Quinn und Ascalante 01
Mit einem lauten "Jetzt beeil dich endlich, Buster !!!" rief Ascalante den Letzten seiner Bande, der noch immer damit beschäftigt war, sich in seinem Zimmer die Haare richtig hinzukämmen – er wurde langsam ungeduldig und drückte schließlich auf die Hupe seines pechschwarzen Buick 55er, die nun noch ein wenig lauter als sein voriges Rufen war. Buster erschrak und warf sofort den Kamm auf die Ablage, stieg aus dem Fenster und rutschte die Regenrinne runter, um zu den Anderen zu laufen, die am Straßenrand warteten. Er wußte genau – wenn die Hupe erklang, war Ascalante am Ende seiner Geduld angelangt und wenn er nicht ein blaues Auge wollte, durfte er nicht mehr länger trödeln. "Was zum Teufel hat dich solange aufgehalten, Buster ?! Du verdammter Hurensohn, du weißt doch, daß wir uns noch Zeug besorgen müssen !" Der junge Italiener, der hinter dem Steuer saß, war wirklich am Ende seiner so oder so nur kurzen Geduld angelangt – doch nun, da sie endlich vollzählig in seinem Buick saßen, beruhigte er sich wieder und nickte hart, befahl noch einmal harsch, daß sie sich nicht auf das weiße Cabrioverdeck setzten und verdammt nochmal die Schuhe von den Sitzen nahmen, ehe er Gas gab und in die Innenstadt fuhr. Sie wollten Heute einen drauf machen – und vielleicht ein wenig mit einer anderen Bande streiten, ihm war gerade nach einem guten Kampf. Doch wie immer fuhr er zuerst zu ihrem Stammladen, hielt mit einem kurzen Quietschen an Rinnstein daneben und stellte die laute Musik aus. "Los, raus – ihr wißt, was wir brauchen." Die Jungs nickten nur und stiegen aus, trotteten in den Laden und begannen schon damit, sich die Sachen auszusuchen, die sie brauchten. Und Ascalante würde auch dafür bezahlen – dies hier war ihr Laden, er stand unter ihrem Schutz und hier klauten sie nicht. Denn der Inhaber war froh darum, daß die "Black Skorpions" seinen Laden gewählt hatten, denn keine der anderen Banden wagte es nun, ihn auszurauben – dafür gab er den Jungs immer wieder Alkohol und Zigaretten, ohne zu fragen, und so hatten sie Beide etwas davon. Doch gerade, als der Italiener ausstieg und den fast bodenlangen Ledermantel überzog, hörte er die keifende Stimme der Ladeninhaberin – er kannte sie und wollte schon weghören, aber was die Alte keifte, war doch ungewöhnlich und so zog er die Brauen tiefer und schlug den Weg zum Lager neben dem Laden ein.
"Joseph, ich sag's dir nicht noch einmal. Steck dir das Hemd in die Hose - du läufst herum, als wärst du gerade aus dem Bett gefallen. Wir haben einen Ruf zu verlieren !" keifte die Alte erneut und ihr Neffe grummelte leise ein "Hier hinten sieht mich doch eh Keiner.", während er eine weitere Limonadenkiste aufhob, um sie an den vorgesehen Platz zu stellen. Seine Stimme hatte einen leichten Südstaatenakzent und man konnte einen Tick Französisch daraus hören. Seine Eltern hatten ihn mehrsprachig erzogen und daher hörte man den Akzent besser heraus. Seine Tante kannte er kaum, seinen Onkel auch nicht, aber der war wenigstens ein geborener Fabre.
