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”Das Spukschlößchen” 04
 

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Als sie aufhörten, dämmerte es schon. Zwar war es nicht so spät, aber im Herbst wurde es früher dunkel und Emile wollte auch nicht zu lange bleiben, weil er Frau Tannenhofer am Morgen noch gesagt hatte, daß er in der Pension zu Abend aß. "Ich muss dann los ... du bringst mich zurück, oder ?"

"Nun ... eigentlich nicht ich, sondern Rainer. Ich habe leider keinen Autoführerschein und auch, wenn ich die Polizisten alle von Kindheit an kenne, in dieser Hinsicht dürfen sie keine Ausnahme machen und ich verstehe das. Für die Vespa brauche ich keinen Führerschein ... sie ist nicht schnell genug, als daß ich einen machen müßte. Warte, ich bringe dich runter – Rainer dürfte in der Küche sein und auf uns warten." Noch während er sprach, stand Adalrich auf und lächelte, ehe er sich bei Emile unterhakte und mit ihm zurück in die Küche ging.

Dort wartete, wie erwartet, Rainer und schmierte sich schon mal ein Brot, das er dick mit Schinken belegte. "Na, habt ihr euch gut amüsiert ? Ich hatte beim Holzhacken Blicke gefühlt, die mich regelrecht ausgezogen haben. Ich denke, die waren von dir Adi, oder ?" Emile traute er das nicht zu, dafür war er - was so etwas anging - viel zu anständig. "So ein anständiger Kerl wie Emile macht sowas nämlich nicht."

"Aber ich bin auch anständig ? Das weißt du doch, Rainer ..." Sicherlich wußte der schlanke Braunhaarige, daß er dem Blonden gerne beim Arbeiten zusah, doch auch wenn er den Anblick genoß, so hatte er dabei niemals unziemliche Gedanken. Er schämte sich dafür, daß dieser so etwas von ihm denken konnte – und kam dabei nicht darauf, daß Rainer ihn frotzelte, selbst in den über tausend Jahren seines Lebens hatte er das noch immer nicht verstanden.

"Ach Schnubi, ich mach doch nur Spaß." wisperte Rainer und streichelte Adi kurz über die Wange. "Du lernst es auch nicht mehr, das zu unterscheiden, Hm ?" Dann bekam der Geist noch einen Kuss auf die Stirn und Rainer biss in seine Schinkenstulle. Das mitzuerleben, war auch etwas für den Schwarzhaarigen, der alles mit einem sachten Lächeln auf den Lippen beobachtete.

Adi seufzte leise und lächelte dann, ehe er ein leises "Jep." nachsetzte und ihm noch ein Glas Wasser einschenkte, ehe er eine Flasche Bier von der Bierkiste in der Vorratskammer nahm, um es in den Kühlschrank zu stellen. Natürlich würde er ihm niemals ein Bier anbieten, wenn er noch fahren mußte ... und er wußte inzwischen, daß Emile keines haben wollte, denn er hatte ihn vorher schon gefragt.

Rainer futterte sein Brot auf und trank das Wasser hinterher. Emile wartete geduldig und hetzte nicht, denn Rainer hatte hart gearbeitet und brauchte die Stärkung. "Ich bringe dich gleich zurück, und soll ich dich Morgen abholen ?" fragte der Blonde ihren Gast und Emile überlegte kurz. "Wenn das ginge, wäre ich sehr froh. Ich hoffe, ich belästige euch nicht zu sehr mit meiner Anwesenheit ?"

Der schlanke Geist war einen Moment lang viel zu verdutzt, um zu antworten – doch das laute Abstreiten Rainers sprach Bände und er seufzte leise, ehe er wieder zu Emile ging, ihn von hinten umarmte und das Kinn sanft auf dessen Schulter legte, auch wenn noch zweifingerbreit Platz zwischen ihnen blieb. "Im Gegenteil – wie du siehst und hörst, ist Rainer mehr als nur froh, daß ich mit dir abgelenkt werde und er für eine Weile seine Ruhe hat. Ich hoffe, es ist dir nicht zu mühselig, immer herkommen zu müssen ?"

