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 Chester und Jaraunde  05
 

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Als nach einer weiteren Stunde der Vorhang ein letztes Mal fiel, brachen die Zuschauer in wahre Begeisterungsstürme aus ... auch Jaraunde stand auf und applaudierte, denn ihm hatte das Stück wirklich gefallen. Als die Darsteller schließlich gegangen waren, wandte sich der Rotblonde wieder zu Chester und hob dabei eine Braue, als er ihn leise fragte. "Möchtest du noch bleiben ? Oder gehen wir gleich ?"

"Wenn es dir nichts ausmacht, gehen wir gleich, ich hab Kohldampf und die Häppchen haben mehr Hunger gemacht, als ihn etwas zu stillen." Er klopfte sich leicht auf den Bauch, der leise grummelte. "Bist du mit nem Wagen hier ?.. Wenn nicht, ich ja."

"Kein Wagen – nehmen wir deinen. Ich muß nur nur kurz noch meine heutigen Einkäufe von der Garderobe holen, doch das ist auf dem Weg nach draußen rasch erledigt. Gehen wir ...." Mit den Worten nahm Jar sein Weinglas auf und trank noch den letzten Rest, ehe er nach draußen ging und kurz darauf achtete, daß ihm Chester auch nachkam, als er sich durch die Menge schlängelte. Auf dem Weg ließ er das Glas an der Bar stehen und vermied es so gut es möglich war, Jemanden zu berühren – dann war er endlich an der Garderobe und holte die Tasche, nickte nur kurz und schlang sie über die Schulter, als er auf den Großen wartete.

Leider war Größe nicht immer ein Vorteil und so hatte Chester Probleme, sich durch die unterhaltenden Menschenmassen zu schlängeln. Er war auch froh, als er an der Garderobe war, sein Glas hatte er unterwegs wo abgestellt. "Bloß weg hier." murmelnd, ging er vor, so konnte Jar hinter ihm gehen, denn jetzt pflügte Chester sich richtig durch die Massen und atmete erleichtert auf, als sie draußen angekommen waren. Er gab gleich seine Marke für seinen Wagen ab und sogleich wurde ihm dieser gebracht. Wenigstens das funktionierte wie am Schnürchen.

Als der Mercedes vorfuhr, pfiff der Rotblonde kurz durch die Zähne – dann nickte er und gab dem Boy ein kurzes Trinkgeld, verjagte ihn mit einem kalten Blick und setzte sich auf die Beifahrerseite, um darauf zu warten, daß Chester einstieg. Wie gewohnt, schnallte Jar sich an und stellte den Rucksack auf seinem Schoß ab, ehe er zu dem Großen aufsah, der sich neben ihn setzte. "Ein schöner Wagen – aber für dich fast zu klein, Dillon ....."

"Ja. Leider hab ich dieses Problem. In Japan hab ich einen Geländewagen, die sind etwas größer." Chester grummelte leise, da der Boy seinen Sitz höher gestellt hatte und er stellte ihn wieder etwas tiefer, um besser sitzen zu können. Jetzt erst schnallte er sich an und fuhr zügig los. "Sportwagen kann ich fast gar nicht fahren und will es auch nicht, obwohl Cabrios noch gängen... 2,05 Meter sind leider nicht die Norm....gerade in Japan." Er grinste etwas schief und fädelte sich in den Verkehr ein, um direkt zu dem chinesischen Restaurant zu kommen.

"Natürlich nicht ... aber ich finde, sie stehen dir. Kleiner wärst du nur halb so anziehend, Dillon." Jaraunde antwortete ihm leise, denn in dem Wagen war es nicht nötig, lauter zu reden ... als sie durch die Straßen fuhren und immer wieder einmal warten mußten, fing er an, ihre Umgebung zu mustern und doch konnte er sich nicht recht entspannen. Eher, als er dachte, erfuhr er auch den Grund – kaum, daß sie zehn Minuten gefahren waren, ertönte hinter ihnen ein lautes Sirenengeheul und zwei Motorräder schossen vorbei, einer davon offensichtlich ein Polizist und der Andere ein Verbrecher irgendwelcher Art, der vor ihm flüchtete. "Hoffentlich kommen wir nicht in Schlimmeres ... nach einem so herrlichen Abend möchte ich nicht umbedingt schon wieder arbeiten."

"Frag mal..." murmelte Chester. Er hoffte es auch, denn er wollte keinen Trouble haben, wenn er hier in New York war. Er bog einige Ecken später in eine kleinere Straße und hielt dann in der Nähe des kleinen Chinarestaurants. Als er ausstieg, bezahlte er ein paar Jugendlichen Geld, damit sie auf seinen Wagen aufpassten, es war immer noch das Sicherste und sie würden es nicht wagen, ihn übers Ohr zu hauen.

