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”A Silent Cry” 01
 

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Mit einem leisen Knurren betrachtete Bruce das Penthouse, das er sich hier in New York gekauft hatte. Endlich war er wieder hier – nach sechs langen Jahren war er endlich wieder hier, doch es bereitete ihm keine Freude. Zuviel hatte sich in den letzten Jahren ereignet, das sein Herz erkalten und verhärten ließ ... zuviel, das er nicht vergessen konnte. Ohne einen weiteren Blick zurück nahm der Grünhaarige den Schlüssel und warf die Türe hinter sich ins Schloß, stieg in den Aufzug und strich sich über das Gesicht, als er herabfuhr. Es war Nacht und genau die richtige Zeit, um sich zu betrinken – und genau das hatte Bruce vor, als er den Aufzug verließ, nicht auf den Portier achtete, der an der Seite saß und durch die große Glastüre nach draußen ging. Seine Wege führten ihn schnell in die schlechteren Gegenden, denn nur dort konnte man die Art von Bar finden, die Bruce suchte ... die Art, in der keine Fragen gestellt wurden und man sich besaufen konnte, bis man kein Geld mehr in der Tasche hatte. Und genau eine solche Bar betrat er nach einer Weile und setzte sich an den Tresen, bestellte eine Flasche Whiskey und schenkte sich ein Glas ein, um es in Gedanken verloren zu betrachten. Doch just, als er es trinken wollte, hörte er in dem Radio der Bar einen seiner Songs – den Song, der ihn weltberühmt gemacht hatte: 'A silent cry'. Die Ironie entging Bruce nicht und er schüttelte kurz den Kopf, als er den Wiskey an die Lippen hob und seiner eigenen Stimme lauschte.

'I am here - in the middle of the night, where no one can hear me ...

a silent cry ...

i am sitting at a lonely place, where no one can see me ...

a silent cry ...

i am sighing from the bottom of my soul, but there is no one who can hear me ...

a silent cry, still ringing in the night ...

i am standing in the darkness, alone and pleading for some love ...

a silent cry ...

no one hears my crying, alone and helpless in the dark ...

a silent cry ...

is there no one, who can see me and hear me,

crying alone in the dark.'

Die sanft und melancholisch gesungenen Worte ließen den Grünhaarigen schnauben und er schenkte sich einen weiteren Whiskey ein, als er an die einzige Zeit dachte, in der er glücklich gewesen war. Eine Zeit, die vor sechs Jahren endete, als er mit seinem Vater wieder einmal wegziehen mußte, da dieser an einen anderen Militärstützpunkt versetzt wurde. Doch das halbe Jahr, das er hier in der High-School hatte verbringen dürfen, war so schön gewesen, daß er noch lange danach davon zehrte ... auch wenn diese Zeit nun endgültig der Vergangenheit angehörte.

~~~ Flashback ~~~

Als die Klassentür aufging und der Lehrer mit einem neuen Schüler eintrat, seufzte Nepomuk leise. Der Junge hatte eine grüne Haarsträhne und sah wirklich cool aus. Wieder ein Schüler, der ihn wahrscheinlich mobbte, denn Nepomuk galt als Streber und totaler Spießer, der absolut unsportlich war. Schüchtern war er noch dazu und genau das war eine perfekte Mischung für Spott und anderes.