Dies war nun definitiv nicht das gewesen, was Ascalante erwartet hätte – doch dann kam er näher und schnalzte kurz mit der Zunge, um die Aufmerksamkeit der Beiden zu erhalten. "Hi, Mrs. Fabre ... wie ich sehe, haben sie einen neuen Helfer ? Pack die Kiste Cola gleich in meinen Wagen, wo sie hingehört. Und wenn du fertig bist, will ich ein paar Takte mit dir reden, sie können zu ihrem Mann gehen, Mrs. Fabre – ich bin sicher, daß er sie beim Einpacken braucht, meine Jungs holen gerade einen etwas größeren Einkauf. Und zwei Flaschen ihres besten Rachenputzers wären nicht schlecht, Mrs. Fabre." Noch während er sprach, kam der junge Italiener näher und nickte respektvoll zu der älteren Frau – wenn er es wollte, konnte Ascalante auch höflich sein und diese Frau hatte seinen Respekt, auch wenn sie kleiner und zierlicher war als er.
"Das ist meine Neffe Jospeh, er kommt aus dem Süden." Sie stellte Quinn kurz vor, nickte Ascarlante kurz zu und verschwand dann nach vorne. Sie wusste, daß er ihren Neffen abchecken würde und ihr Mann hatte ihm das mit der Bande auch schon erklärt. Quinn sah ihr nach, die Kiste hatte er noch in den Händen und dann schweifte sein Blick zu dem Jungen, der ihn so herumkommandierte. "Warum trägst du die Kiste nicht selber ?" fragte er leise und ließ jegliche Betonung, die sein Missfallen ausdrückte, weg. Nebenher stellte er die Kiste auf den Boden und ging zu den anderen Kisten, die er noch stapeln musste.
Doch er kam nicht weit – die Bemerkung machte den Italiener wütend und noch ehe der Andere reagieren konnte, hatte er ihn an die Wand geworfen und drückte seinen linken Unterarm an dessen Kehle. "Hör gut zu, Joseph – du hast es deiner Tante zu verdanken, daß ich dich diesmal noch davonkommen lasse. Neffe, Hm ? In dir ist aber noch was anderes als Franzose drin ..." Das immer vorhandene Feuer Ascalantes verstärkte sich noch einen Moment, ehe er die Augen etwas verengte – dann kam er näher und packte mit der Rechten den Schritt des Größeren, nickte und küßte den Anderen hart, ehe er sich wieder von ihm löste und kurz über die Lippen leckte. "Neu – und definitiv lecker. Und jetzt pack die Kiste in den Wagen – wenn du für deinen Onkel arbeitest, dann gehört das zum Service !" Ohne ein weiteres Wort drehte Ascalante sich um, so daß sein Mantel ausschwang, ging zum Laden und trat ein, um Mr. Fabre zu grüßen und schon einmal die Geldscheinklammer aus seiner Hosentasche zu holen.
Angewidert wischte Quinn sich die Lippen ab, dann spuckte er auf den Boden und murmelte einen Fluch auf Französisch, gemischt mit einem weiteren in dem alten Dialekt der Afrikaner, die in der Gegend um New Orleans lebten. Der Geduldsfaden dieses Arsches war wirklich extrem kurz und dünn, und er schien Männer zu mögen. Der Griff an sein Geschlecht war dafür kein Beweis, aber der Kuss war einer. Somit packte er knurrend die Kiste und trug sie zügig hinaus. Er stellte sich auf den Rücksitz und beeilte sich, zurück im Lager zu sein, bevor die Schläger wieder aus dem Laden kamen.
Das dauerte noch ein wenig, da die einzelnen Waren auch eingetippt werden mußten. Doch schließlich war alles – inklusive einem großzügigen Trinkgeld – abgerechnet und während seine Jungs die Tüten in den Kofferraum stapelten, nahm Ascalante die beiden Whiskeyflaschen und auch die Stange Zigaretten und verabschiedete sich noch einmal höflich von den beiden Älteren. Dann ging auch er zu seinem Wagen und verstaute den Alkohol und die Zigaretten im Handschuhfach, ehe er die Brauen senkte und einen der Jungs rief, damit er die Colakiste ebenfalls in den großen Kofferraum hievte. "Na warte ..." Leise zu sich selbst murmelnd, wartete Asca, bis alles eingepackt war – dann nickte er nur zum Lager und ging mit den Jungs im Schlepptau hin, lächelte hart und sprach den Neuen wieder an. "Joey, Joey, Joey ... das war nett, die Kiste gleich in Griffweite zu legen – aber selbst ein Südstaatenidiot wie du sollte doch wissen, daß meine Jungs sich wohl kaum in den Kofferraum setzen, wenn sie auf der Rückbank keinen Platz mehr haben. War das vielleicht Absicht ?"