Rainer war etwas rot im Gesicht und überspielte seine Verlegenheit, indem er sich lieber noch ein Glas Wasser einschenkte. "Nein, das ist nicht zu mühselig. Ich fahre gern herum, und der Weg von der Pension bis hier ist ja nicht so arg weit." Emile wusste es zu schätzen, daß Adi sich ihm zwar näherte aber dabei so diskret blieb wie jetzt. "Wir sollten dann fahren. Es ist gleich sechs und Oma macht um die Zeit das Abendbrot fertig." warf Rainer nun ein und stellte das Glas, welches er eben noch ausgetrunken hatte, auf die Ablage.

"Das stimmt – wir sollten sie nicht warten lassen." Mit den Worten löste sich Adi wieder und schwebte vor Emile, umarmte ihn kurz und küßte ihn sanft auf die Wange, ehe er noch ein leises "Bis Morgen, Emile" wisperte und dann völlig verschwand. Er mochte Abschiede nicht, sie machten ihn immer melancholisch ... und so setzte er sich lieber wieder in die Bibliothek, hörte ein wenig Musik und las in seinem Buch weiter, um sich abzulenken.

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In der Pension seufzte Emile zufrieden. Er hatte eine Riesenstory an Land gezogen, und jetzt nach dem Abendessen einen vollen Bauch, der ihn im Moment ein wenig träge machte. Allerdings dachte er noch über Adi nach, der Geist war sicher noch geknickter als vorher, weil Rainer nicht - wie versprochen - gleich zum Schlösschen zurückgefahren war, sondern noch etwas dringendes in der nächsten größeren Stadt erledigen musste. Scheinbar war einer seiner Bekannten in Schwierigkeiten, und nach dem musste er jetzt sehen. "Denke, das steckt Adi schon weg." wispernd, öffnete Emile seinen Laptop und nahm das Aufnahmegerät hervor, um die Fakten abzutippen, die er Heute bekommen hatte. Adi war wirklich einmalig auf der Welt, und der Geist hatte sich irgendwie in sein Herz geschlichen.

Und genau dieser Geist legte sein Handy auf die Seite und seufzte leise auf. Rainer hatte ihn gerade angerufen und Bescheid gegeben – er war ihm nicht böse, im Gegenteil verstand er ihn sogar und wünschte ihm viel Glück. Aber aus dem Grund würde der Blonde für einige Tage wegbleiben und als Adi seinen Blick schweifen ließ, merkte er wieder, wie einsam er eigentlich war. Und genau hier kam ihm der junge Parapsychologe, der Heute hier gewesen war, in den Sinn ... er mochte Emile und dessen ruhige Art, er faszinierte ihn und schließlich faßte Adi einen Entschluß und lachte leise, als er durchscheinend wurde und einfach durch die Mauern schwebte. Er könnte auch die Vespa nehmen, doch so ging es schneller und es dauerte nicht lange, bis er an der Pension ankam und vorsichtig durch ein Fenster schwebte. Emile schien unter der Dusche zu sein und so setzte sich Adi auf das Bett und wartete mit einem scheuen Lächeln.

Nach einer halben Stunde abtippen hatte Emile sich in das Bad begeben und duschte ausführlich und gründlich. Danach wollte er noch ein wenig weitermachen und dann ins Bett krauchen, um sich auszuschlafen, weil er Morgen wieder zum Schlösschen wollte. Als er aus der Dusche raus war, putzte er sich noch gründlich die Zähne und nahm dann die kleine Tasche, um damit zurück ins Zimmer zu gehen. Kaum war er durch die Tür und schaltete das Licht an, erschrak er sich halb zu Tode, weil Adi auf seinem Bett saß. Die kleine Tasche flog quer durch den Raum und Emile stützet sich mit schnell schlagendem Herzen an der Tür ab. "Oh Gott, hast du mich erschreckt !"

