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”Sleeping Beauty” 03
 

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Seither waren erneut zwei Monate vergangen und der Film schon fast abgedreht - und Dorian war fast am Ende seiner Kraft, auch wenn man es ihm nicht ansah. Ihm passierte während dieser Zeit etwas völlig Unerwartetes: Er hatte sich vielleicht ein wenig zu sehr mit seiner Rolle identifiziert, denn die zärtlichen Worte, die Ross in seiner Rolle zu ihm sprach, hatten ihn völlig eingefangen. Dorian wußte, daß es nur gespielt war - doch das Wissen war nutzlos, er verfiel Ross, und das mit jedem Tag mehr. Daß sie auch außerhalb des Sets Freunde wurden, verbesserte Dorians Dilemma nicht unbedingt und so verbrachte er jede freie Minute, die er hatte damit, sich selbst den Druck zu nehmen. Es schien wie verhext ... in seiner Rolle als Donald schien Ross so ehrlich zu sein und nicht nur seine Augen, sondern auch seine Stimme und die Mimik sprachen von absolut ehrlichen Gefühlen. Doch sobald die Kamera aus war, existierte dies nicht mehr und er wurde wieder der frauenliebende Actionstar, ein Umschwung, der manchesmal schon beängstigend sein konnte. Und so liebte und fürchtete Dorian ihre allabendlichen Treffen zu gleichen Teilen, nahm sich vorher mehrfach den Druck und bot seine gesamte Beherrschung auf, wenn sie sich trafen, da er ihre Freundschaft nicht zerstören wollte ... auch wenn es ihn selbst langsam innerlich zerriß.

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Ross steckte aber in einer ähnlichen Krise, er fing an, sich in Dorian zu verlieben ... und seine versteckte Neigung zu Männern kam für ihn immer mehr zum Vorschein und drängte sich beim Dreh in den Vordergrund. Aber wenn rauskam, daß er Männer wirklich mochte, es war nicht auszudenken. Danach könnte er sich vor Papparazzi nicht mehr retten, daher hatte er auch angefangen, hin und wieder einige Frauen abzuschleppen, um sich mit ihnen sehen zu lassen. Allerdings hatte er noch immer die Geschichte von Dorians Vater im Kopf, aber ein Outing währe in seinem Fall ein Stress, den er wahrscheinlich nicht bewältigen konnte. Jetzt traf er sich wieder mit Dorian und ging leise pfeifend herüber zu dessen Wohnwagen. "Hi, Dorian." Mit den Worten trat er ein und setzte sich sogleich auf das Sofa. "Ich hoffe, wir bleiben Freunde, wenn der Dreh beendet ist ? Es ist ja leider nicht mehr lange hin."

Dorian hatte nur noch kurz die Wohnwagentüre abgeschlossen und die Vorhänge zugezogen, ehe er sich nun zu Ross setzte und ein ehrliches Lächeln auf seinen Zügen erwachen ließ. "Also mir wäre es sehr recht - ich mag dich gerne und es wäre schön, wenn wir uns weiterhin treffen und reden oder etwas unternehmen könnten. So angenehm wie dieser Dreh war schon lange keiner mehr für mich ... und ich mag dich sehr, so wie unsere Freundschaft." Eigentlich war es noch mehr und der schlanke Schwarzhaarige wußte, daß es eine kleine Folter werden würde, Ross immer wieder zu sehen oder zu hören ... doch es war besser als nichts und so ging er auf diesen Vorschlag mit Freuden ein. "Und ja, es wird wirklich nicht mehr lange dauern - wir haben nurmehr ihr letztes, inniges Treffen, bei dem sie sich ewige Treue schwören und weglaufen wollten, und dann von einem Italiener erwischt werden. Und der Italiener ist so wütend, daß er den Revolver zieht und deinen Charakter erschießen will - und mein Charakter wirft sich vor deinen, fängt die Kugel mit seinem Leib ab und stirbt dann in den Armen deines Charakters. Als ich es das erste Mal las, mußte ich weinen ... ich bin zwar keine Heulsuse, aber da erwischte es mich. Denn damals war es oft so, daß Schwule erschossen wurden."

"Die Szene ist ja auch mehr als nur tragisch. Gerade, wo sie endlich fliehen können, werden sie entdeckt." Das hatte selbst Ross gerührt und er seufzte leise. "Denke mal, Heute hat sich einiges verändert ... und doch ist die Toleranz nicht wirklich hoch."

