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”Beauty and Perfection 01
 

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Im Sekretariat der Chicago Memorial Highschool wartete ein junger Mann. Kein Schüler, sondern ein gerade frischer Lehrer, der erst vor einem halben Jahr aus Frankreich nach Amerika gekommen war. Kunst und Geschichte waren sein Spezialgebiet und gerade für diesen Job hatte er sich hier beworben. Vor einigen Tagen hatte er die Antwort bekommen, er war angenommen worden. Antoine wartete geduldig und seufzte innerlich, weil er schon jetzt von den Sekretärinnen angeschmachtet wurde. Daß er unverschämt gut aussah, wusste er nur zu gut, und hin und wieder bedauerte er dies wirklich mehr als nur. Als er endlich zum Direktor hinein durfte, schnaufte er erleichtert, denn so spürte er die Blicke nur noch solange, bis die Tür hinter ihm zuging. Dann erst wieder eine halbe Stunde später, als er wieder herauskam. Er würde Heute gleich anfangen, hier für knapp zwei Jahre zu arbeiten. So lange, wie die Lehrerin Mutterschutz hatte. Vielleicht würde er ja trotzdem fest angestellt werden, die Gegend und die Schule gefielen ihm bisher ziemlich gut. Der Direx freute sich auch, der junge Lehrer hatte ein ausgezeichnetes Zeugnis und sah auch noch gut aus, vielleicht schaffte er es ja, daß die Schülerinnen und Schüler in Geschichte etwas besser wurden und vielleicht auch freiwillig in den Kunstunterricht kamen. Eine der Lehrerinnen erwartete Antoine schon und brachte ihn schmachtend, trotz Ehering an ihrem Finger, ins Lehrerzimmer, um ihn vorzustellen. Dort wurde er auch freundlich empfangen, die meisten Lehrer waren schon ziemlich alt und es schien so, daß junges Blut, oder eher Frischfleisch, für die reißende Meute der Schüler sehr willkommen war.

Und genau diese Meute sammelte sich gerade vor der Schule im Pausenhof und das Top-Thema war natürlich, wer die Lehrerin in Geschichte und Kunst ersetzen würde. Auch Raith kam auf den Schulhof und schmunzelte kurz, da ihn Niemand bemerkte, bis er einem seiner Freunde auf die Schulter klopfte. Ty erschrak bis ins Mark und rief ein lautes "Verdammt, Raith !!! Hör auf, dich so anzuschleichen !", das von den Anderen mit einem lauten Lachen quittiert wurde. Es war eine Kunst, die der junge, farbige Mischling von seinem asiatischen Vater gelernt hatte: Das absolut lautlose Gehen und auch die Kunst, nicht gesehen zu werden. Was Niemand hier wußte war die Tatsache, daß sein Vater ein Ninja war und daß diese Kunst in seiner Familie schon seit Jahrhunderten weitergegeben wurde. Er selbst hatte sie auch gelernt und sein Körper war perfekt trainiert, auch wenn man es ihm nicht ansah. Doch er hatte kein Interesse daran, Assassine zu werden – er hatte eine Vorliebe für Diebstähle entdeckt und nutzte seine Fähigkeiten bei den Aufträgen, die ihm sein Vater manchmal verschaffte. "Dann solltest du nicht soviel quasseln, Ty – vielleicht hörst du mich ja dann ? Um was gings denn überhaupt ?" Raith war nicht überrascht, daß er sofort damit zugeschwallt wurde, wer denn wohl die Vertretung der Lehrerin übernahm – die ganze Schule redete von Nichts anderem mehr, seit vor zwei Tagen durchsickerte, daß Heute der neue Lehrer kam. Im Lehrerzimmer hingegen hob der Sportlehrer eine seiner Brauen, als er breit zu grinsen begann, aufstand und zu dem Neuen kam. "Hi – ich bin Doug, der Sportlehrer. Schön, dich hier als Lehrer zu haben ..."

Und Antonie hatte mit einem Blick erkannt, was das für ein Typ Mensch war, allein das Aussehen sagte mehr als deutlich, daß hier ein Macho vor ihm stand. Blendend weiße Zähne, ein schleimiges breites Lächeln, worauf sicher viele abfuhren, und Gel in den Haaren. Seine Sportjacke war ein Stück offen, so konnte man die breite, rasierte Brust sehen. "Ich bin Antoine Balsak, freut mich sehr, sie kennenzulernen ... Doug." ‚Mal sehen, ob er auf Kerle steht oder auf Weiber.' Was er sich dachte, würde sich ganz sicher rasch herausstellen. Antoine selber war stockschwul, es lag so mehr oder weniger in seiner Familie, auch wenn sich die Balsak-Männer immer wieder mal eine Frau suchten, um sich fortzupflanzen.