Quinn setzte die Kiste ab, die er in den Händen hatte, und musterte die Gang. Allesamt trugen schwarze Lederjacken, die Haare waren länger und klebten bei Einigen nur so vor Gel. Es war ein Wunder, daß ihnen das Zeug nicht ins Gesicht triefte. Für ihn war das ein ziemlich erbärmlicher Haufen. "Ich heiße nicht Joey ... und du hast nicht gesagt, ich soll die Kiste in den Kofferraum stellen. Stell sie IN den Wagen, hast du gesagt." Er wusste, daß er sich damit um Kopf und Kragen redete. "Ich bin nur ein Südstaatenidiot, du musst dich deutlicher ausdrücken." Letzteres konnte er sich absolut nicht verkneifen.
Ein kurzes Nicken Ascas genügte, daß die Anderen der Gang sich den Neuen schnappten und felsenfest zwischen sich hielten. Erst jetzt kam der Italiener näher und verengte kurz die Augen, ehe er leise lachte und den Gefangenen genauer betrachtete. "Du bist ziemlich frech – aber ich mag das, du zeigst keine Angst. Und auch wenn ichs nicht gern mag – du hast sogar Recht, ich habe gesagt IN den Wagen. Hab vorausgesetzt, daß du mitdenkst." Dann schlug er ohne Vorwarnung zu, versenkte seine Faust im Magen des Größeren und nickte, als dieser aufkeuchte. Die Griffe der beiden Gangmitglieder, die Joey hielten, sorgten dafür, daß er nicht zusammenklappte – und der Schlag war nicht stark genug gewesen, um ihn zu verletzen.
Dann fühlte Quinn eine Hand in seinen Haaren, kurz strich sie durch das kurze, braune Haar, dann packte sie zu und zwang seinen Kopf nach oben. So musste er zwangsweise in die Augen Ascalantes sehen. Seine Augen sprühten reinste Funken und er fand diese Bande immer erbärmlicher, denn sie waren nur in der Gruppe so stark, sie waren Feiglinge.
Und genau das konnte der Italiener in dem verachtenden Blick nur zu deutlich sehen. Doch anders als erwartet, verstärkte das nicht die Wut Ascas, sondern es milderte sie und ein kurzes, hartes Lächeln erwachte auf seinen Zügen. "Du hast Feuer, Großer – und einen eigenen Willen, das ist mehr, als die Meisten von sich behaupten können. Sieht so aus, als ob wir uns bald wiedersehen – schließlich beginnt ab Morgen wieder mal die Schule. Und nimms nicht so schwer – die anderen Gangs hätten dich halb krankenhausreif geschlagen, bei mir hast dus leichter." Das brachte die anderen Jungs dazu, aufzulachen und sie witzelten gutmütig, daß er ja eigentlich nur wieder hinter einem neuen, unverbrauchten Schwanz her wäre. Das brachte Ascalante dazu, einen Moment zu schmunzeln, ehe er den Neuen ein weiteres Mal hart zu küssen begann, ihn dabei mit der Hand in den Haaren festhielt und es genoß, die ein wenig volleren Lippen des Mischlings zu kosten.
Doch das verstärkte die Wut in Quinn nur, er öffnete unverhofft seine Lippen. Es widerte ihn zwar an, aber dann biss er so fest zu, daß die Lippe Ascarlantes blutete. "Zur Hölle mit euch !" Jetzt hatte er genug und er mobilisierte seine Kräfte und drängte sich seitwärts, um einen der Beiden, die ihn hielten, heftig gegen die Wand zu drücken. Im Moment war er froh, daß er Football spielen musste, wenn er Jemanden rammte, war das nicht zu verachten.
