Balken01a


”I want you to want me ...” 03
 

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Am nächsten Morgen rubbelte Thomas sich trocken, nachdem er aus der Dusche kam. Er erinnerte sich an den letzten Abend zurück und setzte sich seufzend auf sein Bett. "Thomas, was machst du nur ? Du verliebst dich gerade in diesen süßen Kerl." Er sprach leise zu sich selber und ließ sich schließlich nach hinten sinken. Rico war wirklich ein Traum von einem Mann. Daß er jünger war, störte eigentlich nicht - aber würde er ihn noch mögen, wenn er erfuhr, daß er im Grunde eine Nobelhure war ? Aber die Gedanken waren schon viel zu weit ausgeholt, und Thomas lachte leise, als er das realisierte. "Du benimmst dich wie ein Trottel ... erstmal sehen, was wird."

Etwas weiter von der Pension entfernt machte sich Rico ähnliche Gedanken und seufzte leise, als er nach dem Duschen kurz durch seine Haare frisierte und sie dann wieder in einen lockeren Pferdeschwanz im Nacken band. "Gibs zu - du bist total in ihn verknallt. Shit ... shit. Aber er ist so herrlich - so wunderschön und auch sein Inneres, er hätte das Gestern total ausnützen können, hat er aber nicht." Der junge Arbeiter fuhr sich nervös durch die langen Ponys und seufzte, ehe er sich einen Slip und eine Jeans samt Muskelshirt anzog und einfach wieder auf das Bett fallen ließ. "Und jetzt führe ich auch noch Selbstgespräche - jap, tue ich, und es tut gut. Den Anderen kann ich das ja wohl schlecht auf die Nase binden, die lachen sich nen Ast ... und zu Recht. Wie blöd bin ich eigentlich, mich in einen Gast zu verlieben, der bald wieder weg ist ? Aber verdammt, ich habs ... ich habs und ich genieße es. Rico, dich hatts schlimm erwischt - der ist aus der Stadt, der würde niemals für dich hierher ziehen. Und du hast keine Ahnung von ihm ... was, wenn du mitkommst, und er kickt dich nach einer Woche weg, weil er einen Stadtkerl findet ? Aber so schien er nicht, ach shit ... ich sehe einfach, was nun draus wird und genieße jede Minute. Jep, so mache ich es." Dann schreckte Rico aber auf, als er auf die Uhr sah und fluchte leise, schlüpfte noch schnell in ein Hemd, Socken und seine Arbeitsschuhe, ehe er sich noch die Papiertüte mit seinem Mittagessen schnappte und insgeheim dem Geistesblitz dankte, sich das Essen vor dem Duschen zu machen. Noch immer in Gedanken, schnappte sich Rico noch die Schlüssel, seinen Geldbeutel und das Handy, ehe er hinter sich zusperrte, und wie gewohnt zur Arbeit lief.

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Thomas war inzwischen frühstücken gewesen, hatte per Laptop noch einige E-Mails überprüft und Termine für die nächste Woche eingetragen, die er von der Agentur bekommen hatte, in der er vertreten war. Jetzt aber klappte er den Laptop zu und zog sich eine dünne Jacke an. Er wollte nochmal zum Sägewerk und kucken, ob er Rico wieder beim Mittagessen beobachten konnte.

Dieser wischte sich gerade ein wenig Schweiß von der Stirn und wuchtete einen weiteren Baumstamm auf seine breiten Schultern, brachte ihn in das Sägewerk und legte ihn auf das Förderband, das ihn nach innen brachte. Dann erklang jedoch die kurze Sirene, die die Mittagspause ankündigte und er grinste seinen Freunden entgegen, ehe er mit ihnen nach draußen ging und sich wie immer zum Essen auf die Baumstämme setzte. Ein Blick zeigte Rico, daß Chris und Red sich miteinander amüsiert hatten - und so schmunzelte er leise und neckte sie ein wenig. "Hey, wieso bleibt ihr nicht einfach zusammen ? So oft, wie ihr Sex habt ..."

Red grinste nur und antwortete ein leises "Weil es so mehr Spaß macht. Und du ? Hast du deinen Schwarm wiedergesehen ?" Er drehte den Spieß um und die erste Reaktion von Rico sagte ihm, daß er es hatte. "Und ? Wie war’s ?"