Der Neue hingegen hatte mit seinen sechzehn Jahren schon eine trainierte Figur, auch wenn er nicht massig war – dafür hatte sein Vater schon gesorgt. "Hi, Leute ... ich bin Bruce Nerone und neu hier. Um es kurz zu machen - mein Vater ist Soldat und deshalb bin ich erst vor kurzem hergezogen, ich mag alles, was cool ist und denke, wir werden schon klarkommen." Während er sprach, band sich Bruce die rippenlangen, pechschwarzen Haare mit einem Haargummi nach hinten, nickte noch einmal kurz zu dem Lehrer und blickte über die teils sprachlosen und teils breit grinsenden Gesichter. Wie er es sich schon gedacht hatte, waren die Mädchen Feuer und Flamme, auch wenn er keinen Pfifferling darauf gab – und die eher wilderen Jungs sahen in ihm einen der ihren, so daß er mit ihnen keine Probleme haben würde. Lediglich die Streber konnten vielleicht ein Problem werden, doch damit würde er allemal fertig werden. Viele freie Plätze gab es leider nicht mehr ... und fast alle davon lagen neben Mädchen, so daß sie nicht in Frage kamen. Lediglich einer war neben einen Jungen und zu dem ging der Neue auch gleich, setzte sich neben ihn und hielt ihm mit einem gewinnenden Lächeln die Hand hin. "Hi – hoffe, es geht klar, daß ich hier sitze ?"

Die Wahl war auf Nepomuk gefallen, der etwas irritiert wirkte. "Ähm ... kein Problem." stammelte er heraus und schüttelte kurz die Hand des Neuen. Hinter ihnen hörte man ein leises Frotzeln und Nepomuk zog geknickt den Kopf ein und vergrub das Gesicht im Schulbuch.

Das jedoch sorgte dafür, daß Bruce die Brauen tieferzog und den Jungen musterte, der gerade gefrotzelt hatte. Der Lehrer war inzwischen dazu übergegangen, den heutigen Stoff durchzunehmen und blickte auf die Tafel, so daß er nicht sah, wie der Neue sein Buch nahm und es dem Schüler hinter ihm auf den Kopf schlug. "Hör gut zu – deine Lästerei nervt und ich muß aufpassen, okay ? Auch wenns mir nicht paßt."

Nepomuk verkrampfte sich bei der Aktion, während der Lästerer leise fluchte und das Buch wieder zurückwarf. "Na warte, in der Pause bist du dran, Neuer." Der, um des es wirklich ging, sank weiter in sich zusammen, denn jetzt hatte er den Neuen gleich in etwas reingerissen, was nicht lustig werden würde.

"Das denkst auch nur du, Kleiner. Aber ich freue mich drauf, ich wärme mich gerne ein wenig auf." Mit diesen Worten fing Bruce das Buch wieder auf und drehte sich um, nahm seinen Block heraus und begann damit, vom Unterrichtsstoff Notizen zu machen. Denn auch wenn er cool aussah und gern mit den Schlägern rumhing, er mußte im besseren Notendurchschnitt bleiben, wenn er keinen Ärger mit seinem Vater haben wollte. Die Stunden vergingen schneller, als er dachte und schließlich kam die Pausenglocke – und Bruce warf mit einem Grinsen auf den Lippen seine Sachen in den Rucksack, packte ihn auf den Rücken und lehnte sich lässig auf den Tisch des Lästerers. "Okay, Kleiner – geh vor, ich bin noch neu und weiß nicht, wo ein Platz ist, an dem ich dich verprügeln kann."

Das brachte den Lästerer dazu, schwer zu schlucken, denn Bruce legte eine Selbstsicherheit an den Tag, die Einiges befürchten ließ. "Lass mal gut sein, war nicht so gemeint." stammelte der Junge und grinste entschuldigend. Er fauchte im nächsten Moment aber wieder zu Nepomuk. "Glotz nicht so dämlich, Nepi !", das den Schwarzhaarigen wieder zusammenfahren ließ und dafür sorgte, daß er schnell seine Sachen packte und aus dem Klassenzimmer eilte.

"Hey, was soll das ?!" Mit den Worten gab Bruce dem Lästerer eine gesalzene Watsche auf den Hinterkopf und zog die Brauen wieder tiefer, als er ihn beim Kragen packte und zu sich herzog. "Jetzt mal Klartext – warum hackst du so auf ihm rum ? Der ist viel zu scheu, um dich richtig anzusehen, also rücke endlich raus mit der Sprache !" Er war zwar kein unbeschriebenes Blatt, doch grundlos auf einen Streber loszugehen war etwas, das er nicht tat.