Das überraschte die beiden bulligen Gangmitglieder, die ihn hielten, sichtlich und Derjenige, der gegen die Wand gedrückt wurde, keuchte ziemlich auf und ließ ihn schließlich los. Der Andere versuchte noch, etwas zu tun, doch dann wurde er gegen die andere Wand geschleudert und hatte gut zu tun, nicht zusammenzubrechen. In der Zwischenzeit leckte sich Ascalante das Blut von der Lippe und nickte, ehe er die Hand hob und die Anderen sofort einen Schritt von dem Mischling zurücktraten. "Du scheinst ein Footballer zu sein – Glückwunsch, Ace und Sid sind ebenfalls im Team. Habt ihr gehört, Jungs ?! Paßt mir im Team gut auf ihn auf, die Snakes werden ihn bestimmt 'begrüßen' wollen." Als die beiden Großen nur nickten und sich aufrappelten, gab Asca noch einen Scheinsalut und rief die Jungs zu sich, drehte sich um und ging mit ihnen zum Wagen zurück, damit sie fahren konnten.
"Ich kann schon selber auf mich aufpassen !" brüllte Quinn ihnen wütend nach und zuckte zusammen, als er seinen Onkel in der Lagertür stehen sah. "Hier ist es anders als im Süden ... bitte reiß dich zusammen, Quinn." bat er und wendete sich dann ab. Quinn selbst blieb zurück und atmete tief durch. In was für ne verdammte Kleinstadt war er hier nur geraten ? Aber er musste hier sein, er musste spielen, damit er lernen konnte, damit aus ihm etwas Großes werden konnte. Morgen würde er die Typen sicher wiedersehen und sicher auch noch andere Banden, die ihm das Leben schwermachen würden. "Scheiß drauf." fluchend, machte er schließlich seine Arbeit fertig und verzog sich dann in sein Zimmer auf dem Dachboden.
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Der nächste Morgen begann sehr laut und geschäftig – allerortens trafen sich Jungs und Mädchen, um den Weg in die High-School einzuschlagen und im großen Hof davor zu reden. Natürlich bildeten sich sehr schnell Grüppchen – die Streber waren zuerst da, ebenso wie die bideren Schüler; erst nach und nach trafen auch die Banden ein, sowie die Gruppen der Mädchen, die sich mit den Banden abgaben. Es gab in der Rivers-High-School mehrere Schlägerbanden, doch zwei waren die Größten: Die Snakes, die gerade eben mit ihren Autos vorfuhren und laut johlten, und die BlackSkorpions, die nur wenige Augenblicke danach kamen. Die Schule war eigentlich neutrales Territorium – und so knurrten sie sich nur gegenseitig an, ehe die jungen Männer die Mädchen begrüßten, die sich ihnen an den Hals warfen.
Eher ungerührt von all dem Treiben schritt Quinn durch die Schüler auf dem Vorhof der Schule. Mit seinen 1,90 Metern viel er leider sehr auf, er ignorierte aber die Mädchen, die ihm nachsahen und ihn anhimmelten ... Weiße und Dunkelhäutige gleichermaßen. Die Banden fielen ihm auf, die waren ja auch kaum zu übersehen. Protzten mit den Autos, den gegelten Haaren und ihren hübschen Mädchen. Quinn fiel aber nicht nur wegen seiner Größe auf, auch hier in der Schule hatte er sein Hemd nicht in die Hose gesteckt und das ließ einige Mädchen annehmen, daß er ein Rebell war.