"Absolut unglaublich. Ganz ehrlich, Thomas ist ne absolute Wucht - das war der schönste und beste Sex, den ich je hatte. Und ich bin ein Idiot, ein absoluter Idiot ... ich glaube, ich habe mich in ihn verliebt und ihm gehts nicht anders." Rico seufzte leise und strich sich kurz über das Gesicht - und Chris sah nur zu deutlich, daß sein Freund die Wahrheit sagte und wie sehr es ihn beschäftigte. "Oh shit - jetzt echt oder was ? Shit, ja ... und ..." Dann stockte Chris, als er etwas an der anderen Seite des Flusses sah und grinste breit, als er Rico kurz anstieß. "Sieht wirklich so aus - guck mal, er sieht dir zu." Rico stutzte kurz, doch dann blickte er auf und konnte nicht verhindern, daß ein sanftes Lächeln sein Gesicht sichtbar erhellte, als er auf der anderen Seite Thomas sah.

Der lächelte ebenso, jedoch hielt er sich wegen den Freunden von Rico etwas zurück. Red grinste derweil breit und klopfte seinem Freund auf die Schulter. "Bei euch fliegen echt die Herzen hin und her." Aber dann wurde er ernster. "Aber das wird schwierig, oder ? Er ist nur kurz hier."

Rico lachte bei der Bemerkung mit den Herzen und winkte Thomas kurz zu, ehe er bei der letzten Frage wieder zu Red blickte und wehmütig lächelnd die breiten Schultern zuckte. "Jep - ich weiß. Wir verblieben Gestern so, daß wir gucken, wie es sich entwickelt ... und ich werde jede Sekunde davon genießen, das könnt ihr annehmen. An später denk ich eher nicht, dann kann ich das jetzt besser auskosten, versteht ihr ?" Chris nickte nur und grummelte etwas von "Doofe Situation.", ehe er sich zu Red neigte und ihn ausgiebig küßte. "Wenigstens weiß ich bei dir, was ich habe, Rotschopf."

Red lachte leise und klaute sich auch noch einen Kuss. Zumindest ein Gutes hatte es, daß Rico sich verliebt hatte - es lenkte ihn vom Tode seiner Mutter ab. Ihr Freund verbarg seinen Schmerz immer unter einem Lächeln, aber wenn man ihn kannte, wusste man, daß es ihn doch mitnahm. "Zeig ihm doch mal das Sägewerk, der Boss hat sicher nichts dagegen."

"Meinst du ? Ach, egal, ich frage ihn." Mit den Worten stand Rico auf und grinste, ehe er zu seinem Boss ging und ihn fragte. Wie erwartet, hatte dieser wirklich nichts dagegen und so lief der junge Braunhaarige nach draußen und über die Brücke, bis er bei Thomas ankam. "Hi ... möchtest du dir vielleicht das Sägewerk ansehen ? Ist zwar nichts Besonderes, aber vielleicht ...?" Er hoffte, daß Thomas Interesse hätte und man sah ihm das auch mehr als nur gut an.

Allein, daß Rico zu ihm kam, überraschte den Älteren - aber daß er das Sägewerk ansehen durfte, war eine noch viel größere Überraschung. "Wenn ich darf ? Ich möchte keinen bei der Arbeit stören." Es wäre ihm unangenehm, und das sah man ihm auch an.

"Ach was ! Hab den Boss gefragt und er hat nichts dagegen - schließlich bist du keine dieser nervenden Tussies, Hm ?" Dann legte Rico einfach den Arm um dessen Schulter und zog ihn zur Brücke, während er ihn breit angrinste. "Und ich denke, es wird dir gefallen ... schließlich hat es da viele Kerle, denen man zusehen kann. Und streite es nicht ab, ich habe gesehen, daß du gerne guckst, Hm ? Macht aber nichts, ich sehe dir gerne beim Schwärmen zu." Der Jüngere meinte es ernst, auch wenn seine Augen in sanftem Schalk blitzten ... denn er hatte gut gesehen, wie Thomas gestern die Kerle am Bahnhof und auch seine Freunde in der Mittagspause, und ebenso die Kerle in der Bar gemustert hatte. Rico war jedoch nicht eifersüchtig ... denn die Gefühle des ein wenig Älteren in dem Zimmer und auch dessen Freude, daß sie sich nun wiedersahen, waren echt und schienen von ganz tief innen zu kommen, so daß es ihm Sicherheit gab.

"Du hast nichts dagegen ? Das ist selten. Meist eifern Partner ... also, wir sind ja noch keine ..." Thomas war nun doch ein wenig durcheinander, denn Rico war wirklich ein Traum von einem Mann. "Ich rede Unsinn." fügte er an und atmete kurz durch, da er sich gerade wie ein Schuljunge benahm.

