”... so perfect in every way ...” 02
Auf einem Hochhaus sitzend, beobachtete Marcus die Bewegungen in einem Penthouse. Warum ? Er wollte dem Besitzer etwas stehlen. Marcus war ein Dieb und nicht nur das, er war ein Werwesen. Zu drei Vierteln war er Rabe und zu einem Viertel war er Panther, beide Teile waren zum Stehlen extrem nützlich und er hielt sich dabei auch nicht unbedingt zurück. Wenn ihm etwas gefiel, dann holte er es sich, oder er beschaffte es Jemandem. Zwar wäre es seinem Vater sicher lieber, daß er wie er Schamane würde, aber dafür hatte er ja immer noch Zeit und sein Vater drängte ihn auch nicht. Sein Leben lag noch vor ihm und das wollte er genießen. Er war gerade mal 55 Jahre alt, und als Werwesen war er noch ein Teenager. Das Objekt seiner momentanen Begierde war ein Ring. Das Model in dem Penthouse hatte ihn geschenkt bekommen, ein silberner, mit keltischen Mustern gravierter Ring, der mit einem Opal verziert war, und genau den wollte er haben.
Davon wußte der Besitzer allerdings nichts und seufzte leise, als er wie einen jeden Abend dem Lied lauschte und sich dabei umzog. Er sorgte sich nicht darum, gesehen zu werden, da seine Fenster nur schemenhafte Umrisse erkennen ließen – eines der Dinge, die er sich bei all seinen Penthäusern leistete, waren diese speziellen Fenster. Nur die großen Fenster zum Balkon waren völlig klar, da er den Ausblick auf seine Pflanzen genoß – und normalerweise auch nicht gesehen werden konnte, da die Bambuspflanzen einen natürlichen, fast drei Meter hohen Sichtschutz bildeten. Daß ihn Jemand von den Dachgiebeln eines der Hochhäuser außen herum beobachten könnte, kam Dougal nicht ... dafür waren seine Gedanken mit völlig anderen Dingen beschäftigt. Wie zum Beispiel mit diesem fast unbezahlbaren Ring, den er Heute bekommen hatte – die Nachbildung eines historischen Ringes, den er zusammen mit der Mode eines Designers hatte tragen müssen. Und genau dieser Designer hatte ihm diesen Ring danach geschenkt ... und dafür einen Kuß erstanden, ein Deal, in den sein Manager eingewilligt hatte, ohne Dougal überhaupt zu fragen. Mittlerweile etwas, das dieser gewohnt war ... sein Manager schien in dieser Hinsicht keinerlei Bedenken zu haben und zu denken, daß der Schmuck es wieder wettmachen könnte. Sicherlich – Dougal mochte schönen Schmuck, er liebte es, die funkelnden Edelsteine zu betrachten und manchmal auch, etwas anzulegen und das kühle Silber oder Platin auf seiner Haut zu spüren. Gold suchte man in seiner doch recht großen Schmucktruhe jedoch vergeblich – das junge Model mochte Gold nicht, es biß sich mit seinem Aussehen und seine Manager hatten dies recht schnell eingesehen. Erneut leise seufzend, betrachtete Dougal den großen, in allen Farben schillernden Opal auf dem Silberring – eigentlich wäre er wunderschön, doch der Gedanke an den nassen, ekelhaften Kuß des Designers, der mit diesem Ring auf immer verknüpft war, ließ alle Freude an dem Schmuckstück vergessen und Dougal legte ihn auf das kleine Tischchen neben dem Wohnzimmertisch, um ihn zumindest für eine Weile zu vergessen.
Als das Model ins Bad ging, nickte Marcus, er konnte mit seinen guten Ohren hören, wie die Dusche anging, und schon erhob er sich aus der Hocke und sprang von dem Sims herab. Im Flug formten sich seine Rabenschwingen und er schwebte schnell und problemlos auf den großen Balkon. Kaum gelandet, formte er seine Schwingen wieder weg und betrat das Wohnzimmer. Dort blieb er überrascht stehen und grinste breit. ‚Das ist ja einfacher, als ich dachte.' Der Ring sprang ihn schon fast an und so brauchte er sich kaum bemühen, sondern er nahm ihn einfach an sich und verließ das Penthouse auf dem selben Weg, den er gekommen war. Er plazierte sich wieder auf dem Sims und beobachtete das Wohnzimmer. Er wollte sehen, wie das allseits bekannte Model ausflippte.
