteif stehen. "Du hast auch Magie ... such dir einen neuen Meister. Am Besten ein Weißer, deine Seele ist zu rein für schwarze Magie." Es war ein Ratschlag, den Rasmus sehr bewusst gab, der Junge war zu sanft, um Schwarz zu sein und hatte es hier bei dem Alten sicher nicht weiter gebracht, als daß er Putzen und dessen Bett wärmen musste. Dann küsste Rasmus ihn auf die Wange und ging lächelnd weiter, weil er das Schaudern des Jungen gefühlt hatte. Jetzt aber kümmerte er sich um einige Dinge, er wollte sehen, was der Alte für Zauber hatte, die er mit der Magie Darios hatte ausführen wollen.

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