Das ließ Rico leise auflachen und er grinste, als er den Schlankeren ein wenig an seine Seite drückte. "Nein, tust du nicht, Thomas. Und ja, du hast Recht - meistens eifern die Partner, und ich kanns oft auch verstehen. Es gibt da nämlich Unterschiede: Die Einen ziehen die, die sie bewundern, schon in Gedanken aus und vernaschen sie, ihnen ist egal, was ihr Partner denkt. Und dann gibts die Anderen, die einen Körper bewundern und ihn auch in Gedanken ausziehen - aber nur, um ihn weiterhin zu bewundern, während ihre Gefühle für den Partner sich nicht ändern. Manche haben sogar Sex mit Anderen, während sie ihrem Gefährten treu sind ... gut, ich habe das bisher noch nicht persönlich erlebt, aber meine Mutter hat mir davon erzählt." Für einen Moment huschte ein Schatten der Trauer über das Gesicht Ricos, doch dann strahlte er wieder, als er sich kurz zu Thomas neigte und ihn küßte. "Und ich denke, im Sägewerk werden dich seeeeeeeeeeeeeehr viele bewundern, denn du bist mit Abstand das Hübscheste, das hier seit langer Zeit war."

"Hör bloß auf zu schmeicheln, sonst werde ich rot." murmelte Thomas, der sehr wohl den kurzen Schatten bemerkt hatte. Er vermutete, daß etwas mit der Mutter war, aber er sagte lieber nichts, damit er nicht womöglich eine alte Wunde aufbrach. Aber daß Rico so dachte, wie er es eben gesagt hatte, brachte dem Älteren doch ein wenig Erleichterung.

"Hey, das sieht bestimmt erstklassig an dir aus." Rico grinste noch breiter, ehe er leise lachte und ihn dann in das Sägewerk führte, das sie gerade erreicht hatten. "Okay - jetzt kommt der schwere Teil ... dich den Anderen vorzustellen und danach wieder loszueisen." Noch während er sprach, erreichten sie die Maschinen und die anderen Arbeiter hörten einen Moment auf, um sich breit grinsend vorzustellen, während Rico geduldig neben ihm stand.

Auch Thomas stellte sich vor und lächelte sacht. Die Männer hier schienen alle so freundlich wie Rico zu sein, und so gingen sie von Arbeiter zu Arbeiter, und jeder stellte sich vor. So kam Thomas dazu, jeden anzusehen ... und wie es sich der Jüngere gedacht hatte, genoss es Thom doch sehr, die starken Männer um sich zu haben.

Etwas, das Rico wirklich sah - denn sein Schwarm blühte regelrecht unter der Aufmerksamkeit auf und es war sehr schnell klar, daß er die gesamte Belegschaft um seinen Finger gewickelt hatte, egal ob sie verheiratet, hetero oder schwul waren. Doch keiner von ihnen ihm deshalb böse und der Boss schmunzelte, ließ sie eine Weile und pfiff sie erst dann wieder an die Arbeit. Natürlich gab es vielerorts Seufzen und halbherzige Beschwerden - doch sie alle gehorchten und lachten, warfen immer wieder Blicke zurück und Rico schmunzelte, als er seinen Arm wieder um Thomas legte. "Du hast sie alle in der Tasche - einfach nur beeindruckend."

"Mein Beruf bringt es mit sich, daß ich Leute durch meinen Charme um die Finger wickle ... aber ich denke, ich kann das auch nur, weil die Natur mich damit ausgestattet hat." Nicht jeder hatte diesen Charme, und Thomas hatte ihn und wusste, daß er ihn hatte.

"Hm ?" Nun doch ein wenig hellhörig werdend, hob Rico eine Braue - doch dann schüttelte er leise lachend den Kopf und führte Thomas weiter, zeigte und erklärte ihm, was hier vor sich ging, und führte ihn letztendlich in ein stilles, vor Blicken geschütztes Eck, um ihn dort sanft an sich zu ziehen. "Du bist wirklich einzigartig, Thomas ... nur bitte, sag mir, daß du kein Verkäufer bist, Okay ? Was du bist, ist mir egal, nur Verkäufer wäre dumm, weil die immer nur Mist erzählen."