"Er ist einfach lästig, so wie er immer herumschleicht ... und er strebt echt schlimm und spielt Violine." Nach dem Violine streckte Mick die Zunge aus dem Hals und würgte. "Aber das Schlimmste ist, daß seine Mutter ganz oben im Elternrat sitzt." Das hieß, daß sie immer über alles Bescheid wissen musste und Nepi war nun mal der Maulwurf, den Jeder kannte.

Ein leises "Shit." wispernd, nickte Bruce und ließ den Kragen des Blonden wieder los, ehe er leise seufzte und mit den Schultern zuckte. "Newsflash – mein Alter ist auch im Elternrat, wurde ehrenhalber reingeholt, weil er Offizier ist. Und ich spiele Klavier ... na und ? Hackt nicht immer auf ihm rum, er konnte sich seine Eltern ja auch nicht aussuchen und wenn die einen Streber aus ihm machen wollen, ist das doch nicht seine Schuld. Der ist viel zu scheu, um was absichtlich zu machen – denke eher, die zwingen ihn dazu. Hack einfach nicht dauernd auf ihm rum, Okay ? Gut. Und jetzt bring mich in die Mensa, ich habe Hunger. Und ich denke, deine Freunde sind auch cool, oder ? Stell mich mal vor."

"Okay ... und ich bemühe mich, nicht mehr zu hacken. Ach ja, ich bin Mick." Der Blonde stand auf und reichte Bruce die Hand. "Und wegen Nepomuk nochmal. Gerade, weil er so seltsam ist, macht er nen komischen Eindruck. Du bist ganz anders, obwohl dein Alter auch im Elternrat ist." Es machte schon einen Unterschied, ob wer so offen war oder sich dauernd verkroch.

"Hi, Mick. Und wegen mir – ich bin anders, weil ich mich dauernd wehren mußte, um nicht untergebuttert zu werden. Ich hatte gar keine Chance, so zu werden wie er. Nepomuk ? Autsch ... allein dafür gehört den Eltern eine ins Gesicht gelatscht, wie kann man seinem Sohn so einen bescheuerten Namen geben ?" Während sie sprachen, gingen sie schon zur Mensa und Bruce legte den Arm um die Schulter des ein wenig Größeren, auch wenn er darauf achtete, mit seinen Silberarmketten und –ringen nicht an dem Netzshirt hängenzubleiben.

"Jap, lädt dazu ein, ihn damit aufzuziehen, es ist einfach zu verlockend. Nepi ... Mucki ... Pomucki, usw." Mick zählte ein paar Dinge auf und seufzte. "Aber ich werde versuchen, es mir zu verkneifen, von dir will ich nämlich keine auf den Sack bekommen. Du bist viel zu selbstbewusst und kannst wahrscheinlich selbst die vermöbeln, die stärker sind als ich. Dein Dad ist bei der Army, der hat dir sicher gut was beigebracht."

"Jep, auch wenn ich gut drauf hätte verzichten können. Bin auch nicht grad stolz drauf – vor allem nicht auf die dummen Tussen, die da drauf stehen. Aber dafür liebe ich Schmuck und färbe die Haare, das kann der Alte überhaupt nicht ab. Und ich bin kein Musterschüler mit Krawatte ..." Sie waren inzwischen in der Mensa angekommen und Mick führte sie auch gleich zu seinen Freunden, die allesamt sichtbar zu den Schlägern und Unruhestiftern gehörten. Und sie sahen verdammt gut aus, auch wenn sich Bruce nicht anmerken ließ, daß er eigentlich nur auf Kerle stand.

Daß der Neue ein Auge für die Kerle hatte, bemerkte nur Nepomuk, der in seiner stillen Ecke saß und an seinem Brot knabberte. Er beobachtete den Neuen und sah sehr wohl, wie er die kräftigen Jungen betrachtete und daß sein Blick oft abschätzend und unauffällig zu den engen Schritten schweifte. Nebenher fragte er sich, was die Schläger denken würden, wenn sie wussten, daß der Neue auf sie abfuhr. Aber die wussten es nicht und nahmen ihn ohne Probleme bei sich auf.

