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”Das Spukschlößchen” 02
 

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Derweil wurde Rainer immer unruhiger und er hoffte, daß Adi jetzt mal da blieb, wo er war, und nicht schon wieder irgendwo herumgeisterte, wo er was mitbekam, was er noch nicht sollte, nämlich bei ihm. Daß die Oma Tannenhofer kam, war kein Problem - aber daß sie einen jungen Mann mitbrachte, war ein großes Problem. "Ich hoffe, er sieht nicht zu gut aus, sonst bin ich verratzt." Schon jetzt hatte er das schwärmen, seufzen und später heulen in den Ohren.

Er brauchte sich jedoch zumindest jetzt keine Sorgen machen, denn der nur halbstoffliche Geist schwebte in seinem Lieblingssessel, hörte die neuesten Songs mit seinem MP3-Player und las dabei einen Fantasy-Roman, der ihn immer wieder einmal schmunzeln ließ und ihn erfolgreich fesselte. Im Auto konzentrierte sich die alte Frau auf die Fahrt und als es ein wenig holperiger auf dem nur mit Kies gesicherten Weg wurde, entschuldigte sie sich dafür bei ihrem jungen Gast. "Bitte verzeihen sie, daß es nun so holprig wird – aber es ist besser, wenn der Weg zum Schloß nicht geteert ist, sonst entdecken ihn zuviele neugierige Autofahrer oder Wanderer."

"Das kann ich gut verstehen, Frau Tannenhofer. Gerade solche Wege schrecken viele Autofahrer ab, und es weisen ja auch keine Schilder darauf hin, daß hier ein kleines Schloss ist." In Emile stieg die Spannung, aber er blieb geduldig, weil er die alte Dame nicht hetzen wollte. Dann kam versteckt zwischen alten Bäumen ein kleines Türmchen zum Vorschein, und dann das ganze, kleine Schlösschen. "Das ist ja wunderschön." Es war wunderbar erhalten und irgendwie passte der Anblick der Satellitenschüssel nicht ganz dorthin, aber es machte alles doch irgendwie sympathisch. Innen horchte Rainer auf und beeilte sich, nach draußen zu kommen, als er den Wagen der alten Dame hörte. Er blieb aber schwer schluckend stehen, als der junge Mann aus dem Auto stieg. ‚Mist, er sieht verdammt gut aus ... Mist !'

Oma Tannenhofer sah gleich, daß Rainer schon fast Panik schob und stieg ebenfalls aus, ehe sie zu dem jungen Riesen kam und ihm liebevoll über die Hand strich. "Nicht so aufregen ... es wird schon alles gut werden, Hm ? Und jetzt begrüße bitte unseren Gast und bringe ihn hinein, ja ?" Sie mochte Rainer sehr und hatte es schon immer getan ... schon als dieser noch ein Kind war und von einer Rauferei in die andere kam, war sie für ihn da und versorgte die Kratzer und Schnitte, die er hatte und erzog ihn ein klein wenig dabei, denn dessen Vater war damit schon immer überfordert gewesen.

"Rainer Bergmann, sehr erfreut." Der blonde Hüne reichte dem Gast die Hand und Emile ergriff sie lächelnd. "Emile Dafoe, freut mich ebenfalls." Der blonde Deutsche war wirklich nicht zu verachten groß, und das hatte Emil sich auch gedacht, als er gehört hatte, daß Rainer die Jäger vertrieben hatte. "Bitte kommen sie herein." Es kostete den Blonden etwas Mühe nicht zu unruhig zu wirken, und er öffnete die große Eingangstür. Emile hatte irgendwie das Gefühl, daß da mehr war, als die Oma erzählt hatte, denn Rainer benahm sich doch sehr merkwürdig. "Können sie den Geist öfter sehen ... Rainer ?" hakte der Schwarzhaarige nach und der Angesprochene zuckte leicht. "Neeeeeeeeejaaa ... schon oft, jap." Eigentlich sah er Adi andauernd, und hin und wieder war er wirklich froh, wenn er ihn nicht sah.

Das wiederum sorgte dafür, daß die alte Dame leise schmunzelte, ihren ehemaligen Zögling einfach hineinschubste und dann Emile an der Hand hinterherzog. "Nun nicht so schüchtern, mein Junge – setzen wir uns in die Küche und unterhalten uns ein wenig, ja ? Dort ist es gemütlicher und wir sind ein wenig ungestört." Kaum gesagt, ging sie schon vor und drehte sich immer wieder um und ermahnte die beiden jungen Männer, wenn sie ein wenig trödelten, weil Emile dies und jenes sah, das noch aus dem Mittelalter stammte.