Mittlerweile war Dougal mit der Dusche fertig und schlang ein Handtuch um seine Hüften, ging ins Wohnzimmer, schaltete den CD-Spieler aus und wandte sich zum Balkon, um die Türen zu schließen. Doch irgendetwas war anders ... verwirrt blickte der junge Schwarzhaarige sich um und flocht die hüftlangen Haare ein wenig in einen Zopf, trat auf den Balkon und sah sich um, ehe er sich leise selbst einen Narren schimpfte und wehmütig lächelte. "Nun bildest du dir schon ein, daß Jemand in deiner Wohnung und auf dem Balkon war ... bestimmt war es nur ein Vogel." Und als ob seine Vermutung bestätigt werden wollte, sah er plötzlich eine schwarze, kleine Feder zwischen den Ziergräsern liegen und runzelte kurz die Stirn, als er sie aufhob und in der Hand drehte. Doch dann erhellte sich sein Gesicht und er nickte, wisperte ein kurzes "Eine Rabenfeder ..." und drehte sich wieder um, um in seine Wohnung zurückzugehen. Doch er stockte erneut, als er über die Türschwelle trat und sein Blick auf das Tischchen und den darauf fehlenden Ring fiel. "Was ...? Das ..." Zum ersten Mal seit langer Zeit löste sich ein Lachen aus seiner Kehle und er schüttelte den Kopf, roch kurz an der Feder und legte sie dann an die Stelle, an der zuvor der Ring gelegen hatte. Erst dann ging er in sein Schlafzimmer und zog sich eine schlichte, schwarze Pyjama-Hose aus feinster Seide über, schaltete die Lichter aus und legte sich in sein Bett, um noch ein wenig über seinen unfreiwilligen, tierischen Besucher nachzudenken.
Die Reaktion war wirklich unerwartet für den Werraben, doch dann lachte auch er leise. "Du denkst, ein Rabe hat den Ring gestohlen ? Da hast du Recht." Dieses Model war gar nicht so zickig, wie er es erwartet hatte, er hatte mit Zeter und Mordio gerechnet, Polizei und womöglich FBI.
Etwas, das vermutlich ein jedes andere Model getan hätte – doch Dougal war nur froh, den Ring endlich losgeworden zu sein und lächelte ein wenig zu sich selbst, als er mit dem Gedanken an seinen Besucher einschlief. Zum ersten Mal seit langem schlief er mit einem Lächeln auf den schmalen Lippen ein ... und zum ersten Mal seit langem freute er sich auf den kommenden Morgen.
Daß keine Sirenen und wirklich nichts weiter passierte, war trotzdem noch verblüffend. Marcus würde Morgen nochmal kommen, denn das Model hatte sein Interesse geweckt. Irgendwie war er anders. Erst, als auch das Nachtlicht ausging, ließ er sich erneut von dem Sims fallen und nutzte die Aufwinde zwischen den Hochhäusern, um sich hoch in die Luft tragen zu lassen. Morgen würde er in seiner Tierform kommen und sich zeigen, mal sehen, wie das Model reagierte.
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Als der nächste Morgen graute, blinzelte Dougal und brauchte einen Moment, um sich zu orientieren – anders als sonst, fühlte er sich wirklich erholt und dann kam ihm auch, wieso. Leise schmunzelnd, schüttelte der Schwarzhaarige kurz den Kopf und stand auf, ging zu seinem Schrank und nahm sich eine einfache, schwarze Jeans heraus, dazu noch einen frischen Slip und ein leichtes Hemd, denn Heute an seinem freien Tag wollte er ein wenig in seinem Terassengarten arbeiten. Doch zuvor wollte er noch duschen und ein wenig frühstücken ... und anders als sonst tat er es mit einem leisen Summen, denn alleine der Gedanke an seinen kleinen Besucher zauberte ein Lächeln auf seine Lippen. "Hoffentlich kommt er wieder ... hm ... vielleicht sollte ich ihn locken, ja, das ist eine gute Idee." Noch während er sprach, ging Dougal zu seinem Schmuckkasten und holte einen häßlichen, doch sehr wertvollen Platinring heraus, der mit einem gelben Saphir geschmückt war – er mochte ihn nicht, denn wie der gestrige Opalring war es ein Geschenk eines Verehrers gewesen, der sich damit bei seinem Manager eine Nacht mit ihm gekauft hatte. Kurz schaudernd, brachte ihn das junge Model auf den Balkon und setzte ihn auf einen der großen Findlinge – auf diese Weise konnte sich die Sonne gut an den Facetten brechen und vielleicht seinen gefiederten Besucher anlocken.