Jaraunde nickte, als er ihn dabei beobachtete – es war wirklich eine der sichersten Methoden, denn so hatten die Jugendlichen Gelegenheit, den Wagen anzusehen, verdienten dabei noch Geld und allein schon die Größe Dillons würde sie davon abhalten, ihn zu stehlen. Doch als einer der Jungs mit seinem Schlüssel zu spielen begann, senkte der Rotblonde kurz eine Braue, ging zu ihnen und wisperte leise, doch so eisig, wie er in der Arena zu sein pflegte, zu ihnen. "Hört gut zu, Jungs – der Stern bleibt am Wagen und der Lack wird keinen Kratzer haben, wenn wir wiederkommen, verstanden ? Gut. Denn wenn ihr verstanden habt und es auch so gemacht wird, zahle ich euch noch einen Bonus von fünfhundert Dollar. Solltet ihr es nicht verstanden haben, so solltet ihr euch darüber Gedanken machen, wer von uns der gefährlichere Fisch in diesem Teich ist. Und nun viel Spaß beim Ansehen ...." Dann drehte sich Jar wieder um und ging zu dem großen Dunklen, nickte kurz und betrat dann das Restaurant, nickte der jungen Frau, die sie begrüßte, freundlich zu und ließ sich zu einem der Tische führen.

Chester hatte es mitbekommen und warf den Jungen noch einen eiskalten, grimmigen Blick zu, bevor er mit Jar ins Restaurant ging. Sie bekamen sogleich einen ruhigen Tisch und die Karten. Dies war etwas, das er an Asiaten so schätzte, sie waren eifrig und höflich, auch wenn es in Amerika langsam nachließ. "Ich lade dich ein." legte er fest.

"Dann danke ich dir, Großer, es ist mir eine Freude." Die Worte Jars waren ernst gemeint, und wurden von einem kurzen Lächeln begleitet ... dann nahm er die Karte und studierte sie kurz, nickte und bestellte bei der Dame, die auf die Bestellungen wartete, eines der Reis/Rindfleischgerichte, dazu ein Glas Wasser und ein Glas Pflaumenwein. Auch der Franzose schätzte die Höflichkeit und den Respekt, den man als Gast in einem asiatischen Restaurant bekam ... dies war so anders als in Europa oder gar Amerika, wo man als Gast nur akzeptiert wurde, da man Geld brachte.

Chester bestellte ein richtiges Menü mit Vor- und Nachspeise, viel Reis und Gemüse und dazu gebratenes Fleisch. Zu Trinken bestellte er Sake und ein Glas Selters, erst nach seiner Bestellung wandte er sich Jar zu. "Es ist das Mindeste, denn der Bonus, den du den Jungen zahlst, dürfte etwas höher sein, als die Rechnung hier." Schon, als er ausgesprochen hatte, kam die Bedienung wieder und brachte die Getränke.

Mit einem dankbaren Nicken nahm der Rotblonde das Wasser und den Wein entgegen und trank schon einmal einen Schluck des Wassers – dann stellte er das Glas hin und lächelte einen Moment lang hart, ehe es ein wenig weicher wurde und er zu ihm aufsah. "Das läuft auf einer anderen Ebene, Dillon ... du hast sie dafür bezahlt, dafür zu sorgen, daß Keiner das Auto klaut. Ich habe sie dafür bezahlt, daß sie es nicht zerkratzen oder den Stern klauen, einer von ihnen hatte schon mit seinem Schlüssel gespielt .... es war geschäftlich, dafür zu sorgen, daß der Wagen unangetastet bleibt. Dies hier ist, wenn man es so nennen mag, privat ... und schon das zweite Mal, daß du mich einlädst, schließlich hast du auch den Snack bei der Aufführung bezahlt und um ehrlich zu sein, ich fühle mich ein wenig von dir verwöhnt." Trotz der leicht anklagenden Worte zeigte sich jedoch nichts davon in dem Lächeln und auch dem Auge Jaraundes, auch seine gesamte Art war ruhig und entspannt und zeigte unmißverständlich, daß er es genoß, ein klein wenig verwöhnt zu werden, zumindest jetzt und auch nur, weil er Dillon respektierte.

"Ich verwöhne gern." wisperte Chester. Das tat er wirklich gern, auch wenn man es meist nicht glauben konnte. Er trank seinen Sake aus und nickte, es war ein vorzüglicher Reiswein, wahrscheinlich ein Import. "Ich würde dich noch einmal gern einladen... In ein Kabuki."