Dann waren sie in der Küche angekommen und setzten sich. Adi hatte zum Glück immer noch nichts bemerkt, sonst wäre er schon längst hier und würde den Gast eingehend untersuchen. "Also, irgendwas habt ihr mir noch nicht gesagt, ihr zwei benehmt euch seltsam ... also raus damit." Emile ahnte etwas, denn Rainer benahm sich wirklich seltsam und die Oma lächelte die ganze Zeit so seltsam. "Neeejaaa ... Adi ist halt etwas gewöhnungsbedürftig." erklärte der Blonde und strich sich unruhig durch die struppigen Haare.

"Du solltest wieder einmal zum Friseur, Junge ... ich weiß, daß Adi dich lieber mit langen Haaren hat, doch sie stehen dir nicht." Während sie sprach, strich sie selbst durch die Haare des jungen Mannes, denn da er nun saß, war er niedrig genug, daß sie es auch tun konnte. Dann lächelte die alte Oma wieder und wandte sich ihrem Besuch zu, während sie sich langsam in einen der Stühle setzte. "Rainer hat Recht ... Adi ist nicht so, wie man sich einen Geist gemeinhin vorstellt. Sicherlich hat er auch schon in den vergangenen Jahrhunderten Räuber oder Verbrecher verjagt und mehrfach verhindert, daß unsere Kirchen geplündert wurden, doch allgemein ist er ganz anders. Zum Beispiel ist er so alt, daß er auch tagsüber sichtbar ist – und zu einem festen Körper werden kann, nicht wahr, Rainer ?"

"Ja, so ist es." bestätigte Rainer und erwartete die übliche Reaktion, die auch sofort kam. "Wirklich ? Das ist ja fantastisch. Bisher hatte ich nur mit Geistern zu tun, denen es nicht gelang, ihren Körper in eine feste Form zu bringen." Die silbernen Augen strahlten wieder und Emile unterdrückte den Drang, sein Diktiergerät herauszuholen, um alles, was er erfuhr, darauf festzuhalten. "Wo ist er jetzt, kann ich ihn sehen ?" hakte der Schwarzhaarige nach und der Blonde kam wieder mit seinem "Neeeejaaa."-Gestammel. "Er ist oben und hört MP3, während er ein Buch liest." Die Antwort sorgte dafür, daß Emile die Gesichtszüge ein wenig entgleisten. "Wie, MP3 ?"

Der hilfesuchende Blick des jungen Blonden ließ die alte Frau wieder leise lachen, ehe sie liebevoll dessen Hand tätschelte und das Wort wieder übernahm. "Bitte verzeihen sie meinem Jungen, Emile – er ist es nicht gewohnt, soviel mit Leuten zu reden. Er hatte eine harte Kindheit und ist einige Jahre in der Stadt als Türsteher tätig gewesen, da gewöhnt man sich daran, nicht so viel zu reden. Und Adi macht es ihm nicht sehr leicht, diese Gewohnheiten beizubehalten, da er sehr leutselig und auch mehr als nur neugierig ist. Adi interessierte sich schon immer für neue Erfindungen und bildete sich weiter, sie würden überrascht sein, was er alles weiß. Die Satellitenschüssel und das Internet sind hier eigentlich nicht unbedingt für die Verwalter, sondern für ihn, er liebt Fernsehen und Surfen ebenso, wie das Lesen eines guten Buches. Sie glauben gar nicht, wie oft Rainer ins Dorf fahren muß, um die Pakete von Amazon und Ebay für Adi zu holen, damit er nicht immer selbst mit seiner Vespa kommen muß."

"Vespa ? ..." Emile blieb der Mund offen stehen und fügte noch ein "Ebay ?" an. Rainer seufzte nur, nickte und strich sich über das Gesicht, bevor er ein wenig in sich zusammensackte. "Er kann eine echte Plage sein." Letzteres wisperte er so leise, daß man es nur als undeutliches Gestammel hören konnte. "Okay, er ist ne liebe Plage, aber hin und wieder möchte ich ihn nochmal umbringen."

