”Der Geliebte des Königs” 03
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Claudio hingegen mußte sich sichtbar zusammenreißen, nicht einfach wie ein ungeduldiger Tiger in seinem Zimmer hin- und herzugehen, während er auf den jungen Prinzen und dessen Freund wartete. Alfredo und Armano waren im Moment nicht da, sondern holten für sie alle das Frühstück ... eine nötige Maßnahme, da der braunhaarige Vampir im Moment alleine sein mußte. Er konnte natürlich das leise Gespräch zwischen Pablo und Ramon mithören und lächelte ein wenig dabei ... denn nun würden seine beiden jungen Freunde endlich auch Jemanden abbekommen, der sie beide liebte und sie auch beide wollte. Doch es war der Prinz, zu dem seine Gedanken unweigerlich wiederkehrten, denn Claudio hoffte inständig, daß dieser noch immer ihre Bindung fühlte und sich nicht von ihm abwandte. Doch sicher war er sich dessen nicht, und so stieg seine Unruhe minütlich weiter an.
Pablo ging es ähnlich ... er hatte Zweifel, ob das Ganze stimmte, und wenn es stimmte, ob es nicht nur so dahergesagt war mit dieser Bindung. Aber er würde es gleich wissen, er band nur noch sein Haar zusammen und nickte Ramon zu. "Lass uns rübergehen."
Dieser nickte nur und seufzte leise, als er die unruhige Unsicherheit in seinem jungen Herrn bemerkte. Natürlich verbarg dieser es so gut, daß es nur einem geübten Auge auffallen konnte - doch Ramon hatte dieses geübte Auge und drückte noch einmal kurz die breite Schulter seines Freundes, ehe er ihm die Türe aufhielt und nach ihm wieder schloß. Währenddessen waren die beiden jungen Leibwächter Claudios zurückgekommen und begannen damit, den Tisch zu richten ... eine einfache, doch für den Vampir ungemein beruhigende Tätigkeit, da sie so vertraut war und ihn ein klein wenig davon ablenkte, daß er Pablo näherkommen hörte. Er trug seine Haare ausnahmsweise einmal offen, so daß sie ihm wie ein sanfter, ebenholzfarbener Wasserfall über den kräftigen Rücken fielen und ihm so eine etwas schlankere Gestalt verschafften, als er es gemeinhin bevorzugte.
Dann klopfte es und Armano ging zur Tür, um die Herren reinzulassen. "Bitte, die Herren." Er verneigte sich und auch Alfredo neigte seinen Blick vor dem hohen Herren. Jetzt, wo Pablo den Italiener wiedersah, hatte er gleich ein Kribbeln im Bauch. "Es ist schön, euch wiederzusehen, Claudio."
Ein Kribbeln, das auch den Italiener erfüllte und er lächelte, als Alfredo die Türe schloß und ihnen so ein wenig Privatsphäre gab. Kaum war das geschehen, kam Claudio zu dem jungen Prinzen und hob die Hand, legte sie auf dessen Brust und schnurrte leise, ehe er sich ein wenig streckte und ihm einen mehr als nur zärtlichen Kuß auf die ihm so süßen Lippen gab. "Ja, das ist es, mio caro ... als ob ich in meinen Heimathafen zurückkehren würde."
Nun sahen die Brüder, wie ernst es ihrem Herrn war, denn er war ungewohnt wenig zurückhaltend. Sie rochen die sachten Pheromone und lächelten innerlich, als Pablo den Kuss unbewusst erwiderte und nun wieder recht sicher wirkte. So war es auch, denn jetzt, wo er Claudio wieder sah, wusste Pablo genau, daß es kein Traum gewesen war ... es fühlte sich richtig an.
Ramon hingegen blickte völlig verdattert auf den italienischen Edelmann, der so anders als noch am vorigen Tag bei seiner Ankunft wirkte. Nichts an ihm erinnerte an diesen ernsten Adeligen, den er dort gesehen hatte - der Blick und auch die Gesichtszüge, alles an Claudio war zärtlich und liebevoll, und Ramon konnte auch an der Reaktion seines Prinzen sehen, daß die beiden völlig verliebt waren. Doch dann fiel dem jungen Spanier etwas auf: Das leise, doch innige Schnurren Claudios und dessen sichtbar längere Eckzähne, als dieser die Lippen leicht öffnete, um den Kuß ein wenig zu vertiefen. Und gerade dieser Anblick war es, der Ramon tief einatmen und leicht erschauern ließ ... denn er fühlte, wie er erregt wurde und kämpfte ein wenig mit sich, damit er seine Lust beherrschen konnte.
