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“Blutiger Schnee” 08
 

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Kapitel 8

Zwei Tage vergingen, in denen Dog nachforschte. Dennis wachte immer wieder kurz auf und schlief gleich wieder ein, er bekam leichte Schmerzmittel und die machten zusätzlich noch schläfrig. Erst jetzt kam Dog aus New York zurück und wirkte ganz schön mitgenommen, aber auch wütend. Was da abgelaufen war, das konnte man wirklich kaum fassen. Im Gang sah er, daß Franckie weiterhin vor der Tür stand und Wache schob, das hieß, daß Erik noch immer nicht von Dennis Seite gewichen war. "Du glaubst nicht, was da abgelaufen ist." Dog küsste seinen Schatz kurz, als der Gang leer war, und betrat dann leise das Zimmer. "Boss ? Ich hab die Infos ... du wirst es kaum glauben."

Ein leises "Sofort." antwortend, stand Erik auf und achtete darauf, die Hand des Verletzten behutsam auf die Decke zurückzulegen, ehe er aus dem Zimmer kam und zu dem leeren Besprechungszimmer nickte. Er wollte nicht, daß Jemand mithörte – und er wollte auch nicht, daß Dennis es womöglich mitbekam, zumindest jetzt noch nicht. Als sie schließlich in dem Zimmer waren, fackelte Erik nicht lange und gab Dog mit einem kurzen "Erzähl mir alles." die Erlaubnis, ihm zu sagen, was er wußte.

"Okay." wisperte Dog und setzte sich hin. "Soweit ich es herausfinden konnte, wurde Terry wenige Tage, nachdem du deine Ex rausgeworfen hast, in ein Heim abgegeben. Terry Coldwell, sieben Jahre alt, blond, blaugraue Augen und zu alt, um adoptiert zu werden. Er blieb sieben Jahre da, dann ist er ohne seine Papiere weggelaufen. Die Cops haben seine Spur schnell verloren, wie es scheint, oder sie hatten kein Interesse. Von da an hab ich nach Dennis Hatcher gesucht und bin fündig geworden. Wie es aussieht, hat er neue Papiere bekommen, sein Name hat sich geändert und er ist darin zwei Jahre älter. Um die Papiere zu bezahlen, hat er angeschafft. Scheinbar hat er es geschafft, sie abzuzahlen, verschwand aus New York und tauchte hier wieder auf."

Ein leises "Mein Gott." wispernd, schloß Erik für einen Moment seine Augen. Dieses Weib hatte es doch tatsächlich geschafft, nicht nur sein Leben zur Hölle zu machen, sondern auch das ihres Sohnes völlig zu vernichten. Erik machte sich die größten Vorwürfe, daß er den Jungen damals nicht mitgenommen hatte – doch dann seufzte er leise, denn er hätte zu der Zeit niemals richtig für ihn sorgen können. Zumindest waren sie nun wieder zusammen, doch was das nun genau hieß, stand im Moment noch in den Sternen. "Gute Arbeit, Dog – wie ich es auch erwartet habe. Ruh dich ein wenig aus, Franckie hält hier die Stellung ... ich bin wieder bei dem Jungen." Dann stand er auf und drückte seinem Bodyguard und Freund noch einmal die Schulter, ehe er zurück zu Dennis ging und sich wieder neben dessen Bett setzte.

Es dauerte eine Stunde, bis Dennis wieder aufwachte. Diesmal schlief er nicht sofort wieder ein, sondern drehte seinen Kopf zu Erik. "Kann ich was trinken ?" Seine Stimme war leise und man hörte, wie trocken seine Kehle war. "Und ich hab Hunger ... darf ich was essen ?" Körperlich ging es ihm schon etwas besser und er fühlte kaum noch Schmerzen, aber er konnte fühlen, daß sein Magen mehr als hohl war.

"Warte einen Moment ... hier." Mit den Worten betätigte Erik die Vorrichtung des Bettes, damit das Kopfende sich etwas anhob – dann hielt er ihm einen Wasserbecher mit einem Trinkhalm an die Lippen, wartete, bis Dennis genug hatte und seufzte leise, als er den Becher wieder zur Seite stellte. "Ich rufe gleich die Schwester, damit sie nach dir sieht und rede mit ihr wegen etwas zu essen ... aber wir sollten vorher reden, es ist wichtig."