Das wiederum brachte Oma Tannenhofer dazu, ihm gutmütig strafend auf die breite Schulter zu schlagen, ehe sie leise seufzte und ein wenig wehmütiger lächelte. "Adi ist sehr leutselig, wie ich schon sagte ... er braucht es, sich zu unterhalten und genießt die Gegenwart Rainers sehr. Eigentlich die eines jeden Verwalters, und das in jeglicher Hinsicht – ich sagte ihnen ja schon, daß er der Geliebte eines Prinzen war und manchmal kommen diese Bedürfnisse wieder in ihm hoch." Als Rainer bei ihren Worten puterrot wurde, klapste sie ihn noch einmal spielerisch gegen die Schulter, ehe sie leise tskte und noch ein sanftes "Nun hab dich nicht so, Junge." nachsetzte.

"Neeejaaa ... er brauchts halt, wenn man ihn mal nimmt, und ich halt auch hin und wieder Jemand ... naja ..." Rainer war immer noch ein wenig rot, er war zwar nicht so gern unter Menschen, aber auch er hatte hin und wieder gewisse Bedürfnisse. "Sex mit einem Geist ? Das wird ja immer verrückter ... aber keine Sorge, ich habe nichts gegen Homosexualität. Aber mit einem Geist ? Ich glaube, hier habe ich viel zu erforschen." Das war alles total verrückt und Rainer stöhnte leise. Der Kerl hatte nichts gegen Schwule und das machte ihn für Adi noch interessanter, und wenn Emile weg war, gab es großes Geheule. "Ich gehe ihm am Besten Bescheid sagen, daß Besuch da ist." Der Blonde wollte nicht länger warten, so hatte er es dann hinter sich und dementsprechend schnell verschwand er nach oben und trat in die Bibliothek. "Adi ! Oma Tannenhofer ist da und hat Jemand mitgebracht."

Als der große Blonde hereinkam, blickte der noch immer jung wirkende Geist überrascht auf und lächelte, als er die Ohrstecker seines MP3-Players herausnahm und ihn ausschaltete, das Buch weglegte und zu ihm schwebte, um sanft über die breite Brust zu streichen. "Elsbeth ist da ? Das ist wundervoll, es ist schon viel zu lange her, daß ich sie gesehen habe und auch du solltest sie öfters besuchen. Und sie hat Jemand mitgebracht ? Es ist Jemand, den ich noch nicht kenne, nicht wahr ? Das ist herrlich, ich ... mmmmmmmhhhhh ..." Im Überschwang seiner Freude schlang Adalrich die Arme einfach um den starken Nacken seines jungen Verwalters, küßte ihn zärtlich und innig und lächelte, als er sich schließlich in die Arme kuschelte, die sich automatisch um ihn gelegt hatten. "Erzähl doch mehr ?"

"Kuck doch selber nach." murmelte Rainer und strich seinem Geist sanft durch die Haare. "Ist ein Kerl, der Geister sehen kann, auch wenn man sie eigentlich nicht sieht. Anschleichen ist also zwecklos." Allein das Wort 'Kerl' dürfte bei Adi bewirken, daß er sofort nach unten geisterte und selber kuckte.

"Was ?" Wie erwartet, leuchteten die Augen des Braunhaarigen sofort auf und er strahlte schon fast, ehe er Rainer noch einmal überschwenglich küßte und leise an dessen Lippen schnurrte. "Es tut mir leid, daß ich dich manchmal so fordere ... vielleicht darf ich ja bei ihm, zumindest reden möchte ich schon mit ihm. Er ist bestimmt ein Parapsychologe, ich bin schon so neugierig auf ihn !" Leise vor Freude auflachend, hüpfte Adi von den starken Armen Rainers und ließ sich halb durchsichtig werden, schwebte schnell die Treppen hinab und wurde wieder stofflich, als er kurz vor der Küche auf die Beine herabsank und mit einem noch immer andauernden Lächeln den jungen Mann beobachtete, der sich mit der ihm so bekannten Frau unterhielt.

Rainer blieb erstmal noch oben, um wegen dem ganzen Stress zu verschnaufen. Er hasste Stress und ließ sich in den Sessel sinken, in dem Adi bis eben noch gesessen hatte. Unten blickte Emile zu dem offenen Türspalt und seine Augen weiteten sich ein wenig, als er dort den Geist erblickte, der so stofflich dastand und ihn mit neugierigen Augen verschlang. "Kaum zu fassen ..." wisperte der Schwarzhaarige und stand auf. Es war nicht wie üblich eine gewisse Kälte zu fühlen, wenn ein Geist anwesend war, und Adalrich war wirklich ganz stofflich.