"Nen Franzose ? Egal, herzlich willkommen. Wenn du willst, du kannst jederzeit zum Training kommen und zusehen, ich halte dir einen Platz auf der Trainerbank frei." Der blonde Trainer war mehr als nur begeistert – endlich war hier ein jüngerer Lehrer und nochdazu ein Kerl, der einfach nur zum Anbeißen aussah. Doug war nicht wählerisch – er schlief mit Frauen und Männern, und wenn sich eine seiner Cheerleaderinnen oder ein Footballer nehmen lassen wollte, so war er der Letzte, der Nein sagte. Die anderen Lehrer und auch der Direktor wußten dies, doch sie taten nichts dagegen – denn einerseits war Doug nebenbei auch der Trainer der Junioren der Chicagoer Junior-Footballer und andererseits hatte er Verbindungen zur Mafia. Und da er immer verhütete, gab es eigentlich auch keinen Ärger, denn die Schüler würden es niemals wagen, ihren Eltern etwas zu erzählen.

Antonie lächelte tapfer, verdrehte aber innerlich die Augen. "Ich danke für das Angebot, aber ich habe absolut keine Ahnung von dem Spiel und bin ehrlich gesagt, nicht besonders sportlich." Somit verpasste er Doug einen dezenten Korb und begrüßte nun erst mal die anderen Lehrer.

Die übergingen einfach den grummelnden Sportlehrer und begrüßten ihn herzlich, ehe der Direktor sie an den Tisch bat, damit sie mit der Besprechung beginnen konnten. Auf dem Pausenhof klingelte inzwischen die erste Glocke, die ankündigte, daß ihnen noch zwanzig Minuten bis zum Unterrichtsbeginn blieb und die Schüler der High-School begannen, nach und nach zu ihren Spinden und Klassenräumen zu gehen. Auch Raith holte noch ein paar Bücher aus seinem Spind – gleich in seiner ersten Stunde hatten sie Geschichte und er war schon gespannt auf den neuen Lehrer.

Und der Lehrer war gespannt auf die Schüler. Die Besprechung war recht flott beendet und so hatte Antoine Zeit, sich seinen Schreibtisch im Lehrerzimmer herzurichten. Dann, als es Zeit war, nahm er die Unterlagen und Bücher und ging zu dem Klassenraum. Nur gut, daß er einen guten Orientierungssinn hatte. So kam er pünktlich einige Sekunden bevor es klingelte, zum Klassenraum und trat mutig ein. Drinnen erwartete ihn gespanntes Schweigen, er selber schwieg auch noch, bis er die Unterlagen auf das Pult gelegt hatte. "Guten Morgen ... ich bin Mr. Balsak und werde euch ab Heute in Geschichte unterrichten, bis Mrs. Holmes wieder da ist." Er schrieb seinen Namen zügig an die Tafel und sah, als er sich wieder umdrehte, in die schmachtenden Gesichter der Mädchen. Die tuschelten leise, denn der französische Akzent war sehr anziehend. "Gut, beginnen wir. Schlagt eure Bücher bitte auf Seite 28 auf."

Das Verhalten der Mädchen verschlimmerte sich dabei noch, denn sie steckten ihre Köpfe zusammen und begannen mehr als nur enthusiastisch über die Vorzüge dieses jungen, hübschen Lehrers zu wispern. Raith hob nur eine Braue, als er ihn musterte – dieser Lehrer war in der Tat eine Augenweide und Raith war gespannt, wie er auf die ganz gewiß folgenden Annäherungsversuche der Klassenschönen reagieren würde. Er selbst warf nur kurz seinen Pferdeschwanz nach hinten und blies die lange, blutrot gefährte Ponylocke nach hinten, während er das Buch aufschlug und darauf wartete, ob sie die Seite lesen sollten oder ob dieser junge Lehrer ihnen etwas erzählte.

Antoine überflog die Seite selber einen Moment und sah dann auf. Er bekam gerade noch die Kopfbewegung von Raith mit und musterte ihn kurz. Dann aber räusperte er sich und sah auf den Sitzplan, den er bekommen hatte. "Miss Gray, würden sie bitte die Seite vorlesen." Er hatte sich eines der Mädchen herausgepickt, die so tuschelten, und er grinste innerlich, weil er sie total aus dem Konzept gebracht hatte. Sie schlug hastig die richtige Seite auf und stand auf, um vorzulesen. Beim Lesen verhaspelte sie sich immer wieder, weil sie nicht auf den Text, sondern auf den neuen Lehrer blickte. "Ist genug, Miss Gray ... Mr. Yakamoto, lesen sie bitte weiter." Er wählte nun Raith, denn der schien etwas besser aufzupassen.

