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 ”Der Bücherdieb”  02
 

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Oben angekommen, blickte Arthur zuerst auf das Glas und man sah deutlich, daß es irgendwie verdunkelt wirkte. Er hockte sich kurz hin und berührte es, aber man konnte das Dunkle nicht abwischen. „Seltsam ... aber gut für mich.“ murmelnd, wandte er sich nun zu dem Graffiti und leuchtete es mit der Taschenlampe an. Es war schon weiter daran gearbeitet worden und Arthur trat näher heran, um es zu mustern. Die Tentakel waren dort, wo sie von dem Kreuz ausgingen schon gefüllt worden, und wirkten dreidimensional. „Irre ... wenn die fertig sind, muß ich ein Foto davon machen.“ Schon jetzt merkte man, daß es ein Kunstwerk werden würde, und das wollte der Kelte auf jeden Fall auf einem Bild festhalten.

Als der Rotblonde so begeistert das Bild musterte, errötete Akio leicht, da er das auf keinen Fall erwartete. Und daß dieser Mann es ehrlich meinte, sah und hörte er - denn der große Blonde wußte nicht, daß der junge Assassine ihn beobachtete. Doch heute würde er nicht mehr daran arbeiten, da er noch einiges nachforschen wollte und so schlich Akio sich schon wieder hinein, damit der Rotblonde nicht mißtrauisch wurde. In der Bibliothek lief Akio leichtfüßig durch die Gänge, bis er bei den Regalen mit den Geschichtsbüchern ankam, zwei davon herausnahm und behende auf die Oberseite der Regale sprang, um sich dort gemütlich und verborgen niederzulassen.

Derweil stieg Arthur wieder hinab, beendete seine Runde und ging schließlich an den Computer. Dort arbeitete er einige Zeit an seinem Programm, und loggte sich danach in die Liste der Bücher der Bibliothek. Arthur wollte noch nach einem Geschichtsbuch kucken und schnaufte auf, als er sah, daß es nicht verliehen wurde. Heute konnte sich der Rotblonde nicht mehr auf sein Programm konzentrieren und deswegen las er lieber, so konnte er Fehler verhindern, und beschäftigte sich noch. Nach dem Ausloggen ging Arthur zu dem Regal und stutzte, weil dort einige Bücher fehlten. „Verdammt ... ich hoffe, sie haben nur vergessen, es einzutragen.“

Währenddessen hatte Akio schon eines der Bücher durchgeblättert und sich einige Fotos mit seinem Tablett gemacht, Notizen angefertig und war gerade dabei, es auf die Seite zu legen und das andere Buch zu öffnen, als der Rotblonde zu genau dem Regal kam, auf dem er saß. Zum Glück waren es sehr tiefe Regale, da viele der Geschichtsbücher Übergröße hatten - deshalb konnte man Akio auch nicht sehen, wenn er ein wenig zu dem anderen Regal rutschte. Doch es war trotzdem knapp und der junge Mischling hoffte, daß der Nachtwächter nicht zu suchen begann. Es war schon ein verdammt seltener Zufall, daß er genau die beiden Bücher zu suchen schien, die auch Akio für die Garde durchblätterte - denn sie hatten einen weiteren Faden in der Geschichte gefunden, nur daß es diesmal um einen Lindwurm zu gehen schien, der im frühen Germanien und später auch in den deutschen Landen des Mittelalters erwähnt wurde.

Arthur dachte nicht daran, nach oben zu sehen ... er seufzte nur leise und nahm schließlich ein anderes, kürzeres Buch heraus. Er borgte sie gern aus, um sie seinem Bruder vorzulesen. „Dann muß ich Marlon wohl die andere Geschichte vorlesen ... dabei hat er sich so gefreut.“ Mit den Worten ging er von dem Regal weg und brachte das Buch zu dem Computertisch, damit er es noch eintragen konnte, wenn er von seiner nächsten Runde zurück war.

Als er hörte, wozu der Rotblonde das Buch brauchte, hob Akio verwundert eine Braue und betrachtete sich die beiden Bände. Beide Bücher handelten von Sagen und Legenden aus Germanien und den deutschen Ländern des Mittelalters - und den historischen Fakten, die es oftmals dazu gab. Gerade diese Bände waren ein einzigartiger Quell des Wissens, da ein Ahnenforscher sich Ende des neunzehnten Jahrhunderts daran gemacht hatte, den Infomationen nachzugehen, die es noch gab ... und diese Bücher gab es nur noch in elf Bibliotheken weltweit, auch wenn es Niemand außer der Garde wußte. Als der Nachtwächter seine nächste Runde begann, seufzte Akio innerlich und schalt sich einen Narren - doch dann sprang er lautlos herab und schlich zu dem Computertisch, legte den einen Band unter das Buch, das sich der große Rotblonde schon herausgesucht hatte und hoffte, daß dieser dachte, er hätte sich nur aus Müdigkeit geirrt.