Ähnlich ging es auch seinem Herrn, denn er reagierte schon wieder auf den wundervollen Geruch, der von Claudio ausging. Die beiden Leibwächter hielten sich noch zurück und Armano grinste sacht, weil er sehen konnte, wie sehr Ramon mit sich kämpfte. "Ich ... ich denke, wir haben einiges zu erzählen ?" Pablo riss sich jetzt erstmal zusammen und atmete tief durch. Er benahm sich nämlich gerade wie ein Trottel.
Claudio seufzte leise und nickte, ehe er dem jungen Prinzen noch einmal einen sanften Kuß gab und dann einen Schritt zurücktrat. "Ja, so ist es, mio caro ... und ich denke, es ist besser, wenn wir das zuerst tun. Ich denke, du hast bestimmt Hunger - und so dürfte es auch deinem jungen Freund gehen. Ramon war der Name, nicht wahr ? Mir wurde schon von dir berichtet." Jener lächelte ein wenig zögerlich und kam näher, ehe er sich verneigte und höflich antwortete. "So erging es auch mir, Herr ... euer Ruf eilt euch weit voraus. Doch wie ich sehe, gibt es auch andere Seiten an euch, Herr - und ich denke, mein Herr ist mehr als nur von diesen neuen Seiten angetan."
Pablo wurde fast rot und räusperte sich, denn sein Freund redete hin und wieder einfach zuviel. "Unserem Herrn geht es ebenso ... mit dem angetan sein." warf Armano ein und grinste leicht, bevor er von seinem Bruder angeknufft wurde. "Sei nicht so frech."
Und das wiederum brach das peinliche Schweigen und brachte alle zum Lachen, ehe Claudio sie einfach zum Tisch geleitete und sich an die Rechte Seite Pablos setzte, der an der Stirnseite des einfachen Tisches Platz genommen hatte. Ramon setzte sich zu dessen Linken und die beiden Brüder konnten sich auf die andere Seite setzen, ehe der braunhaarige Vampir mit einer sanften Geste auf das reichhaltige Frühstück wies. "Bitte bedient euch alle - es ist genug da, so daß wir alle satt werden. Und mit deinem Einverständnis, mio caro, lassen wir die Formalitäten, ja ? Hier sind nur wir beide und unsere Freunde und Vertrauten, ich denke, daß nichts von dem Gesprochenen nach draußen dringen wird." Ramon beeilte sich gleich, zustimmend zu nicken - denn er würde seinem Herrn treu sein und solange dieser den Conte liebte, war er auch ihm treu.
Pablo nahm sich gleich etwas von dem Essen und nickte, als Armano ihm etwas Wein in einen Kelch goss. "Es ist nur ungewohnt, gleich so vertraulich zu sein." Eigentlich war Claudio als hoher Gast geladen, und jetzt waren sie praktisch schon Geliebte. Armano schenkte auch Ramon etwas Wein ein und lächelte ihn munter an. "Guten Appetit wünsche ich."
"Ich danke dir ... Armano, nicht wahr ?" Ramon war sich sicher und das breiter werdende Lächeln des jüngeren Bruders sagte ihm, daß er Recht behalten hatte. Claudio hingegen betrachtete sich dieses Bild mit einem tiefen Lächeln, ehe er die Hand auf den Arm des jungen Prinzen legte und sich ein wenig zu ihm neigte, um ihm einen schmalen Streifen geräucherten Schinkens zu reichen. "Das verstehe ich, mio caro ... es muß sehr ungewohnt für dich sein. Doch für unsere Rasse zählen Titel nichts - sie werden mit den Jahrhunderten unwichtig, zumindest untereinander. Und ich denke, daß du vor deinem Freund nichts verbergen mußt - ich habe ein wenig eurem Gespräch gelauscht, so wie du sicherlich auch ein wenig dem unseren, nicht wahr, mio caro ?"