"Nein, keine Sorge, ich bin kein Verkäufer. Ich bin ... nun." Thomas zögerte einen Moment und fluchte innerlich. Normal konnte er frei sagen, was er tat, nur hier fiel es ihm schwer. "Ich bin Gigolo ... ich treffe mich für Geld mit fremden Männern und schlafe auch mit ihnen." Er war froh, daß sie in der ruhigen Ecke waren und wagte kaum, dem Größeren in die Augen zu blicken, da er fürchtete, daß er darin Ablehnung sehen würde.

Doch in den lilanen Augen Ricos stand nur Verwunderung, ehe sie weich wurden und er zärtlich lächelnd die Nasenspitze an der Thomas rieb. "Ganz ehrlich ? Du must erste Sahne und total beliebt sein, oder ? Nicht nur, daß du wunderschön bist und mit deinem Charme alle betörst, du bist so herrlich im Sex, daß man im Himmel schwebt. Und daß du es mir gesagt hast, zeigt mir, daß du auch ein wundervolles Wesen hast, denn sonst hättest du es mir verschwiegen."

Erst jetzt blickte Thomas auf und lächelte etwas verlegen. "Nun, ich möchte mich nicht gern selber beurteilen. Und danke, daß du es so akzeptierst - es gibt nicht viele, die das tun." Ein Kuss folgte und Thomas legte seine Arme um den kräftigen Nacken des Größeren. "Ich denke, ich gehe dann bald ... ich möchte dich nicht noch länger von deiner Arbeit abhalten."

"Och ... ich genieße es, ein wenig bei dir zu sein. Aber du hast Recht, ich weiß." Rico scherzte ein wenig, doch dann küßte er den Schlankeren wieder und genoß diesen sanften Kuß so sehr, daß er leise aufstöhnte. "Ich bringe dich noch rüber zum Weg, Okay ? Und ... können wir uns heute Abend wieder in der Bar treffen ? Ich weiß, ich sollte nicht klammern, aber ich würde mich gerne mit dir treffen." Daß er es ehrlich meinte, sah man ihm an und er lächelte hoffnungsvoll, als er auf eine Antwort wartete.

"Bei dem Lächeln kann ich unmöglich Nein sagen." Thomas grinste und küsste Rico schließlich sanft. "Heute Abend zahle dann ich das Zimmer, dann sind wir quitt." Thomas ließ sich von Rico wieder zu der Brücke führen und blieb noch dicht bei ihm, da er die Nähe sehr genoss.

Damit war er nicht alleine - und als Rico ihn schließlich zum Weg gebracht und zum Abschied geküßt hatte, fiel es ihm sichtbar schwer, sich zu lösen und mit einem kurzen Winken wieder zurück zum Sägewerk zu laufen. Dort wurde er schon von dem gutmütigen Frotzeln der Anderen empfangen und er lachte ebenso gutmütig, ehe er auch sie frotzelte und die Arbeit wieder normal voranging. Bis zum Abend waren es noch einige Stunden - und Rico würde sie hinter sich bringen, auch wenn er immer wieder mit Freude daran dachte, daß er Thomas bald wiedersehen würde.

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Am nächsten Tag dachte Thomas mit einem Lächeln an den letzten Abend zurück. Dieser Abend, ihr Beisammensein und der Sex waren noch schöner als am Abend zuvor. Rico hatte sein Herz gestohlen, und er hatte es ihm auch wirklich leicht gemacht. "Ach, Thomas." seufzte der Ältere, und blieb vor dem kleinen Haus stehen, in dem das Büro des Notars war. Jetzt musste er sich erstmal um das hier kümmern, und er betrat das Haus, stieg die kleine Treppe hinauf und klopfte an der Bürotür.

Innen blickte der alte Notar auf und seufzte - doch dann nickte er und rief ein kurzes "Herein !", ehe er wieder verstummte und die Akte aufnahm, die er für diesen Termin brauchte. Als der jüngere Mann eintrat, nickte Mr. Henson nur und stand auf, um ihm die Hand zu reichen. "Ich danke ihnen, daß sie gekommen sind, Mr. Riley ... bitte setzen sie sich, dann können wir zur Sache kommen."

"Gern, ich möchte nämlich gern wissen, worum es jetzt genau geht." Er wusste zwar, von wem das Testament war ... aber nicht, was darin stand oder warum er überhaupt darin erwähnt wurde.