Und das bekam Emile nun zu spüren, als Adi leise auflachte, zu ihm kam und ihn einfach umarmte, zärtlich küßte und dabei sacht an die Wand drängte, die neben ihnen war. Erst nach einigen Momenten löste er seine Lippen wieder und lächelte zu dem ein klein wenig Größeren auf, schmiegte sich noch ein wenig näher und wisperte leise zu ihm. "Du bist wunderschön, weißt du das ? Und du interessierst dich für Parapsychologie ? Bitte erzähle ein wenig, das ist alles so interessant !"

"Äh ... ja, tue ich." stotterte Emile hervor und vor Schreck war sein Akzent wieder da. Er hatte gedacht, gut vorbereitet zu sein, aber das hier war doch irgendwie überraschend. Einen Geist, der so offen und anhänglich war, sah man ja nicht alltäglich. Allein Geister waren nicht alltäglich, und der hier war wirklich mehr als stofflich, das konnte der Franzose fühlen, weil er unbewusst seine Arme um ihn gelegt hatte, die er jetzt schnell wieder wegnahm. "Sicher, daß du ein Geist bist ?"

Das brachte Adi dazu, leise zu lachen und er nickte verschmitzt, ehe er sich durchscheinend machte und seine nun kühle Nase an der warmen des Schwarzhaarigen rieb. "Natürlich bin ich das ... seit tausend Jahren. Doch ich mag es sehr gerne, stofflich zu sein und berühren zu können." Ohne es zu merken, nahm der jungwirkende Geist die Hand des Lebenden und legte sie wieder um seine Taille, während er mit der Linken durch das weiche, schwarze Haar kraulte, das durch ein Band zusammengehalten wurde.

Aber Emile nahm die Hand wieder weg und blickte hilfesuchend zu der Oma, die aber nur verschmitzt kicherte und etwas von junger Liebe wisperte. "Das merke ich." murmelte Emile, und drückte den Geist sanft von sich. "Kannst du mir was über dich erzählen ? Geister interessieren mich sehr und so einer wie du ist mir noch nie begegnet." Er hoffte, daß Adi darauf einging. Auch wenn Emil dem gleichen Geschlecht zugetan war, das Ganze ging ihm doch ein Bißchen zu schnell.

Leise seufzend, löste sich der schlanke Geist wieder und wurde stofflich, als er zu der alten Frau ging, sie zärtlich umarmte und ihr einen Kuß auf die Wange hauchte. "Es ist schön, dich wiederzusehen, Elsbeth." Sie lachte nur leise und schob ihn wieder zu dem jungen Forscher, so daß Adi wieder sanft zu lächeln begann. "Bitte verzeih – ich dachte, du wärst interessiert. Und ja, ich kann dir sehr viel von mir erzählen, doch ich denke, es ist besser, wenn wir ins Kaminzimmer gehen ... dort ist es gemütlicher. Bleibst du länger ? Ich denke nicht, daß ich dir Heute schon alles erzählen kann, das ist viel zu viel."

"Ich werde wohl länger bleiben müssen. Mein Auto ist hinüber und muss erst repariert werden, also habe ich genug Zeit ... und selbst so wäre ich bestimmt geblieben." Daß Adi enttäuscht war, konnte Emile sehen und es tat ihm doch ein Bisschen leid, aber er wollte diese Nähe eigentlich nicht zulassen. "Ich forsche nach Geistern und versuche, etwas über ihre Geschichte zu erfahren und warum sie noch hier sind."

"Das ist schön, daß du noch länger bleibst. Wie heißt du eigentlich ? Ich bin Adalrich, doch eigentlich nennen mich alle nur Adi. Meine Geschichte ist sehr, sehr lang – doch der Grund, weshalb ich noch hier bin, ist recht simpel: Ich werde gebraucht und bin auch viel zu neugierig, um schon zu gehen." Das brachte die alte Frau dazu, wieder leise zu lachen und sie schüttelte nur den Kopf, stand auf und streichelte kurz über die Wange des lächelnden Geistes, ehe sie sich daran machte, ihnen eine schöne, heiße Kanne Tee zu bereiten.

