”A Silent Cry” 07
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Es dauerte noch einige Stunden, bis auch Bruce mit einem dröhnenden Schädel aufwachte und leise stöhnte. Er wußte, daß es am Whiskey lag ... doch etwas war anders und nachdem er versuchte, sich langsam aufzusetzen, wußte er auch, was es war. Sein Hintern brannte – ein Gefühl, das er schon so verdammt lange nicht mehr gehabt hatte, daß er es ganz vergessen hatte. Und genau das sorgte dafür, daß er das Bißchen, das er noch denken konnte, zusammennahm und nachdachte, wie das gehen konnte. Bruce hatte einen ziemlich heftigen Traum gehabt und stand langsam auf, als er sich Stück für Stück daran zurückerinnerte und dabei ins Bad ging, um sich dort zuerst zu erleichtern und dann ganz einfach in die Dusche zu steigen und das Wasser aufzudrehen. "Hm ... ich war in dieser Bar und soff mir die Birne zu ... dann war da Jemand und ich habe ihn mitgenommen. Ich habe ihn mitgenommen ?! Ich Idiot, bestimmt fehlt nun die Hälfte. Rote Haare ... oh Mann, ich darf nicht soviel saufen, ich habe den Kerl doch glatt für Neo gehalten. Idiot." Die leisen Worte verhallten ungehört in der Duschkabine und schließlich war Bruce fertig, trocknete sich langsam ab und fluchte leise, ehe er wieder ins Schlafzimmer zurückging und sich dort anzog. Wider Erwarten war noch sein gesamter Silberschmuck da – und eine kleine Inspektion zeigte ihm, daß auch der restliche Schmuck in der kleinen Kiste an der Seite noch da war, ebenso wie die teure Hifi- und Fernsehanlage, die er im Wohnzimmer stehen hatte. Als er aber mit der Inspektion fertig war, fiel Bruce ein kleiner Zettel am Wohnzimmertisch ins Auge und er nahm ihn stirnrunzelnd auf, las ihn und keuchte leise, als er auf die Couch sank und sein Herz einen Moment lang zu schlagen aufhörte. Es war kein Traum gewesen – sie hatten sich wirklich getroffen und geredet, und danach den besten Sex seit Jahren gehabt. Zumindest für Bruce ... und es erklärte auch das Brennen in seinem Hintern und den fehlenden Druck, denn auch er schien ziemlich oft gekommen zu sein. Zutiefst erschüttert, strich der Grünhaarige sich kurz über das Gesicht und dann einige widerspenstige Ponysträhnen nach hinten – er war sich unschlüssig, was er nun machen sollte und stand wieder auf, steckte den Zettel in seinen Geldbeutel und ging ins Schlafzimmer zurück, um dort das Bett neu zu beziehen, den Müll in den Eimer zu werfen und die alte Wäsche im Bad in die Waschmaschine zu stecken, während er die Fenster kippte und lüftete. Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, Neo anzurufen – doch dann schüttelte er nur den Kopf, der Rotschopf mußte arbeiten und er wollte nicht stören. Und am Nachmittag hatte Bruce einen Termin ... denn einer seiner Gitarristen hörte auf, so daß er Ersatz für ihn brauchte und deshalb ein Casting angesetzt hatte. Es war allerdings ein anonymes Casting – denn Bruce wollte nicht, daß sich die Musiker nur deshalb bewarben, weil sie seinen Ruhm wollten. Er wollte einen guten Spieler und auch, daß der Bewerber nicht nur Gitarre, sondern auch ein klassisches Instrument beherrschte, denn für die Zugaben brauchte er das und sein bisheriger Violinist war in Japan geblieben. "Viel zu tun ... aber vielleicht kann ich ihn ja heute Abend anrufen. Oder eine Email schicken ... aber erst einmal die Arbeit." Und zum ersten Mal seit sechs Jahren huschte ein Lächeln über die Lippen des Sängers, als er sich das Frühstück richtete und seinen Agenten anrief, der das Casting für den Nachmittag vorbereitete.