Jar verschluckte sich fast an seinem Pflaumenwein, als er die leisen Worte hörte und trank geflissentlich einige Schlucke Wasser nach, um den Hustenreiz zu unterdrücken. Erst dann sah er zu Chester auf und sein Blick wurde skeptisch, als er ihn musterte und schließlich fragte. "Korrigier mich, wenn ich mich irre, aber Kabuki spielt man in Japan. Soll ich das jetzt so verstehen, daß du mich nach Japan einlädst, um mit dir eine Aufführung zu besuchen ? Wenn ja, an was genau ... hast du dabei gedacht ?"

‚Großmaul verfluchtes !' beschimpfte er sich selber und lächelte beschwichtigend. Zum Glück kam gerade das Essen. "Ich wollte schauen, ob es hier auch welche gibt... Lass uns Morgen drüber reden und den Abend genießen, ja ?" Er hoffte, daß er bis Morgen Zeit hatte und fing nach einem "Guten Appetit." an, seine Glasnudelsuppe zu löffeln.

Noch immer ein wenig skeptisch, nickte der Rotblonde nur und bedankte sich bei der netten Bedienung, als sie ihm sein Essen brachte. Dann wünschte er Chester noch einen guten Appetit und begann selbst zu essen, doch anders als die meisten Leute, ließ er sich dabei Zeit und genoß einen jeden Bissen. Währenddessen beschäftigte ihn jedoch dieser Ausrutscher des Größeren, denn daß es einer war, hatte er sofort an dessem hastigen Dementi gemerkt. Daß er etwas vor ihm verbarg, war Jaraunde spätestens seit ihrem Aufeinandertreffen bei dem Musical klar – doch es war weniger ein Vortäuschen falscher Tatsachen, das hätte der Rotblonde gemerkt, sondern eher, daß ihm Dillon etwas verschwieg, das bisher eigentlich nicht wichtig gewesen war. Sowohl beim Kampf wie auch bei der Aufführung benahm sich der Große völlig natürlich – Beides entsprach seinem Wesen, ebenso wie dieses Essen hier, und war defintiv nicht aufgesetzt. Was ihm Dillon verschwieg, mußte etwas Anderes sein, das eigentlich eine erklärende Ergänzung zu dem Bisherigen war, und so nickte Jar schließlich nach einer Weile und lächelte kurz zu ihm. "Okay, Großer ... lassen wir uns Zeit damit bis Morgen und genießen diese Nacht."

Chester fiel ein Felsbrocken vom Herzen und er nickte. "Morgen...versprochen." Jar würde eh noch mehr sehen, was Erklärung bedürfte, spätestens, wenn er ihn in sein Penthouse mitnahm, was er auch vorhatte. Daß Jaraunde so langsam aß, fand er gut, er selber aß langsam, in Japan hatte man noch Esskultur, wie in den ländlichen Gegenden Frankreichs, in denen man sich gut vier Stunden Zeit nahm, um ein großes Mittagessen zu genießen. Die weiteren Gänge aß Chester mit den Stäbchen und er bestellte sich nebenher noch einen weiteren Sake und schon mal für Zuhause eine ganze Flasche davon. "Möchtest du noch mit zu mir kommen nach dem Essen ?"

Einen Moment lang senkte sich eine der Brauen des Schlankeren – dann jedoch nickte er und aß seinen Bissen fertig, ehe er ihm antwortete. "Warum nicht ? Wenn es auch nur halb so erfüllend wird wie die letzte Nacht, dann habe ich definitiv nichts dagegen einzuwenden, Dillon." Seine Worte begleitete ein sachtes, kühles und doch herausforderndes Glitzern in seinem Auge – doch es verschwand sofort wieder, als Jaraunde einen weiteren Bissen nahm und den herrlichen Geschmack des Gerichtes auskostete.

"Nun, wir werden sehen.. Auf jeden Fall ist mein Bett etwas breiter, so daß ich am nächsten Morgen nicht wieder herunterkippe." Chester lachte leise, er war froh, daß er sich dabei nichts verstaucht hatte. Im Penthouse hatte er ein französisches, stabiles Bett und im Bad eine große, runde Wanne, in der sie sich amüsieren konnten. Chester fürchtete jedoch, daß Jaraunde schon heute die Antworten haben wollte, wenn er die große Wohnung sah.

Mittlerweile war Jener mit seinem Essen fertig, bedankte sich bei der Bedienung, welche das Geschirr abräumte und bestellte sich dabei noch gebackene Bananen als Nachspeise, ehe er wieder einen Schluck seines Weines nahm. "Ja, ich denke, dein Bett wird definitiv komfortabler sein – jedenfalls für zwei Personen. Als ich in das Hotel eincheckte, habe ich nicht bedacht, daß ich mir Besuch mitnehmen würde, weißt du ? Normalerweise, wenn ich bei Kämpfen einen One-Night finde, mieten wir uns ein Hotelzimmer oder etwas Ähnliches." Entgegen der Vermutung Chesters hatte Jar nicht vor, vor dem morgigen Tag Antworten zu verlangen – in dieser Hinsicht blieb er bei einer Entscheidung und die besagte, daß er diese Nacht genießen und erst Morgen fragen würde.