"Es kommt immer darauf an, um was es geht. Ich hatte noch nie Probleme damit, da ich mich schon von Anfang an outete - doch jetzt ist es schwerer, weil ich mit dir drehe. Ich bekomme täglich Drohbriefe von deinen Fans, daß ich ja die Finger von dir lassen soll - und wenn du plötzlich schwul werden solltest, dann drohen sie sogar mit Mord. Sicherlich, es sind nur wütende Fanbriefe, die man nicht allzu ernst nehmen sollte ... doch sie zeigen, wie hoch die Toleranzgrenze wirklich ist und wo die Knackpunkte liegen." Dorian regte sich schon lange nicht mehr über solche Briefe auf und warf sie gleich nach dem Lesen weg, doch er wußte nicht, wie Ross darauf reagieren würde.

"Ich habe auch schon Briefe bekommen, sie drohen aber immer nur dir. Die Leute sind so quer im Kopf, das ist kaum zu fassen ... und es tut mir leid, daß es so ist." Gerade, daß sich die Briefe nur gegen Dorian richteten, machte Ross doch etwas zu schaffen.

Doch dieser lächelte nur und drückte kurz die Hand des Größeren, ehe er wieder losließ und aufstand. "Mach dir darüber nicht so viele Gedanken, Ross ... ich kann damit umgehen und sie sind ja nicht gegen dich. Hätte auch anders kommen können, denn der Genre-Sprung war doch ein wenig arg groß für manche deiner Fans. Ich mache uns Kaffee, Okay ? Dann können wir uns noch ein wenig über die Pressekonferenz unterhalten, der Trubel Morgen wird übel werden." Es schauderte Dorian allein schon bei dem Gedanken ... denn es hatten sich so viele Reporter gemeldet, daß die Produzenten ein Zelt anmieten mußten. "Es sollen fast siebzig Reporter werden, die uns löchern."

"Wäh ... na super." murrte Ross und seufzte erneut. Er hasste Pressekonferenzen und war bekannt dafür, sarkastische Antworten zu geben, weil die meisten Fragen einfach nur dumm waren oder es die Leute einfach nichts anging.

Das wußte auch Dorian und er lächelte, als er die Kaffeetassen für sie beide aufnahm und zum Tisch brachte. "Keine Sorge ... du haust ihnen die Antworten ebenso saftig um die Ohren wie sie dir die Fragen, das machst du doch immer. Und wenn es dann noch ein paar gibt, die nicht genug haben, werden sie von mir zurechtgestutzt. In Ordnung ?" Es machte ihm nichts aus, Ross vorzulassen und ihn die erste Geige spielen zu lassen ... auf diese Weise wußte er, wie er antworten mußte, um sich ihm anzupassen und es würde keine Fehler geben.

"Hmmm, das klingt nach einem Deal ... Okay, so machen wir es." Ross nahm seine Tasse und genoss den ersten Schluck. Inzwischen wussten sie auswendig, wie jeder seinen Kaffee mochte und sie genossen es immer, beim Kaffee zusammenzusitzen. "So viele Reporter sind schon die Härte. Aber da muss ich durch, ich hab’s ja so gewollt mit dem Wechsel. Vielleicht springt ja ein Globe oder Oscar heraus."

Dorian schmunzelte bei dem Stimmungswechsel und nickte, während er selbst einen genießenden Schluck des Milchkaffees nahm. "Nun - ich denke schon, zumindest Nominierungen wird es hageln. Denn der Film wird großartig, alleine schon die Kostüme. Und ich habe gehört, die Musik soll erstklassig werden, schließlich schreibt sie der bekannte Komponist Millersen, der hat schon sieben Oscars für die Musik bekommen. Und deine Leistung ist spitze, du wirst garantiert für den Oscar des Hauptdarstellers nominiert." Davon war der schlanke Schwarzhaarige überzeugt - und wenn sie ihn nicht wenigstens nominieren würden, bekämen sie von ihm einen Tritt in den Hintern.

