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 Chester und Jaraunde  04
 

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Die nächsten Stunden verbrachte Jaraunde damit, seine Kleidung wieder ordentlich in die Reisetasche zu sortieren, nachdem er sie von den Blutflecken gesäubert hatte ... auch seine Klingen säuberte und schärfte er und als er damit fertig war, kontrollierte er noch seine Emails und auch seine Schweizer Konten. Auch das dauerte eine Weile und so war es schon früher Nachmittag, als der Rotblonde endlich fertig war und ein kurzes Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen, als er eine einfache, doch schlichte, schwarze Hose und einen ebenso schlichten, schwarzen und etwas dünneren Rollkragenpulli aus der Reisetasche herausholte und sie zusammen mit einem Slip, schwarzen Socken und Halbschuhen aus teurem, schwarzen Leder anzog. Als Abschluß nahm er noch ein antrazithfarbenes Sacko heraus und zog es über, ehe er zwei mittelgroße Platincreolen anzog, dazu an der Linken eine schlichte, schwarze Movado und je einen schlichtes, mattes Platinringband an den Zeigefingern und Daumen seiner Hände, ehe er seine Augeklappe abnahm und, nachdem er die langen, hellen Haare durchgebürstet hatte, eine Diamantbesetzte anlegte, doch so, daß die Bänder in den Haaren verschwanden und fast nicht mehr sichtbar waren. Erst jetzt steckte er seinen Geldbeutel und das Handy ein, nahm die Tasche mit seinem Preisgeld auf und verschloß das Zimmer, steckte auch den Schlüssel ein und trat aus dem Hotel, um in das schon gerufene Taxi zu steigen. Nachdem der Fahrer losgefahren war, begann Jaraunde ein wenig zu grübeln ... über die vergangenen Kämpfe und auch über den Mann, den er sich diese Nacht geholt hatte. Dessen Frage hatte ihn wirklich überrascht und beschäftigte ihn noch immer. Dillon war mehr als nur reizvoll – ein erstklassiger Kämpfer und auch der Sex war herrlich gewesen und Jar hatte die wenige Zeit, die sie geredet hatten, nicht einen Moment lang das Gefühl gehabt, einem tumben Idioten gegenüberzustehen, wie es leider sehr oft bei den Kämpfern war, deren Interessen selten das Arbeiterniveau überstiegen. Und genau das war etwas, das den Rotblonden von der Masse der Streetfighter unterschied: Er liebte Kunst und Kultur, er las gern und war definitiv das, was man einen Schöngeist nannte. In Italien und Frankreich förderte er eine Handvoll junger Künstler als Mäzen, da er das Potential in ihnen sah und auch Heute stand neben dem unvermeidlichen Bankbesuch und einer nachfolgenden, kleinen Shoppingtour etwas auf seinem Terminkalender, auf das er sich schon seit Monaten freute. Heute war die Premiere eines neuen Musicals am Broadway, das so vielversprechend war, daß die Karten schon seit einem halben Jahr und nur an bestimmte Kreise ausverkauft waren. Er selbst hatte sich schon früh eine Karte gekauft und würde diesen Abend definitiv genießen, so wie auch den Nachmittag, der ihn jetzt erwartete.