Der Notar seufzte kurz - doch dann nickte er und setzte sich, nickte erneut, als sein Gast sich setzte und nahm aus der Akte einen dicken, versiegelten Brief hervor. "Es geht um den Tod von Ms. Sheela Summers. Sie verstarb vor ein wenig mehr als einer Woche an Krebs und hat sie in ihrem Testament ausdrücklich erwähnt. Ihnen soll dieser Brief übergeben werden - und nachdem sie ihn gelesen haben, können sie weitere Aktionen erwägen und deshalb ist für Morgen nachmittag um vier Uhr ein weiterer Termin vorgesehen. Ich ersuche sie, den Brief in Ruhe und gut durchzulesen ... es ist sehr wichtig. Und nun entschuldigen sie mich bitte, ich habe noch einen anderen Klienten - alle Fragen, die sie haben, werden in dem Brief beantwortet."

"Nun, dann danke ich ihnen." Thomas nahm den Brief an sich und schüttelte noch die Hand des Notars, ehe er das Büro auch schon wieder verließ, um in die Pension zurückzugehen. Er wollte den Brief erst dort lesen und ging auch gleich in sein Zimmer, um sich dort auf das Bett zu setzen. Er brauchte einen Moment, hielt den Brief einige Zeit in den Händen und öffnete ihn erst dann. Ebensoviel Zeit brauchte er, bis er anfing zu lesen ... und je mehr er las, umso blasser wurde er.

~~~ Brief von Sheela Summers ~~~

"Lieber Thomas ...

wenn du diesen Brief liest, bin ich endlich von meinen Qualen erlöst worden und finde die Ruhe, die ich mir seit den letzten Monaten gewünscht habe. Ich weiß nicht, ob du dich noch an mich erinnern kannst - wir kannten uns in der High-School und haben auch die Nacht des Abschlußballes miteinander verbracht. Erinnerst du dich ? Die eitle Anführerin der Cheerleader und Ballkönigin, die sich nicht den Quarterback, sondern den hübschesten und gefragtesten Jungen der Schule schnappte. Ich weiß noch, wie überrascht du warst, als ich dich fragte ... doch du hast zugesagt und mir nicht nur den schönsten Tanz und den schönsten Ball, sondern auch die schönste Nacht beschert, die ich je hatte."

~~~***~~~

Thomas erinnerte sich. Sie waren Ballkönig und -königin gewesen und das Traumpaar der Schule, auch wenn sie nie zusammen gewesen waren. Nach dem Ball waren sie zusammen ein Stück gegangen, und Sheela hatte ihn erstaunlich scheu gefragt ob er mit ihr schlafen würde. Er hatte zugesagt, da sie ihn nicht gleich angesprungen hatte, wie so viele andere Mädchen.

~~~Brief von Sheela Summers~~~

"Sicherlich hast du dich damals gewundert, wieso ich dich gefragt habe ... und vielleicht hast du ja inzwischen die Antwort gefunden: Ich war noch Jungfrau und habe mir gewünscht, das erste Mal so schön und sanft zu erleben, wie ich es mir erträumte. Schon damals warst du berühmt für deine Künste, auch wenn Niemand es laut sagte - doch die Mädchen und Jungs erzählten von dir und jeder schwärmte, den oder die du gehabt hattest. Zwei Tage vor dem Ball ließ Lisa, meine beste Freundin, sich vom Quarterback entjungfern und es war fast schon eine Vergewaltigung gewesen, da er keinerlei Rücksicht nahm - und gerade deshalb fragte ich dich zum Ball und auch für die Nacht, obwohl ich wußte, daß du weg- und in eine große Stadt ziehen wolltest. Das hättest du nicht gedacht, nicht wahr ? Niemand sonst wußte es, doch ich konnte deine Sehnsucht sehen, wenn wir in Geschichte andere Städte besprachen. Und deine Entschlossenheit, die gleich danach folgte ... ein Gedanke, den ich selbst sehr gut kannte. Bitte, sei mir nicht böse - aber ich habe noch einen weiteren Grund gehabt, weshalb ich dich in dieser Nacht um Sex bat. Ich wußte, daß ich irgendwann Kinder haben wollte, auch wenn ich es meinen Freundinnen nie sagte - doch ich fürchtete, nie den richtigen Mann dafür kennenzulernen und vielleicht sogar an den falschen Kerl zu geraten. Also habe ich meine Pille abgesetzt und auch das Kondom verletzt, es dir verschwiegen und diese wundervolle Nacht dafür genutzt. Ein unsinniger Traum, nicht wahr ? Wie hoch standen die Chancen, daß es klappt ... doch es hat geklappt, mein Wunsch wurde Wirklichkeit. Wundervolle, grausame Wirklichkeit. Eine junge Frau, gerade einmal achtzehn, schwanger und ohne Mann - meine Vater hätte mich umgebracht. Ich bin damals weggezogen, ohne es Jemandem zu sagen und hierher in diese wundervolle, kleine Stadt gekommen, fand Arbeit und die besten Freunde, und zog meinen Jungen hier alleine auf."