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In der Zwischenzeit hatte Neo seinen Job hinter sich gebracht und war zu Hause. Während der Arbeit dachte er nicht viel über die letzte Nacht nach, aber jetzt hatte er ein wenig Zeit, aß sein Mittag, das er auf dem Heimweg beim Chinesen gekauft hatte, und dachte ein wenig nach. "Mann, das war ne Nacht ... Bruce war so geil – obwohl, so besoffen wie er war ... oh, Mann." Allein, daß Bruce angefangen hatte zu trinken, war für ihn ein Zeichen, wie dreckig es ihm gegangen war. Aber dann fiel ihm etwas ein. Neo angelte sein Telefon und wählte die Nummer von seinen Eltern. Wie erwartet, meldete sich seine Mutter und tat überrascht und weinerlich, doch die Stimmung schwang um, als Neo sie auf den Anruf von Bruce ansprach. Sie wurde sauer, er wurde sauer und sagte, was er von ihr hielt. Dann legte er auf und schnaufte leise. "Alte Hexe, verdammte ! Aber jetzt fühle ich mich besser. Schnell essen und dann duschen und umziehen." Der Rotschopf futterte zügig sein Essen und tat, was er gesagt hatte, denn er wollte unter keinen Umständen zu spät kommen.
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Zwei Stunden später richtete der Agent von Bruce noch einmal seine Krawatte, ehe er zu seiner Sekretärin nickte, daß sie den ersten Bewerber hereinschicken sollte. Miller hatte sich diesmal direkt an andere Agenten gewandt und seine Wünsche durchgegeben ... und wie erwartet, entsprachen nur sehr wenige, junge Musiker den erforderlichen Kriterien und das Wartezimmer war leerer, als er erhofft hatte. Doch immerhin waren neun junge Männer gekommen und warteten nun darauf, vorzuspielen und ihr Können zu beweisen ... aber nicht nur ihm, denn direkt nebenan - versteckt hinter einer verspiegelten Glaswand - saß sein Goldkind und fällte die eigentliche Entscheidung, die er ihm dann immer durch das Drücken eines roten oder grünen Lämpchens anzeigte, das die Bewerber nicht sehen konnten. Bruce seufzte leise und ungehört und setzte sich in den Sessel, den man ihm bereitgestellt hatte ... das war eine der Seiten seines neuen Berufes, die er überhaupt nicht mochte, denn es tat ihm leid, wenn er gute Musiker zurückweisen mußte, da er sie nicht brauchen konnte.
Neo saß auch unter den Bewerbern, Keiner von ihnen wusste, für wen sie spielten, aber es war sicher, daß dieser Job gut bezahlt wurde und Erfolg versprach. Aber es gab halt nicht sehr viele Gitarristen, die auch noch Violine spielen konnten. Neo und die acht Anderen konnten es scheinbar, jedoch waren allein drei der Bewerber so nervös, daß sie die ganze Zeit unruhig hin- und hertigerten. Neo saß lässig auf dem Stuhl, hatte beide Instrumente in je einem Koffer und wartete, daß sie aufgerufen wurden. Er hatte schon öfter kleinere Gigs gespielt, aber es war jetzt das erste Mal, daß er sich für so etwas bewarb. Der erste Bewerber wurde reingerufen und spielte Gitarre vor, aber als Violine dran war, kramte er ein gebrauchtes Instrument von einem Pfandleiher heraus und spielte mehr schlecht als recht ein Stück vor, das Neo bis draußen quietschen hörte. ‚Oh, Gott !'
Das Gleiche dachte sich auch Bruce und drückte sofort den roten Knopf, so daß Miller dem jungen Mann Einhalt gebot und ihn mit freundlichen Worten verabschiedete. Dann wurde der Nächste hereingerufen und der Grünhaarige hob überrascht die Braue, als der junge Musiker zuerst fehlerfrei mit der E-Gitarre und danach ebenso fehlerfrei mit der Violine umging. Nun doch ein wenig optimistischer gestimmt, drückte Bruce auf den grünen Knopf und wartete die nächsten Bewerber ab, doch wie schon befürchtet, war bei den nächsten fünf Musikern nur einer dabei, der in die engere Wahl kam.