Als Emile sich so erschreckte, schrak auch Adi zusammen und keuchte leicht – doch dann schwebte er auf und kam zu dem Franzosen, stützte ihn vorsichtig und führte ihn zum Bett, ehe er die Türe zumachte und die Tasche auf die Anrichte stellte. "Ist alles in Ordnung ? Ich wollte dich nicht erschrecken, ich dachte nur ... bitte verzeih."

"Ja, schon gut ... mein Herz schlägt schon wieder langsamer." Emile war aber noch etwas blass und setzte sich erstmal aufs Bett. "Ich hab nicht mit dir gerechnet." Wahrscheinlich war Adi gekommen, weil Rainer in die Stadt musste.

"Rainer ist weg, einem Freund helfen ... und ich dachte mir, ich sehe mal nach dir, Emile. Ich wollte dich nicht erschrecken, ich ... das ist die Narbe, nicht wahr ? Sie ist schon alt und verblichen, aber man sieht sie noch immer." Noch während er sprach, setzte Adi sich neben den Schwarzhaarigen und hob langsam die Hand, verhielt mit den Fingerspitzen einen Hauch über der narbigen Haut und schluckte leicht, da er nicht wußte, ob er weitergehen durfte. Denn nun war kein Stoff dazwischen und Emile hatte unter dem Bademantel nichts an, so daß die Situation sich völlig veränderte.

"Ja, das ist sie." Emile blickte hinab zu seiner Narbe und berührte sie selber mit den Fingerspitzen. Als er wieder zu Adi blickte, sah er dessen Blick und nickte sacht. "Okay, du kannst sie anfassen, wenn du magst." Die Finger des Geistes zuckten fast schon, weil er unbedingt anfassen wollte.

Doch nicht nur deshalb – es juckte ihn buchstäblich in den Fingerspitzen, mehr von Emile zu berühren, doch Adi beherrschte sich, so gut es ging und legte die Spitzen zweier Finger auf die dünne, doch fühlbare Narbe. Als er sich dafür öffnete, sah er erneut die Geschehnisse von damals ... und es traf ihn wieder so tief, so daß sich eine Träne von den langen Wimpern löste und schimmernd über seine Wange rann, als er die Augen schloß.

Wegen diesen Tränen nahm Emile die Hand des Geistes und nahm sie von der Narbe weg, denn die verursachte diese Traurigkeit in Adi. "Mach das nicht. Die Zeit ist vorbei, ich lebe noch, und das ist alles, was wichtig ist." Er meinte dieses Nachfühlen und lächelte sanft. "Die Tränen passen irgendwie nicht zu dir."

"Mehr, als du ahnst, Emile ... auch das ist etwas, das mich von den anderen Geistern unterscheidet, sie haben die Fähigkeit verloren, zu weinen. Auch wenn meine Tränen verschwinden, sobald sie meinen Körper verlassen, so sind sie doch echt – und zeigen, daß ich noch dazu fähig bin, zu fühlen. Ich sorge und kümmere mich gerne um Menschen, es ist das, was mich jung und hier hält ... und ich sorge mich auch um dich, denn ich mag dich sehr gerne, Emile." Auch wenn noch immer Tränen über die Wangen Adis perlten, so waren sie doch anders – denn nun leuchteten die Augen des schlanken Geistes und er lächelte, denn gerade im Moment wollte sein Herz überfließen, da der junge Franzose seine Hand noch immer in den Seinen hielt.

Eine Tatsache, die Emile erst jetzt bemerkte und er lächelte verlegen, als er seine Hand langsam und vorsichtig von der des Geistes löste. "Es ist schön, daß du so bist. Auch das macht dich einzigartig." Adi war wirklich mehr als nur faszinierend und schlich sich mit seiner unschuldigen Art immer tiefer in das Herz von Emile. So sehr, daß er den Geist einfach nur einige Momente ansehen musste.