"Ein guter Grund ... und ich heiße Emile Dafoe, aber Emile reicht. Darf ich dich auch Adi nennen ? Und darf ich deine Erzählung auf einem Tonband mitschneiden ? Ich verspreche, daß ich es nicht weitergebe und vernichte, wenn ich es nicht mehr brauche." Auch wenn es Geister waren, er legte großen Wert auf ihre Wünsche. Aber erstmal folgte er Adi in das Kaminzimmer und bewunderte nebenher immer noch die Dinge, die herumstanden.

Der schlanke Geist wartete immer auf seinen Gast und schmunzelte, während er um ihn herumschwebte und ihm eine Frage nach der anderen beantwortete. Er kannte die Geschichte eines jeden Bildes und einer jeden Rüstung, auch die Bedeutung der Wandbehänge und Waffen kannte er und man sah ihm die Freude an, die er durch das Erklären erfuhr. Es war selten, daß Jemand so wißbegierig war und es wurde schnell klar, daß Adi ein natürliches Talent dafür besaß, zu erklären und zu lehren.

Was Emile auf dessen Zeit als Lebender zurückschloss, in der Adi den Titel eines Gelehrten hatte. "Du erklärst gerne, das sieht man. Du warst ein Gelehrter, nicht wahr ? Frau Tannenberger hat es erwähnt." Letztlich waren sie im Kaminzimmer angekommen, und auch hier gab es einiges zu entdecken.

"Ja, ich bekam die Gelegenheit, die damals bekannten Wissenschaften zu studieren und half mit meinem Wissen, wenn ich es durfte. Nach meinem Tod hielt meine Neugier an und ich begann, mich weiterzubilden – es ist fantastisch, wieviel erfunden wurde und wie einfach das Leben jetzt geworden ist. Wenn ich mir vorstelle, wie schwer es für meine Brüder war, diese Bären zu erlegen ... zum Glück sind solche Biester jetzt seltener geworden und stellen keine Gefahr mehr dar. Aber was es alles an neuen Sachen gibt – alleine schon das Telefon ist wundervoll und fließend Wasser und Fernsehen und, und, und ... wolltest du nicht mit Tonband mitschneiden ?" Bei der Frage schwebte Adi wieder ein wenig näher und legte sich halb in die Luft, auch wenn er mit dem Gesicht nur wenige Zentimeter von dem Emiles entfernt war.

Emile lächelte, weil der Geist so begeistert war, und kuckte kurz etwas irritiert, als Adi wieder so dicht kam. "Mitschneiden ? Ach ja." Das hatte er fast vergessen und er kramte das Aufnahmegerät aus seiner Hosentasche, um es anzuschalten. "Emile Dafoe, Interview mit dem Geist Adalrich von Hagen." sprach er ruhig auf das Band und legte es schließlich auf den Tisch. "Du kannst mir auch Fragen stellen, wenn du magst." fügte er an und lächelte, weil Adi zu dem Gerät kuckte und es interessiert in die Hand nehmen wollte. "Es funktioniert mit einer Speicherkarte, Tonbänder sind doch recht veraltet und hier ist endlos viel Platz drauf."

Der schlanke Geist nickte und tippte kurz auf das Gerät, ehe er sich auf die Tischkante setzte, die Beine übereinanderschlug und wieder zu dem jungen Franzosen auflächelte. "Das dachte ich mir schon ... sie funktionieren viel besser, ich hatte schon einige mit Bändern und kaum hielt man sich an irgendeinem Magneten auf, war das Band im Eimer. Wenn du es gestattest, ich bin neugierig ... erzählst du mir, woher du kommst und wie du zu diesem Beruf kamst ? Es ist doch sehr ungewöhnlich, daß ein so junger und schöner Mann wie du Parapsychologe ist."

Das Lob ließ Emile fast ein wenig erröten und er lächelte sacht. "Danke für das Lob, ich kann es nur zurückgeben." Adi war wirklich wunderschön und er konnte die Priester gut verstehen, daß die Versuchung zu groß gewesen war. "Ich hatte eine Nahtod-Erfahrung, seither kann ich Geister sehen und fing an, mich für euch zu interessieren ... obwohl du bisher der interessanteste Fall bist, der mir je begegnet ist. Geboren bin ich in Paris, und ich lebe immer noch dort. Ich reise aber sehr viel herum und bin selten daheim."