"Ich suche mir seltener One-Nights, daher nehme ich auch nicht oft Jemanden mit zu mir." Abgesehen von einigen Edelhuren, die er ohne Bedenken mit in sein Penthouse nehmen konnte. Er hatte nun auch seine letzten Bissen gegessen und nickte dankend, als die junge Frau die Teller abräumte, um dann ein paar Minuten später den Nachtisch zu servieren. Auch er hatte sich gebackene Bananen bestellt, es war einfach lecker. "Wir scheinen Beide eine Vorliebe für Süßes zu haben."

"Partiell, ja ...." Jaraunde schmunzelte leise bei der Feststellung des Größeren, nahm dann einen Bissen und genoß ihn. "Ich gehöre nicht zu den Menschen, die konstant Süßes brauchen, aber ich genieße es dann und wann, zum Beispiel hier diese Bananen. Aber ich bevorzuge sie im Restaurant und in einer gepflegten Atmosphäre, es gibt genug Banausen, die sie sich nach Hause liefern lassen und sie beim Sex verwenden." Man merkte, wie sehr ihn solch ein Gedanke anwiderte – doch dann schüttelte er nur den Kopf und trank einen weiteren Schluck des Weines, genoß den süßen und reichen Geschmack und setzte noch ein kurzes "Bitte sag jetzt nicht, daß du zu dieser Sorte von Mensch gehörst und insgeheim dieses Frisch-verliebt-Romantik-Herzchen-Getue magst ?" nach, das er mit einem skeptischen Blick begleitete.

Chester lachte leise. "Bei Gott, Nein, auch wenn ich gern mal schmuse." Er musste an Cesare denken, die kleine Schönheit war sehr schmusebedürftig, im Gegensatz zu Shean. "Ich passe mich ein wenig den Partnern an." erklärte er leise und futterte seine gebackene Banane. "In Japan gibt es ein Haus, dort findet man die verschiedensten Charaktere, es ist eine Freude, sich dort mit ihnen zu beschäftigen."

Nun doch hellhöriger werdend, verengte Jar sein Auge etwas und lächelte – doch es war ein wenig unheimlich, denn einen kurzen Moment lang sah man fast etwas Raubtierhaftes aufglimmen, doch es konnte auch nur das Flackern der Kerzen gewesen sein. "Ein Haus ? Bitte erzähle mir mehr, es klingt interessant ...." Daß Chester sich seinen Partnern anpaßte, war etwas, das der Rotblonde mit einem innerlichen Nicken akzeptierte und auch respektierte, denn es zeigte, daß der Große auch auf die Bedürfnisse seiner Bekanntschaften achtete. Doch die Erwähnung dieses Hauses interessierte ihn, denn er konnte sich schon denken, um was für eine Art Haus es sich handelte.

"Auf der Fahrt zu mir dann, hier ist es etwas unpassend, um über so ein Haus zu sprechen." Sein Lächeln sagte Jaraunde, daß die Vermutung, was das für ein Haus war, richtig war. Chester aß seinen letzten Bissen und winkte dann der Bedienung, daß er zahlen wollte, was somit auch sofort erledigt wurde, mitsamt einem guten Trinkgeld. Die Flasche Sake nahm Chester an sich und bedankte sich mit einem leichten Nicken.

Auch Jaraunde hatte sich höflich bedankt und folgte dem Größeren nach draußen, genoß den leichten, angenehm kühlen Wind, der aufkam und überlegte einen Moment lang. "Möchtest du sofort fahren ? Oder gehen wir noch ein wenig spazieren ?" Die Frage war unverbindlich, ihm fiel nur auf, daß gleich in der Nähe ein Park zu sein schien und es wäre eine gute Gelegenheit, noch ein wenig zu reden.

"Hm... zum Verdauen ein wenig gehen, wäre nicht übel." Somit stimmte Chester dem zu und nickte in die Richtung des Parks. "Darf ich dann einen Blick in das Buch werfen ?.. Es würde mich brennend interessieren."