"Ähm ..." Pablo war leicht ertappt und nickte sacht. "Aber nur, was auf dem Flur gesprochen wurde, so gut sind meine Ohren nun auch wieder nicht. Aber sie werden es, nicht wahr ?" Das interessierte ihn jetzt doch. "Meine Sinne sind recht stark, ich habe gelernt, es nicht zu zeigen, weil man mich sonst verteufelt."
"Ich weiß, mio caro ... die Menschen sind so engstirnig, sie verteufeln alles, das sie nicht kennen oder das sie nicht verstehen. Ich habe es schon oft erlebt und gerade, als ich noch jung war, bin ich manchesmal nur knapp dem Tod entkommen. Doch für dich wird es leichter werden, mio caro ... denn ich werde bei dir sein und dir zeigen, wie du mit deinen neuen Fähigkeiten umgehen kannst. Und ja, deine Sinne werden um ein vieles stärker - doch wenn du gewandelt bist, ist es auch leichter, sie zu kontrollieren und auch zu beherrschen. Das ist auch sehr, sehr wichtig, sonst würdest du es keinen Moment in einem Ballsaal aushalten können." Bei dem Letzteren lächelte Claudio liebevoll und streichelte sacht über die Wange des Prinzen. ehe er sich selbst ein Stück Schinken nahm und es genießend kaute.
"Ich bin irgendwie gespannt darauf, wie es sein wird." wisperte Pablo und lächelte, als er sah, daß Ramon kurz kuckte, ob Claudio wirklich richtig den Schinken aß. "Er war gespannt, ob du richtig essen kannst."
Das ließ den Vampir leise schmunzeln und er nickte, schluckte und lächelte nun offen, so daß man seine langen Fänge mehr als nur gut sehen konnte. "Aber natürlich - es ist nur so, daß es nicht genug ist. Stelle es dir so vor, Ramon ... für einen Einsiedler, der nichts arbeitet, reicht auch eine dünne Suppe, damit er gut leben kann. Jedoch ein Bauer oder Krieger braucht gutes, nahrhaftes Essen und vor allem Fleisch, damit er auch genug Kraft hat, um seine Pflicht tun zu können. Bei uns Vampiren ist es ähnlich ... ihr Menschen braucht nur normales Essen, doch wir sind um ein vieles stärker und besitzen besondere Kräfte, deshalb brauchen wir zusätzlich etwas, das uns Kraft gibt. Und das ist Blut ... das Blut eines lebenden Menschen, das heiß und süß unsere Kehle herabrinnt. Wir müssen nicht töten, um genug Blut zu bekommen - auch wenn es leider auch in unserer Rasse schwarze Schafe gibt, die es genießen, selbst den letzten Tropfen zu trinken, bis das Herz zu schlagen aufhört. Ich selbst gehöre nicht dazu und möchte dies auch Pablo lehren - den rechten Weg unserer Rasse."
Pablo schluckte trocken und senkte kurz den Blick. "Ich mag Blut ... aber ich weiß nicht, ob ich bewusst von einem Menschen trinken würde ... verraten sie einen nicht ?" Sein Blick wendete sich wieder zu Claudio und er hoffte, daß es eine gute Antwort darauf gab.
"Aber nein, mio caro. Ein jeder Vampir besitzt die Gabe, den Geist und die Erinnerungen eines Menschen zu vernebeln. Bei den Einen ist es stärker, bei den Anderen eher schwächer, so wie bei mir. Ich kann nur wenige Menschen gleichzeitig beeinflussen, doch ich habe schon Vampire gesehen, die ganze Armeen beherrschen können. Es wird jedoch immer so stark sein, daß dein Opfer sich nicht mehr daran erinnern wird, mio caro - mach dir darüber keine Sorgen. Und wenn du dir nur gesunde und kräftige Männer suchst, so bemerken sie es auch nicht, wenn ihnen ein wenig Blut fehlt ... sie fühlen sich wie nach einer durchzechten Nacht, und sind nach einem Tag wieder gesund. Und mach dir nicht so große Sorgen, weil du das rote Naß so gerne magst, mio caro ... es ist ein Instinkt, etwas, das uns am Leben erhält und uns auch Freuden schenken kann." Allein schon der Gedanke an ihre letzte Nacht und das Blut, das sie teilten, ließ Claudio wieder sanft aufschnurren und er neigte sich zu dem jungen Prinzen, um seine Lippe leicht mit den langen Fängen einzuritzen und ihn dann zärtlich zu küssen.