Und wenn es nach Bruce ging, würden sie es auch nicht erfahren, denn er wollte auf gar keinen Fall, daß sein Vater es mitbekam. Also beschränkte er sich nur darauf, die jungen Mädchen abzuweisen, die bei ihm landen wollten und lachte mit den Schlägern, mit denen er sich fast augenblicklich anfreundete. Jedoch fiel sein Blick immer wieder unauffällig auf den jungen Mann, neben dem er nun sitzte und Bruce bemerkte auch, daß dieser ihn betrachtete. Und das war wiederum etwas, dem er später dann auf den Grund gehen wollte, denn spätestens in der Musikstunde gab es nur wenige Schüler und sie hatten Gelegenheit dazu, ungestörter zu reden.

Das wusste Nepomuk aber nicht und er beobachtete hin und wieder noch etwas weiter, bis die Pause vorbei war und er in den Musiksaal ging, in dem die klassische Musik gelehrt wurde. Die Lehrerin war schon da und schloss den Schrank mit den Instrumenten auf. Wieder wurde Neo klar, daß er Sonderrechte hatte, denn seine Mutter hatte dafür gesorgt, daß er hier eine eigene Violine hatte.

Doch gerade als er die Violine bekam, betrat Bruce den Raum und grüßte die Lehrerin. "Hi – ich bin der Neue, Bruce Nerone. Ich bin für das Klavier angemeldet und auch für den Gesang, sie sind Mrs. Landerby oder ?" Bisher waren sie die einzigen Schüler – und Bruce hoffte, daß es auch weiterhin so blieb.

"Hallo, Bruce, willkommen im Kurs." Die Lehrerin war sehr freundlich und begrüßte den Neuankömmling. "Ja, ich bin Mrs. Landerby und du kannst dich gleich mit dem Klavier vertraut machen. Ihr seid Heute leider nur zu zweit, die beiden Anderen haben sich entschuldigen lassen." In Gedanken hängte sie ein ‚Mal wieder.' an und seufzte innerlich. "Kennt ihr euch schon ?" Sie wuselte zu ihrem Pult und trug ein, daß Bruce pünktlich war.

Mit einem verschmitzten Lächeln zu Nepomuk antwortete Bruce ein kurzes "Jep – zwar nicht genauer, aber wir kennen uns." und verschränkte die Finger, um sie kurz durchzudrücken und so knacken zu lassen. Die dabei klirrenden Silberarmbänder beachtete Bruce dabei ebensowenig wie seine Ringe, doch er zog seine Lederjacke aus und hängte sie über einen der freien Stühle, auf den er auch seinen Rucksack stellte. "Was soll ich machen, Mrs. Landerby ? Haben sie Noten oder soll ich einfach drauflosspielen ? Und wie ist es mit dem Singen, machen sie das auch oder muß ich da zu einem anderen Lehrer ?" Er fand es schon ein wenig merkwürdig, daß außer ihm nur der große Schwarzhaarige war und hob fragend eine Braue, denn die Lehrerin schien sich eigentlich überhaupt nicht um ihre Schüler zu kümmern.

Weil die anderen Zwei nie kamen und Nepomuk übte immer das, was er zu Hause spielte. "Spiel, was du Zuhause auch immer spielst. Ich gehe mal kurz raus ... aber denkt nicht, ich höre euch nicht." Sie zwinkerte den Jungs zu, schnappte sich ihre Zigaretten und schon war sie weg. Nepomuk fühlte sich gleich etwas unsicher und stimmte etwas nervöser als sonst seine Violine.

Das bemerkte Bruce natürlich und als die Türe des Raumes sich schloß, ging er zu dem Anderen und seufzte leise, ehe er seine Hand auf die Nepomuks legte. "Du brauchst nicht so nervös zu sein, ich tu dir nichts. Auch wenn ich mich mit den Schlägern angefreundet habe und manchmal einigen Idioten gerne die Fresse poliere, bin ich eigentlich ein friedlicher Mensch und finde dich richtig nett. Sag mal – kann ich dich irgendwie anders nennen ? Deine Eltern haben wirklich einen an der Klatsche, dir so einen doofen Namen zu geben."