Und nicht nur sie bemerkten den Großen – auch Ascalante entdeckte ihn, denn er hatte nicht wie die Anderen in jedem Arm ein Mädchen. Sie wußten alle, daß er nur Männer mochte – und Niemand wagte es, ihn deshalb zu hänseln, nachdem er sich vor zwei Jahren handgreiflich Respekt verschafft hatte. Seither hatten es zwar noch Einige probiert – doch sie merkten schnell, daß mit ihm nicht zu spaßen war, da Ascalante gerade wegen seiner Brutalität nicht ins Footballteam aufgenommen worden war. Zwar besaß er nicht die Größe und Körpermasse vieler Footballer, doch seine Wut und Schnelligkeit glichen das mehr als nur aus. Noch während er seine Schulsachen aus dem Auto hob, folgte sein Blick dem Neuen und er bemerkte auch den Blick der vielen Mädchen – dann rief er seine Jungs zusammen und knurrte nur kurz den blonden Anführer der Snakes an, ehe er mit seinen Jungs in die Schule trat und sie das Klassenzimmer für die erste Stunde suchten.
Auch Quinn suchte sein Klassenzimmer, er fand es recht schnell und setzte sich hinten hin. Er war es von früher gewöhnt, in seiner Schule gab es zwar gemischte Klassen, aber die Schwarzen mussten ganz hinten sitzen. Nur setzte er sich hinten ans Fenster, denn man hatte ihm gesagt, daß es hier anders sei. Er stöhnte innerlich aber auf, als Ascalante den Raum betrat. Bei seinem Glück hatte er sich garantiert auf dessen Lieblingsplatz gesetzt.
"Hey, Asca – da sitzt Jemand auf deinem Platz !" Buster grinste breit – denn den Fehler konnte nur ein Neuling machen, der nicht wußte, was hier los war. Der Italiener knurrte nur leise und ging ohne innezuhalten nach hinten, hob kurz eine dunkle Braue und klopfte kurz mit den Knöcheln seiner Faust auf die Tischplatte. "Die Bank ist zwar für Zwei – aber ich sitze am Fenster, verstanden ? Gut. Und jetzt rück zur Seite, ehe ich es für dich tue ..." Noch war sein Ton freundlich, denn er merkte, daß der Neue es nicht absichtlich getan hatte – Asca hoffte es für ihn, daß er klug genug war, ihm seinen Fensterplatz freizumachen, wenn er schon mit ihm zusammensitzen wollte.
Warum musste so etwas immer ihm passieren ? Quinn seufzte innerlich und blickte zu dem Italiener auf. Man sah ihm an, daß sich alles in ihm sträubte zu gehorchen, aber er wollte auch nicht neben diesem Kerl sitzen und so nahm er seine Sachen und setzte sich einfach einige Tische weiter nach vorne, wo er trotzdem wieder am Fenster sitzen konnte. Zu lange hatte er an der Wandseite ganz hinten gesessen, er wollte Licht und hier war es ihm erlaubt. Der Typ, der angemerkt hatte, daß wer auf dem Platz von Asca saß, kotzte ihn an, er war ein Speichellecker und es wunderte Quinn, daß der seinem Boss nicht die Stiefel abschlabberte.
Doch der Italiener nickte nur und setzte sich auf seinen Platz, legte die Füße auf den anderen Stuhl und lehnte an das Fensterbrett. Buster setzte sich wie immer vor ihn und die anderen seiner Gang verteilten sich auf die Bänke um ihn herum. So war es schon seit er in diese High-School ging und die BlackSkorpions übernommen hatte: Sie saßen hinten auf der Fensterhälfte, die Wandhälfte besetzten die Snakes, die Streber vorn und dazwischen die Verlierer und die Mädchen, die sich an die Gangs dranhängten. Als der Lehrer kam, wurde es ruhig – doch das bedeutete nicht unbedingt, daß die Jungs der Gangs aufpaßten, auch wenn sie dabei ruhig blieben.