Der Kuss - verbunden mit dem Blut - ließ Pablo fast vergessen wo er war und er stöhnte leise auf, denn es erregte ihn doch sehr und er wusste nun ganz sicher, daß sie zusammenpassten. Als sich ihre Lippen lösten, atmete Pablo tief durch und in seinen Augen sah man ein leichtes Glimmen.
Und gerade dieses Glimmen, das durch sein Blut herauskam, ließ Claudio noch ein wenig inniger schnurren und zärtlich lächeln. "Dein Erwachen ist schon nahe, mio caro ... wie lange ist es noch bis zu deinem Geburtstag ? Es kann nicht mehr lange dauern, bis es soweit ist." Ramon staunte sichtbar und schluckte schwer, als er das Glimmen in den Augen seines jungen Herrn sah - und dann schluckte er noch schwerer, als die Augen des Vampirs für einen Moment in geschmolzenem Silber aufleuchteten. Erst nach einigen Herzschlägen verschwand es wieder und die Augen Claudios wirkten wieder normal, ehe er sich näher zu Pablo neigte und ihn wieder leicht küßte. "Ich kann es kaum erwarten, bis du erwacht bist, mio caro ... wenn ich endlich sehen kann, ob deine Augen in hellem Silber oder weichem Gold schimmern, wenn du dich deiner wahren Kraft überläßt. Das erste Mal, wenn wir zusammen in den Nachthimmel aufsteigen und fliegen können ... das Gefühl deiner langen Fänge, die sich in meine Haut senken und mir das höchste Glück schenken, während wir uns vereinen. Endlich eins werden zu können, mio caro ... unsere Körper, unser Blut und auch unsere Gedanken, all das werden wir dann teilen können." Auch wenn die Worte von einer gefährlichen und harten Natur sprachen, so nahm der zärtliche Blick, das sanfte Lächeln und die liebevolle Stimme jegliche Harschheit heraus, die sie hätten haben können ... und gab ihnen stattdessen eine wundervolle Weichheit, die zeigte, daß es eine Liebeserklärung in den Worten ihrer Rasse war. Ramon lächelte, als er das verstand und schüttelte leicht den Kopf ... denn diese Worte, diese gesamte Situation könnte der Stoff einer wundervollen Liebesgeschichte sein.
Die zwei Brüder sahen es ähnlich und sie waren glücklich, daß ihr Herr endlich seinen Lebenspartner gefunden hatte und langten ordentlich zu, um sich zu stärken. "In fünf Tagen werde ich 18 Jahre. In zwei Tagen erreichen wird die Burg meines Vaters." Die Worte hatten Pablo beeindruckt, aber er wusste noch nicht, wie er damit umgehen sollte. Zum Einen war er es nicht gewöhnt, und zum Anderen war er noch sehr jung.
Das erkannte Claudio aber und lächelte, ehe er ihm ein weiteres Stück Schinken fütterte und sich dann wieder seinem eigenen Frühstück widmete. "Bitte verzeih, mio caro ... es ist der Italiener in mir, der mir so blumige Worte auf die Lippen legt. Doch ich versichere dir, ich tue das nicht bei jedem Mann, mio caro - nur jetzt und nur bei dir. Ist es denn hier in Spanien anders ? Ich hörte so vieles, daß ich mir nicht sicher bin, was ich glauben kann."
"Eigentlich nicht anders ... nur ... ich bin nicht so wie die Meisten." Im Verhältnis zu anderen Spaniern war Pablo etwas plump bei Komplimenten, und die blumige Sprache kam ihn nie so recht über die Lippen. "Ich weiß ja nicht, wie mein Vater war, vielleicht habe ich es von ihm."