Der schlaksige Schwarzhaarige kuckte mit großen Augen zu Bruce auf und wusste erstmal nicht, was er sagen sollte. "Ich ... such dir was aus. Nepi oder Muck ... ich weiß nicht." Bruce war der Erste, der ihn fragte und er wusste keine Antwort darauf, obwohl er die Beispiele, die er nannte, nicht mochte.

Das merkte der Grünäugige auch und seufzte leise, drehte einen der Stühle um und setzte sich umgedreht darauf und zu Nepomuck. "Blödsinn – ich seh dir doch an der Nasenspitze an, daß du die Abkürzungen nicht magst und du hast verdammt Recht. Hm ... Nepomuck. Saublöd das Teil – wie wäre es mit Neo ? Ist nur das drin, das gut klingt und der Blödsinn ist raus."

"Neo ? Das klingt irgendwie ... gut." Nepomuk war sichtlich überrascht und ohne es zu bemerken, stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen. Bruce saß ihm gegenüber und grinste leicht vor sich hin, und kam so doch ganz sympathisch rüber. "Ich dachte, du bist anders ... so wie die Anderen."

"Niemals, Großer. Hey, ich trage Leder, Jeans und Silberschmuck, habe eine grüne Haarsträhne und spiele Klavier ? Die Mischung findest du nirgends, das ist sicher. Und ich habe noch etwas, das mich besonders macht, Neo – ich kann singen." Das Grinsen des Grünäugigen verbreiterte sich noch und er stand auf, neigte sich zu dem etwas Größeren, wisperte ein sanftes "Warts nur ab ... ich denke, ich kann dich überraschen." und lachte leise, klopfte ihm kurz auf die Schulter und setzte sich an das Klavier, um nun geübt und ungehindert durch seinen Schmuck die ersten Aufwärmübungen zu spielen und auszutesten, wie das Klavier gestimmt war.

"Tust du jetzt schon." wisperte Neo und atmete kurz durch, um seine Violine fertig zu stimmen. Danach wachste er den Bogen und fing selber an, seine Finger mit Aufwärmübungen in Gang zu bekommen. Nach zehn Minuten hatte er das durch und blätterte seine Noten auf, um das schwierige Stück zu spielen, das er im Moment einübte. Er sollte es nächstes Wochenende in der Konzerthalle vorspielen, und seine Mutter war da pingelig und duldete keine Fehler.

Bruce hörte ihm eine Weile zu und seufzte, ehe er nickte und miteinstimmte. Er kannte dieses Stück gut und wußte auch, wie schwer es war, denn er hatte es schon zur Genüge üben müssen. "Wieso mußt du dieses dumme Teil üben, Neo ? Deine Eltern ? Oder freiwillig ?" Er hoffte, daß sein Gegenüber ihm antwortete ... denn nur stumm zu üben war ultralangweilig und Bruce wollte ein wenig mehr über den Anderen wissen.

Neo verspielte sich fast, rettete aber noch und antwortete leise. "Ich habe Sonntag eine Aufführung." Er pausierte, als eine besonders schwierige Stelle kam, und sprach dann weiter. "Meine Mutter hat mich da angemeldet." Begeistert war er nicht, aber man sah, daß er das Violinespielen gern mochte. Daß Bruce ihn beim Spielen begleitete, war angenehm. "Du spielst gut."

"Ich weiß ... muß ich auch, mein Alter legt großen Wert drauf, seit ihn meine Mutter überredete. Hat einen simplen Grund – ich soll nämlich die Lieder, die ich singen kann, auch gleich begleiten. Weißt du eigentlich, daß Händel seine besten Stücke für Kastraten schrieb ? Und das, was du gerade spielst, ist so eins. Paß mal auf ..." Das Grinsen von Bruce wurde einen Moment lang breiter, ehe er ernst wurde, weiterspielte und leise zu summen begann, um sich einzustimmen. Dann setzte er im passenden Moment ein und begann, mit reiner, glockenklarer Stimme den Text zu singen, der zu diesem Lied gehörte und lächelte dabei, als er sah, wie Neo sprichwörtlich die Klappe fiel.