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Chester hatte sich in seinem Penthouse erst einmal gebadet und etwas gegessen. Er hatte jedoch keine Zeit zum Bummeln gehen, er musste erst einmal etwas Geschäftliches klären. Unter Anderem auch wegen Caleb, damit alles mit ihm Okay ging. Von dem Kampf hatte er sich inzwischen wieder gut erholt und Chester würde ihn nach Japan vorschicken. Er hatte es zur Bedingung gemacht, daß er auch Japanisch lernte. Chester hatte seinen Hauptsitz in Japan und dort lebte er auch meistens. Erst gegen frühen Abend hatte er seine Geschäfte beendet, er hatte immer noch einige Firmen zu leiten und nahm sich nun aber die Zeit, um sich für die Musicalpremiere umzuziehen und zu rasieren. Sein Haar band er erneut in einen Zopf und er zog sich einen feinen, schwarzen Anzug an, dazu ein bräunliches Hemd, das er am Kragen mit einer Nadel zusammensteckte. Alles im allem war es asiatisch angehaucht. Fertig angekleidet musterte er sich kurz, nickte zufrieden und steckte seine Einladung ein. Er würde in einer der Logen sitzen und das fast neben der Bühne, so hatte er einen wundervollen Blick auf alles. Ein kurzes Klingeln des Telefons verriet ihm, daß sein Wagen da war. Er hatte auf eine Limo verzichtet und wählte einen einfachen Mercedes aus, weil es nicht ganz so protzig war wie eine Limo. Mit dem Lift fuhr er herab und stieg unten in den Garagen in den bereitstehenden Wagen und fuhr los. Auf einen Chauffeur hatte er auch verzichtet. Unterwegs dachte er noch ein wenig über Jaraunde nach. Der Franzose war nicht dumm und somit eine große Herausforderung. Er musste es klug angehen, doch wie genau, darüber musste er noch ein wenig nachdenken.

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Inzwischen hatte der Rotblonde der Zweigstelle seiner Schweizer Bank einen Besuch abgestattet, das Preisgeld eingezahlt und kurz den Fortgang seiner Anlagen durchgesehen, eine zwar sehr erbauende, doch auch anstrengende Angelegenheit. Doch nach zwei Stunden war endlich alles erledigt und Jaraunde verließ zufrieden das Bankgebäude, überlegte einen Augenblick und schlug schließlich den Weg zu einer der großen, antiquarischen Buchhandlungen ein, die es in der Nähe der Banken gab. Der Buchhändler grüßte ihn gleich, denn er war dort schon seit Jahren ein guter Kunde, auch wenn es oft Monate waren, ehe er wieder hierherkam. Und auch dieses Mal fand er etwas, das ihm gefiel ... eine kostbare Original-Ausgabe von Othello, die noch wunderbar erhalten war und trotz des kleinen Vermögens, das sie kostete, unwiderstehlich für den Rotblonden war. Selbstverständlich erhielt er auch eine kleine Schatulle, um das wertvolle Buch zu schützen, ehe es in die Bibliothek seines schweizer Hauses kam und nachdem Jar mit seiner Kreditkarte bezahlt hatte, wanderte er noch ein wenig durch die Straßen und verweilte an manchen Geschäften, um sich hier und da noch ein Schmuckstück oder einen Cappucchino oder auch einen herrlich gearbeiteten Dolch zu gönnen, der ihm gefiel. Doch als es schließlich dem Abend zuging, führte Jar seine Schritte zu dem großen, so berühmten Theater ... allein schon die gediegene Atmosphäre, die immer wieder durch die ankommenden Gäste unterstützt wurde, ließ ein sachtes Lächeln auf seinen Zügen erwachen. Auch Jar wurde ohne große Probleme hereingelassen, nachdem er seine Karte hergezeigt hatte – im Inneren gab er die schlichte, schwarze Umhängetasche, die er unterwegs gekauft hatte, um seine anderen Käufe unterzubringen, an der Garderobe ab und nickte nur kurz, als die Dame ihm seinen Abholschein aushändigte. Nachdem sich der Rotblonde eines der Programme gekauft hatte, entschied er sich, bis zum Einlaß noch ein Glas Wein zu genießen und blieb an einer der stilleren Ecken stehen, um in aller Ruhe ein wenig durch das Premierenprogramm zu blättern.

Chester stieg gerade aus seinem Wagen und gab ihn beim Parkdienst ab. Er wurde auch ohne Probleme hereingelassen und steuerte gleich auf die Bar zu, um sich ein Glas Whiskey zu genehmigen. Als er den ersten Schluck nippte, drehte er sich herum und sein Blick fiel sofort auf den Blondhaarigen in der ruhigen Ecke. "Das gibt es doch nicht...."