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Die Zeit war gekommen und Ross fühlte sich wie ein Schaf, daß zur Schlachtbank beführt wurde. Tatsächlich musste man ein Zelt für die Presse aufstellen, und nun saßen er und Dorian vor einer Menschenmenge an Presse und warteten darauf, daß die Konferenz anfing. Er sah schon das skandalgierige Blitzen in den Augen der Presse und seufzte innerlich. ‚Na, das kann ja heiter werden.’

Genau das dachte sich auch Dorian und schlug die Beine übereinander, trank einen Schluck Wasser und blickte dann zu dem Regisseur und den Produzenten, die gerade ankamen und sich neben die beiden Hauptdarsteller setzten. Natürlich gab es sofort ein lautes Ringen um die erste Frage - und die Reporterin, die die Zusage vom Regisseur bekam, stand sofort auf und rief die erste Frage. "Mr. Carson ! Das ist das erste Mal, daß sie nicht in einem Actionfilm spielen ... wie gut liegt ihnen diese Rolle ? Und wie handhaben sie es mit ihrem Nebendarsteller ? In ihren bisherigen Filmen waren es immer weibliche Rollen und sie hatten Affären mit ihnen ... ist das auch bei Mr. Lennox der Fall ?"

Natürlich kam sofort die erste Klatsche - auch wenn die Dame sich noch höflich ausdrückte. Obwohl sie gleich fragen konnte, ob er Dorian ebenso durchknallte wie die Frauen. "Ich komme mit der Rolle gut zurecht und ich hatte nicht nur weibliche Partner in meinen Filmen. Mein letzter Film war mit Sydney Barron und mit ihm hatte ich auch keine Affäre." Ross antwortete souverän wie immer, und nahm der Frau den ersten Wind aus den Segeln.

"Das ist richtig, Mr. Carson - aber Mr. Barron ist auch nicht schwul." Doch ehe sie weiterreden konnte, erhob Dorian seine Stimme und blickte sie mit einem geringschätzigen Lächeln an. "Sie sind vom 'Star', nicht wahr ? Mrs. Goldie Tinkerton, ich kenne ihre hetzerischen Rubriken. Es wäre für sie besser, wenn sie sich schon einmal darauf vorbereiten, die nächste Oscar-Verleihung zu kommentieren ... denn Mr. Carson wird so sicher für den Oscar des Hauptdarstellers nominiert werden, wie der Tag auf die Nacht folgt. Und um ein für alle Mal die Frage zu klären, ob wir ein Paar sind oder nicht: Nein, wir sind während dem Dreh nur gute Freunde geworden und werden diese Freundschaft auch nach dem Dreh pflegen. Wir sind kein Paar und außerhalb der Szenen, die gedreht wurden, gibt es keinerlei Intimität und es wird auch keine geben." Doch die Lacher der anderen Reporter glitten ebenso wie die Worte Dorians an der Reporterin ab und sie wurde nun endlich deutlich. "Ehrlich ? Ihnen glaube ich nicht, Mr. Lennox - jeder weiß, wie sehr sie auf solch sportliche Typen stehen. Geben sies doch zu, sie und Mr. Carson genießen diesen Dreh und auch die intimeren Szenen, die es gibt."

Normal blieb Ross bei solchen Konferenzen ruhig, aber jetzt platzte ihm einfach der Kragen. "Langsam kotzen mich diese intriganten Spielchen bei der Presse einfach nur an ! Warum sollte ich so plötzlich schwul werden, das ist doch keine ansteckende Krankheit ! Die Beziehung zu Dorian Lennox ist rein freundschaftlich. Aber dichten sie sich nur zusammen, was sie wollen, sie werden sich bis auf die Knochen blamieren !" Auch wenn er es noch nie getan hatte - Ross stand auf und verließ mit einem "Goldi hat wahrscheinlich schon die Fragen gestellt, die sie alle fragen wollten, ich denke, die Konferenz ist damit für mich beendet !" das Zelt.