Und dies war wiederum etwas, das den schlanken Braunhaarigen ein klein wenig verwirrte und auch ein wenig mit Hoffnung füllte. Denn auch wenn Emile die Hand weggenommen hatte, so wich er doch nicht zurück oder wandte den Blick ab – und Adalrich begann noch ein wenig mehr zu lächeln, während ein sachtes 'Ich glaube, er mag mich ... er mag mich.' durch die Gedanken des Geistes geisterte.

Da lag er richtig. Emile mochte den quirligen und doch schüchternen Geist ziemlich gern. Vielleicht war es gerade diese Mischung von Unschuld und Offenheit, die ihn so schnell sympathisch machte. Gerade jetzt strahlte Adi wie eine Sonne und die Tränen auf seinen Wangen waren verschwunden. "Irgendwie mag ich dich."

'Ja ! Er mag mich !' Gerade im Moment dachte Adi, er müßte vor Freude platzen und lachte schließlich auf, warf die Arme um den Nacken des Schwarzhaarigen und küßte ihn sanft auf die Wange, ehe er sich wieder ein wenig löste und ihn anstrahlte. "Das ist schön, Emile ... ich mag dich auch, sehr, sehr gern. Darf ich vielleicht heute Nacht bei dir bleiben ? Dann wären wir Beide nicht so allein."

"Öhm ..." kam es nur von dem Schwarzhaarigen und er blickte in die Hundewelpenaugen von Adi. Irgendwie sah er wirklich aus wie ein Welpe, die Augen waren so hoffnungsvoll und groß, daß man ihnen nichts abschlagen konnte. ‚Wenn ich jetzt Nein sage, fängt er bestimmt an, zu heulen.' "Vielleicht nicht die ganze Nacht, Okay ?" So sagte er nicht Nein und auch nicht ganz zu.

Doch das war mehr, als Adi erwartet hatte und er lachte wieder auf, drückte den jungen Parapsychologen übermütig an sich und lachte leise, ehe er ein freudiges "Danke, danke, danke ! Das ist herrlich, ich freue mich so. Möchtest du denn noch ein wenig reden ? Oder lieber schlafen ? Und keine Sorge, ich halte mich zurück." ausrief. Er wußte, daß er sich ein wenig zurückhalten mußte ... doch es war schwer und er hatte ein wenig Mühe, das zu tun.

Das wusste Emile auch, man sah es an den Händen von Adi, denn die versuchte er irgendwie still zu halten und schaffte es doch nicht. "Ein wenig reden vielleicht, ich bin noch nicht müde. Aber erst ziehe ich mir was an, Okay ?"

"Natürlich, Emile. Wenn ich darf, dann würde ich gern ein wenig in deinen Aufzeichnungen lesen ? Ich bin neugierig." Noch während er sprach, löste Adi sich und schwebte ein wenig weg, ehe er wieder stofflich wurde und sich an den kleinen Tisch setzte, an dem der Laptop des Schwarzhaarigen stand.

"Kannst du gern machen. Du kennst dich ja aus mit Computern." Emile vertraute darauf, daß Adi nichts kaputtmachte und war ganz froh darüber, weil er sich so unbeobachtet umziehen konnte. Als Adi seine Nase in den Laptop steckte, legte Emile seinen Schlafanzug heraus, schlüpfte aus dem Bademantel und dann in seine Schlafsachen.

Der schlanke Geist nickte nur und suchte ein wenig herum – doch dann stockte er, weil er im Fenster nur zu deutlich sehen konnte, wie sich Emile umzog. Adi genoß es einen Moment, doch dann konzentrierte er sich und ließ das Fenster ein wenig beschlagen, so daß die Spiegelung verschwand, ehe Emile sie bemerkte. Er konnte aber nicht verhindern, daß ein leichter, roter Schatten auf seinen Wangen erwachte und sie rosig färbte, während er sich nun in die Notizen vertiefte, die Emile geschrieben hatte.