‚Der Kerl spinnt doch total.' dachte sich Marcus, der in Rabengestalt etwas entfernt auf dem Dachsims von gestern Abend saß und das Ganze beobachtet hatte. Das Ganze roch eigentlich nur nach einer Falle, aber er fühlte keine wirklich böse Energie in dem Model. ‚Ach was soll's, wer nichts wagt, der gewinnt auch nichts.' Daß Dougal da einen billigen Ring hingelegt hatte, glaubte Marcus nämlich nicht. Somit flog er los, drehte eine kurze Runde über den Balkon und landete dann auf dem Findling neben dem Ring. Mit leicht schief gelegtem Kopf betrachtete er ihn. ‚Der Kerl ist wirklich total beknackt ... Platin, und dann noch ein gelber Saphir. Okay, das Ding ist hässlich wie die Nacht, aber die Materialien sind sehr wertvoll.' Er wusste, daß er beobachtet wurde, denn Dougal saß im Wohnzimmer und blickte auf den Balkon. Marcus sah kurz zu ihm und krächzte laut, dann pickte er den Ring auf und flog davon.
Leise lachend, schüttelte Dougal den Kopf und beobachtete seinen Besucher. Es war zu niedlich, wie er den Ring abgeschätzt und dann zu ihm gesehen hatte ... und fast schien es, als ob der Vogel ihn anlachen würde, ehe er den Ring nahm und davonflog. Es freute den jungen Schwarzhaarigen, daß er ihm eine Freude machen konnte und stand schließlich auf, da er noch ein wenig in seinem Garten arbeiten wollte. Das Wetter war herrlich und perfekt dafür geeignet – und ihm würde nach der langen, arbeitsreichen Woche ein wenig Sonnenschein gewiß guttun. Als Dougal jedoch auf den Balkon trat, zögerte er einen Moment und schloß die Augen – irgendwie roch es gut, auch wenn er nicht wußte, weshalb. Doch dann tat er es mit einem Schulterzucken ab und nahm die Gartenschere, den Korb für die Pflanzenabfälle und machte sich daran, ein wenig zu werkeln.
Auch hier wurde er von Marcus beobachtet. Er war wieder zu dem Sims geflogen und hatte den Ring dort kurz abgelegt. Er bemerkte, daß Dougal geschnuppert hatte und er fand, daß es aus der Wohnung des Models gut gerochen hatte. Er hatte bei ihm ein seltsames Gefühl, es war etwas Bekanntes, das er aber noch nicht ganz definieren konnte. Doch dann beendete er seine Beobachtung, schnappte sich den Ring und flog zurück zu seinem eigenen Haus, das außerhalb der Stadt lag.
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Dougal verbrachte den gesamten Vormittag leise summend auf der Terasse, genoß es, die Sonne und den leichten Wind zu fühlen und erst, als er wirklich alles erledigt hatte, legte er die Gartenschere in den Korb mit den Geräten zurück und stellte den Korb mit den Pflanzenabfällen an die Seite. All die Arbeit hatte ihm Hunger gemacht und so ging er leise summend in seine Küche, überlegte einen Moment und entschied sich für eine Nudelsuppe und ein kleines Steak mit Salat. "Wenn diese Idioten wüßten, daß ich ihre Diät nicht einhalte ... ich glaube, dann würden sie mich für eine ganze Woche an einen dieser widerlichen Kunden vermieten, damit ich alles wieder runterhungere. Zum Glück hat mich mein Körper noch nie im Stich gelassen, solange ich immer wieder Fleisch esse." Das war etwas, das ihn schon immer verblüfft hatte – anders als seine Kollegen, mußte er nicht unbedingt auf jeden Bissen achten, lediglich auf die Menge und was er aß. Solange er Fleisch, Obst und Salat aß, nahm er nicht zu – selbst, wenn er sich manchmal ein Stück Schokolade gönnte. Doch das war sein kleines Geheimnis, ebenso wie die gelegentlichen Tortenstücke, die er sich gönnte. Doch dann vergingen diese Gedanken wieder, als er der leisen Entspannungsmusik und den Harfen darin lauschte, leise mitsummte und sich das Mittagessen kochte. Der Tag würde schnell genug wieder vorbeisein, das wußte Dougal ... und dann mußte er wieder zurück zu den Zwängen, den Masken und all dem, das er eigentlich fürchtete.