Und sich dabei so verspielte, daß eine Seite seiner Violine riss. Er setzte das Instrument ab und schluckte leicht. "Wie machst du das ?" fragte er leise und starrte weiter. Das, was Bruce sang, war keine Kopfstimme, das kam aus dem Kehlkopf.

Jener hörte langsam auf und lachte leise, ehe er wieder aufstand, zu Neo kam und sich wieder auf den umgedrehten Stuhl setzte ... doch diesmal ganz nahe. Dann verschränkte er die Arme auf der Lehne vor sich und legte den Kopf darauf, zuckte mit den Schultern und blickte verschmitzt in die so verwunderten, saphirblauen Augen Neos. "Erklären kann sich das Keiner, aber als ich in die Pupertät kam, ist mein Kehlkopf nicht so geworden wie er eigentlich hätte sein sollen. Ist etwas kleiner, zwar nicht ganz so wie bei einem Kastraten, aber klein genug, um so hoch zu kommen. Aber ich kann auch tief und alles dazwischen – wurmte meinen Alten zwar heftig, aber er mußte das akzeptieren. Und keine Sorge ... bei mir funktioniert noch alles untenrum, ist nur der Kehlkopf, der anders machte als er sollte."

Irgendwie hatte Neo das Gefühl, daß Bruce gerade flirtete, und ihm stieg deswegen die Hitze in den Kopf. "Ich hätte auch nicht gedacht, daß du ....Kastrat bist, oder daß da was nicht funktioniert." Das wollte er als Erstes aufklären und sein Blick fing sich unbewusst in den Augen seines Gegenübers, denn dessen Gesicht war nur knappe 20 Zentimeter von seinem entfernt. "Ich kann nur Violine spielen."

"Hey, das 'nur' will ich jetzt aber nicht gehört haben, Okay ? Das Ding ist sauschwer, ich habs probiert und gleich wieder weggelegt, gab Probleme mit den Ringen. Beim Klavier gehts, aber das fieselige Zeug da ? Übel, du hast meinen vollen Respekt, daß du das Teil so spielen kannst. Hast du eigentlich auch noch was anderes drauf ? Oder nur das klassische Zeug, daß deine Eltern hören wollen ?" Es stimmte – Bruce flirtete wirklich, denn er hatte inzwischen gemerkt, daß sein Gegenüber zumindest ein ganz klein wenig Interesse zeigte.

Sicher war Interesse da, denn Bruce war der Erste, der sich ehrlich für ihn interessierte. "Ist Okay." erwiderte er auf die ersten Worte und überlegte kurz, was er auf die andere Frage sagen sollte. "Ich kann schon anderes, aber ich bin da nicht so geübt, weil ich das nicht so oft spielen kann. Meine Eltern meinen, eine Violine ist nur für Klassisches gebaut." Nebenher fingerte Neo an seiner Violine herum und wendete den Blick von Bruce ab, um eine neue Seite aus dem Violinkoffer zu ziehen. Er spannte sie gekonnt ein und schnitt den überstehenden Draht mit einer kleinen Zange ab. "Spielst du oft was anderes ?"