Bei diesem Ausbruch wurde die Reporterin knallrot - vor allem, weil nun einer der Produzenten endlich die Initiative ergriff und den Wachleuten winkte, daß sie sie rausbringen sollten. Erst, als das erledigt war, kehrte Ruhe ein und die Reporter hatten ihre Lektion gelernt und stellten nun seriösere Fragen, die sich eigentlich nur um den Film drehten. Dorian war noch immer im Zelt und beantwortete geduldig die Fragen - doch innen in ihm sah es anders aus, denn bei dem Ausbruch war die zarte Hoffnung, daß Ross es vielleicht doch ernst meinen könnte, in feinste Splitter zerbrochen, die nun sein Innerstes zerschnitten. Doch es festigte einen völlig anderen Entschluß, den der junge Schauspieler bisher nur ein wenig in melancholischen Momenten überlegt hatte ... denn er sah nur zu gut, daß die Presse noch immer versuchte, Ross den wohlverdienten Ruhm zu nehmen, und wenn es nur unbewußt dadurch war, daß sie ihm als den Nebendarsteller ebensoviel Gewicht beimaßen. Zum Glück war die Konferenz nach einer endlos erscheinenden Stunde zu Ende und Dorian konnte endlich gehen ... er floh schon fast zu seinem Wohnwagen, auch wenn er langsam ging und sich äußerlich nichts anmerken ließ. Erst in der Sicherheit seines Wohnwagens erlaubte sich Dorian, auf dem Bett zusammenzubrechen und leise zu weinen, da der Schmerz einfach zu groß war, um ihn in sich einzuschließen.

Ross hingegen hatte sich in seinem Wohnwagen verschanzt und versuchte noch immer, seine Wut zu zügeln. Er war noch nie so explodiert, und bei dem jetzigen Ausbruch hatte er sich selber verleugnet. Er stand total auf Dorian, aber er konnte sich einfach nicht outen ... und jetzt nach der Pressekonferenz erst recht nicht. Er dachte an sich, denn der Stress wäre unerträglich, wenn es rauskommen würde. Klar schlief er mit Frauen, er ging mit ihnen aus und flirtete ständig, aber irgendwie war das für ihn eine Rolle, die er spielte und nicht ablegen konnte.

Das wußte der schlanke Schwarzhaarige aber nicht und so weinte er noch ein wenig, ehe er sich zusammenriß, mit eisigem Wasser das Gesicht wusch und sich daran machte, sein makelloses Gesicht wieder herzustellen. 'Nur gut, daß ich einige gute Tricks kenne, wie man sich kaschiert und nichts sieht ... so habe ich mich bisher nie gehen lassen, ich glaube, es ist gut, wenn der Dreh ... wenn der Film ... zu Ende ist.' Die Gedanken Dorians waren ein wenig wehmütig, als er daran dachte - doch es war das Beste und so seufzte er leise, als er über eine kleine, unscheinbare Pappschachtel in der Schublade seines Schminktisches strich.

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Erneut vergingen einige Wochen und Heute war der letzte Drehtag, an dem sie die Schlußszene des Films spielen würden. In den letzten Wochen war der Entschluß, den Dorian bei dem Pressetermin gefaßt hatte, noch gereift und er seufzte leise, als er die letzten Worte seines Briefes schrieb und dann seine Unterschrift darunter setzte. Ein letzter Blick auf die drei Blätter ließ ihn für einen Moment schwer schlucken - doch dann faltete er sie sehr klein und steckte sie in einen ebenso kleinen Umschlag, der winzig genug war, um in seiner Handfläche versteckt werden zu können. Nachdem er das getan hatte, stand Dorian auf und zog sich langsam aus, damit er sein Kostüm anziehen konnte - doch den Packen Kunstblut, den er eigentlich unter seinem Hemd hätte tragen sollen, ließ er einfach liegen und lächelte etwas wehmütig, als er die Fingerspitzen über die kleine Pappschachtel streichen ließ, die noch immer auf seinem Schreibtisch lag. Dann riß er sich jedoch zusammen und zog das Kostüm an, bürstete seine Haare und band sie mit einem schwarzen Seidenband im Nacken zusammen, steckte die Schachtel und auch den winzigen Brief in seine Jackentasche und schlüpfte in die feinen Lederstiefel, die an der Seite standen. Im Film war es Winter und die FX-Leute würden das Set in Kunstschnee tauchen ... zum Glück war es auch in Wirklichkeit Herbst und damit kühler geworden, so daß sie in ihren Kostümen nicht schwitzen würden. Während Dorian daran dachte, trat er schon aus seinem Wohnwagen und ging zum Set, denn er hatte noch etwas zu tun ... und da er wußte, wo die notwendigen Requisiten lagen, war es ein Leichtes für ihn, noch diesen letzten Teil seines Plans in die Tat umzusetzen. Sicherlich war es nicht das, was man erwarten würde - doch seit dem Pressetermin wußte der schlanke Schwarzhaarige, daß er keine Chance hatte, mit Ross zusammenzukommen und er liebte ihn viel zu sehr, als daß er ihm die weitere Karriere verbauen würde.