Emile hätte sich wahrscheinlich zu Tode erschreckt, wenn er bemerkt hätte, daß Adi ihn durch die Spiegelung im Fenster beobachtet hatte. Als er fertig war, strich er noch seinen Schlafanzug glatt und kam zum Tisch, um sich dort aufzustützen, damit er über Adis Schulter sehen konnte, was er gerade las. "Ich hoffe, das ist okay so ?"

Für einen kurzen Moment erschauerte der schlanke Geist, als sich Emile so über ihn neigte, doch dann fing er sich wieder und lehnte sich ein klein wenig zurück, so daß er den sanften Herzschlag am Hals Emiles an seiner Wange und Schläfe fühlen konnte. "Das ist wundervoll, Emile ... du bist ein wunderbarer Erzähler und ich bin sicher, daß du auch sehr gut im Bücherschreiben bist. Ich freue mich darauf, weiterhin mit dir zu reden und das zu lesen, das du schreibst."

"Das wäre schön und du kannst immer lesen, wenn du magst. Es geht ja um dich, Hm ?" Emil lächelte sanft und bemerkte erst jetzt einen sachten Duft. "Du riechst ja nach Lavendel ... ist das immer so, oder wie ?" Geister rochen für gewöhnlich nach nichts, oder wie eine kalte Winterbrise.

Das Kompliment ließ den schlanken Geist noch ein wenig mehr erröten, denn er wußte, daß auch das ungewöhnlich war. "Ja, bei mir schon ... ich habe den Geruch von Lavendel und Veilchen schon immer gern gemocht und er blieb auch an mir, als ich ein Geist wurde. Es ist merkwürdig, keiner der Geister, denen ich begegnet bin, hatte so etwas. Viele stanken nach verrottendem Fleisch oder nach Rauch, Gewitter oder einfach nur nach Eis und Schnee. Stört es dich ?" Adi glaubte es nicht, da Emile noch immer so nahe war und über ihn geneigt blieb, doch er wollte lieber nachfragen.

"Nein, tut es nicht, es riecht angenehm." erklärte Emile und richtete sich jetzt wieder auf, weil er auf längere Zeit ungern so gebeugt dastand. "Ach ja, könnte ich bei euch wohnen ? Ich möchte Frau Tannenhofer nicht so viel Arbeit machen, obwohl ich sicher bin, daß sie das gern macht, weil sie ja die Pension führt." Eigentlich brachte er die alte Dame um das Geld, aber es wäre leichter, wenn er im Schlösschen wohnte, dann musste er nicht immer hin- und herfahren. "Ich zahle auch dafür."

Doch Adi nahm ihm die Entscheidung ab und stand auf, ging zu dem Schwarzhaarigen und lächelte, als er ihm sanft über die Wange streichelte. "Mach dir darüber keine Sorgen, Elsbeth geht es gut, sie kriegt eine sehr hohe Pension von mir. Und ich denke, sie hat schon mit dem Gedanken gespielt, daß du im Schloß wohnen solltest, denn sonst hätte sie dich nie zu mir gebracht. Es wäre mir eine Ehre, wenn ich dir für die Zeit, die du möchtest, ein Zimmer in meinem kleinen Schloß anbieten kann." Er würde sich sehr freuen, wenn Emile im Schloß bleiben könnte ... denn dann könnte er immer in seiner Nähe sein.

Daß die alte Dame da abgesichert war, ließ Emile leise aufschnaufen. "Ich würde gern annehmen. Ist es dir recht, wenn ich Morgen mit meinen Sachen komme ?" fragte er wieder höflich nach, denn er war immerhin Gast. "Ich danke dir, daß ich im Schloss wohnen darf, es erleichtert mir vieles."

Adi nickte nur und schmunzelte, ehe er seine Fingerspitzen kurz durch das noch leicht feuchte, schwarze Haar des Franzosen spielen ließ. "Gern. Am Besten holen wir uns Morgen ein Taxi, dann können wir dein Gepäck gleich mitnehmen. Der junge Alex wird noch eine Weile mit deinem Auto brauchen, aber er ist gut und gründlich."