Der Rotblonde hingegen bemerkte ihn nicht, da er noch immer in dem Premierenprogramm las, hin und wieder einen genießenden Schluck des teuren Weines nahm und den Menschen um ihn herum keine Beachtung zollte. Hier, in einem Theater, ließ er seine sonst übliche Wachsamkeit fallen und entspannte sich, denn dies war eine andere, ungefährliche Welt des geistigen Genusses, eine Erholung, die er mehr als nur schätzte und auch zwischen seinen Kämpfen wahrnahm. Es gab nur wenige Menschen, die ihn so kannten ... doch Keiner von ihnen würde auch nur im Entferntesten annehmen, daß der kühle, doch kultivierte Schöngeist sein Geld als Arenakämpfer verdiente. Und da er nicht wachsam war, entging ihm auch die Anwesenheit Chesters, die er in einer Arena oder anderen Gegend sofort bemerkt hätte.

So vertieft und immer mal am Wein nippend, wirkte Jar ganz anders, er war noch hübscher. Chester überlegte, ob er zu ihm gehen sollte. Er nippte selber noch einmal an seinem Drink und kam dann wirklich näher zu ihm. "Und ich dachte, wir sehen uns erst in einer Arena wieder." Er sprach gerade so laut, daß Jar es hörte und blieb etwas weiter neben ihm an der Wand gelehnt stehen.

Einen Moment lang erstarrte der Schlankere ... dann hob er seinen Blick und sah zu Chester hoch, schloß dabei geübt das Programm in seiner Hand und schmunzelte leise, während er den Wein ein wenig in seinem Glas schwenkte. "Das nenne ich wirklich eine Überraschung ... die Karten für diese Premiere sind seit Monaten ausverkauft und wurden auch nur einem sehr engen Kreis zur Verfügung gestellt. Wie es scheint, hast du doch noch ein wenig mehr zu bieten als dein Talent als Kämpfer, das zeigt mir allein schon deine Kleidung, die Art, mit der du sie trägst und daß du überhaupt hier bist."

"Ich überrasche gern ein wenig." wisperte Chester und musterte Jar unauffällig. "Ich hab dich auch nicht unbedingt hier erwartet." Er lehnte sich neben ihm an die Wand und nippte wieder an seinem Whiskey. "Ich finde, etwas Kultur schadet nicht, ich versteh nicht, wie sich so viele dagegen sträuben."

"Weil sie es nicht verstehen, Großer. Es gibt nicht viele Menschen, die es genießen, die verschiedenen Schichten und unterschwelligen Bilder zu verstehen, die ein Theaterstück besitzt. Ein jedes Theaterstück trägt ein wenig von dem in sich, das der Verfasser wollte – oft auch ein wenig von dem, wie er selber ist. Ein Buch zu lesen, kann ebenso fesselnd sein wie ein harter Kampf – doch auf einer anderen, geistigen Ebene, und genau das ist das Problem. Wobei ich es den Kämpfern nicht einmal nachtrage ... die Wenigsten hatten die Möglichkeit, Kultur und Bildung kennenzulernen, sie schätzen zu lernen. Ich verstehe, daß sie lieber die einfachere Unterhaltung mögen, ich genieße sie selbst oft genug. Doch wann immer es möglich ist, suche ich diese Art der Erholung – nicht gerade das, was man von einem professionellen Streetfighter erwartet, Hm ?" Mit einem sanften Schmunzeln sah Jaraunde zu dem Größeren hoch, ehe er wieder einen Schluck seines Weines nahm ... auch wenn er es nicht direkt zugab, es freute ihn, daß Chester hier war, etwas, mit dem er defintiv nicht gerechnet hatte.

"Das erwartet man wirklich nicht, doch ich finde es sehr gut. So schult man nicht nur den Körper, sondern auch den Geist." Er tippte sich leicht an die Schläfe und lächelte sacht. "Zu verdummen ist meine größte Furcht."