Der Lehrer ging die Namen durch, er kannte die Gangs und deren Namen und wusste, daß sie da waren, obwohl sie sich nicht meldeten. "Und noch ein neuer Schüler in diesem Schuljahr. Joseph Fabre ?" Er hob den Blick und Quinn hob nur kurz den Arm, um zu zeigen, daß er da war. "Könnten sie mich Quinn nennen ? Ich heiße Joseph Quinn Fabre, Quinn ist mir lieber." fragte er und zog damit fast sämtliche Blicke auf sich. Quinn war eher ein irischer Name, und daher schienen die Blicke nun zu forschen, ob er etwas Irisches an sich hatte. Eigentlich hieß er Tarquinn, abgekürzt dann Quinn, und diesen Namen mochte er besonders. Der Lehrer nickte nur und notierte es sich in seinem Klassenbuch, dann fing er mit dem Unterricht an, bei dem Quinn sehr aufmerksam zuhörte und mitmachte.
Das Einzige, was Ascalante wirklich interessierte, war der Name des Neuen. Geschichte hatte er noch nie sehr gemocht und so schaltete er ein wenig ab, er hinderte nur seine Jungs daran, daß sie mit den Gummibändern Papier-Haken durch das Klassenzimmer schleuderten. Er wollte nicht schon am ersten Schultag seinen ersten Verweis – und er wollte den Neuen und auch die Streber ungestört beobachten, denn er brauchte Jemanden, der ihm zumindest einen Teil der Hausaufgaben gegen Geld oder Sex machte.
Etwas, wozu Quinn sich ganz sicher nicht herablassen würde, er ahnte allerdings nicht einmal, daß so etwas passieren könnte. Dann traf ihm einer der Papier-Haken an der Schläfe, er zuckte zusammen und sah gleich darauf in die Richtung, aus der er gekommen war. Sein Blick fiel auf einen der Snakes, der dämlich grinste und zu einem neuen Schuss ansetzte, dem Quinn aber gekonnt auswich. Der Lehrer kümmerte sich wenig darum, er wollte keinen Ärger mit einer der Banden haben, schließlich hatte er eine Frau und eine kleine Tochter.
Auch Ascalante hatte das bemerkt, doch er beobachtete eher die Reaktion dieses Neuen. Er war interessant – in ihm wohnte eine gewisse Wildheit, doch er hielt sie im Zaum und bemühte sich, dem Unterricht zu folgen. Es wunderte den Italiener, wieviel Notizen der Mischling in seinen Block schrieb – irgendwie schien er ein Streber zu sein, auch wenn er weder eine Brille noch irgendeine der Allüren der Streber hatte. Als die Stunde schließlich zu Ende war und der Lehrer ging, verengte Ascalante kurz die Augen – doch noch ehe er etwas tun konnte, kam der Mathelehrer herein und alles verstummte, denn ein Jeder hatte Angst vor dem großen Mann, der früher einmal ein Footballtrainer gewesen war, bis eine Verletzung ihn dazu zwang, umzulernen.
Daß dieser Mann sich Respekt verschaffen konnte, war eindeutig, denn selbst die Snakes waren friedlich geworden und wagten keine der Aktionen, die sie in der vorherigen Stunde gemacht hatte. Quinn musterte den großen Mann am Pult und bemerkte, daß er noch immer sehr muskulös war, daß so ein Mann Mathelehrer wurde, erstaunte ihn ein wenig. Der Mann musterte ihn scheinbar ebenso, er schien ihn regelrecht zu sezieren, bevor er ins Klassenbuch blickte und schließlich nickte. "Du bist der neue Spieler fürs Team ?" fragte er knapp und erhielt ein respektvolles. "Ja, Sir." von Quinn. Der Lehrer nickte und murmelte etwas von Stipendium und hoffentlich nicht so ein Trottel wie die anderen Spieler. Dann fing er mit dem Unterricht an und wieder war Quinn aufmerksam wie ein Streber.
Der Matheunterricht dauerte zwei Stunden lang und ein Jeder war froh, als der Lehrer ging und die kurze Pause kam ... auch Ascalante stand auf und zog kurz die Brauen tiefer, ehe er zu dem Neuen ging und sich leicht zu ihm neigte. "Du scheinst ein heller Kopf zu sein – Lust, dir ein wenig Geld nebenher zu verdienen ?" Ihn interessierte, was dieser Quinn dazu zu sagen hatte ... und ob er auf dieses Angebot einging.