"Das ist gut. Ich will meinen Wagen noch eine Weile behalten und ich hoffe, er bekommt ihn wieder flott." Daß Adi mit seinem Haar spielte, störte Emile nicht ... er sah, daß der Geist die langen Haare mochte und so ließ er ihn machen. "Du magst lange Haare, oder ? Frau Tannenhofer hatte es erwähnt, weil Rainers Haare wieder so lang geworden sind."

Als ihn Emile darauf ansprach, stockte Adi einen Moment – doch dann nickte er und hob zwei der dunklen Strähnen an seine Nase, atmete den leicht feuchten Shampooduft ein und lächelte, als er den Blick wieder hob. "Ja, sogar sehr ... schon immer. Zu meiner Zeit war es oft so, daß die Männer ihre Haare zu einem Pagenkopf schnitten, da es unter den Helmen am Bequemsten war – manche schnitten es kürzer, doch manche ließen es länger wachsen. Prinz Wolfhard hatte einen sehr ungewöhnlichen Schnitt ... die Seiten und oben kürzer, doch hinten ließ er es lang wachsen und band es sich mit einem Stück Leder fest zusammen. Ich liebte es, ihm des Abends das Leder abzunehmen und seine Haare zu kämmen ... und sie in der Frühe für ihn zu waschen, erneut zu kämmen und dann das Lederband um seine Haarpracht zu schnüren. Er stand ihm und viele neideten ihm seine Pracht – sowohl Männer wie auch Frauen. Und er mochte es, daß auch ich lange Haare hatte, er verbrachte sehr viel Zeit damit, mein Haar zu genießen." Gerade das Letztere war etwas, das er nicht vielen Menschen gesagt hatte ... doch Adalrich dachte, daß Emile es wissen sollte.

Also war Adi ein kleiner Haarfetischist, und Emile war versucht ihn zu fragen, ob er Morgen sein Haar kämmen wollte. Aber das war auch etwas intimes, und soweit wollte der Franzose noch nicht gehen. "Erzählst du mir Morgen noch mehr von ihm ? Außer, es schmerzt dich, darüber zu sprechen."

"Nein, das ist schon in Ordnung ... ich erzähle dir gerne von ihm. Doch nun sollten wir uns hinlegen, ich sehe dir doch an der Nasenspitze an, daß du hundemüde bist und mir bald wegkippst." Adi bekräftigte seine Aussage noch mit einem leichten Stubs an die Nasenspitze Emiles, ehe er auf das breite Bett nickte und mit einem kurzen Moment der Konzentration seine Kleidung in ein feines, fast schon schleierartiges, dunkelviolettes Gespinst wandelte, das seinen mit einem Slip bedeckten Körper durchscheinen ließ und dennoch gut verhüllte.

Das Ganze beobachtete Emil mit sichtlicher Faszination, und er war sehr zufrieden mit dem Ergebnis. "Schaut schick aus, es steht dir." rutschte ihm heraus und er war einen Moment verlegen, weil er den Geist etwas zu lange angesehen hatte.

Doch es machte Adi nichts aus, im Gegenteil – mit einem sanften Lachen drehte er sich ein wenig, so daß seine langen Haare frei über den weichen, durchscheinenden Stoff wallten, der fast die Form einer Robe hatte. Trotz der langen Ärmel war das Kleidungsstück zur Taille hin enger geschnitten und wallte darunter bis zum Boden, während ein schmaler Ausschnitt den Blick bis zum Nabel hin freigab. "Gefällt es dir ? Es ist sehr bequem und ich trage es sehr gerne ... Rainer meint auch, daß es mir steht."

"Ja, das ist sehr schön, es passt total zu dir." erklärte Emile und nickte nochmals. "Wie machst du das eigentlich mit der Kleidung ? Also du kaufst ja auch welche, aber die verschwindet doch nicht, wenn du verschwindest, oder ?" So ganz verstand er das noch nicht, daher stellte er auch wieder neugierig seine Fragen.