Ein leises "Aber natürlich." antwortend, ging Jar mit ihm zu dem Wagen und nickte kurz, als die Jugendlichen sofort zu ihm kamen – ein kurzer, inspizierender Blick zeigte ihm, daß der Lack und auch der Stern nicht beschädigt waren und er nickte. "Ich zahle euch nun die Hälfte, da ihr euren Teil erfüllt habt – wir sind nur noch ein wenig spazieren, maximal eine Stunde, wenn wir zurückkommen und der Wagen noch immer so tadellos ist, bekommt ihr die andere Hälfte." Noch während er sprach, holte Jar das Geld aus seiner Brieftasche und reichte es dem aufjuchzenden Anführer der Jugendlichen, der heftigst nickte und ihnen wortstark versicherte, daß sie auf jeden Fall weiter aufpassen würden. Leise schmunzelnd, holte Jar seine Tasche aus dem Wagen und nickte, als Chester mit einem Knopfdruck auf den Schlüssel wieder zusperrte, nachdem er den Sake reingelegt hatte. Dann folgte er ihm zu dem Park und genoß die angenehme Stille, die zwischen ihnen herrschte, bis sie eine Lichtung erreichten und Jaraunde auf eine Bank nickte, die dort stand. "Setzen wir uns dorthin ?"

"Gern... dort ist ein nettes Plätzchen." Chester setzte sich gleich und lehnte sich gemütlich zurück. Es war hier wirklich stiller als irgendwo anders, auch wenn der Stadtlärm zu hören war und das selbst in der Nacht. "New York und Tokio ähneln sich irgendwie, es ist immer was los, selbst mitten in der Nacht."

Mit einem kurzen Nicken setzte sich Jar neben ihn und schlug seine langen Beine übereinander, jedoch dem Größeren zugewandt ... dann zog er aus seiner Tasche die Schatulle, legte die Tasche zwischen sie und lächelte unbemerkt, als er die Schatulle öffnete und das wertvolle Buch herausholte, das er nun Chester reichte. "Du hast recht, eine solch große Stadt lebt auch in der Nacht ... hier, das ist es, ist es nicht wundervoll ?" Das Letzte war nur leise gewispert, und doch hörte man, wie sehr der Rotblonde es genoß, dieses wertvolle Buch in seinen Händen zu halten, das alte Papier und auch den ebenso alten Ledereinband fühlen zu können.

Chester nahm das Buch vorsichtig und legte es auf seine Beine. Ein Vorteil war seine Größe doch hin und wieder, auf der niedrigen Bank waren seine Beine wie ein Pult vor sich und so hatte das Buch guten Halt. Seine Finger strichen fast zärtlich über das Leder des Einbandes, dann schlug er es auf und strich sanft über das Papier. Als er ein wenig weiter blätterte und las, merkte er, wie gut das Buch erhalten war. "Wo stammt es her ?... Aus einem Nachlass ?" Solche Schätze fand man nicht mehr häufig und meist nur in den Nachlass Verstorbener.

"Ja ... es gibt im Bankenviertel ein eher kleineres, doch höchst exklusives Antiquariat, in dem ich Stammkunde bin. Der Besitzer ist ein Sir und hat gute Beziehungen zum englischen Adel, so bekommt er oft wirklich herrlich erhaltene Exemplare, manchmal sogar ganze Bibliotheken. Und er weiß, daß ich diese Bücher sammle, er legt mir solche Exemplare immer zurück, wenn er eines erhält." Jaraundes Stimme war leise und leicht schwärmerisch ... er konnte nicht umhin, sanft über die Seiten zu streichen, denn für ihn war dieses Buch mehr als nur eine Geldanlage, er schätzte es wegen seines Alters, der wundervollen Arbeit und auch wegen des Inhaltes.

"Wäre schön, wenn du mir die Adresse beizeiten mal geben könntest. Ich würde diesem Sir auch gern einmal einen Besuch abstatten." Er war fasziniert von dem schönen Exemplar, doch er gab es Jaraunde nach einer Weile wieder, denn von Weitem hörte er Stimmen.

Der Rotblonde nickte und antwortete ihm ein leises "Natürlich .. wenn du möchtest, können wir Morgen ja einmal vorbeisehen ?", während er den wertvollen Band zurück in die Schatulle schob und sie schloß. Doch genau in diesem Augenblick erklang von hinten und den Seiten ein lautes Lachen und plötzlich schob sich ein Messer vor die Kehle Jars und eine Hand packte die Schulter des Schlankeren. "Mensch, Boß, kuck mal ... nen Nigger und nen Weibchen im Edelzwirn. Richtige Banker, Hä ?" Der Rotblonde erstarrte, doch seine Muskeln spannten sich langsam an, während er die Zähne fletschte und ein wenig tiefer atmete, allerdings noch schwieg.