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Ross schlüpfte auch gerade in seine Kleidung. Heute war der letzte Drehtag, und danach würde er Dorian nicht mehr so oft sehen. Innerlich war er zerrissen, denn er liebte ihn und wünschte sich nichts mehr, als daß er es ihm sagen könnte. Aber er konnte nicht. Dorian würde eine Morddrohung nach der anderen bekommen, wenn es rauskam - und für sie beide wäre das Leben mit der Presse einfach nicht mehr lebenswert. Schon jetzt war es schwer und es war besser, sie blieben Freunde. Fertig angezogen, betrachtete Ross sich nochmals im Spiegel, straffte sich und ging schließlich hinaus zum Set. Es war die altbekannte Gasse, leichter Schnee würde rieseln und sie hatten dort ihre Sachen deponiert, bereit zur Flucht in ein neues Leben.

Dort erwartete ihn schon Dorian und lächelte für einen Moment zärtlich - doch dann wurden sie von den Leuten der Maske, den FX-Leuten und auch dem Regisseur abgelenkt, die noch die letzten Feinheiten mit ihnen durchgingen. Schließlich war aber auch das zu Ende und das Licht wurde gedimmt, ehe die ersten Schneeflocken rieselten und sie in die romantischste Atmosphäre tauchten, die Dorian sich vorstellen konnte. Vor allem, als er langsam durch diese dunkle Gasse ging und mit einem erleichterten Lächeln auf den Lippen Ross bei ihrem Gepäck stehen sah. Wie im Drehbuch vorgesehen, kam er sofort in dessen Arme und schmiegte sich an den kräftigen Körper ... und man sah ihm nur zu gut an, wie gern er das tat.

Dorian so nahe bei sich zu haben, war wundervoll ... und die Rolle zu spielen, fiel Ross immer wieder leicht, denn so konnte er die Gefühle ausdrücken, die er wirklich fühlte. Der Rolle gemäß, hob er das Kinn des Kleineren mit seinen Fingern an und küsste ihn zärtlich. "Wie schön, daß du da bist ... ich habe immer die Sorge, daß doch etwas unsere Pläne vereitelt."

"Nicht mehr lange, mein Liebster ... unser Schiff fährt in einer Stunde und sobald wir abgelegt haben, finden unsere Sorgen ein Ende. Wir können in Indien einen Neuanfang wagen - zusammen, nur wir beide, und ohne die Zwänge unserer Familien." Gemäß seiner Rolle ließ Dorian ein liebevolles Lächeln auf seinen Zügen erwachen und es vertiefte sich noch, als er langsam seine wahren Gefühle frei und aus seinen Augen leuchten ließ. Dies waren die letzten zärtlichen Momente, die er noch mit Ross hatte - und er wollte sie so lange auskosten, wie es ging. Doch wie im Drehbuch vorgesehen, erklang nun ein überraschter Ausruf und gleich darauf ein wütendes Aufbrüllen, als ein italienischer Schläger in die Gasse lief und Dorians Charakter zusammen mit dem Iren erkannte. Die nun folgenden Sekunden liefen für Dorian fast in Zeitlupe ab - zuerst ließ Ross ihn los und fluchte, ehe er ihn leicht zur Seite stieß, um ihn nicht zu gefährden. Eine Gelegenheit, die der Italiener nutzte, seinen Revolver zog und mit einem wütenden "Stirb, irischer Bastard !!" abdrückte. Im gleichen Moment stürzte Doian vor und rief noch ein "Nicht, Paolo !", ehe er mit einem erschrockenen Aufkeuchen verstummte, da die Wucht der auftreffenden Kugel ihn nach hinten und gegen Ross schleuderte.

Ross hatte auch noch reagiert, seine Waffe gezogen und auf den Feind geschossen, bevor Dorian in seine Arme geschleudert wurde und ihn fast dabei umriss. Aber Ross fing ihn und ließ sich mit ihm zu Boden sinken. "Liebster ... Nein, bitte verlasse mich nicht. Nicht jetzt, bitte." Ross sprach seine Rolle mit all der Emotion, aber irgendwie hatte er das Gefühl, daß etwas nicht stimmte - denn Dorian lief Blut aus dem Mundwinkel und er war irgendwie viel zu blass geworden. Das Filmblut roch nicht wie Filmblut, es roch wie echtes Blut.