Das ließ Claudio wieder leise schmunzeln und er nickte, ehe er einen Schluck der tiefroten Flüssigkeit aus seinem Kelch nahm. Ramon hob bei dem Anblick eine Braue, denn die Farbe war nicht die von Wein ... sie glich eher Blut und der junge Adelige schluckte schwer, als ihm kam, daß es sicherlich auch genau das war. Als er aber zu dem Vampir blickte, lächelte dieser nur und antwortete schließlich dem Mann, den er liebte. "Wenn ich ehrlich sein soll, mio caro ... du hast es wirklich von ihm geerbt, er war entweder schweigsam oder direkt. Romano sprach niemals viel, doch was er sagte, war ihm immer ernst und sein Lächeln erwärmte mein Herz ein jedes Mal. Mach dir darüber keine Sorgen, ich würde niemals von dir verlangen, etwas zu tun, das du nicht willst ... und wenn ich es dir gegenüber nicht tun soll, dann sag es mir, da ich dich nicht damit verärgern möchte."
"Ich danke dir. Und ... was du trinkst, das ist Blut, nicht wahr ?" Auch Pablo war es aufgefallen, und er roch es sogar. "Darf ich fragen, von wem es ist ?" Doch ihm antwortete gleich erstmal Armano. "Es ist von mir."
Als der junge Prinz überrascht zu dem jüngeren der beiden Brüder blickte, schmunzelte Claudio und nahm noch einen Schluck, ehe er den Kelch Pablo reichte und kurz darauf nickte. "Das stimmt - auch das ist ein Grund, weshalb nur sie bei mir sein dürfen und keiner der Diener: Sie helfen mir immer wieder ein wenig damit, daß ich einige Schlucke von ihnen trinken darf. Normalerweise trinke ich vom Handgelenk, doch Heute machten wir eine Ausnahme." Ramon blickte sofort auf die Hände Armanos und runzelte etwas die Stirn, denn er konnte dort keinerlei Wunde sehen. "Aber wieso sieht man dann nichts ?" Der braunhaarige Vampir nickte auf die kluge Frage und lächelte, ehe er es ihm und Pablo erklärte. "Man sieht deshalb nichts, weil auch das eine lebensnotwendige Fähigkeit unserer Rasse ist. Einerseits sind wir fähig, den Geist unserer Opfer zu vernebeln ... und dazu heilt ein einfaches Lecken die Bißwunde vollständig und ohne, daß Narben bleiben. Auch unsere Körper heilen sichtbar schnell - die einzigen Narben, die wir behalten, sind die, die wir vor unserem Erwachen erhalten haben."
"Meine Wundheilung ist jetzt schon sehr gut ... so gut, daß ich immer aufpassen musste." Pablo nahm den Kelch und betrachtete das Blut darin. Er war unsicher, ob er es trinken sollte oder nicht, aber er entschloss sich und nippte ganz kurz daran, ehe er den Kelch wieder an Claudio zurückreichte.
Dieser nahm ihn mit einem Lächeln wieder an und trank von der gleichen Stelle, an der auch Pablo getrunken hatte, ehe er den Kelch wieder zurück auf den Tisch stellte. "Das stimmt, mio caro ... es ist zwar schon sehr lange her, doch auch ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als ich noch nicht erwacht war. Aus dieser Zeit stammt die Narbe, die ich über dem Herzen trage ... damals entging ich nur knapp dem Tod, einzig die schon vorhandene Heilkraft meines Körpers bewahrte mich davor, zu sterben." Während er sprach, öffnete Claudio das Hemd, das er nur leicht überkreuz in seine Hose gesteckt hatte und zeigte so die lange, helle Narbe, die man dort sehen konnte. "Wenn du erwacht bist, wird es noch ein wenig schwieriger für dich, mio caro - denn dann verheilen selbst tödliche Wunden so schnell, daß du niemals in Gefahr bist. Es gibt nur wenig, das uns töten kann, doch es ist möglich. Darum ist es auch gut, daß du einen Freund wie Ramon hast, der dir dabei helfen kann, eventuelle Wunden zu verbergen oder neugierige Blicke abzuhalten - und natürlich kann dir deine Macht des Vernebelns helfen, denn ein Gedanke von dir genügt, daß andere Menschen um dich herum es nicht bemerken, daß du eine Wunde hast, die sich sofort wieder schließt."
"Ja, er ist mir ein guter Freund und er sorgte schon jetzt immer dafür, daß man nichts bemerkt. Ich bin Ramon sehr dankbar." Pablo blickte zu seinem Freund und lächelte sacht. Sie kannten sich schon seit der Kindheit und dadurch, daß sie zusammen aufwuchsen, waren sie fast wie Brüder.