Vor Neo war noch einer, der vorspielte, und dann auch ausschied. Endlich war er dran, nahm die Koffer und betrat den Raum, in dem der Mann mit der Krawatte saß. "Guten Tag." begrüßte er ihn und Neo nahm die E-Gitarre aus dem Koffer, steckte sie an und spielte gekonnt vor. Das Spielen auf der Gitarre hatte er sich selber beigebracht und wie auch bei seiner neuen Violine, hatte er sich das Instrument mühevoll zusammengespart.
Von ihm und auch Miller unbemerkt, keuchte Bruce auf, als er sah, wer sich hier als Letztes für den Job bewarb. Er konnte es fast nicht fassen - doch vor ihm stand Neo und bewarb sich für die Stelle als Gitarrist in seiner Band. Natürlich wußte Niemand, daß sie sich für ihn bewarben, doch es war fast so, als ob das Schicksal sie wieder zusammenwerfen wollte. Nichtsdestotrotz ließ Bruce ihn aber vorspielen, denn so gern er Neo auch hatte, für seine Band brauchte er Jemanden, der seine Instumente beherrschte. Er wurde aber nicht enttäuscht – Neo spielte mindestens so gut wie die beiden Anderen und so entschied sich Bruce nach dem klassischen Violinstück, drückte auf den grünen Knopf und wartete, bis Neo rausgegangen war, ehe er wieder rauskam und mit Miller redete.
Derweil warteten draußen die drei Verbliebenen. Sie wussten, daß zwischen ihnen drei entschieden wurde - trotzdem benahmen sie sich freundlich zueinander und wünschten sich Glück, als es in die nächste Runde ging. Neo war wieder der Letzte und lauschte auf die Musik. ‚Nur noch Gitarre ... Stücke von Bruce, die sind echt schwer zu spielen.' Neo stockte, als er nach den Gitarrenstücken die Stimme des Bewerbers hörte, der versuchte, ein Lied zu singen.
Das war die Hürde, die nun alles entscheiden würde – denn Bruce brauchte nicht nur einen Gitarristen, sondern auch eine Background-Stimme, die zu seiner Stimme paßte. Und das hieß, daß dieser Bewerber zweifelsfrei ausschied und mit einem leisen Seufzen drückte Bruce den roten Knopf, der Miller zeigte, daß er nicht in Frage kam. Der zweite Bewerber sang sogar ganz passabel ... also gab ihm Bruce grünes Licht, auch wenn er darauf hoffte, daß Neo ebenfalls seinen Erwartungen entsprach. Denn obwohl sie damals oft miteinander auf den Instrumenten gespielt und der Grünhaarige auch gesungen hatte, wußte er nicht, wie Neos Gesangsstimme klang.
Neo trat ein und spielte die geforderten Gitarrenstücke einwandfrei. Er hatte die Stücke von Snakes Band, 'Black Venom', oft gespielt, weil er die Musik einfach mochte. Dann kam der Gesang und Neo konnte sein As aus dem Ärmel holen. Wieder war es ein Stück von 'Black Venom' und jetzt legte Neo richtig los und sang es mit seiner rauchig tiefen Stimme, ohne einen Fehler zu machen. Der Manager bekam auch hier grünes Licht und Neo musste nochmal warten. ‚Meine Güte, machen die ein Trara ... und die haben sich voll auf 'Black Venom' eingeschossen. Aber ist ja auch geile Musik.'
In der Zwischenzeit sprach Bruce mit Miller und dieser seufzte leise, als er nickte und schließlich nach draußen in den Warteraum ging. "Meine Herren – die Entscheidung ist gefallen und leider nur auf einen von ihnen. Es tut mir sehr leid für sie, Mr. Denkers, aber ihre Stimme entsprach leider nicht ganz den Anforderungen. Für ihre Bemühungen läßt mein Klient ihnen aber einerseits diesen Betrag als Honorar zukommen und dazu bekommen sie noch eine Empfehlung, die ihnen bei den Plattenfirmen sehr helfen wird." Während er sprach, zog Miller zwei Umschläge heraus und gab sie dem jungen Blonden, der abgewiesen wurde, ehe er sich Neo zuwandte und ihn anlächelte. "Mr. Young – würden sie mir bitte folgen, damit wir den Vertrag aushandeln können ? Bitte, nach ihnen."