"So oft ich kann – ich mag Pop und Rock viel lieber. Obwohl ich zugeben muß, daß mir das Klassische irgendwie auch gefällt, aber eben nicht so. Ist es dir unangenehm, wenn ich so nahe bin, Neo ? Ich weiß, daß du nicht der Typ bist, der mir die Faust ins Gesicht schlägt, wenn ihm was nicht paßt – also frage ich lieber nach. Und keine Sorge, ich bin kein Plappermaul ... alles, was zwischen uns beredet wird, bleibt auch zwischen uns. Ich weiß wie es ist, wenn man aufpassen muß, was zu den Eltern durchdringt." Bruce wußte nicht, was es war, das ihn an diesem Schüler faszinierte ... der Andere schien zu schnell gewachsen zu sein und wirkte mit den langen Beinen und Armen sehr schlaksig, doch die breiten Schultern und eher schmaleren Hüften waren Anlagen für einen herrlichen Körper. Und die kornblumenblauen Augen zusammen mit dem schon jetzt maskulinen Kinn waren eine verdammt anziehende Kombination, der Bruce nicht widerstehen konnte. Er hoffte nur, daß Neo nicht zu den Kerlen gehörte, die Schwule verachteten – denn dann wäre die Freundschaft, die sich hoffentlich zwischen entwickeln würde, schon zum Scheitern verurteilt.

Neo lief rot an und schüttelte den Kopf. "Nein, ist es nicht, ich bin das nur nicht gewöhnt. Normal macht alles, was in meinem Alter ist, einen großen Bogen um mich. Du bist der Erste, der überhaupt was mit mir zu tun haben will." Neo meinte das durchaus ernst und legte die Violine jetzt auf seinen Schoß. "Und keine Sorge, ich sag Keinem, daß du auf die Jungs stehst."

"Gut beobachtet ... eigentlich merkt das Keiner außer denen, die ebenfalls Interesse haben. Danke dir ... ich mag dich gern und bin froh, daß ich dich nicht verprügeln muß, damit du dicht hältst. Auch wenn ich es kann, ich tus nicht gern. Obwohl es schade ist, daß ich der Erste bin – oder soll ich froh darum sein ? Dann habe ich dich ganz für mich allein." Bei dem Letzteren grinste Bruce wieder breit und lachte schließlich leise, während er Neo weiterhin betrachtete.

Und zusehen konnte, wie der Blauäugige rot wie eine Tomate wurde. "Ich ... weiß nicht." stammelte er heraus und man sah, daß er eigentlich kein Selbstbewusstsein hatte. "Was findest du denn an mir ?" Er verstand es nicht und wollte das schon irgendwie gern wissen.

"Hmmm ... was ... vielleicht, daß du verdammt gute Anlagen für einen herrlichen Körper hast ? Oder daß du so zurückhaltend bist, ohne dumm oder eingebildet zu sein. Oder deine verdammt schönen Augen, Neo, das Blau ist irre. Oder weil einfach nur die Chemie stimmt, ich mag dich. Jep – ich mag dich." Und kaum endete Bruce, erhob er sich ein wenig und küßte sein Gegenüber, ehe er sich wieder hinsetzte und mit einem genießenden Laut über seine Lippen leckte.

Das ganze Geschehen warf Neo nun vollkommen aus der Bahn, und er konnte kaum noch denken. Zum Einen die Worte, die wirklich ehrlich gemeint waren ... aber dann kam dieser Kuss, der nicht sehr lang gewesen war, aber eine Wirkung auf Neo hatte, die ihm einfach nur die Sprache raubte. Der Blauäugige berührte mit den Fingern seine Lippen und die Röte breitete sich bis zu seinem Schlüsselbein aus. Er musste zugeben, daß sich der Kuss einfach nur irre gut angefühlt hatte.

"Du schmeckst gut, Neo – und mir scheint, daß es dir auch geschmeckt hat. Lust auf mehr ? Ich schon ..." Bruce sah nur zu gut, daß die Röte Neos sich auch auf dessen Hals und weiter herab bezog ... und ein Blick zu dessem enger werdenden Schritt ließ sein Lächeln genießend werden. Angst über Entdeckung hatte er nicht – denn er konnte nur zu gut durch das offene Fenster hören, wie die Musiklehrerin sich mit dem Sportlehrer ähnlichen Dingen widmete.

"Ich ... weiß nicht." stammelte Neo nur wieder und versuchte, tief durchzuatmen. Er hatte Angst davor, entdeckt zu werden, denn als Schwuler hätte er es hier an der Schule noch schwerer als eh schon, und seine Mutter würde es irgendwie erfahren. Dann war wirklich die Hölle los, das war zu 100 Prozent sicher. Seine inneren Wünsche drängte Neo zurück, denn eigentlich wollte er noch einmal so einen Kuss auskosten.