Ein wenig überrascht, blickte der junge Mischling auf und hob eine Braue – dann schmunzelte er und stand auf, ehe er sich an den neuen Lehrer wandte. "Nennen sie mich Raith, Sir – und sie brauchen mich nicht siezen." Dann begann er zu lesen und das fehlerfrei – denn auch der Umgang mit der Stimme und das fehlerfreie Sprechen war ein Bestandteil seiner Ausbildung. Daß seine Stimme ein wenig tiefer war, als es bei einem Mann seiner Größe normal wäre, verstärkte diese Wirkung noch und wenn die Mädchen nicht wüßten, daß er nur auf Männer stand, würden sie vielleicht sogar doch auf ihn Jagd machen.

So war die Sache bedeutend angenehmer und die dunkle Stimme des Schülers fiel auch Antoine auf. Als Raith fertig war, nickte der Blonde und lächelte sacht. "Vielen Dank." bedankte er sich zuerst bei ihm und wandte sich dann an die Klasse. "Ich werde euch alle duzen, wenn es recht ist." Daß es hier so üblich war, hatte ihm Keiner gesagt und es erleichterte auch vieles. "Nun gut, besprechen wir das Gelesene." Er erklärte Einiges und schrieb dazu etwas an die Tafel. Sein Unterricht sprühte noch ziemlich und war nicht so langweilig wie bei vielen anderen Lehrern. Als sich die Stunde zum Ende neigte, gab er einen Hausaufgabe auf und schloss dann sein Buch. Als es schließlich klingelte, umzingelten ihn die Mädchen und bombardierten ihn mit Fragen.

Es war schön, daß der Geschichtsunterricht zur Abwechslung einmal interessant schien – als die Stunde zu Ende war, stand auch Raith auf und seufzte leise, als die Mädchen sich sogleich auf den Lehrer stürzten. Dies würde nicht einfach werden – die Footballer, die mit einigen der schwärmenden Cheerleader zusammen waren, hielten sich nur knapp zurück, denn Keiner von ihnen war dumm genug, es mit einem Lehrer aufzunehmen. Doch sie waren allesamt ziemlich angepißt und das sah man auch an ihren immer finsterer werdenden Gesichtern. Leise seufzend, wandte sich Raith an Ty und nickte zu den Footballern, ehe er ihn leise fragte. "Was meinst du – werden sie was sagen ?"

"Kein Dunst, begeistert sind se nicht." murmelte Ty, grinste dann aber, als er sah, wie die Mädchen plötzlich einen Flunsch zogen. "Tut mir leid, Schüler sind tabu, meine Damen." Milly Gray hatte Antoine ein eindeutiges Angebot gemacht, das der Blonde aber ablehnte.

In dem Moment kamen Raith und sein Freund an ihnen vorbei und der junge Mischling schmunzelte kurz, denn das Jammern der Mädchen war wirklich lustig. "Hey, Milly – ich denke, du solltest dich um Brad kümmern, er explodiert gleich. Ich dachte, ihr wärt ein Paar, Hm ?" Er konnte es sich nicht verkneifen, sie zu necken – denn im Hintergrund kochte genannter Footballer und die anderen Mädchen begannen sofort, leise zu kichern.

Und Brad kam auch sofort und schnappte sich seine Milly. Antoine wurde nur böse angefunkelt, als könnte er was dafür, daß die Mädchen auf ihn flogen. "Ihr solltet auch gehen, meine Damen, die nächste Stunde beginnt gleich." Der junge Lehrer packte alles in seine Tasche und verließ mit den Worten das Klassenzimmer. Er war gespannt, wen er von den Schülern in Kunst wiedersehen würde. Dieses Fach belegten nämlich nicht alle. Aber über eines war er sicher, hier fühlte er sich sehr wohl, auch wenn er die Mädchen abwimmeln musste ... und den Sportlehrer, denn der kam auf dem Gang lächelnd auf ihn zumarschiert. Wahrscheinlich hatte er die Abfuhr schon vergeben und auch, daß er Football als Spiel und nicht als Sport bezeichnet hatte. Wo Football doch der Volksport der Amis war.

"Ah, wen haben wir da ... Antoine war das, nicht wahr ? Hast du gerade Zeit ? Ich würde gerne ein wenig mit dir reden, scheinbar hat dir noch Keiner die Kunst des Footballs gezeigt ..." Noch während er sprach, kam Doug näher und legte eine Hand auf die wesentlich schmalere Schulter, drückte sie kurz und zog den Weißblonden dabei noch ein wenig näher.