Mit einem leisen Lachen beobachtete Jaraunde den Größeren und nickte ... dann trank er seinen Wein aus und gab das Glas einem der Wärter, die mit den Tabletts herumliefen, und antwortete Chester leise. "Solange du nicht Nacht für Nacht ein Dutzend Biere vernichtest, dabei Fast-Food ißt und TalkShows im Fernsehen ansiehst, passiert dir das nicht. Es ist alles eine Sache des Interesses – wie ein Muskel, so muß auch der Geist trainiert werden, um nicht zu verkümmern. Zu diesem Behufe war ich heute ein klein wenig bummeln und habe auch prompt etwas gefunden, das schon lange in meiner Sammlung fehlte: Eine Erstausgabe von Shakespeares Othello, und das in ausgezeichneter Qualität, wenn man das Alter bedenkt." Einen kurzen Moment lang wurde der Blick des Rotblonden weicher, als er an das Buch dachte – doch der Moment verging und er wurde wieder ein klein wenig ernster. "Die Vorstellung fängt bald an ... in einer Viertelstunde ist Einlaß, aber bis dahin können wir ja noch ein wenig reden ?"

"Oh... wirklich, eine Erstausgabe ?" Chester war gleich interessiert und man merkte, daß er neugierig geworden war. "Noch ein wenig unterhalten ist gut." Er freute sich darüber. "Erzähl mir doch mehr über deine Sammelleidenschaft.. Ich sammle selber einige Bücher."

Nun selbst interessiert werdend, wandte sich Jar ihm zu und kam ein wenig näher, als mehr und mehr Leute in den Warteraum kamen, da bald Einlaß war. "Meine Familie sammelt schon seit einigen Generationen alte, wertvolle Bücher, aber auch neuere Bücher, das, was uns wertvoll erscheint. Mein Urgroßvater hatte eine Schwäche für die alten Kräuterbücher der Klöster und alte Bibeln, während mein Großvater und mein Vater eine Vorliebe für klassische Literatur entwickelten. Ich persönlich sammle Bücher großer Autoren, von Shakespeare über Homer bis zu Jules Verne. Auch wenn ich manchmal neue Bände zu den Sammlungen meiner Vorgänger zufüge, wenn ich darüber stolpere. Es ist meine Art, ihnen zu gedenken, daß ich ihre Sammelleidenschaft fortführe und unsere Familienbibliothek erweitere. Wenn man allerdings in meine Wohnung in Frankreich sieht, dann ist es völlig anders - dort habe ich das, was ich normalerweise lese, eher ... kurzweiligere Literatur." Der schlankere Rotblonde schmunzelte leise zu sich selbst, denn gerade dieser Gegensatz war mehr als nur belustigend.

"Taschenbücher, vermute ich." tippte Chester und lächelte sacht. Taschenbücher weckten ihn ihm auch eine gewisse Leidenschaft, sie waren praktisch und trotz allem waren die Geschichten von spannend, über amüsant bis hin zu tragisch. Auch wenn er noch eine geheime, kleine Vorliebe hatte. Groschenromane, kleine Schnulzen, es war ihm peinlich, es zuzugeben doch er tat es. "Ich sammle Groschenromane aus verschiedenen Ländern. Es ist zwar keine besonders anspruchsvolle Lektüre, aber sehr amüsant, da man immer weiß, was geschehen wird." Er war tatsächlich etwas rot geworden doch er vertrieb seine Verlegenheit bei einem leisen Räuspern.

Ein wenig verdutzt sah Jar zu ihm auf – dann lachte er leise, doch freundlich, und zum ersten Mal zeigte er in Gegenwart des Großen ein ehrliches Lächeln. "Dafür brauchst du dich nicht schämen, Dillon. Ich kenne einige honorige Menschen, von denen man niemals erwarten würde, daß sie so etwas wie Perry Rhodan oder Comichefte sammeln. Ich denke, ein Jeder hat eine Vorliebe für gewisse Dinge, und in einem hast du recht: Groschenromane sind angenehm zu lesen, gerade, wenn man etwas Kurzweiliges braucht und nicht unbedingt Zeitschriften lesen möchte. Vielleicht ergibt sich ja einmal die Gelegenheit, daß du mir deine Sammlung zeigen kannst ... völlig unverbindlich natürlich." Jar war sich bewußt, daß es eine gängige Anmache war, wenn Jemand einem Anderen seine "Sammlung" zeigen wollte und setzte diesen Satz noch dahinter, um sicherzustellen, daß keine Mißverständnisse auftraten.