Das Dilemma kommte man ihm jedoch nur zu deutlich ansehen und Bruce seufzte leise, stand ein weiteres Mal auf und nahm Neo behutsam die Violine und den Bogen aus der Hand, legte sie vorsichtig zur Seite und kam nun ganz dicht zu dem noch immer Sitzenden. Einen Moment lang zögerte er noch – doch dann neigte er sich zu ihm, küßte ihn hemmungslos und legte dabei die Arme um dessen Nacken, während er seinen Körper eng an ihn drängte. Erst, als ihnen die Luft ausging, löste Bruce den Kuß wieder und keuchte leise, ehe er an das Ohr Neos wisperte. "Keine Sorge – von mir erfährt Niemand was und ich weiß gut, wie man unentdeckt bleibt. Denn wenn mein Alter das erfährt, prügelt er mich krankenhausreif, und das ist kein Scherz. Aber ich kann und will mich nicht ändern ... und wenn das bedeutet, daß ich es nicht offen zeigen kann, dann ist es eben so. Und bei dir ist es das Gleiche, nicht wahr ? So brauche ich keine Sorge darum haben, daß du mich verpfeifst."

In Neo wütete ein richtiger Wirbelsturm an Gefühlen. Er wusste selbst, daß er sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlte, aber er hatte diese Seite nie an Licht geholt und hätte es wahrscheinlich auch nicht, wenn da nicht Bruce wäre, der sie geradezu herauslockte. Der zweite Kuss war einfach umwerfend gewesen und der Körper, den er an seinem fühlen konnte und noch immer fühlte, war ebenso umwerfend schön. "Ja, das Gleiche ... aber ich hab noch keinerlei Erfahrung. Ich weiß wirklich nicht, was du an mir findest, auch wenn du es mir schon gesagt hast."

"Na, dann sei doch einfach froh darum und denke nicht weiter darüber nach, Neo. Und mach dir keine Sorgen mit der Erfahrung, ich habe genug und du kriegst sie schon." Dann küßte Bruce ihn ein weiteres Mal so heftig und lächelte, als er sich löste, umdrehte und zum Fenster ging, um vorsichtig runterzusehen. Wie er es sich schon gedacht hatte, war der Sportlehrer forsch genug, die Musiklehrerin zu überreden und zog sie schon zur Turnhalle – so hatten sie mindestens eine Viertelstunde, ehe sie überhaupt in der Lage war, zurückzukommen. "Okay – die Lehrerin ist mit dem Koloss in der Turnhalle und sie sind eine Weile beschäftigt." Leise lachend, schüttelte Bruce amüsiert den Kopf und ging zur Türe des Musikzimmers, sperrte sie ab und blickte mit sich schon verdunkelnden Augen auf Neo, der noch immer auf seinem Stuhl saß, ehe er wieder zu ihm kam, vor ihm auf ein Knie ging und die Fingerspitzen über dessen Schritt streichen ließ. "Lust, ein wenig Erfahrung zu sammeln ?"

Selbst, wenn Neo einen Rückzieher hätte machen wollen, sein Körper sprach für sich und reagierte auf das, was Bruce tat. Schließlich war auch Neo ein Teenager und kämpfte Tag für Tag mit seinen Hormonen, die jetzt Überhand nahmen. Kaum hatte der Blauäugige genickt, fühlte er die Hände von Bruce, die seine Hose öffneten und das taten, was er sonst immer selber tat.

Doch nicht nur das – er legte die Finger um dessen erwachende Härte und neigte sich darüber, nahm sie in seinen Mund und begann damit, ihn nach allen Regeln der Kunst mit dem Mund zu verwöhnen, während seine Hände ebenfalls nicht untätig blieben. Bruce genoß es sichtbar, dies zu tun – und er würde die kurze Zeit, die ihnen blieb, gut nutzen.

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