‚Ich hab's doch geahnt.' seufzte der Blonde innerlich und lächelte etwas schief auf die Worte des Trainers. "Nein, das hat wirklich noch Keiner getan, aber ich bin sicher, sie werden es mir gleich erklären ... Doug." Er würde ja gern flüchten, aber Doug hielt ihn zu eng bei sich ... es würde sonst unhöflich aussehen. Ty hob eine Braue, als er die Beiden sah. Er stand an seinem Spind neben Raith und stubste seinen Freund leicht an. "Kuck mal."

"Shit ... der Coach hat Feuer gefangen. Und so wies aussieht, mag der Neue das gar nicht. Hm – mal gucken, ob ich dem Coach nicht eins auswischen kann." Über die Züge des Mischlings huschte kurz ein hartes Lächeln – der Coach hatte es ihm noch immer nicht verziehen, daß er das Angebot abgelehnt hatte, in der Footballmannschaft mitzumachen. Er interessierte sich nicht für diesen Sport – und es war auch gefährlich, denn auch wenn er nicht so stark, breit und groß war wie die Footballer, so konnte er sie allesamt in den Boden stampfen und mit ziemlicher Sicherheit verletzen. Noch während er daran dachte, schloß er den Spind und schwang den Rucksack auf die breite Schulter, ging zu den beiden Lehrern und lächelte kurz und hart, als er zu dem Franzosen sprach. "Ah, Sir – wir erwarten sie schon im Kunstzimmer. Coach, sie können ja später mit ihm reden, wir müssen hier weg, ehe noch mehr von den Cheerleadern kommen und sich an den Hals von Mister Balsak werfen. War ja in Geschichte kaum auszuhalten."

Antoine erfasste sofort, daß ihm geholfen wurde und er nahm nun fast vorsichtig die breite Hand von seiner Schulter. "Ähm ja, ganz richtig .... zeig mir doch bitte, wo es langgeht, ich hatte schon mit Müh und Not den Raum für Geschichte gefunden." Das Knurren von Doug überhörte der Blonde geflissentlich, doch er lächelte einen Moment. "Wir sehen uns ja nicht zum letzten Mal." Und schon entschwand er mit Raith um die nächste Ecke und schnaufte erleichtert. "Vielen Dank."

"Kein Prob – der Coach ist manchmal ein wenig lästig, er ist es gewohnt, daß ihm alle zu Füßen liegen und ihn darum anbetteln, in sein Bett kommen zu dürfen. Wahlweise auch in eine Umkleide oder eine Besenkammer. Du solltest ihm klarmachen, daß du schon mit Jemandem zusammen bist oder so, damit er Ruhe gibt." Der junge Mischling verschönerte nichts, sondern sagte, was er dachte – und in dem einen Moment, in dem er über den Sportlehrer redete, konnte man an seinen harten, blitzenden Augen sehen, daß er ihn nicht leiden konnte. Doch dann verging es wieder und Raith schenkte dem hübschen Lehrer neben sich ein kurzes, hartes Lächeln. "Bin schon auf deinen Unterricht gespannt – wenn der nur halb so interessant ist wie Geschichte, dann ist er um Längen besser als bisher. Bin ganz froh, daß die Holmes nich mehr da ist - sie war so staubtrocken, daß man sich das Husten verkneifen mußte."

"Für mindestens zwei Jahre bin ich jetzt da ... ich werde mich bemühen, weiterhin erfrischend zu sein ... und Danke für den Tip." Letzteres war wegen dem Trainer. Man sah ihm an, wie erleichtert der Franzose war, nicht wegen dem Trainer, sondern weil die Schüler ihn zu mögen schienen, jedenfalls Raith. "Zeigst du mir den Kunstraum ?"

Jener nickte nur, denn er konnte die Erleichterung des jungen Lehrers nur zu deutlich sehen. "Klar, sind schon auf dem Weg dorthin. Nur noch einen Stock höher und dann die zweite Türe links. Und wegen dem Tip – gern geschehen. Ist für uns alle gut – wenn der Coach ein Auge auf Jemand geworfen hat, dann gibt er keine Ruhe, ist schlimmer wie ne Bulldogge, die einen großen Knochen riecht. Die Ausrede sollte nur glaubwürdig sein – so dumm wie der Coach handelt, er ist nicht dämlich. Also wenn du noch Niemand hast, such dir schnellstens was, Okay ?" Während er sprach, ging Raith die Treppen hoch und das mit einer nicht zu übersehenden Leichtigkeit – oben angekommen, wartete er noch einen Moment, bis auch der Weißblonde nachgekommen war und nickte auf die Türe vor ihnen, an der schon eine Traube junger Frauen wartete. "Denke mal, du siehst schon, was der Kunstraum ist."