"Meine Sammlung ist in Japan, es würde dann wohl eher ein längerer Besuch werden." Nu war raus, daß er in Japan lebte. "Ich habe ein recht vielseitige Sammlung. Alte, klassische Bücher, Romane, Groschenromane und Manga. Für Letzteres sitze ich wohl direkt an der Quelle." Er lachte leise, Japan war das Land der Manga und Animes, total verrückt und doch hatte es auch andere Seiten. Kabuki zum Beispiel.

Nun doch ein wenig neugieriger werdend, beobachtete der Roblonde die Emotionen und Gedanken, die so deutlich im Gesicht und den Augen des Großen zu sehen waren ... dann nickte er unmerklich und sah wieder zu den Leuten um sie herum, als er ihm leise antwortete. "Japan ... an dir ist mehr, als ich Anfangs angenommen habe, Großer. Wobei das definitiv kein Nachteil ist, im Gegenteil – es macht dich interessanter. Ich persönlich war noch niemals in Japan, ich bin auch nur sehr wenig in Amerika, die meiste Zeit verbringe ich in Frankreich oder der Schweiz. Doch gerade kulturell muß Japan sehr, sehr viel zu bieten haben, einige meiner Bekannten schwärmen geradezu und verbringen ihren Urlaub immer wieder dort."

"Ja, es hat viel zu bieten. Kabuki ist sehr interessant. Jedoch fasziniert mich das Bunraku fast noch mehr. Es ist ein Puppenspiel, die Puppen sind wie lebensecht. Sie können die Augen und die Brauen bewegen und werden von schwarzgekleideten Puppenspielern geführt. Wenn man es zum ersten Mal sieht, könnte man fast meinen, es seien Menschen, es ist wirklich einmalig." Das war auch eine von Chesters Vorlieben, abgesehen von Motorrädern und einigem Anderen. "Ich bin etwas vielseitig, es gibt so viel Schönes, das ich gern tue." Ihre Unterhaltung wurde von einem Gongen unterbrochen, das den Zuschauern sagte, daß nun Einlass war. "Vielleicht können wir uns in der Pause weiter unterhalten ?"

Der Rotblonde hatte ihm mehr als nur interessiert zugehört und nickte nun auf dessen Frage. "Mehr als nur gern, Dillon. Es ist nicht oft, daß ich einen regen Geist finde, der auch einen dazu passenden, schönen Körper hat – etwas, das ich sehr genieße." Dann verabschiedete er sich und sah kurz auf seine Karte – nickte unmerklich zu sich selbst und machte sich auf den Weg zu seiner Loge, die einen Stock höher lag und sehr exklusiv war, sie lag nicht zu weit vorne, sondern genau so, daß man einen guten Blick und auch einen guten Klang hatte und in ihr waren nur drei Doppelplätze, so daß es auch nicht so dichtgedrängt wie in den anderen Logen oder gar unten in den Reihen war.

Chester hatte noch einen Moment gewartet, da er erst sein Glas abstellen musste. Danach ging er in seine Loge und lachte leise, denn auch hier traf er auf Jaraunde. "Wir sehen uns scheinbar schneller wieder, als erwartet."

Ein wenig verwundert sah Jar zu ihm auf, doch dann schmunzelte auch er, als er ihm in die Loge folgte. Zwei der sechs Sitze waren schon belegt und der Rotblonde zögerte – doch dann setzte er sich in den Zweiersitz am Rand und nickte an seine Seite. "Komm – es besteht kein Grund, daß du dich einzeln setzt, Dillon. Auf diese Weise können wir die Aufführung zusammen genießen ..."

"Das Angebot nehme ich gern an." Chester war froh, so konnten sie sich noch ein wenig mehr beschnuppern. Er setzte sich zu Jar und legte sein Programm vorne auf die Brüstung. "Ich bin schon sehr gespannt auf das Musical, es scheint sich auch sehr zu lohnen, wenn die Karten so schnell vergriffen waren."