Quinn hingegen steckte seine Bücher weg und sah erst dann zu Asca auf. "Ich will dein Geld nicht." murmelte er entschlossen und wartete ruhig ab, was passieren würde. Wahrscheinlich würde er den Italiener wieder verärgern, aber es war ihm egal.
Doch der junge Italiener war nicht wütend – es schlich sich sogar ein kurzes, hartes Lächeln auf seine Lippen, das die anderen Streber dazu veranlaßte, ein wenig abzurücken. "Du hast Schneid, Großer – das ist selten. Nun mein Angebot steht, vielleicht überlegst du es dir ja mal, du weißt ja, wo du mich erreichen kannst." Dann stand er wieder auf und winkte seinen Jungs, denn sie hatten nun Werken, während die Mädchen sich für den Hauswirtschaftsunterricht bereit machten.
Nach einem kurzen Moment stand auch Quinn auf und folgte den Anderen zum Werkunterricht. Zwei Streber gesellten sich im Gehen neben ihn und versuchten, ihn etwas auszufragen, und ob er nicht dem Schach- und Debattierclub beitreten wollte. Er lehnte ab, so wie er es mit dem Geld gemacht hatte, und wurde die Zwei erst los, als sie an die Werkbänke mussten, wo sie Vogelhäuschen bauen mussten. Ein Witz, wie Quinn fand. Er kam vom Land und hatte geholfen, Ställe zu bauen. So war es auch kein Wunder, daß sein Häuschen innerhalb von einer halben Stunde fertig zusammengebaut und lackiert war.
Manchmal wußte Ascalante nicht, ob er Werken haßte oder liebte ... doch eines war ihm klar, so ein Blödsinn wie dieses Vogelhaus sorgte nicht dafür, daß er dieses Fach mochte. Es lag nicht daran, daß er etwas gegen Vögel hatte – doch wozu sie so einen Blödsinn für alte Frauen bauen mußten, war ihm ein Rätsel. Ein wenig genervt warf der Italiener den Schraubenzieher in den Werkzeugkasten und machte sich ans Lackieren – eine ebenso stupide wie schnell erledigte Arbeit. Auch wer war schon eher fertig als die Anderen und schmunzelte, als seine Gangmitglieder sich durchkämpften, es amüsierte ihn immer wieder, wie ungeschickt sie sich hier anstellten, obwohl sie Asse waren, sobald es um einen Automotor ging. Doch schließlich war auch dieser Unterricht zu Ende und die Glocke läutete – mit einem kurzen Aufatmen nahm Ascalante sein Schulzeug und ging zu seinen Kerlen, trieb sie ein wenig an und schickte schon einen von ihnen vor, damit er ihnen einen guten Platz in der Mensa sicherte.
Da Quinn schon früher hatte gehen können, war ihm ein angenehmer ruhiger Platz sicher und er aß sein Pausenbrot, während er in einem der Schulbücher las. ER hatte sich eine ruhige Ecke ausgesucht und hoffte, daß er nicht von Jemanden gestört wurde. Er hoffte leider vergebens, denn diese Snakes steuerten recht lässig auf ihn zu. Entnervt schlug er das Buch zu und fragte ein "Was ist ?", noch bevor einer von ihnen den Mund aufmachen konnte.
Die Snakes umzingelten ihn regelrecht und musterten ihn absolut ungeniert – ein paar der Jungs zupften kurz an der schlichten Kleidung und einer nahm das Buch auf, blätterte ein wenig und ließ es dann auf den Tisch fallen, während der Anführer der Bande mit verschränkten Armen zusah. "Was los ist ? Hör gut zu, Neuer ... du bist Frischfleisch, und solange du nicht einer anderen Bande angehörst, können wir mit dir tun und lassen, was wir wollen. Und wenn du denkst, du könntest dich bei den Footballern verkriechen, muß ich dich enttäuschen, Kleiner – dort wird nicht verkrochen, dort sind alle Banden gemischt. Noch viel Spaß dann, Mischling ..." Die Anderen lachten laut auf und Einer nahm das Essen Quinns, schüttete es auf das Tablett und lachte keckernd, als er sich umdrehte und dann den Anderen nachging.