Die Runde dauerte etwas länger... denn Arthur war wirklich müde, weil er am Tag kaum geschlafen hatte. Als er wieder an den Tisch kam, setzte er sich zuerst und blickte zufällig zu dem Buch, das er sich mitnehmen wollte. Er stutzte aber, als darunter noch ein zweites lag, schob das Oberste weg und hob eine Braue. „So müde kann ich doch nicht sein ... ich bin sicher, daß es nicht da war.“ Aber wie sollte es sonst dorthin kommen ? „Oder ? Oh, Mann - ich brauch Kaffee.“

'Den brauchst du wirklich, Großer - du bist so müde, daß du fast umkippst.' Die ein wenig besorgten Gedanken Akios konnte Niemand hören ... und er nahm sich vor, dem jungen Mann am nächsten Abend einen Becher Kaffee mitzunehmen. Doch dann zog er sich wieder zurück und schlich an das andere Ende der Bibliothek, las durch den anderen Band und fotografierte hin und wieder eine Seite mit seinem Tablett, machte sich Notizen und stellte den Band schließlich wieder in dessen Regal, nur an eine andere Stelle, als er zuvor gestanden hatte. So konnte sich der junge Nachtwächter das so erklären, daß er den Band an der falschen Stelle übersah, und würde nicht mißtrauisch werden.

 

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Am nächsten Abend war Arthur munterer. Sein Vater hatte irgendwie etwas mehr Respekt vor ihm, und so war der Tag deutlich ruhiger als sonst verlaufen. Marlon hatte sich sehr über die Bücher gefreut und gelesen, während Arthur schlief. Wahrscheinlich las er jetzt noch immer, statt selbst zu schlafen. Besser das, als dauernd fernsehen, wie ihr Vater es Abend für Abend tat. Die Runde von Arthur startete heute wieder auf dem Dach und er lächelte als er sah, wie weit das Kunstwerk jetzt schon war. Das Kreuz in der Mitte war fast ganz ausgefüllt, und wirkte fast wie ein echtes. „Klasse ... noch ein paar Tage, dann ist es ganz fertig.“

An dem Kreuz fehlte nur noch der Rubin in der Mitte, da Akio einen unerwarteten Kreativflash bekommen und deshalb sehr viel an dem Kreuz geschafft hatte. Doch er würde sich für den Rest des Bildes ein wenig mehr Zeit lassen, da es einerseits sehr schön war, die Begeisterung des Nachtwächters zu sehen und er andererseits auch einen anderen Faden hatte, dem er nachgehen würde. Doch nun lief er behende vor dem Rotblonden wieder hinab, sprang auf die Regale und blieb in der Nähe des Überwachungszimmers, da er sehen wollte, wie der junge Nachtwächter auf seine beiden Geschenke reagierte.

Der reagierte schon, als er etwas weiter entfernt den frischen Kaffeeduft roch, und blieb erstaunt vor dem Computertisch stehen. Dort stand ein großer Kaffee in einem Thermobecher, dazu kleine Milch- und Zuckerpäckchen und ein Pappteller mit einem Schokoladendonut, der mehr als einladend zu ihm lächelte. Jetzt wurde ihm klar, daß er sich Gestern nicht geirrt hatte und es war zu vermuten, daß der Sprayer ihm all das hingestellt hatte. „Danke ... und danke, daß du nichts klaust oder kaputtmachst.“ Arthur sah sich um, als er sprach, konnte aber noch immer Niemanden sehen.

Denn er sah sich nach allen Seiten um, aber nicht nach oben. Dies war etwas, das Akio immer wieder lautlos schmunzeln ließ und er nickte, denn er liebte Bibliotheken und würde Niemals etwas mutwillig zerstören. In einem Kampf war es manchmal unvermeidlich ... doch auch hier achtete der junge Assassine immer darauf, so wenig Schaden wie möglich anzurichten. Während er nachdachte, beobachtete er den jungen Nachtwächter und merkte sich, daß dieser zwei Päckchen Zucker und eine Milch nahm, um den Kaffee zu verfeinern ... und er sah mit einem Lächeln, wie der Große den Donat sichtbar genoß. Dann beobachtete er ihn ein wenig, wie er wieder an seinem Progamm weiterschrieb und nickte dann und wann, denn das Talent des Rotblonden war mehr als nur gut sichtbar.