Derweil war Marcus daheim, aß etwas Fleisch und musterte die beiden Ringe. Den einen brauchte er, um den Originalring zu stehlen, und den anderen würde er so verscherbeln. Er kannte genug Händler, die ihm etwas für das Platin geben würden und Händler, die den Stein sicher gern haben wollten. Für ihn war es immer noch erstaunlich, daß dieses Model ihm das Ding einfach so hingelegt hatte. Nebenher warf er einen Blick in den Fernseher, die Werbung lief und er hatte Dougal in einem Werbeblock schon dreimal gesehen. Sein Gesicht war absolut perfekt, genau wie sein Körper und das Haar, und nicht nur in der Werbung, er hatte ihn ja auch daheim gesehen und es war nicht angeschminkt. Einen so perfekten Menschen gab es nicht oft und genau das machte ihn neugierig. Kurz entschlossen, stopfte er sich noch das letzte Fleisch in den Mund und machte sich wieder auf den Weg zu dem Sims, von dem er das Penthouse gut beobachten konnte. Er wählte wieder seine reine Tierform, denn so fiel er nicht so sehr auf.
Und just in dem Moment, in dem er auf dem Sims landete, blickte Dougal auf und lächelte. Er wußte nicht woher, doch irgendwie hatte er die Nähe dieses Raben gefühlt ... und so zögerte er nicht lange, nahm von der Ablage eine Schale mit Fleischstückchen und ging auf die Terasse, setzte sich in einen der Liegesessel und stellte die Schale ein wenig von sich entfernt auf den Findling, auf dem zuvor der Ring gelegen hatte. Dann nahm er ein Buch von der Seite und begann zu lesen, darauf hoffend, daß der Rabe sich sicher genug fühlte, sein Angebot anzunehmen.
Was Böses wollte Dougal scheinbar nicht, das würde Marcus fühlen. Scheinbar wollte der Mensch sich mit ihm anfreunden. Nach kurzem Zögern und Überlegen entschloss er sich und schon flog Marcus zu der Terrasse, um gekonnt auf dem Findling zu landen. Wieder krächzte er leise und musterte das angebotene Fleisch. Es war Okay, und so pickte er ein Stück davon auf und futterte es. Beim Fressen hatte er jedoch immer ein Auge auf den Lesenden, der nicht wirklich las, sondern über das Buch hinwegschaute, um ihn zu beobachten.
Der Anblick des zögerlich zu fressen beginnenden Raben ließ wieder ein Lächeln auf den Zügen des jungen Models erwachen ... dann legte er langsam das Buch zur Seite und lehnte sich zurück, betrachtete den Raben beim Fressen und freute sich im Stillen darüber, daß er diese Gelegenheit bekam. Irgendwie mochte Dougal diesen Vogel ... er fühlte sich in dessen Nähe wohl, etwas, das sehr selten war und er hoffte, daß der Rabe vielleicht öfter kommen würde.
Die Hoffnung würde erfüllt werden, denn Marcus hatte vor, noch öfter zu kommen, weil ihn das Model wirklich neugierig gemacht hatte. Das jetzige Lächeln war viel echter als das, was er in der Werbung gesehen hatte, es war viel schöner und wärmer. Zeit für seine Neugierde hatte er jetzt genug, er musste einige Tage warten, bis der Originalring nach Amerika gebracht wurde, um bei einer Gala getragen zu werden, und da wollte er zuschlagen und die Ringe austauschen. Jetzt futterte er ganz gelassen und blickte hin und wieder zu dem Model. Als er fertig war schüttelte er kurz seine Federn aus und flog schließlich wieder weg.