Ramon nickte und grinste, klopfte seinem jungen Prinzen kurz auf die Schulter und sprach nun seinerseits zu dem Vampir. "Das stimmt - und ich werde auch weiterhin zu ihm halten und ihm helfen. Mein Herr Claudio, bitte verzeih mir die Frage ... aber ... wäre es möglich, daß ich deine wirkliche Gestalt sehe ? Es gibt so viele Legenden und Schauermärchen über die Nachtwanderer und Blutsauger, und ich würde gerne wissen, womit ich es dann zu tun habe, damit ich meinen Prinzen besser beschützen und ihm helfen kann." Der ältere Vampir nickte, denn er hatte die Frage schon erwartet - und so stand er auf und zog sein Hemd aus, reichte es Alfredo und als dieser etwas zurückgetreten war, ließ er seine Schwingen wachsen, die er danach sanft zusammenlegte. Auch das silberne Leuchten war für einen Moment lang in den Augen Claudios zu sehen, doch dann verging es und er lächelte, zeigte dabei seine Fänge und ließ auch die Krallen wachsen, die zu seiner eigentlichen Gestalt gehörten.
Pablo war sichtlich beeindruckt, denn er hatte es am gestrigen Abend irgendwie nicht ganz registriert, und auch sein Freund war scheinbar sichtlich sprachlos. Ramons Mund stand offen und er starrte den Vampir mit großen Augen an. Pablo selbst betrachtete Claudio ganz ruhig und eingehend, und er musste zugeben, daß er das Aussehen durchaus mochte. "Ich bekomme dann auch solche Schwingen, nicht wahr ?"
"Ja, mio caro ... ein jeder geborene Vampir besitzt diese schwarzen Schwingen, es ist sehr, sehr selten, daß einmal ein Albino geboren wird, der weiß ist. Ich freue mich schon darauf, wenn du sie hast und wir gemeinsam fliegen können, mio caro - es gibt kaum etwas, das schöner ist." Ramon schluckte schwer, als er das hörte und seufzte, ehe er sich über das Gesicht strich und kurz zu den beiden Brüdern blickte, die am Rand standen und mit sichtbarer Liebe und Treue zu ihrem Herrn blickten. "Ich bin froh, daß ihr beide keine habt - das würde sonst ziemlich eng werden."
Armano lachte gleich leise und ein Grinsen blieb auf seinen Lippen hängen. "Eng ist doch schön ... es ist kuschelig." Was seinen Bruder dazu veranlasste, ihn sacht zu stubsen, denn Ramon war immer noch ein Herr.
Dieser nahm es allerdings nicht übel und grinste breiter, als er die beiden so ungleichen Brüder betrachtete. Claudio bemerkte dies wohl und schließlich entschied er sich und kam zu Pablo, ehe er zu den drei Verbliebenen sprach. "Warum zeigst du meinen beiden Leibwächtern nicht euer Zimmer, Ramon ? Ich denke, ihr habt sehr viel zu bereden, schließlich brauchst du alles Wissen über meine Rasse, das dir Armano und Alfredo geben können. Und ihr beide könnt euch schon ein wenig an Ramon gewöhnen, schließlich werdet ihr ab jetzt sehr viel Zeit miteinander verbringen." Der junge Adelige war sichtbar Feuer und Flamme und sprang sofort auf, ehe er sich seiner Manieren erinnerte und mit einem wahren Bettelblick zu Pablo aufsah.
Der hob eine Braue und wusste genau, daß es ganz sicher nicht beim Reden blieb, wenn sein Freund schon mal mit zwei solchen Prachtkerlen allein sein durfte. "Natürlich kannst du gehen ... aber sei nicht zu laut, ja ?" Er neckte seinen Freund und lachte leise, als Ramon gespielt entsetzt kuckte.
"Laut ? Ich und laut ? Gewiß nicht, mein Herr ." Dann drehte sich der junge Adelige mit einem leisen Lachen um und öffnete die Türe, schob die beiden Brüder einfach raus und schloß die Türe hinter ihnen wieder, ehe er sie den Gang entlang zum Zimmer des Prinzen schob.
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