Chester blieb sitzen vorerst. Solange Jar das Messer an der Kehle hatte, wollte er noch nichts riskieren. Doch auch er spannte sich an, Jar war bereit, den Kerlen eine reinzukloppen und er war es auch, sobald es möglich war. Diese Weißen hatten echt Nerven, oder sie waren total bekloppt. "Jeah, sieht so aus... und Zaster haben sie genug bei dem Schmuck...Selbst die Augenklappe hat Steinchen." Seine Hand schnellte vor und packte die Augenklappe Jaraundes und er zog sie ihm gleich vom Gesicht. "Du bist sowas von tot." wisperte Chester kühl, er ahnte, daß Jar gleich zuschlug.

Als der eine Räuber ihm die Augenklappe vom Gesicht riß, wurde das Knurren des Rotblonden lauter und kaum, das Chester seine Worte gewispert hatte, kam Bewegung in den Körper des Schlankeren. Noch ehe die Räuber begreifen konnten, was der große Schwarze meinte, hatte Jaraunde die Hand gepackt, welche das Messer an seinem Hals hielt, grub seine Fingernägel hinein und drehte sich noch innerhalb dieses Herzschlages aus der sitzenden Position und somit auch aus dem Griff des Messers, das dem schreienden Räuber aus der kraftlosen Hand fiel. Im nächsten Herzschlag hatte Jar das Messer gefangen und schnitt damit die Kehle dieses Räubers durch, drehte sich und trat Demjenigen, der ihm die Augenklappe geraubt hatte, mit voller Wucht in den Solarplexus, so daß die Knochen brachen und dessen Rippen sich in die Lungen bohrten. Doch noch während dieser gurgelnd zu Boden fiel, rammte der Rotblonde das Messer in die Brust eines Anderen, zog es raus und stoppte den Letzten, der fliehen wollte, mit einem Schlag gegen dessen Brust, so daß auch dieser zusammenbrach und leise zu wimmern begann, während Jaraunde sich langsam neben ihn kniete, den Blick seines in eiskalter Wut brennenden Auges auf ihn richtete und langsam die Zähne fletschte.

Chester war gleich nach Jar aufgesprungen, er hatte keine Zeit, sich zu wundern, wie schnell er war, sondern schnappte sich den, der Schmiere stand, und sich vor Schreck kaum rührte. Lohnende Beute, die sich so wehrte, war nicht gerade alltäglich und so hatte Chester genug Zeit, ihn zu packen und ihm das Genick umzudrehen. Jemand, der weglief und um Hilfe schrie, konnte man hier nicht gebrauchen, dafür war die Sache zu blutig abgelaufen. Als Nächstes kniete er sich neben den gurgelnden Anführer, der gerade an seinem Blut erstickte. Um ihm die größte Qual zu nehmenm brach er auch ihm das Genick und nahm die Augenklappe an sich. Jarauande war gefährlich und mehr als wütend, so wütend, daß er grausam wurde und das passte Chester nicht, er wollte das Gangmitglied nicht quälen. "Machs kurz, aber quäle ihn nicht !"

Das, was Chester tat oder dessen Worte drangen kaum durch die weiße Wut, die noch immer in dem Rotblonden brannte ... sonst ein Bild perfekter Beherrschung, zeigte sich nun nichts mehr davon, als er den vor Angst wimmernden und stammelnden Mann betrachtete, wie ein Anderer eine Made, die gleich zerquetscht wurde. Langsam hob Jaraunde das Messer und ein kurzes, eisiges Lächeln erwachte auf seinen Zügen – dann trieb er es mitten ins Herz des Mannes, zog es noch im selben Moment heraus und durchschnitt ihm die Kehle, fauchte leise, wischte die Klinge an der Jacke des mittlerweile Toten ab und stand auf.

Chester steckte die Augenklappe in seine Jackentasche und umfing ihn von hinten fest mit den Armen. "Beruhig dich bitte. Diese Raserei passt nicht zu dir." wispernd, legte er seinen Kopf auf die Schulter, wo die narbige Hälfte des Gesichtes war. Er war vorsichtig, doch er vertraute Jar, auch wenn der noch immer das Messer in der Hand hatte, traute er sich so nah an ihn heran, um ihn zu beruhigen.

Der Schlankere widerstand dem ersten Impuls, das Messer in den Hals des Mannes zu rammen, der ihn so festhielt, denn im selben Augenblick erkannte er diese Arme und auch diese Stimme. Es dauerte einige Herzschläge, bis er den leisen Worten auch folgen konnte und Jaraunde schloß sein Auge, atmete tief durch und entspannte sich langsam. Die Nähe Chesters tat ihm unerwartet gut ... der Dunkle schrie nicht oder wich vor Angst zurück wie so viele Andere, sondern hielt ihn und gab ihm Gelegenheit, sich zu beruhigen und Kraft zu tanken. Langsam, nur zögerlich, neigte Jar seinen Kopf und ließ ihn an dem Chesters ruhen. Es war so ungewohnt für ihn – auch wenn die hellen Ponysträhnen schützend über seinem Gesicht lagen und das vernarbte Auge verdeckten, Jar fühlte es und der eigene Abscheu vor dieser Verletzung ließ ihn den Kopf langsam wieder heben, während er das Messer an die Seite warf, so daß es mit einem leisen Laut in der Parkbank stecken blieb.