"Vertrag ? Ich hab's geschafft ? Jeeeeeeeeeeha !!" Neo sprang vor Freude in die Luft, blieb aber danach wieder ruhig und bedankte sich für die Glückwünsche des anderen Kandidaten. Erst danach nahm er seine Koffer und folgte dem Manager in den Raum. Ab jetzt fing hoffentlich ein neues Leben an. Neo setzte sich auf den angebotenen Stuhl und der Manager lächelte kurz. "Ich möchte ihnen jetzt meinen Klienten vorstellen." Die Tür ging auf und da stand er. ‚Bruce ? Oh, Gott !' Neo starrte auf den Grünhaarigen und wusste jetzt, daß dieser Job ein Platz bei 'Black Venom' war.
Und so war es, auch wenn sie noch einmal durch einen lauten Freudenschrei aus dem Wartezimmer abgelenkt wurden, da der andere Bewerber den Umschlag mit dem Honorar geöffnet hatte. Bruce ließ es sich nicht anmerken, daß er Neo kannte und grüßte ihn so kühl wie immer mit einem Händeschütteln, ehe er sich auf den dritten Sessel setzte und kurz zu Miller nickte. "Wie Miller schon sagte, er ist mein Agent – und da mein Gitarrist Nyokase aufhören will, war ich gezwungen, einen passenden Ersatz suchen zu lassen. Die Entscheidung war ziemlich schwer, doch ich habe mich nun für dich entschieden ... ich hoffe, wir kommen miteinander aus, es ist wichtig, daß die Bandmitglieder sich verstehen. Du kannst noch so gut beim Spielen und Singen sein, gibt es Ärger, bist du raus. Dafür hast du ein ziemlich gutes Einkommen – ein Sechstel der Konzerteinnahmen, zehn Prozent vom CD-Verkauf und allen anderen Rechten. Dazu noch fünftausend Dollar im Monat für die nächsten zwei Jahre – und die Übernahme aller Spesen. Nimmst du an ?"
Der Mund von Neo klappte kurz auf und wieder zu, es dauerte einen Moment, bis er sich gefangen hatte und ein etwas leises "Ich wäre blöd, wenn ich es nicht mache." herausbekam. Sein Leben hatte sich wirklich extrem verändert, er musste nur noch den Vertrag unterschreiben. "Ich freue mich, mit ihnen zusammenzuarbeiten, und ich werde keine Probleme machen. So eine Chance versaue ich mir doch nicht." Neos Herz schlug ihm gerade bis zum Hals und er nahm die Papiere entgegen, die der Manager ihm zuschob. Er überflog sie kurz, und als er damit fertig war, nahm er einen Kugelschreiber und unterschrieb. ‚Auf in ein neues Leben ... zusammen mit Bruce.'
Der Grünhaarige setzte seine Unterschrift nach Miller auf die Verträge und nickte kurz, als der Agent noch einen ziemlich dicken, großen Umschlag von der Seite nahm und ihn Neo reichte. "Wie alle Bandmitglieder werden sie nun in dem gleichen Haus wie Mr. Nerone wohnen, damit sie immer abrufbar sind. Für sie ist eine Wohnung angemietet worden, die schon bezugsfertig ist ... die Kosten dafür übernimmt selbstverständlich meine Firma. Nur Mr. Nerone ist eine Ausnahme, er hat sich das Penthouse bereits gekauft. Es liegt auch ein Bwerbungshonorar dabei, das sie in jedem Fall behalten dürfen – Mr. Nerone wird ihnen dann alles Weitere erklären, wenn sie zu ihrer neuen Wohnung fahren. Es hat mich gefreut, sie kennenzulernen, Mr. Young – und ich hoffe, daß die Zusammenarbeit so gut wird, wie wir alle es uns wünschen." Man sah dem Agenten deutlich an, daß er wirklich froh war, das jetzt hinter sich zu haben ... denn gerade die Band des Sängers, der an seiner Seite saß, war DER aufsteigende Stern am Musikhimmel und versprach noch viele Einnahmen.