"Schade ... aber wie es aussieht, hat es ihm geschmeckt." Leise schmunzelnd, stand Dougal auf und blickte ihm noch nach, ehe er die Schüssel aufnahm, das Buch aufhob und wieder in seine Wohnung ging, um noch einige Kleinigkeiten zu erledigen. Ihm blieben nur diese wenigen, freien Tage, um das Penthouse sauber zu halten und seine Pflanzen zu gießen ... zum Glück war er sehr reinlich und daß die Pflanzen alle in Hydrokultur gehalten wurden, vereinfachte ihm dabei vieles. Als er schließlich fertig war, wurde es schon Abend und Dougal seufzte leise ... ihm blieb gerade noch soviel Zeit, daß er sich baden konnte, ehe er schon damit beginnen mußte, die Kleidung für Morgen herauszusuchen und alles vorzubereiten, daß er früh genug zu seinen Managern kommen konnte.
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Am nächsten Morgen stöhnte Dougal leise auf, als sein Wecker piepste ... erst nach einigen Herzschlägen raffte er sich auf und schaltete das Gerät aus, stand auf und streckte sich ausgiebig, ehe er ins Bad ging und seine Morgentoilette erledigte. Zum Glück muße er für dieses Shooting kein bestimmtes Produkt auftragen – er konnte die aufdringlichen Düfte der diversen Cremes, Shampoos und Colognes, After-Shaves und Herrenparfüms nicht leiden, es gab nur einige wenige Marken, die er ertragen konnte. Und eine davon kam aus England, eine ganze Serie, die nach Veilchen duftete – Dougal liebte diesen Duft, ebenso wie den von Pfirsichblüten oder Rosen, doch Veilchen mochte er am Liebsten. Er brauchte auch nicht viel – ein winziger Tropfen der Handcreme reichte, so daß sein feiner Geruchssinn den ganzen Tag den schwachen Veilchenduft riechen konnte. Es war eine kleine Hilfe für ihn, um ihn daran zu erinnern, daß es außer der perfekten Fassade noch Jemanden gab ... den Mann, der ihm nun aus dem Spiegel entgegenblickte und nur zu bald wieder zu dem perfekten Model werden würde. Doch dann verdrängte Dougal den Gedanken und ging ins Schlafzimmer zurück, zog sich an und bürstete noch einmal durch seine langen, leicht stufigen Haare, steckte alles ein, das er brauchte und fuhr schließlich mit dem Aufzug nach unten, damit er in die lange Limousine einsteigen konnte, die schon auf ihn wartete.
Wieder war er beobachtet worden. Marcus war in Rabengestalt und hatte eigentlich gespannt gewartet, ob Dougal ihm wieder etwas hinlegte, aber stattdessen ging das Model aus dem Haus und verschwand in der Limousine. Kurzerhand folgte Marcus dem großen Wagen, er hatte nichts Besseres zu tun und wollte sich so ein wenig die Zeit vertreiben.
Es dauerte nicht lange, und sie kamen an dem großen Studio an, in dem das Shooting stattfinden würde ... wie immer, warteten unzählige Fans vor den Toren und wurden nur mit Mühe von den Sicherheitskräften abgehalten, jubelten auf, als die Limousine hielt und schrien, als Dougal ausstieg. Nichts in seinem kühlen Verhalten glich noch dem Ich, das er sich in seinem Penthouse erlaubte ... er trug die Maske, welche die Menschen sehen wollten und nickte zu den jubelnden Fans, beachtete sie nicht weiter und folgte den Bodyguards ins Innere des Studios. Dort erwarteten ihn schon die Helfer und nahmen sein Jacket ab, ehe sie ihn nach hinten brachten und vor einen großen Schminktisch setzten. Wie immer, würde bei ihm nicht viel zu machen sein – doch die Visagisten konnten dem Drang nicht widerstehen, ihn zu berühren und zu betrachten, während sie in gehauchten Worten seine Schönheit priesen. Dougal hörte dies schon lange nicht mehr und betrachtete sein Spiegelbild, das zu ihm zurückblickte ... eine kühle, perfekte Maske, das Gesicht, das sie für die Bilder wollten.