Erst jetzt löste Chester seine Arme und drehte Jar herum. Er hob dessen Kinn mit der einen Hand an und strich mit der Anderen den Pony von dessen Gesicht. "Warum verabscheust du die Narbe so ?.. Sie zeigt deine Stärke und ist auch nicht hässlich." Er neigte sich vor und küsste ihm auf das vernarbte Auge, dann erst holte er die Augenklappe aus seiner Tasche und legte sie Jaraunde an. "Die Augenklappe finde ich viel hässlicher als die Narbe."

Gerade, als dieser etwas auf die Worte erwidern wollte, ließ ihn der sanfte Kuß verstummen ... nur langsam hob Jar seine Hände und band die Lederbänder richtig, welche die Klappe an ihrer Stelle hielten, dann seufzte er leise und sein Blick wurde ein wenig leerer, als er auf den Park sah. "Sie steht nicht für Stärke, Dillon ... sie zeigt meine Schwäche. Es hat mich mein Auge gekostet, daß ich meinem ehemaligen Gefährten nachtrauerte, ich war so unaufmerksam in diesem Kampf, daß mein Gegner mich erwischen konnte. Ein Hieb, dem ich mit Leichtigkeit hätte ausweichen können ! Erst durch den Schmerz kam ich wieder zu Sinnen und besiegte das Arschloch. Ich weiß, daß ich noch Glück hatte, daß ich an einen guten Chirurgen kam ... der alte Chinese, von dem ich dir schon erzählte. Es ist sein Verdienst, daß die Narbe noch so gut aussieht, aber ich hasse es, sie zu sehen. Diese Augenklappe oder die Maske ... sie sind von mir, nach meinen Wünschen gefertigt. Wenn ich schon nicht mehr mein Auge habe, so ist wenigstens das, womit ich es verdecke, das, was ich will." Nach den letzten Worten schnaubte Jaraunde leise ... dann seufzte er und sah wieder zu dem Größeren auf, während nichts mehr an ihm an die Raserei erinnerte, die ihn noch vor wenigen Minuten beherrscht hatte. "Weißt du eigentlich, daß du der Erste bist, der das nicht als obercool, ekelhaft oder bemitleidenswert empfindet ?"

"Dann ist es eine Mahnung.....oder Schicksal." wisperte Chester und lächelte sacht bei den letzten Worten. "Das wusste ich nicht, ich finde diese Ansichten schwachsinnig." Er wandte sich dann aber ab und nahm ein Tuch, das der Eine um den Hals getragen hatte. Damit verwischte er sämtliche Fingerabdrücke. Er nahm auch das Messer auf und putzte es sauber, nebenher fand er noch ein langes, blondes Haar, das er dann in seiner Hand verschwinden ließ und sah sich noch einmal kurz nach anderen Spuren um. "Wir sollten dann gehen, Hm ?"

Da sich schon Chester um die Spuren kümmerte, hatte Jar in der Zwischenzeit das Buch wieder in die Schatulle gelegt und zurück in seine Tasche ... die wenigen Bluttropfen, die ihn getroffen hatten, sah man auf dem Schwarz seiner Kleidung und dem Anthrazith seiner Jacke nicht und so kümmerte er sich auch nicht weiter darum. Mit einem kurzen Nicken zu der Aufforderung nahm er die Tasche und kam zu Chester – schüttelte nur ein wenig amüsiert den Kopf, als er die toten Männer betrachtete und seufzte schließlich leise. "Und ich wollte den heutigen Abend einmal ohne ein Training beenden ...."

Bei der Bemerkung schmunzelte Chester leicht, er legte seinen Arm um Jar und so gingen sie zum Wagen zurück. "Es sah eher aus wie eine lockere Übung, mit dem Messer gleichst du noch mehr einer Cobra... Du schlägst nicht nur zu, du beisst auch noch."

Selbst leise lachend, entspannte sich Jar noch etwas weiter und genoß ein wenig den Arm, der um ihn lag, denn es war ein schönes Gefühl. "Nun ja ... ich liebe Klingen, die Krallenwaffen sind meine Liebsten, doch ich mag Klingen im Allgemeinen, ich sammle sie auch. Du hast wahrscheinlich den Dolch gesehen, den ich mir heute noch gekauft habe ... ein selten schönes Werk, er stammt aus der Schweiz von einem der wenigen Schmiede, der noch Sarazenenstahl-Waffen schmiedet." Als sie während dem Sprechen beim Auto ankamen, genügte ein kurzer Blick, um zu sehen, daß der Wagen weiterhin unversehrt schien – zur Sicherheit ging Jar noch einmal um ihn herum und nickte, gab dem Anführer der Jugendlichen das restliche Geld und legte noch einen Fünziger als Bonus drauf. "Gut gemacht, Jungs ... gönnt euch was für das Geld, ihr habt es euch verdient."