Ein Talent, das man ihm eigentlich nicht zutraute ... aber seit Athur das erste Mal an einem Computer gesessen hatte, verstand er sofort damit umzugehen. Sicher war er immer dabei gewesen, sich weiterzubilden und war mittlerweile so gut, daß er sich ohne große Probleme in den dunklen Teil des Internet hacken konnte, wo sich seinesgleichen, aber auch wirklich Kriminelle herumtrieben. Waffenverkäufe, Sklavenhandel, Kinderhandel ... alles war dort vertreten, und noch mehr Abartiges. Aber das war nicht seins, im Gegenteil. Hin und wieder hackte er die Seiten und gab die Daten an offizielle Behörden, damit sie etwas dagegen tun konnten und Personen schnappten, die dahintersteckten.

Und gerade heute schien der Rotblonde wieder so etwas zu tun, denn Akio beobachtete mit wachsender Bewunderung, wie dieser auf dem gerade so auf dem aktuellen Stand befindlichen Computer der Bibliothek einen weiteren Kinderpornoring infiltrierte, die Firewalls umging und die Daten anonym und nicht nachverfolgbar an die Polizei schickte. Nun doch ein wenig nachdenklicher werdend, verengte der junge Assassine die Augen - denn hier hatte er eigentlich die Lösung für ein Problem, das es bei der Garde gab. Doch ehe er dem Gedanken weiter nachging, würde er den Rotblonden noch ein wenig weiter beobachten ... denn hier war Geduld besser als vorschnelles Handeln.

 

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Es vergingen knapp zwei Wochen und Arthur merkte, daß sich der Sprayer wirklich Zeit ließ, um das Bild fertig zu bekommen. Aber er bekam nun jedes Mal einen Kaffee, wenn er von seiner Runde wieder an den PC-Tisch zurückkam. Diesmal hatte er jedoch einen Plan - er schaltete vor der Runde immer schon den PC an, und diesmal hatte er ihn mit seinem Handy verbunden. Die Webcam war auch angeschaltet, das kleine Licht war deaktiviert, und mit Glück erwischte er seinen Kaffeegönner. Alles andere schien nicht zu klappen, also mußte Art auf das zurückgreifen, was er am Besten konnte ... und das war der Umgang mit dem Computer.

Und auch wenn Akio ihn immer beobachtete, in dem Moment, in dem der Rotblonde die Webcam mit dem Handy koppelte und das Licht ausschaltete, war er kurz abgelenkt, da er ein Senden Afars erhielt. Es dauerte nur wenige Augenblicke - doch es reichte, daß er den Trick nicht erkannte und als der junge Nachtwächter gegangen war, herabsprang und ihm den Kaffee und einen Donat hinlegte. Der junge Mischling mochte es, ihm mit diesen Kleinigkeiten die Arbeit ein wenig zu erleichtern ... denn er sah nur zu gut, daß der Rotblonde in seiner freien Zeit viel Streß zu haben schien, und sich sehr um seinen Bruder sorgte. Doch dann hörte Akio mit seinen guten Ohren, daß der große Rotblonde wieder zurückkam und lief zu dem Regal, sprang behende ab und landete oben, lief noch zwei Regale weiter und versteckte sich in den Schatten.

Selbst wenn Akio hingesehen hätte, so war Arthur so geschickt gewesen, daß sein Tun unbemerkt geblieben wäre. Auf seinem Handy konnte er sehen, was passierte und er lächelte, als er endlich seinen Gönner und den Künstler über das Handy sehen konnte, wie er ihm die Köstlichkeiten hinstellte. Und er konnte sehen, wo er hinverschwand und schalt sich einen Narren, daß er nie daran dachte, nach oben zu sehen. Am PC-Tisch war das Handy schon wieder aus, und in seiner Tasche verschwunden. „Danke dir ! Und du kannst runterkommen ... ich weiß, du sitzt auf den Regalen hinter dem Tisch.“ Arthur drehte sich herum und leuchtete gleich mit der Taschenlampe nach oben.

Doch Akio war schon längst nicht mehr dort und sprang unbemerkt von einem der anderen Regale, landete lautlos und kam dann hinter den Rotblonden, um leise zu ihm zu sprechen. "Ich habe mich schon gefragt, ob du mich einmal bemerkst - denn eigentlich sieht Niemand nach oben."

Als die Stimme hinter Arthur auftauchte, zuckte er heftig zusammen, und ließ fast die Taschenlampe fallen. Der Rotblonde drehte sich aber gleich herum und hob eine Braue, weil er das Gesicht nicht sehen konnte ... sondern eigentlich unter der Kapuze einen Schatten, aus dem ihm strahlend blaue Augen anblickten. „Du bist auch der Sprayer, oder ? Ich werde nichts verraten, und danke für den Kaffee. Ich bin Arthur.“

"Ja, der bin ich ... und ich finde es schön, daß wir uns kennenlernen. Ich heiße Akio." Während er sprach, schüttelte er Arthur die rechte Hand, ehe er mit der Linken die schwarze Lederkapuze hinterstriff und seine hüftlangen Haare, die er im Nacken zusammengebunden hatte, hervorzog. "Komm, setzen wir uns - sonst wird dein Kaffee kalt, hm ? Wir können uns ja unterhalten, während du den Donat ißt."