"Ähm ... ja." wisperte Antoine etwas trocken. Die Mädchentraube zeigte es nur zu deutlich. "Und wegen dem Trainer ... ich fang nichts an mit Kollegen und auch nicht mit Schülern, das wird er sicher verstehen." Er klang recht überzeugt und war es auch wirklich. Daß Doug mit Schülern Sex hatte, war für ihn etwas, das er nicht sonderlich gutheißen konnte. Dann entdeckten ihn die jungen Mädchen und tuschelten gleich wieder. "Nun dann, der Unterricht fängt gleich an ... gleich eine Doppelstunde." Darüber war der Blonde recht froh, Kunst lag ihm noch mehr als Geschichte, kein Wunder bei seiner Familienvergangenheit. Die Balsak-Männer hatten alle ein außerordentliches Talent für Kunst, vor allem fiel ihnen das Kopieren mehr als leicht und sie waren Fälscher ... nebenher waren sie Gigolo, etwas, das Antoine nicht ganz so zusagte, ebenso wie das Fälschen. Sein Vater ließ ihn aber machen, er war überzeugt, daß Antoine den Weg der Familie irgendwann einschlagen würde.

In der Zwischenzeit hatte sich Raith an seinen gewohnten Platz am Fenster gesetzt und schon damit begonnen, seine Zeichensachen herauszuholen. Zur Zeit arbeiteten sie mit Bleistift, da ihre ehemalige Lehrerin Kunst nicht sehr gemocht hatte – in den Aufzeichungen ihres Lehrplanes konnte man es gut erahnen, sie redete die meiste Zeit nur über die großen Künstler und ließ die Schüler ihrer Klasse eigentlich nur selten etwas zeichnen, außer, wenn sie Ruhe brauchte. Und aus diesem Grund hatte sie ihrer Klasse aufgegeben, ein Bild ihrer Wahl mit Bleistift, Graphit oder Kohle zu zeichnen – und die Schüler hatten sich der Aufgabe angenommen, die Einen mit mehr, die Anderen mit weniger Interesse.

Das mehr oder weniger Interesse beobachtete Antoine seinerseits mit großem Interesse, er ließ die Schüler einige Zeit machen und las den Lehrplan seiner Vorgängerin durch. ‚Mon dieu (mein Gott) , das kann doch nicht wahr sein.' denkend, klappte er das Buch wieder zu und ging dann durch die Klasse. Einige der Mädchen machten Modezeichnungen, Einige versuchten sich selber zu malen und die Jungs malten Footballzüge oder anderen Kram ... nur Wenige hatten Interesse und malten etwas, das man auch erkannte. Bei Raith blieb der Blonde stehen. Dessen Bild zeugte von Talent. Es war eine japanische Zeichnung von Bergen, darunter ein See mit Bambus und zwei Kiefern auf den Felshängen. "Sehr schön." murmelnd, ging er wieder zum Pult und klatschte in die Hände. "Meine Damen und Herren, bitte legen sie die Stifte beiseite. Wie es scheint, hat man euch weder etwas von Farblehre, noch von Proportionen beigebracht ... das werden wir nachholen."

In dem allgemeinen Aufstöhnen der anderen Kunstschüler lächelte Raith sacht vor sich hin, denn er wußte ganz genau, daß nur die Wenigsten an genau dieser Art von Unterricht interessiert waren. Die Meisten kamen nur in diesen Kurs, da sie eine leicht zu bekommende, gute Note zum Ausgleichen brauchten und nicht, weil sie am Zeichnen interessiert waren. Doch er selbst war sehr wohl interessiert – eines der Dinge, die sein Vater ihm neben seiner normalen Ausbildung beigebracht hatte, war das Zeichnen im traditionellen chinesischen und japanischen Stil ... und das schon, seit er vier Jahre alt war.

Antoine hob eine Braue bei den Aufstöhnen und lächelte wissend. "Die faulen Tage sind vorbei meine Damen und Herren. Kunst heißt nicht, daß man nur Kunstgeschichte lernt." Mit den Worten nahm er dickeres Papier auf und legte jedem Schüler eines der großen Blätter auf den Tisch. "Nehmt bitte eure Zirkel bevor." erklärte er und warf den Bildprojektor an. Die Folie, die er auflegte, zeigte einen großen Farbkreis, der in Ringe aufgeteilt war und ebenso in einzelne Felder. "Malt bitte zuerst diesen Kreis auf." Das war seine erste Aufgabe an die Schüler. Er selber ging zum Schrank, um die Aquarellkästen herauszuholen. Zu seinem Erstaunen waren sie nagelneu und unbenutzt.