"Danke ... und ich verstehe, daß wir reden müssen." Die Stimme von Dennis war noch immer nicht ganz die alte, bei der OP war er intubiert worden und sein Hals kratzte noch immer. "Abstimmen, nicht wahr ?"

Leise seufzend, überlegte Erik einen Moment, wie er es am Besten sagen sollte – es war nicht einfach, und so nahm er die Hand des Jüngeren, streichelte einen Moment lang mit dem Daumen darüber und setzte schließlich zu sprechen an. "Es war ein Zuhälter aus deiner alten Gegend, der dir das angetan hat – sie haben ihn aufgrund der DNA, die unter deinen Fingernägeln war, identifiziert. Um uns als Täter auszuschließen, haben sie auch von Dog und mir die DNA genommen und untersucht ... und ... dabei etwas entdeckt, das mich sogar von jeglichem, noch so geringen Verdacht freigesprochen hat. Die Proben – sie stimmten fast überein ... du bist mein Sohn. Und ich hatte nur ein einziges Kind ... nämlich dich, Terry."

Absolut nichts hatte Dennis auf das, was Erik gerade gesagt hatte, vorbereitet, es war wie ein Schlag mit einer Dampframme gewesen und der Jüngere starrte Erik nur ungläubig an. "Mein ... Daddy ?" Seine Stimme versagte jetzt aus einem ganz anderen Grund, er wusste nicht, was er jetzt denken sollte. Erik konnte nicht sein Vater sein, er war ganz anders gewesen, sein Vater hatte ihn im Stich gelassen. Aber es musste wohl wahr sein, die DNA stimmte und woher sollte Erik sonst seinen richtigen Namen wissen.

Jener hatte schon mit einer solchen Reaktion gerechnet und nickte nur kurz. "Ja – der Bastard, der sich so mit deiner Mutter zerstritt, daß er dich im Stich ließ. Ich dachte, sie gibt dir ein besseres und sichereres Leben, als ich es dir hätte bieten können – damals fing ich gerade erst im Waffengeschäft an und es passierte oft, daß ich in lebensgefährliche Situationen kam, das war auch der Grund, weshalb wir uns trennten. Ich hätte nicht für dich da sein können, doch im Nachhinein wünschte ich mir, es wäre anders gewesen. Doch andererseits ... vielleicht wäre es dann zwischen uns anders gelaufen. Ich weiß nicht, was ich tun soll – oder wie ich dich nennen soll. Ich mochte deinen alten Namen nie – deine Mutter hat ihn ausgesucht, weil sie wußte, daß ich ihn nicht mag. Und Dennis steht dir, er klingt gut und steht für den jungen Mann, in den ich mich verliebt habe." Das Letzte war fast nicht mehr verständlich, da Erik die Stimme brach – doch gerade daran konnte man mehr als nur gut merken, wie ernst es ihm war und auch, daß es ihn deshalb innerlich fast zerriß.

Dennis war aber stark genug, um nicht plötzlich blind vor Hass zu werden. Er hatte die Beweggründe seines Vaters nie mitbekommen, aber er wusste, daß Erik ihn nie angelogen hatte, er glaubte ihm und vertraute ihm. "Dennis, bitte nenn mich Dennis. Ich wollte nicht mehr Terry sein, er war ein Schwächling."

"Ja – aber es war nicht deine Schuld. Ich war niemals für dich da und deine Mutter kümmerte sich nicht um dich. Ich bin ehrlich, Dennis ... ich hätte damals niemals gedacht, daß du so stark und schön werden könntest - du hast mich von Anfang an immer wieder überrascht und jegliche Erwartungen, die ich jemals an dich hatte, weit übertroffen. Ich kann dir gar nicht sagen, wie stolz ich auf dich bin – und wie sehr ich mir wünsche, daß dieser Bluttest niemals stattgefunden hätte ... oder daß ich dich nicht alleine zum Friseur hätte gehen lassen." Der ältere Blonde wußte die Reaktion des Verletzten nicht so recht zu deuten ... sicherlich sah man, daß Dennis ihn nicht haßte, doch mehr sah man auch nicht. "Sag mir, was du dir wünscht, Dennis – diesmal richte ich mich nach deinen Wünschen."