"Ich freue mich auch auf die Zusammenarbeit." Neo reichte dem Manager noch die Hand und stand auf, als der Mann den Raum verließ. Äußerlich wirkte er im Moment relativ ruhig, aber in ihm tobte es wie noch nie. "Es scheint doch ein Schicksal zu geben ... Hm ?" Sein Blick fiel auf Bruce und Neo grinste leicht. "Ich glaub, ich muss das alles erstmal verdauen, mit einem SO guten Job habe ich nicht gerechnet. Und, gut geschlafen ?"
"Komm erstmal mit – die Wände haben Ohren." Ohne ein weiteres Wort drückte Bruce dem Rothaarigen dessen Instrumente und die Umschläge in die Arme und ging ihnen zu einem Nebenaufzug vor, fuhr nach unten in die Garage und nickte zu einer schwarzen Limousine, die schon auf ihn wartete. Erst, nachdem sie eingestiegen waren und losfuhren, ließ Bruce langsam seine Kälte weichen und ein sichtbar zögerndes und ungewohntes Lächeln erwachte auf seinen Zügen, als er sich ihm zuwandte. "Sieht so aus, als ob wir wirklich noch eine zweite Chance bekommen ... und sogar noch mit einem Tritt in den Hintern, damit wir es auch tun. Und ja – ich habe gut geschlafen, so gut wie schon lange nicht mehr. Auch wenn das Aufstehen die Hölle war, aber das war es wert. Und nun ? Was jetzt ?"
"Jetzt ? Ich denke, wir lassen es langsam angehen, oder ? Ich würde die zweite Chance schon gern nutzen, vielleicht können wir da nochmal anfangen." Neo hatte diese Hoffnung und hoffte, daß Bruce es so ähnlich sah. "Ich muss jetzt auch noch Einiges erledigen." Das kam ihm spontan in den Sinn und man könnte fast meinen, daß er etwas verhuscht geworden war. "Wohnung abmelden ... ausziehen, die Jobs kündigen. Oh, Mann, ich bin jetzt ein 'Black Venom'."
Das ließ Bruce leise lachen und er schüttelte den Kopf, als er die leuchtenden Augen des Rothaarigen sah. "Herzlichen Glückwunsch, Neo ... freust du dich darüber ? Wenn du willst, zeige ich dir deine Wohnung und helfe dir mit dem Behördenkram. Wie möchtest du das Ganze eigentlich nochmal anfangen ? Wir kennen wir uns ja – und doch haben wir uns sehr verändert. Wobei du jetzt noch heißer bist als damals, das kann ich dir garantieren."
"Sicher freue ich mich. Ich hab nicht erwartet, daß der Job SO gut ist." Neo grinste breit und lümmelte sich ein wenig in den bequemen Sitz. "Keine Bange, mit den Behörden hab ich schon Erfahrung. Und das neu anfangen ? Hmm ... ich denke, daß wir das kennenlernen, was sich an uns verändert hat. Wie du siehst, hab ich mich in meiner Freiheit noch weiterentwickelt. Vielleicht erstmal ne innige Freundschaft, um uns neu kennenzulernen."
"Eine Freundschaft ? Nun, das ist zumindest mehr, als ich bisher hatte. Dann fahren wir zurück zum Wohnhaus, damit das alles schon geklärt werden kann – du kriegst gleich deinen Schlüssel und kannst dir die Wohnung ansehen. Und wenn du willst, kann ich dir auch die Anderen vorstellen – Kiosuke und Ryo sind ein Pärchen und sehr nett, ich denke, du wirst sie mögen." Es schmerzte Bruce, daß Neo nur sein Freund sein wollte und es lediglich eine Option auf mehr gab – doch er ließ es sich nicht anmerken und lächelte kurz, ehe er sich ein Cola aus dem kleinen Kühlschrank holte und sich insgeheim wünschte, daß er noch den Whiskey hätte, den Neo am Abend zuvor weggeschüttet hatte.