Erneut war ein Aufstöhnen zu hören, da die Klasse bisher noch nie mit Farben arbeiten mußte. Es war einfacher so – denn wenn sie nur mit Bleistift, Graphit oder Kohle arbeiteten, war nichts sauberzumachen und es konnte auch nichts auf die Kleidung tropfen. Erneut huschte ein kurzes, hartes Schmunzeln über die Züge Raiths, denn er wußte, wie sehr manche Cheerleader es haßten, wenn ihre Kleidung auch nur den Hauch eines Flecks aufwiesen ... er wartete nur darauf, daß die ersten Schreckensschreie durch die Klasse hallen würden, während er seinen chinesischen Pinsel herausholte und neben das Blatt legte, das ihr neuer Lehrer ihnen gegeben hatte.

Der blonde Lehrer schnappte sich einen Stapel Farbkästen und verteilte auch sie bei den Schülern. "Bitte den Kreis so genau wie möglich abmalen, wer fertig ist, nimmt sich ein Glas Wasser und einen Pinsel Stärke Drei." Als er bei Raith angekommen war, hob er erneut eine Braue und nahm mit einem leisen "Darf ich ?" den Pinsel auf. Es war ein Japanpinsel, und als er die Hülle abnahm, nickte er. Der Pinsel war benutzt und schwarze Japantusche war auch schon in das Holz eingedrungen. "Ein guter Pinsel." murmelnd, stülpte er die kleine Schutzkappe wieder über und legte ihn wieder zu dem Schüler. "Wer fertig ist, wird die Grundfarben aus eurem Malkasten in die mittleren Ringe malen. Dann wird die Farbe nach innen hin mit Wasser in jedem der drei Ringe, die noch kommen, abgeschwächt und nach außen hin in den drei Ringen mit schwarz abschattiert ... und Diejenigen, die Angst um ihre Kleidung haben, dort hinten hängen saubere Kittel." Auch die Kittel waren noch absolut sauber, was hatte diese Lehrerin nur gemacht.

Daß dieser junge Lehrer den Pinsel als das erkannte, was er war und auch anerkannte, daß Raith damit umzugehen wußte, überraschte den Mischling ... doch dies verging wieder, als er das Murren der Klassenschönen hörte, die leise jammerten, daß sie diese ekligen, häßlichen Kittel nicht anziehen wollten. Raith schnaubte nur und rief ihnen ein "Die sind sauberer als eure Röcke, oder wart ihr Heute noch nicht in den Besenkammern ?" zu, daß die jungen Frauen tief erröten und schnell zu den Kittel laufen ließ. Sie fügten sich nur widerwillig – doch der Gedanke, daß sie Farbe an ihre teuren Designerstücke bekommen könnten, war stärker als ihr Widerwille gegen die einfachen und sehr ungünstig fallenden Malerkittel. Mittlerweile war Raith mit seinen Kreisen fertig und stand auf, um sich ein Glas Wasser und eines der Tücher zu holen, die zum Abstreifen dienen sollten – auch diese waren noch völlig sauber und er sah mit einem Blick, daß Antoine noch sehr viel Mühe mit dieser Klasse haben würde. Als er bei ihm vorbeikam, wisperte er ein kurzes "Wird schon ..." und ging an ihm vorbei, ohne eine Antwort abzuwarten – setzte sich auf seinen Platz und begann, mit ein wenig Wasser, das er von seinem Pinsel tropfen ließ, die Aquarellfarben anzulösen und machte sich nach und nach daran, den Farbkreis erfahren und mit der nötigen Ruhe auszumalen.

Derweil schienen einige der Mädchen sogar mit dem Kreis überfordert, sie trödelten wahrscheinlich, damit sie nicht ausmalen mussten. "Hab ich schon erwähnt, daß die Farbkreise benotet werden ?" Antoine ließ das fallen und grinste innerlich, als er die verschreckten Gesichter der faulen Tratschen sah. Ihm war klar, daß viele den Kunstkurs machten, um faul zu sein, doch das würde sich bei ihm ändern. "Ich wünsche, daß sauber gearbeitet wird, bemüht euch bitte, nicht über die Ränder zu malen, und wer es in den zwei Stunden Heute schafft, bekommt einen Pluspunkt zu der Note des Farbkreises."

Dies brachte den jungen Mischling dazu, eine Braue zu heben – er hatte nicht erwartet, daß Antoine so rigoros sein würde, doch ihm war es mehr als nur recht. Innerlich wieder ruhig werdend, konzentrierte er sich auf die Farben und die Art und Weise, wie er sie auftrug – man sah mehr als nur deutlich, daß er es gewohnt war, auf diese Weise auch zu schreiben, denn seine Striche waren akkurat und perfekt gesetzt und nichts lief über die Ränder, da er wußte, wie die Farbe reagierte. Und nach nicht einmal einer halben Stunde hatte er den Farbkreis fertig, legte ihn an die Seite und widmete sich der Arbeit, seinen Pinsel und den Malkastasten zu säubern, ehe er die Skizze wieder herauszog und weiter mit Graphit malte.