"Ich hab mich auch in dich verliebt, ich wollte dir zeigen, daß ich stark bin, ich wollte dich nicht enttäuschen, so, wie ich meinen Vater enttäuscht habe ... ich weiß nicht, was ich jetzt denken soll. Eigentlich müsste ich dich hassen, aber ich kann das nicht und ich will dich auch nicht verlieren." Dennis war hin und hergerissen, man sah es ihm mehr als deutlich an, er wirkte so unsicher wie noch nie.

Dies jetzt war sehr schwer für den Jüngeren, das konnte Erik mehr als nur deutlich sehen – doch er konnte und wollte ihm diese Entscheidung nicht abnehmen, es wäre gerade jetzt nicht richtig. Aber es gab noch eine andere Möglichkeit ... eine, die Erik ausschöpfte, als er sich zu Dennis neigte, ihn sanft auf die Lippen küßte und schließlich seine Stirn auf die des Jüngeren legte. "Vater und Sohn ... doch auch Geliebte, Gefährten. Nur eines von Beiden ? Gar nichts ? Oder vielleicht ... beides zusammen ? Ich weiß, es ist verboten ... doch ich liebe dich, Dennis. Schon, als du mein Geliebter warst, habe ich dich auch als Nachfolger gesehen und wie einen Sohn geliebt – und jetzt ist diese Liebe noch stärker geworden. Bitte sage mir, was du willst ... ich muß es wissen, Dennis. Und habe keine Angst – egal, wie du dich entscheidest, ich akzeptiere es."

Ohne es zu wollen, fing Dennis an zu weinen und schluchzte leise. "Beides ..." Mehr brachte er jetzt gar nicht raus, er wollte Beides, er wollte die Liebe und endlich seinen Vater. Schon bevor er es wusste, gab Erik ihm immer ein väterliches Gefühl, das er immer gewollt hatte. "Ist beides Okay ?" Es war eine verbotene Liebe, aber eine Liebe, die er nicht mehr missen wollte.

"Aber natürlich, mein Hübscher ... sonst hätte ich es dir nicht vorgeschlagen. Und ich habe gehofft, daß du das sagst." Mit den leisen Worten des jungen Rotblonden schien eine zentnerschwere Last von den Schultern Eriks zu gleiten und er lächelte, wischte behutsam mit den Daumen die Tränen von dessen Wangen und neigte sich dann wieder zu ihm, um ihn mehr als nur zärtlich zu küssen. "Ich liebe dich – auf jede nur erdenkliche Weise liebe ich dich, und ich möchte dich weiterhin und noch mehr an meiner Seite wissen."

Durch die Zärtlichkeit beruhigte sich der Jüngere langsam wieder und legte seinen gesunden Arm um Erik. "Ich nenne dich auch nicht Daddy." Die Tränen trockneten langsam und er schluchzte nur noch mal glücklich auf. Das Ganze war so unwirklich, innerlich tobte es noch ihn ihm, er verstand nicht, warum er seinen Vater nicht gleich erkannt hatte, aber vielleicht hatte er das so erfolgreich verdrängt, daß er ihn gar nicht hätte wiedererkennen können.

Ein Gedanke, der auch Erik kam – doch auf sich gerichtet. Auch er hätte es sehen sollen, daß Dennis ihm ähnelte ... doch dann ließ er den Gedanken sein, denn es war nun egal. "Das würde ich dir auch nicht anraten, Kleiner – sonst komme ich mir noch alt vor. Aber jetzt hole ich erst einmal die Schwester, damit sie dich untersuchen kann und dir dann etwas zu essen bringt." Der Ältere löste sich nur schweren Herzens, doch es war notwendig ... und nachdem er ihm noch ein letztes Mal sanft über die Wange gestreichelt hatte, betätigte er die Schwesternglocke und stand auf, um Franckie Bescheid zu geben, daß er die Schwester durchlassen sollte.

Auf den Schreck brauchte Dennis auch etwas zu essen. Das Ganze war jetzt mehr als aufregend gewesen ... nicht nur das, was ihm zugestoßen war, natürlich auch die Botschaft, daß Erik sein Vater ist, war mehr als nur aufregend gewesen. Jetzt hatte sich wieder etwas in seinem Leben geändert, wieder eher positiv, nur hoffte Dennis, daß es die letzte Änderung war.

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