Währenddessen schwebte Adi auf das Bett und legte sich auf die eine Seite, während er sanft lächelnd auf die freie Fläche klopfte. "Komm erstmal her, Emile ... und wegen der Kleidung ? Nun – ja, ich kaufe sie mir oder bekomme sie geschenkt. Wenn ich sie einmal angezogen habe, kann ich sie an mir entstehen oder verschwinden lassen, aber frage mich nicht, wie es genau funktioniert. Sie verschwindet aus meinem Schrank und entsteht an meinem Körper ... und andersherum. Vielleicht liegt es daran, daß sie zu dem gleichen Stoff wird, aus dem auch ich bin – oder so ? Ich kenne mich leider damit überhaupt nicht aus. Es funktioniert aber nicht nur mit Kleidung, sondern auch mit meinen Schlüsseln, dem Handy oder meinem MP3-Player ..." Wie um seine Worte zu beweisen, ließ Adi den MP3-Player in seiner Hand erscheinen und gab ihn Emile, während er sich zu ihm wandte und ihn freudig anlächelte.

Der Franzose blickte auf das kleine Gerät und wirkte doch ziemlich erstaunt. "So etwas hab ich echt noch nie erlebt. Andere Geister tragen das, was sie bei ihrem Tod trugen. Aber daß du selbst die technischen Sachen anpassen kannst, ist schon verrückt." Als Nächstes blickte er wieder zu Adi und schluckte leicht. Der Geist lag da wie die Sünde pur und wusste es wahrscheinlich nicht einmal.

Und genau das war auch der Fall – auch wenn Adi in seinem langen Dasein als Geist sehr, sehr viele Männer gehabt hatte, so blieb ihm dennoch eine schon fast widersprüchliche Unschuld, die er schon zu seinen Lebzeiten besessen hatte. Bei den Worten Emiles schmunzelte er jedoch und lächelte schließlich ein wenig verlegen, während er eine der langen Ponysträhnen hinter sein Ohr strich. "Es war auch nicht einfach ... ich bin ehrlich, nach einigen Jahren wollte ich einfach mal etwas anderes anziehen und probierte so lange, bis es mir schließlich gelang. Wie auch das Stofflichwerden ist es eine Sache der Konzentration – je mehr Übung ich bekam, desto leichter wurde es. Aber bei anderen Dingen wie einer Schreibfeder oder einem Buch wurde es schon schwerer ... für solche Dinge brauchte ich ziemlich lange, aber auch hier war es die jahrhundertelange Übung, die mir half. Erst die neueren, technischen Dinge waren schwer für mich – aber auch eine Herausforderung, und je mehr ich mich mit ihnen auseinandersetzte, desto besser ging es. Wobei Rainer schon ziemlich schimpfte, als ich vier Handys unbrauchbar machte." Gerade das Letztere war ihm sehr peinlich und das sah man auch an den leicht roten Wangen Adalrichs.

"Übung macht den Meister." Mehr sagte er dazu eigentlich nicht, weil er Adi aufmuntern wollte. Emile gab den MP3-Player zurück und kam - nachdem er das große Licht ausgeschaltet hatte - in das Bett, um sich dort zu Adi zu legen, der sein Versprechen hielt und nicht zu aufdringlich wurde. "Gute Nacht."

"Gute Nacht, Emile." Adalrich neigte sich nur noch ein wenig vor, um ihm einen sanften Kuß auf die Wange zu hauchen, ehe er sich wieder zurücklegte und auf der Seite blieb. Auch wenn Geister normalerweise nicht schliefen, der schlanke Braunhaarige hatte es sich über die Jahrhunderte angewohnt und fiel auch jetzt in einen tiefen Schlaf, denn er vertraute Emile und genoß es, wieder einmal neben einem warmen, atmenden Menschen ruhen zu können.

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