Aber Neo ahnte, daß er sich mal wieder um Kopf und Kragen geredet hatte, aber er war in der Hinsicht bedachter. Wenn sie sich gleich wieder in eine Beziehung stürzten, konnte es durchaus sein, daß es Probleme gab. Er verkniff sich zu fragen, ob Bruce eine Whiskycola lieber wäre, aber er hielt es wirklich zurück. "Ich schau mir die Wohnung gern an und die Anderen mag ich auch gern kennenlernen. Ich hoffe, sie mögen mich." Das war eine von Neos Sorgen ... wenn es um Freundschaften ging, war er immer wieder mal etwas unsicher, aber das war meist unberechtigt. Der Rotschopf war in zwischen so offen und freundlich, daß er schnell Bekanntschaften machte.
"Mach dir keine Sorgen, Neo. Die Zwei sind voll Okay und werden sich hüten, einen Freund von mir zu vergraulen. Schließlich hängen sie mir schon seit Jahren in den Ohren, daß ich mir endlich Freunde und auch einen festen Freund anlachen soll." Bruce schnaubte kurz, doch dann huschte ein leichtes Lächeln über seine Lippen, als er Neo betrachtete und sich schließlich vorneigte, um ihm kurz über die Wange zu streichen. "Du hast sogar noch die Creole, die ich dir damals geschenkt habe ? Ich dachte, die wäre schon längst im Abfall gelandet."
Neo grinste nur wieder. "Die steht mir viel zu gut, um sie wegzuwerfen ... die Kette hab ich auch noch." Er zeigte auf seinen Hals, wo die Silberkette hing, die Bruce ihm damals geschenkt hatte. "Musste sie schon zum Juwelier bringen lassen, weil sie gerissen war, aber der hat sie einwandfrei wieder hinbekommen." Die Kette und der Ohrring waren ihm das Wertvollste auf der Welt. "Und du hast deine schwarze Mamba mit dem grünen Bauch. Hatte letzte Nacht nen guten Blick drauf, man sieht, daß du sie in Japan hast machen lassen." Inzwischen hatte Neo ein Auge für so etwas, denn er war schon auf einigen Messen gewesen. "Die hat Satori Kawasuma gemacht, hab ich Recht ?"
"Ja – du kennst dich damit aus ? Ich habe zwei Jahre darauf gewartet, sie mir stechen zu lassen. Zuerst hatte ich kein Geld und als ich dann das Geld hatte, fand ich keinen Meister, der sie mir so stechen wollte, wie ich sie mir vorstellte. Erst Meister Kawasuma war der Richtige – seine Vorzeichnung war perfekt und er hat sie mir auch genauso perfekt in den Rücken gestochen. Du bist der Erste, der sie richtig gesehen hat, Neo ... und ich denke, das hast du dir auch verdient, schließlich warst du auch der Erste, dem ich davon erzählte, daß ich sie mir stechen lassen will." Bruce erinnerte sich noch genau daran und seufzte innerlich ... denn damals waren sie noch frisch verliebt gewesen, etwas, das er sich auch jetzt wünschte doch wußte, daß es noch lange nicht möglich war ... wenn überhaupt.
"Jap, ich erinnere mich, als wäre es Gestern gewesen, und ich sagte, ich will auch eins. Ich hab auch jetzt auch eins. Auch auf dem Rücken, es ist von Dray Maroon, und ich musste keinen Cent dafür bezahlen." Neo war noch immer stolz auf seinen Einfallsreichtum, denn er hatte das damals vorgeschlagen und dem Designer so in den Kopf gesetzt, dass er ihm das Tattoo zahlte und somit drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen wurden.