Leider ging das wohlbehütete Temperament mit Quinn durch, er griff sein von Milch aufgeweichtes Sandwich und warf es dem, der sein Essen ruiniert hatte, an den Hinterkopf, daß es nur so klatschte. Das war auch der Kerl gewesen, der ihm den Papierkrampen an die Schläfe geschossen hatte. "Ich glaub, wir sind quitt !" In der Mensa breitete sich eine Totenstille aus, alles hörte auf zu essen und starrte Quinn und die Snakes an.
Der Getroffene blieb einen Moment lang wie erstarrt stehen – dann schrie er wütend auf, pflückte sich das Sandwich aus den Haaren und warf es einfach zu Boden, ehe er mit einem Wutschrei auf den Mischling losstürmte. Die anderen Snakes wollten folgen, doch ihr Anführer hielt sie zurück – normalerweise hätte er sie gelassen, doch in diesem Moment betraten die BlackSkorpions die Mensa und er wollte nicht riskieren, auch mit ihnen aneinanderzugeraten. Ascalante erfaßte die Situation mit einem Blick – es war auch mehr als nur eindeutig, da das verschüttete Essen auf Quinns Tablett und die mit Milch und Sandwich verschmierten Haare des Snake für sich sprachen.
Quinn hatte den Angriff erwartet, eigentlich, daß alle angriffen, aber als er aus den Augenwinkel die BlackSkorpions sah, wusste er, warum die Snakes sich zurückhielten. Quinn erwartete den Snake, der Kerl war groß, breit und dämlich, also einer aus dem Team, wahrscheinlich einer der Blocker. Er stellte sich selbst zum Block auf, tauchte unter seiner Faust weg und hieb ihm seine in den Magen. Er fühlte die knallharten Bauchmuskeln und wusste, daß es da keinen Zweck hatte. Quinn wurde auch so fast von dem Sknake umgehauen, er hatte zu viel Dampf drauf und so taumelte er etwas seitlich und duckte sich erneut unter einem Fausthieb weg, als der Sknake sich umdrehte. So ging es hin und her, Quinn steckte nicht wirklich viel ein und beendete den Kampf dann endlich, indem er dem Kerl mit dem Knie in die Eier trat, so daß der keuchend, wimmernd und mit Tränen in den Augen auf die Knie fiel. "Lasst mich in Ruhe, wenn's sein muss, schlag ich mich auch mit euch allen." warnte er zuletzt, schnappte sich sein Buch und seine Tasche und verließ noch immer schwer atmend die Mensa. ‚Verdammt, ich bin so dämlich ... jetzt hab ich sie am Hals, verdammt !'
Das stimmte – doch nicht jetzt und auch nicht Heute, denn just in dem Moment, in dem die Snakes ihm nachstürmen wollten, kamen der Footballcoach und der Mathelehrer in die Mensa. Keiner von ihnen wollte sich mit den Beiden anlegen und so setzten sie sich und aßen – auch die BlackSkorpions setzten sich, nachdem sie sich ihr Essen geholt hatten, und die Mittagspause verlief zumindest in der Mensa sehr friedlich. Lediglich gegen Ende der Pause trafen sich die beiden Gangleader kurz draußen auf dem Hof – Nick, der Anführer der Snakes, wußte genau, um was es ging und erklärte sich einverstanden, schlug kurz in die Hand Ascalantes und ging danach wieder zu seiner Bande, um sich die Zeit mit ein wenig rauchen zu vertreiben. Jetzt am Nachmittag waren nur noch die Streber für ihren Nachmittagsunterricht da – und die Footballer, die jetzt die Hallen und auch den großen Rasen für sich alleine hatten.
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