Antoine sammelte den Farbkreis von Raith gleich ein und nickte zufrieden. Der Junge hatte wirklich Talent, allein die Pinselführung erzählte viel. Als die zwei Stunden, zusammen mit der fünf Minuten Pause dazwischen herum waren, hatten alle ihre Arbeiten abgegeben. Sie waren so mehr oder weniger gelungen. Aber wenigstens hatten die Schüler jetzt ein wenig Ahnung von Farblehre. "Raith ... wartest du bitte noch einen Moment ? Ich möchte noch kurz mit dir reden."

Nun doch ein wenig verwundert, hob der Dunkelhäutige erneut eine Braue, doch er nickte und erhob sich erst, als die Anderen förmlich aus dem Klassenzimmer in die erste längere Pause geflüchtet waren. Dann ging er zu dem blonden Lehrer und legte seinen Rucksack auf eines der Pulte, lächelte kurz und setzte sich auf das Pult, als er ihm antwortete. "Kein Prob – was ist denn ?"

"Nichts schlimmes ... ich habe festgestellt, daß du ein großes Talent hast. Ich wollte fragen, wie lange du schon malst." Daran war Antoine interessiert, denn Raith war der Einzige in der Klasse, der wirklich gern und dazu talentiert zu malen schien.

Dies brachte den ein wenig Jüngeren dazu, leise zu schmunzeln und er strich sich kurz die rote Ponysträhne nach hinten, als er ihm antwortete. "Mein Vater lehrte mich das Schreiben und Malen nach der klassischen chinesischen und japanischen Tradition seit ich vier Jahre alt war. Es ist eine sehr gute Möglichkeit, Ruhe und Klarheit zu finden und ein idealer Gegenpol zu meinem Training. Und ich finde es gut, daß du hier endlich einmal Gelegenheit dazu gibst, etwas über das Malen zu lernen – ich denke, Kunstgeschichte haben wir hier schon genug gehört." Während er sprach, beobachtete Raith den Anderen ... er war gespannt auf dessen Reaktion, denn bisher hatte ihn noch Niemand gefragt, seit wann er denn schon malte.

"Das denke ich auch ... ich werde nun auch weiter auf das Zeichnen eingehen. Ich hoffe, daß die Anderen noch mehr Elan zeigen werden. Und was deine Zeichnungen betrifft, ich würde gern etwas mehr davon sehen. Ich mag Kunst lieber als Geschichte." Das tat Antoine wirklich, auch wenn er Geschichte ebenso studiert hatte wie Kunst. "Vielleicht könntest du nächste Mal einige deiner Werke mitbringen ?"

Das hatte Raith nicht erwartet und so war er ziemlich überrascht über diese Bitte. Doch nach einem kurzen Moment des Überlegens nickte er und lächelte kurz, als er ihm antwortete. "Gern, wenn du möchtest ? Ich bin zwar nicht so gut wie mein Vater, aber ein paar gute Bilder habe ich, die ich mitnehmen kann. Soll ich dich noch zu deiner nächsten Klasse bringen ? Der Coach nutzt die kleine Pause immer für einen kleinen Fick, außer, er ist hinter Jemandem her – und er hat defintiv ein Auge auf dich geworfen." Noch während er sprach,nahm Raith seinen Rucksack auf und schwang ihn über seine Schulter, stand auf und nickte kurz zum Gang, den man durch die offene Türe gut sehen konnte.

Da brauchte Antoine nicht lange überlegen, er nickte und packte seine Sachen zusammen. Die Farbkreise hatte er in eines der großen Schubfächer gelegt, dort waren sie sicher und würden nicht abhanden kommen. "Wird das wirklich geduldet, daß er mit Schülern schläft ? Ich dachte, Amerika sei so streng in der Hinsicht." Er konnte das noch immer nicht ganz fassen und ging neben Raith her, nachdem er den Kunstraum wieder abgeschlossen hatte.

"Sogar sehr streng, vor allem, wenn es eine Lehrerin ist, die etwas mit einem Schüler anfängt – oder gar zwei Männer. Aber der Coach ist zu wichtig – er hat Beziehungen und es wird alles vertuscht. Im Gegenteil ... die Schüler sind sogar froh darum, da es ihre Karriere steigern kann, zumindest bei den Footballern und den Cheerleadern. Manche machen es auch deshalb, daß sie sagen können, daß auch sie einmal mit dem Coach geschlafen haben – er hat einen ziemlichen Ruf, wie du ja denke ich schon ein wenig mitbekommen hast. Ich würde mich jedenfalls vor ihm vorsehen – er ist zwar nicht sehr klug, aber hartnäckig." Zum Glück war der Gang fast leer, da die Schüler alle auf dem Hof waren ... nur einige Pärchen waren zu sehen, die in den Ecken und versteckten Winkeln standen und sich küßten, so daß Raith doch recht offen mit dem jungen Lehrer reden konnte.