Durch eines der hochgelegenen Studiofenster besah sich Marcus die ganze Sache und krächzte leise. Er war erschüttert, wie kalt das Model jetzt war, eine perfekte Maske, eine unheimliche Maske. Er überlegte nicht lange und pochte mit dem Schnabel an das Fenster, er war gespannt, ob Dougal es bemerkte und wenn ja, wie er reagierte.
Als das leise Pochen erklang, wandte sich der Visagist gerade ab und Dougal hielt inne, um den Kopf zu drehen und nach oben zu dem Fenster zu blicken. Einen winzigen Moment, gerade einmal so lang wie ein Wimpernschlag, huschte ein warmer Schimmer über die smaragdgrünen Augen des Schwarzhaarigen, als er einen Raben sah und ihn an den so ungewöhnlichen, rubinroten Augen erkannte ... doch dann kam der Visagist mit dem Fotografen und dem Manager zurück und Dougal wandte sich ihnen zu, seine Maske wieder fest an seinem Platz.
Marcus schnaubte innerlich und besah sich die Sache weiterhin. Irgendwie hatte er das Gefühl, daß Dougal Schutz brauchte, und dem Gefühl konnte er eigentlich immer trauen. Die Menschen in seiner Umgebung sahen ihn wie ein Ware an oder wie ein Stück Knetmasse, daß sie nach ihren Wünschen formen konnten.
Währenddessen begrüßte Dougal den Fotografen und folgte ihm in das Studio, das direkt neben den Schminktischen lag. Wie gefordert, nahm er das Produkt und stellte sich in die Posen, die von dem Hersteller gefordert wurden. Wie ein jedes Mal, gelangen alle verlangten Posen gleich auf das erste Mal – und wie schon erwartet, konnte Dougal förmlich sehen, wie der Fotograf immer heißer auf ihn wurde. So wie auch sein Manager, und so ahnte er schon, was nach der Session auf ihn warten würde. Er behielt Recht – nach zwei Stunden waren alle Fotos geschossen und der Manager grinste, als der Fotograf zu einem abgetrennten Bereich an der Seite nickte und seine Angestellten alle in den Feierabend entließ. Innerlich leise seufzend, ließ sich Dougal jedoch äußerlich nichts anmerken, als er ihnen folgte, seine Kleidung langsam ablegte und schließlich auf das Bett legte. Er wußte, was nun kam ... und er erwartete es, ohne eine Regung zu zeigen.
Der Fotograf grinste nur lüstern und fing an, sich ebenso zu entkleiden, doch dann klirrte plötzlich die Scheibe des Fensters und Marcus flog in das Studio. Er konnte nicht zulassen, was da gerade passierte. Und so probte er sozusagen einen Aufstand und flatterte krächzend herum, und stieß dabei das Stativ der Kamera um und ebenso einige andere wichtige und teure Dinge.
Erschrocken zusammenfahrend, wich Dougal an die Wand zurück, als die Glasscherben um ihm herum auf der Matratze landeten. Im ersten Moment erkannte er nicht, was los war, da er sich schützend wegduckte – doch als er aufblickte, sah er den Raben und keuchte leise, sprang aus dem Bett und zur Seite, um dem wütenden Manager und dem vor hilfloser Wut kreischenden Fotografen nicht im Weg zu sein. Als der Vogel schließlich wieder aus dem Fenster flog, war die Stimmung definitiv vorbei – der Fotograf fluchte und sammelte seine Sachen zusammen, während der Manager Dougal nur befahl, sich wieder anzuziehen, da sie das an einem anderen Tag nachholen würden. Das junge Model nickte nur und nahm seine Kleidung von der Seite, schüttelte sie aus und zog sie wieder an, ehe er sich verabschiedete und in die Limousine einstieg, die draußen schon auf ihn wartete.
Derweil war Marcus ziemlich zufrieden mit seiner Leistung. Er hatte das Schlimmste verhindert, dem Arschloch von Fotografen noch dick eins ausgewischt und dem Manager auch, weil er jetzt den wütenden Fotografen am Hals hatte. Jetzt aber flog er wieder weit in die Stadt und wartete auf dem Fenstersims, daß Dougal heimkam.
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