"Was ? Dray ? Wow ! Das ist der berühmteste Tribal-Künstler Amerikas ! Zeig doch mal her, ja ? Gestern war keine Gelegenheit, daß ich es mir ansah – und ich war auch zu besoffen dafür." Das war wirklich eine Überraschung, denn Maroon gehörte zu den gefragtesten Tätowiermeistern, die es in Amerika und auch weltweit gab.
"Wir sind gleich da, ich zeige es dir dann oben in der Wohnung." kam es ganz locker von Neo zurück, und er streckte Bruce frech die Zunge heraus. Aber es stimmte, sie waren gleich da und da wollte Neo sich nicht ausziehen. "Das ist die Strafe fürs Saufen." Die Worte waren neckend und schon zuckelte der Wagen in die Tiefgarage, die zu dem Wolkenkratzer gehörte, in dem das Penthouse und die Wohnungen waren.
Es dauerte allerdings einen Moment, bis Bruce es verstand – denn er hatte schon lange verlernt, diese Art von Späßen mitzumachen und es so locker zu sehen, wie es früher selbstverständlich für ihn war. Und das sah man auch, denn für einen Moment verhärteten sich die Züge des Grünhaarigen, ehe sie wieder ein wenig weicher wurden und er leise schmunzelnd den Kopf schüttelte. "Okay, ich verstehe ja schon. Aber verbieten lasse ich mir das Saufen nicht – ich brauche nunmal zwischendurch ein wenig Ablenkung. Und jetzt komm, wir sind da und dein Schlüssel wartet." Und just in dem Moment öffnete der Chauffeur die Türe der Limousine und Bruce verabschiedete sich von ihm, als er ausstieg und einen Moment grinste, da Neo sich nur mühsam entfaltete und ebenfalls ausstieg. "Hier gehts lang ..."
Neo hatte noch immer Probleme, seine langen Beine unter Kontrolle zu halten, aber er arrangierte sich damit und folgte Bruce zu dem Lift, der gleich von der Garage in die verschiedenen Stockwerke fahren konnte. "Also dein Penthouse war beeindruckend schön, ich bin gespannt, wie die Wohnungen aussehen."
"Kleiner. Sind aber genauso schön – wenn ich nicht das Penthouse bekommen hätte, dann hätte ich mir so eine Wohnung ausgesucht. Aber da oben habe ich meine Ruhe, weil da nicht Jeder hinkommen kann ... und alles da oben gehört mir, das ist unschlagbar. Sogar mit Terasse und kleinem Garten – ideal, um mal auszuspannen." Dann pingte der Aufzug und sie stiegen aus, um zu dem Mann an der Rezeption zu gehen, der schon Bescheid bekommen hatte und sowohl Bruce wie auch Neo freundlich begrüßte. Es dauerte auch nicht lange, bis Neo alles Nötige in die Hand gedrückt bekommen hatte und sie wieder weiterfahren konnten. Als der Aufzug nur einen Stock unter dem Penthouse ankam, stieg Bruce aus und steckte die Hände in die Hosentaschen, wartete auf den Rothaarigen und nickte dann zu der Türe, vor der er stand. "Das ist es – bis vor einer Woche wohnte Nyokase hier, doch jetzt ist er zu seinem Verlobten gezogen und fängt ein neues Leben an. Gehört nun alles dir, sieh es dir ruhig an, Neo."
"Okay." murmelte Neo nervös und öffnete die Tür. Als er eintrat, lächelte er breit und ging weiter ins Wohnzimmer, um dort die beiden Instrumentenkoffer abzustellen. "Hammergeil." weitermurmelnd, machte er sich auf und erkundete die großzügige Wohnung.
Bruce folgte ihm und schloß die Türe hinter sich ab, ehe er sich im Wohnzimmer auf die Couch setzte und ihn nur beobachtete. Wenn Neo auch nur ein wenig so war wie früher, würde er eine Weile mit Erkunden brauchen – und der Grünhaarige ließ ihm die Zeit auch, denn es war schön, ihm zuzusehen und außerdem hatte er eh nichts Besseres zu tun.
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