Aus dem Augenwinkel konnte Dorian noch sehen, wie der Schauspieler des anderen Italieners zu Boden sank und drehbuchgerecht so tat, als ob er starb, ehe er die leisen und hörbar verzweifelten Worte von Ross hörte. Wie im Drehbuch vorgesehen, hob Dorian die Hand und legte sie an die Wange des Anderen ... eine Geste, die der schlanke Schwarzhaarige genoß wie nichts sonst, als er mühsam zu lächeln begann und die Worte sprach, die einerseits im Drehbuch standen - doch andererseits auch aus seinem Herzen kamen. "Es ist gut, mein Herz ... es ist gut. Nun wird dir nichts mehr schaden können, Niemand wird dich wegen mir behelligen. Bitte verzeih mir, was ich getan habe ... ich konnte nicht zulassen, daß sie dich weiterhin bedrängen und verletzen, mein Herz." Die letzten Worte wurden leiser, da Dorian einfach keine Kraft mehr hatte - doch dann lächelte er wieder, zog Ross in einen letzten Kuß und drückte ihm verdeckt vor der Kamera den winzigen Brief in die Hand, ehe ihn das letzte Bißchen Kraft verließ und die Schwärze ihn überwältigte.

"Nein ... Nein ... Liebster !" Das waren die letzten Worte, die Ross sprechen musste, und er sprach sie. Erst jetzt realisierte er alles, und als das "CUT !" des Regisseurs ertönte, wuchs die blanke Panik in Ross. "Die Kugel war echt ! Holt sofort den Notarzt her !" Ross hielt Dorian noch im Arm und umklammerte mit seinen Fingern den kleinen Brief. "Dorian ! Bitte stirb mir nicht weg !" Die Worte des Kleineren waren ernst gewesen, sie passten auf die Rolle, aber auch zu dem, was real war. "Dorian !"

Diese Worte waren das Letzte, das der schlanke Schwarzhaarige noch mitbekam ... und sie sorgten dafür, daß ein schwaches Lächeln auf seinen Lippen blieb. Währenddessen bekamen auch die Anderen mit, daß da etwas nicht stimmte, da immer mehr Blut in den künstlichen Schnee sickerte und die Sanitäter, die immer am Set waren, stürzten sofort auf die beiden Schauspieler zu und legten ihn auf eine Decke, ehe sie die Kleidung von Dorians Leib rissen und laut auffluchten. "Shit - er hat recht, das ist eine richtige Schußverletzung ! Sid, renn rüber und stelle die Waffe sicher - irgendjemand hat die Platzpatronen gegen echte Kugeln getauscht !!" Einer der Sanitäter lief sofort hin und tat genau das, während zwei der Anderen nun damit begannen, die heftig blutende Brustwunde zu versorgen und schon alles für den Abtransport vorzubereiten. Der Krankenwagen kam auch sogleich und sie luden ihn ein - und einer der Sanitäter packte auch Ross, bugsierte ihn in den Wagen und rief ein "Er muß noch aussagen !" zu dem Regisseur, ehe sie abfuhren.

Ross saß wie versteinert in dem Wagen und zerknüllte fast den kleinen Brief, als er zusah, wie die Sanitäter sich um Dorian bemühten. Im Krankenhaus wurden sie getrennt und Ross saß schweigend im Wartezimmer. Erst dort wagte er es, den Brief zu lesen. Es war ein Abschiedsbrief mit einer Entschuldigung, der handgeschrieben war. Er schrieb, daß er ihn liebte, daß er Drohungen bekam und ihn damit nicht belasten wollte. Die beiden anderen Seiten waren eine Patientenverfügung für den Fall, daß etwas passierte, und ein Testament. All das ließ Ross fast zusammenbrechen, aber er steckte den handgeschriebenen Brief noch ein und behielt die beiden anderen Seiten in der Hand, denn es lag nun an ihm, zu entscheiden, was mit Dorian passierte. Mit dem Mann, den er liebte und der ihn geliebt hatte.

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