"Ja .... der Komponist ist ein Genie, auch wenn er noch jung ist. Seine letzten Inszenierungen waren einfach nur herrlich – eine gelungene Mischung von sanfter und mitreißender Musik und auch ein gelungener Plot. In diesem Stück erzählt er die Geschichte zweier Männer, die mit einander aufwuchsen, Freunde sind und durch einen Krieg auseinandergerissen wurden und nun gegeneinander kämpfen müssen. Es spielt im Griechenland der Antike, als die Stadtstaaten unablässig gegeneinander kämpften, aber noch vor der Zeit, als sich ihre glorreiche Kriegsführung mit der Phalanx und den erfahrenen Hopliten entwickelte. Ich hoffe, daß er seinem ursprünglichen Entwurf treu geblieben ist und auch die Gefühle der Beiden mit einbringt, denn die Krieger, welche die Vorlage lieferten, waren im wirklichen Leben ein Paar, auch wenn sie es nur im Geheimen ausleben konnten, da sie in Ehen gewzungen wurden, um die Nachfolge ihrer Höfe zu sichern." Jaraunde hatte sich eingehend mit dem Thema beschäftigt und auch mit dem Stück selbst, da er einerseits den Komponisten sehr mochte und andererseits von dem Thema des Stückes sehr angetan war.

"Wundervoll... ich habe mich mit dem Thema nicht beschäftigen können.. ich werde es wohl nachholen." Jetzt war er erst richtig neugierig auf das Musical, es war eine mehr als interessante Geschichte. "Wie es scheint, kamst du eher dazu, dich vorher gut zu informieren... Du magst Dokus sicher gern, Hm ?"

Mit einem sanften Lächeln lehnte sich der Schlankere zurück, strich eine seiner Ponysträhnen nach hinten und sah wieder zu Chester auf. "Ja, sehr gern sogar, ich beschäftige mich in meiner Freizeit viel mit Geschichte. Es ist sehr interessant, da vieles unserer heutigen Zeit darauf basiert. Machant, der Komponist, interessiert sich selbst sehr für die Antike, doch bis jetzt hatte er es nie verwenden können. Ah, der Dirigent – es wird bald anfangen." Jar sah mit einem kurzen Lächeln nach unten, als das Orchester aufhörte, die Instrumente zu stimmen und fiel kurz in das Klatschen der anderen Zuschauer ein, als der Dirigent sich verneigte.

Auch Chester klatschte kurz mit den Anderen. "Ich bin sicher, er wird noch öfter dazu kommen, wenn dieses Stück solch ein Erfolg wird, wie erwartet. Nach der Premiere, bleibst du dann die Feier über ? So würde sich eine Möglichkeit ergeben, ein wenig mit Machant zu plaudern."

"Vielleicht – ich bin mir noch nicht sicher, wenn zuviele Leute bleiben, dann eher nicht. Ich mag große Parties mit gezwungenen Small-Talk nicht sehr, meide sie, wenn es möglich ist." Doch dann verstummte Jar, da die erste Melodie erklang und die Lichter ausgingen, um den Beginn der Aufführung anzukündigen.

"Das verstehe ich.." wisperte Chester noch und wurde dann auch still, um der Musik zu lauschen, die sich langsam höher steigerte und so fing das Musical an, es zeigte die zwei jungen Männer, die sich voneinander verabschiedeten. Machant hatte herrliche Tänzer gefunden, Geschmack hatte er wirklich.

Einen Moment lang huschte der gleiche Gedanke auch durch den Kopf des Rotblonden – doch dann genoß er einfach nur die Aufführung und auch die Nähe Chesters, und nach einer Weile lehnte er sich auch leicht an ihn an, da es ein schönes Gefühl war, ihn bei sich zu fühlen. Es war seltsam für Jaraunde, daß dies geschah ... noch nie zuvor hatte er ein solches Erlebnis mit einem One-Night aus den Kämpfen genießen können, ebenso wie die Gespräche zuvor war dies bemerkenswert und ließ ihn leicht lächeln, so daß er diese Aufführung sogar noch ein kleines Stück mehr genoß, als er es erwartet hatte.