„Ähm gern ... Akio.“ Arthur setzte sich nun und sah sich sein Gegenüber genau an. Er wirkte sehr fit und allein dadurch, daß er ihn nicht gehört hatte und er sich so gut verbergen konnte, ließ einiges auf ihn schließen. Aber sein Blick richtete sich auch auf das Kreuz an dessen Hals. „Das ist das Kreuz von dem Graffiti, oder ?“

Auch der Schlankere setzte sich und grinste, ehe er es kurz in die Hand nahm und nickte. "Ja, das ist es - ich mag dessen Form sehr, und auch die Idee der Lichtschwingen." Während er sprach, nahm Akio seinen Rucksack herab und daraus einen weiteren Kaffeebecher, ehe er den Rucksack auf den Boden stellte. "Ich spraye gern ... aber nicht diese grausigen Dinger, ich versuche, etwas schönes zu erschaffen."

„Das sieht man, und das Bild ist wirklich wunderschön. Gerade diese Lichtschwingen sind wunderschön ... aber bist du nur deswegen hier ? Du liest auch Bücher, oder ?“ Gerade das bemerkte Arthur jetzt erst richtig, denn er fand immer wieder Bücher, die nicht ganz da standen, wo sie sein sollten. Zumindest wenn er sie brauchte, da er sich nur für Geschichte interessierte. „Du magst Geschichte auch, oder ?“

"Jep, ich lese viel - und vieles brauche ich auch für meine Arbeit, gerade Geschichte. Ist etwas komplizierter, aber da können wir ja wann anders drüber reden. Ich würde gerne mehr über dich erfahren, Großer - du bist ein absolut herrlicher Gegensatz. So groß und stark ... und trotzdem friedlich und sorgst dich um deinen kleinen Bruder, und dein Talent am Computer ist absolut bewundernswert. Wie hast du das entdeckt ?" Gerade das war etwas, das Akio sehr interessierte, und das sah man ihm auch an.

Arthur hatte den Donut schnell, aber genießend verdrückt und trank nun einen Schluck vom Kaffee hinterher. Erst danach antwortete er etwas verlegen. „Ich hab das Sanfte wohl von meiner verstorbenen Mutter geerbt. Und mein Talent ? Ich war nicht lang in der Schule, aber so lange, daß ich einen Schnupperkurs am Computer machen konnte. Ich wußte sofort, daß es was für mich ist, und ich habe gleich alles verstanden und noch viel mehr ... als wenn ich dafür geboren bin, in Computersprache zu denken. Hier in der Bibliothek kann ich jede Nacht an den PC, und auch wenn es eine alte Gurke ist, er genügt vollkommen.“ Immerhin war der PC so neu, daß er eine Webcam hatte, auch wenn sie eigentlich deaktiviert worden war. „Ich hab die Webcam wieder aktiviert, damit ich dich mal zu sehen bekomme.“

"Verdammt schlau ... und du hast das Licht deaktiviert, damit ich es nicht bemerke. Und garantiert mit deinem Handy verbunden, hm ?" Akio war ihm nicht böse, denn es war wieder etwas, bei dem er dazulernen konnte und nun hatte er die Gelegenheit, mit Arthur zu reden. "Und ganz ehrlich ? Das gibt es, daß man einfach ein bestimmtes Talent hat und nur eine Gelegenheit braucht, um es zu nutzen. Auch ich habe Talente ... obwohl sie doch etwas anders sind. Mit Computern selbst kenne ich mich nur ein klein wenig aus ... eben genug, um über die Runden zu kommen." Daß er sich darauf spezialisiert hatte, sie zu umgehen oder auszuschalten, sagte Akio lieber nicht - das wäre ein Thema, das er höchstens einmal ansprechen würde, wenn sie sich besser kannten.

Daß Akio scheinbar ein Dieb war, konnte Arthur sich das aber schon denken ... trotzdem sprach er es vorerst nicht an und nippte wieder an seinem Kaffee. „Magst du die nächste Runde mitgehen ? Und könnte ich dann mal zusehen, wie du sprayst ?“

Die Frage überraschte Akio sichtbar und er hob kurz eine Braue, doch dann nickte er und lächelte tief, als er ihm antwortete. "Ehrlich ? Mehr als nur gern ... es ist garantiert schöner, wenn man Jemanden hat, mit dem man reden kann." Dann trank auch er wieder einen Schluck und genoß es, daß sie ruhig zusammensaßen und ihren Kaffee genossen.

 

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