"Danke, Sir.... Los, kommt Jungs !" Der Anführer war happy über soviel Zaster und lief mit seiner Bande davon. Sie hatten das mit der weißen Bande gesehen und einige Laute gehört, wagten es jedoch nicht, etwas anzumerken. Die zwei Männer waren ein richtig großes Kaliber, das war ihnen klar. Chester lachte leise. "Anlegen werden sie es sicher nicht besonders gut, aber na ja." Er öffnete den Wagen, erst, als sie drin saßen und er losfuhr, kam er zu den Waffen zurück. "Ich hab in Japan einige Klingen.... wie transportierst du sie eigentlich ? Es dürfte schwer sein im Flugzeug. Oder schickst du sie per Post ?" Darauf war er schon neugierig, er wusste, daß es fast unmöglich war, Waffen in einem Passagierflugzeug mit sich zu nehmen. "Oder fährst du per Schiff ?"

"Ich kam mit dem Schiff her, aber für die Rückreise nehme ich mir ein Flugzeug. Das ist das Schöne an Amerika – mit genug Geld kann man sich alles kaufen und ich bin nun der stolze Besitzer eines Scheins, der mich ermächtigt, Waffenkampf zu lehren. Und als Lehrer ist es mir erlaubt, die nötigen Trainingswaffen, natürlich nur als Gepäckstück, mit mir zu führen. In Europa sind diese Lizenzen viel schwerer zu erhalten, doch hier hatte ich zum Glück keine Probleme." Jaraunde schmunzelte leise bei dem Gedanken an die Gesichter der Flughafenkontrolleure, wenn sie seine Tasche durchleuchten würden. "Sammelst du die Klingen nur ? Oder kämpfst du auch damit ? In den Turnieren wirst du nur für den waffenlosen Kampf gehandelt ...."

"Ich kämpfe auch damit, aber ich bin nicht gut genug für die Turniere... oder ich hab Bammel davor. Ich beschränke mich dort auf waffenloses Kämpfen." Chester grinste leicht, er war nicht verlegen um seine kleine Angst, die er dort hatte, es war ja auch normal, wenn man es recht bedachte. "Ich übe mich ein wenig im Kendo... und mit Messern kann ich von Jugend an umgehen."

Jaraunde schmunzelte leise und lehnte sich entspannt an, während er ihm weiterhin zuhörte. "Kendo ... ich kenne es nur vom Fernsehen oder aus Büchern, es muß faszinierend sein. Angst, mit Waffen zu kämpfen, hatte ich eigentlich nie, da ich es von klein auf lernte, doch diese Perfektion der Technik, wie man es in Japan und China praktiziert, ist etwas, das ich gerne einmal sehen würde." Dies war auch nicht gelogen – es interessierte Jar wirklich, nicht nur vom kulturellen und ästhetischen Standpunkt her, sondern auch, wie die Techniken sich unterschieden von dem, das er selbst gelernt hatte.

"Die Technik ist wirklich sehr interessant und allein die Disziplin ist mehr als lobenswert. Der Besitzer des Hauses, von dem ich dir erzählen wollte, ist ein erstklassiger Kämpfer, seine Familie stammt noch von den alten Samurai und ist eine der ältesten in Japan. ...Er ist ein Asato, ich weiß nicht, ob es dir was sagt."

Bei dem Namen horchte Jar auf und senkte eine seiner Brauen ... dann nickte er und lehnte sich wieder an, als er ihm antwortete. "Natürlich ... sie gehören zu den einflußreichsten Familien, besitzen Firmen und Geschäfte weltweit und sind hochgeschätzt. Erst vor Kurzem wurde eine amerikanische Softwarefirma aufgekauft, die Asato teilen sie sich mit zwei italienischen Familien. Ich beschäftige mich sehr viel mit geschäftlichen Dingen, wenn auch nicht direkt mit Japan, so doch genug, um informiert zu sein, gerade in dieser Sparte."

"Und so einflussreich sie ist, so alt ist die Familie. Shagen ist verstoßen durch seinen Lebenswandel." Chester fing an, über ‚Das Haus des Silbernen Drachen' zu erzählen. Jar hatte sich vor dem Park schon dafür interessiert und sie waren ja unterbrochen worden.

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