Auch Chester genoss es, er war ein wenig erstaunt, wie zutraulich Jar geworden war. Er war wohl doch mehr, als er es sich gedacht hatte. Chester hatte wohl einiges an Pluspunkten gesammelt, doch noch würde er ihm nicht seinen anderen Namen verraten. Innerlich hoffte er, daß es ihm kein Anderer verraten würde, es wäre viel besser, wenn er es ihm selber gestand. Seine Gedanken konzentrierten sich aber wieder auf das Musical und so verging die Zeit bis zur Pause fast schon zu schnell, so daß wohl Einige überrascht waren, als diese kam und sie aus dem Zauber der Musik gerissen wurden. "Schade..." wisperte Chester und seufzte leise.

"Ja – aber eine willkommene, kleine Pause. Kannst du mir ein Glas Rotwein und eine Kleinigkeit zu essen holen ? Ich bin gleich im Pausenraum ...." Jar wisperte die Worte sanft in das Ohr des Größeren, als er aufstand – dann lächelte er noch kurz und schlängelte sich behende zwischen den anderen Zuschauern hindurch, bis er an einer der hinteren, weniger frequentierten Toiletten ankam und dort mit einem inneren Nicken bemerkte, daß außer ihm nur zwei andere Männer dort waren, die das selbe Bedürfnis hatten. Der Rotblonde hatte es schnell erledigt und ein kurzer, eisiger Blick zu den anderen Beiden hatte ihm eine angenehme Stille verschafft und auch dafür gesorgt, daß die Beiden ihre Blicke sonstwo, nur nicht auf ihn fallen ließen. Nachdem er fertig war, wusch sich Jar noch kurz die Hände und kämmte mit den Fingern durch seine Haare – auch seine Augenklappe saß noch perfekt und er nickte, als er wieder nach draußen ging und in der Menge nach Chester suchte. Ein wenig über sich selbst verwundert, konnte Jar nich verhindern, daß ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen erwachte. Der große Schwarze war wirklich reizvoll, denn er bot das, was der Rotblonde schon lange suchte und so oft nur in getrennter Form fand: Einen herrlichen Körper, Erfahrung im Kampf, selbst Kämpfer und dazu noch gebildet und interessiert.

Chester hatte genickt und war langsam in den Pausenraum nachgekommen. Dank seiner Größe und Statur hatte man ihm an der Bar etwas Platz gemacht und so hatte er sich einen Whiskey und Jar einen Rotwein bestellt und dazu noch ein paar Schnittchen zu essen. Mehr als Schnittchen gab es auch nicht. Kaviar, Lachs und feinster Schinken. Gerade aufgrund seiner Größe hatte er sich schnell einen Überblick verschaffen können und drängte mit erhobenen Gläsern und Teller durch die Menge, bis er bei Jar angekommen war. "Wir sollten uns wieder eine ruhige Ecke suchen." Er hatte keine Lust, daß ihn Jemand beim Essen anrempelte.

"Du hast recht – komm, hier hinten war eine schöne Stelle." Ohne weiter zu zögern, drehte sich der Rotblonde um und ging weiter nach hinten, bis sie schließlich unter einer Treppe zu stehen kamen, fast verdeckt durch die Palmen, die davor standen. Es war ein ruhiger, von außen ungesehener Platz, hoch genug, daß Chester stehen konnte, ungestört und wundervoll erleuchtet, da das Fenster über die gesamte Treppenlänge ging und das Mondlicht mit den Straßenlaternen sanft durch das leicht geschwärzte Glas schien. Es war schon fast eine romantische Atmospähre und als Jar das bemerkte, mußte er unwillkürlich schmunzeln.

"Was schmunzelst du, Hm ?" Chester war neugierig und reichte Jar seinen Wein und das Tellerchen mit den Häppchen. "Gab nur das, ich hoffe, du magst es ?" Er schob sich dann selber eines der Brothappen in den Mund und kaute genüsslich. "Hast du nach dem Musical noch etwas vor ?" fragte er leise, nachdem er geschluckt hatte und sah Jar dabei an. Er würde es vielleicht wagen und ihn zu sich einladen.