"Mon dieu." murmelnd, seufzte Antoine leise, das Ganze hier schien so schön, wenn der Trainer nicht wäre. "Dann werde ich ihm einen größeren Korb geben müssen ... oder meinst du, das würde ihn noch mehr anheizen ... es heizt ihn an." Letzteres fügte er gerade so an, er war da sicher und auch, wenn er sich selber nicht als Gigolo anbot, so wusste er wohl Bescheid. Was man nicht bekommen konnte, will man um so mehr haben.

Raith murmelte nur ein kurzes "Jep.", ehe er den Rucksack ein wenig anders schulterte und mit einer neckend gehobenen Braue zu dem hübschen Lehrer blickte. "Nun – die einzige Möglichkeit, ihn wirklich abzuwimmeln, ist, wenn du liiert bist. Auch wenn er ein Macho ist, er mischt sich nicht in Beziehungen ein – auch wenn er nur zu gern die Schulter zum Ausweinen spielt, wenn eine in die Brüche ging. Teil seiner Anmache – und die würde er riskieren, wenn er eine Beziehung knackt. Also such dir am Besten eine hübsche Frau oder einen kräftigen Kerl, dann hast du deine Ruhe." Eigentlich dürfte es nicht schwer werden und der junge Mischling wunderte sich so oder so, daß dieser hübsche Lehrer noch nicht verheiratet und weggepackt worden war.

Das lag aber auch nur daran, daß Antoine nie heiraten würde und zum Anderen, daß er sich noch nicht fest binden wollte. Viele verstanden nicht, daß er so viel Zeit mit Malen zubrachte und hier in Amerika hatte er auch erst einmal etwas Fuß fassen wollen. "Nun, dann werde ich mal sehen, ob ich nicht was finde ... oder ich schlag mich mit ihm herum." Antoine lächelte versonnen und das entlockte einer vorbekommenden Mädchengruppe ein kollektives Seufzen und Schmachten.

Raith knurrte nur kurz und lächelte hart, als die Mädchen allesamt erschraken – er war erst seit einem halben Jahr hier und sie hatten sich noch immer nicht an seine harsche, oft abweisende Art gewohnt. "Jep. Bist neu hier, oder ? Bin selber erst seit einem halben Jahr hier und bisher nicht viel Gelegenheit gehabt, mich umzusehen. Aber einige Discos sind recht vielversprechend, wenn du willst, kann ich dir ein paar Adressen geben. Gemischt oder nicht ?" Es war ein wenig direkt – aber so wußte Raith wenigstens, wie dieser Lehrer gepolt war, denn er bekam das Gefühl, daß Antoine eigentlich weniger vom Coach an sich sondern mehr von dessem Verhalten abgestoßen war.

So war es ja auch, wäre Doug etwas weniger so, wie er nun mal war, hätte er wirklich Chancen bei Antoine. "Ich bin Schwul, also wenn du ein Paar Clubs für meine Gesinnung kennst ?" Der Blonde hatte an der Offenheit des Schülers bemerkt, daß es ihm egal war, wer wie gepolt war. "Ich denke, du wirst es Keinem sagen, oder ? Ich weiß nicht, wie tolerant die Schule ist ... vor allem, weil ich nicht so wichtig bin wie der Trainer."

"Ich sags Keinem, aber wäre nicht schlecht, wenn du es sagen würdest – so kannst du dir die Weiber vom Hals halten. Dem Direx und den Lehrern ist es eigentlich egal, die alte Miss Tibbs ist Lesbe ... auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, daß die noch ein Weib anfaßt. Irgl... jedenfalls brauchst bei mir keine Gedanken haben, bin selber Schwul und ich kenne ein paar Clubs. Wenn du willst, warte ich später auf dich, wir haben Heute ja noch einmal Geschichte, die letzte Stunde, wenn ich mich nicht irre. Na dann, hier ist das Klassenzimmer, bis später ..." Mit einem kurzen Nicken verabschiedete sich der junge Mischling und lief in seine eigene Klasse – sie hatten noch Mathe bis zur Mittagspause und das würde schwer genug werden.

"Danke für die Hilfe." rief Antoine dem Jüngeren nach und lächelte einen Moment. Dann betrat er die Klasse und machte auch hier den Unterricht mit gleichem Elan wie schon zuvor.

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