~~~***~~~

"Oh, mein Gott !" Thomas wurde nun kreidebleich und las nochmal die erste Briefseite durch, als müsse er das, was da stand, nochmal genau überprüfen ... aber der Text blieb der gleiche. "Ich habe einen Sohn ?" Er konnte es nicht fassen, denn er hätte eher erwartet, daß - wenn es passierte - Unterhaltsforderungen kommen würden. Der Brief ging noch weiter, und so blätterte er eilig auf die nächste Seite, um zu lesen.

~~~Brief von Sheela Summers~~~

"Ich kann mir vorstellen, wie überrascht du jetzt sein mußt - und ich kann dir nicht sagen, wie leid es mir tut, daß du es so erfahren mußt. Doch ich wollte nicht, daß es Jemand weiß und du dann für etwas gerichtlich belangt wirst, das nur ich gewollt habe - ich wollte nicht, daß deine Karriere deswegen Einbußen hat oder du mich haßt. Auf diese Weise war es für alle besser ... du hast mich vielleicht vergessen und es belastete dich nicht, und ich hatte meinen Jungen, meinen Stern. Ich habe ihm manchmal von dir erzählt, auch wenn ich niemals deinen Namen nannte ... aber ich habe ihm von dir erzählt, von deiner Großzügigkeit und deinem wundervollen, sanften Wesen. Er hat es ebenso, Thomas - er sieht dir ähnlich, auch wenn sein Körper durch die Wälder hier kräftiger und größer ist, als der deine. Und er ist es eigentlich, weshalb du überhaupt hier bist und ich dir diesen Brief schreibe, Thomas - denn wenn ich gestorben bin, liegt es an dir, ob du ihn kennenlernen und als deinen Sohn annehmen willst, oder nicht. Er ist schon 19, eigenständig, hat einen Beruf und wohnt in einer eigenen Wohnung ... doch ich weiß, daß er sich insgeheim immer wünschte, seinen Vater endlich einmal kennenlernen zu können. Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, euch schon eher bekannt zu machen ... doch ich hatte nicht den Mut und nun hindert mich der Krebs, das zu tun, das ich schon lange hätte tun sollen. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen, Thomas - ich wollte dich nie belasten und auch wenn es nach all der langen Zeit etwas befremdlich klingen mag, ich liebe dich und auch dein Sohn tut es, obwohl er dich nicht kennt. Ich kann verstehen, wenn du diesen Brief wegwirfst und für immer von hier weggehst, ohne zurückzublicken ... doch ich hoffe, du bist noch immer so wie damals und entscheidest dich anders, redest mit deinem Sohn und gibst ihm und dir eine Chance, eine Familie zu werden.

Auf der letzten Seite steht seine Adresse ... es ist an dir, zu entscheiden, was du möchtest, Thomas. Der Notar hat dir sicherlich einen weiteren Termin gegeben, um deine Entscheidung zu vermerken - und habe keine Furcht, egal wie du dich entscheidest, es wird keinerlei rechtliche Konsequenzen für dich haben, da ich niemals Unterhalt vom Staat einforderte.

In Liebe ... Sheela."

~~~***~~~

Langsam zitterte die Hand, die den Brief hielt, und Thomas amtete tief durch, als er ihn zu Ende gelesen hatte. "Sheela ... du bist wirklich gerissen." Mehr konnte er nicht dazu sagen. Er kannte Frauen, die dreist versuchten, ein Kind von ihm zu haben - aber Sheela hatte es auf eine gerissene Art geschafft. Er erinnerte sich, daß sie als dumm galt, aber er hatte es immer besser gewusst. "Und mein Sohn weiß von seinem Vater ... dann akzeptiert er mich vielleicht." Und gerade diese Erkenntnis gab ihm den Mut, daß er es wagen sollte ... denn auch hier hatte Sheela Recht, er war noch immer wie damals und würde jetzt nicht einfach abhauen. "Ich gehe gleich zu ihm. Besser sofort, nicht, daß ich doch noch einen Rückzieher mache." Noch hatte Thomas das Ganze nicht verarbeitet, aber er musste es gleich tun und so zog er sich zügig um, schnappte sich den Brief und verließ die Pension.

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