Auch Jar hatte eines der Schinkenhäppchen gegessen und trank einen Schluck des Rotweins, ehe er das Glas auf die Seite stellte und sich eines der anderen Häppchen nahm. "Weswegen ich geschmunzelt habe – nunja, inmitten dieses ganzen Chaos haben wir ein Plätzchen gefunden, das schon fast romantisch ist: Zwei Kämpfer, die im Mondlicht Häppchen unter einer Treppe essen, versteckt durch Palmwedel vor den Augen der Anderen. Und was ich heute noch vorhabe – ehrlich ? Essen. Von diesen kleinen Dingern wird man nicht satt."

Erst jetzt sah Chester sich um und schmunzelte ebenfalls. Jaraunde hatte recht, was ihr Versteck anging. "Dito... ich brauch viel mehr, um satt zu werden. Darf ich dich einladen ?" Er hoffte auf ein Ja.

"Gerne. Aber wenn es geht, in ein einfaches, gediegenes Restaurant. FastFood ist nichts für mich und auch keine Nouvelle cuisine. Nicht umsonst gilt das Eine als lebensverkürzend und bei dem Anderen fragt man sich, wieso man gerade dreihundert Dollar bezahlt hat und noch immer hungrig ist." Daß ihn Chester einladen würde, damit hatte Jar nicht gerechnet – doch er nahm die Einladung unter dieser Bedingung an, denn es wäre eine gelungene Fortsetzung dieses Abends, die der Rotblonde sicherlich genießen würde.

"Wie wäre es mit etwas Chinesischem ?... Ich kenne ein Restaurant, gut, günstig und große Portionen." Er mochte solch ein Essen, es war gesund und trotzdem üppig. Außerdem war es wie das gute Essen in Japan, das er hier in Amerika so vermisste. Unwillkürlich musste er an Omi und dessen Kochkünste denken und auch so an das Essen im ‚Haus des Silbernen Drachen'. Nach der Frage schob er sich noch zwei Häppchen in den Mund und spülte sie mit seinem Drink herunter.

Amüsiert betrachtete ihn der Schlankere, legte ihm dann einfach seine verbliebenen zwei Brote auf dessen Teller und nickte kurz darauf. "Iß sie ruhig, Großer. Und ja – Chinesisch ist eine gute Wahl, es ist schon eine Weile her, daß ich es gegessen habe." Dann nahm auch er noch einen Schluck seines Weines, ehe der erste Gong ertönte und sie daran erinnerte, daß sie nur noch fünf Minuten hatten, bis die Pause zu Ende war. "Wir sollten langsam zurückgehen, oder ? Wir können ja auf dem Weg austrinken ...."

Chester verputze die zwei Stück auch noch und nickte bei den Worten. Er folgte Jar und stellte nebenher den Teller auf eine der Ablagen. Einer der Kellner würde ihn sicher wegräumen. Seinen Whiskey behielt er, bis er oben in der Loge war und stellte ihn auf eine kleine Ablage vor sich, als er sich setzte. "Ich esse Japanisch am Liebsten, ich kann selbst hier nicht auf asiatisches Essen verzichten."

Mit einem kurzen Seitenblick setzte auch Jar sich wieder auf seinen Platz und strich sich eine der hellen Strähnen nach hinten ... dann nickte er und nahm einen Schluck des Weines, ehe er das Glas auf die Ablage stellte. "So schlimm ? Aber ich verstehe dich, asiatisches Essen kann herrlich sein. Wobei ich in Sachen Salat eher auf die französische und die italienische Variante stehe ...." Doch dann verstummte er wieder, als der zweite Gong ertönte, das Orchester verstummte und der Dirigent hereinkam. Fast augenblicklich wurde es wieder dunkel und der Vorhang hob sich, das Orchester fing wieder an zu spielen und als der zweite Akt des Stückes begann, legte Jar seine Hand auf die des Größeren, da er sich einfach wohlfühlte.

Wieder etwas, das Chester überraschte und etwas, das er genoss und auskostete. Es fiel ihm immer schwerer zu schweigen, irgendwann musste er jedoch damit rausrücken, daß er Chester war, der Mann mit der Dämonenmaske. Jetzt widmete er sich allerdings wieder dem Stück, er konnte sich später noch Sorgen machen und lehnte sich gemütlich zurück.

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