"Paris ? Oh, das muß wunderschön sein, ich habe schon viel darüber gelesen und auch Bilder und Dokumentationen gesehen. Darf ich fragen, was das für eine Nahtod-Erfahrung gewesen ist ? Ich gebe zu, es ist eine etwas morbide Fasziation von mir, doch ich finde es sehr interessant. Wobei mich eigentlich schon immer Jeder sehen konnte, schon seit der Nacht meiner Ermordung ... auch wenn ich dafür keine Erklärung habe." Adi errötete leicht, da der leichte, französische Akzent ihn mehr als nur faszinierte ... und auch die Tatsache, daß Emile ihn scheinbar zumindest äußerlich anziehend fand, unterstützte die Sache sehr.

Auch wenn er sich jetzt ausfragen ließ, störte es den Schwarzhaarigen nicht und er antwortete auf die Fragen. "Ich wurde als Jugendlicher bei einem Urlaub in Amerika angeschossen. Räuber wollten meine Eltern bestehlen, und die Typen waren so nervös, daß sie einfach schossen, als sie sich wegen irgendwas erschreckten. Die Kugel hat mein Herz gestreift und ich lag lange im Krankenhaus." Dazu hatte er eine große Narbe auf der Brust, die davon zeugte, was alles versucht wurde, um ihn am Leben zu halten.

Als Adi das hörte, stockte er kurz – doch dann neigte er sich näher und berührte behutsam mit den Fingerspitzen das Herz, ehe er die Augen zu Emile hob und in ihnen das widergespiegelt wurde, das damals geschah. Dies war eine der Fähigkeiten, die der jung wirkende Geist besaß und eine Träne löste sich aus dem Augenwinkel, ehe sie schimmernd über die Wange lief und in der Luft in winzige Lichtfunken zerbarst. "Das ist schrecklich für dich gewesen, Emile ... das Leid, zwischen Leben und Tod zu hängen und immer wieder zu erleben, was geschah. Ich wünschte, es wäre nie passiert – doch dann wärst du nicht hier, nicht wahr ?"

"Nein, ich denke nicht, daß ich sonst hier wäre. Dieses Erlebnis hat mein Leben verändert ... und du kannst fühlen, was ich damals fühlte ?" Das erstaunte Emile über alle Maßen und er stellte somit auch wieder eine Frage. Daß ein Geist so etwas konnte, war ihm neu.

Die Frage hatte Adi schon erwartet und lächelte, als er die Fingerspitzen langsam höher zum Hals und dem Gesicht des Franzosen streicheln ließ. "Ja, das kann ich ... wenn ich eine tödliche Wunde berühre, kann ich sagen, was geschah. Ich habe auch schon bei einigen Kriminalfällen in den Dörfern umher geholfen und die Polizisten wissen auch, daß ich gerne wieder zur Verfügung stehe. Ich weiß nicht genau, woran es liegt – ich denke, es kommt daher, daß ich sehr feinfühlig und auch neugierig bin. Und da ich sehr an den Wissenschaften interessiert war und bin, habe ich auch die Neugier, Dinge herauszufinden ... wie zum Beispiel die Möglichkeiten, die ich als Geist habe."

"Das ist gut möglich." überlegte Emile und bemerkte erst nicht, daß Adi ihn immer noch berührte. Als er es bemerkte, lächelte er und nahm dessen Hand in seine. "Es tut mir leid, aber ich habe nur wissenschaftliches Interesse an dir." Das musste er klarstellen. "Aber eine Freundschaft ist okay." fügte er an, weil seine ersten Worte doch zu hart klangen.

Man sah Adi an, daß er sich mehr erhofft hatte ... doch dann lächelten seine Augen wieder, als er nickte, Emile einen zärtlichen Kuß auf die Wange hauchte und dann wieder ein wenig zurückging, während er seine zweite Hand über die Emiles legte. "Ich danke dir, Emile – und es ist mir eine Freude und Ehre, mit dir befreundet sein zu können. Auch wenn es sehr schade ist, daß du nicht mehr möchtest. Hast du denn einen Gefährten ? Wenn ja, entschuldige ich mich schon jetzt dafür, so voreilig gewesen zu sein ... ich vergaß, daß es noch immer nicht üblich unter den Männern ist, seine Verbundenheit mit einem Ring zu kennzeichnen."

"Nein, ich hab keinen Freund und auch keine Freundin ... dafür habe ich überhaupt keine Zeit." Emile wusste, daß er sich jetzt zu einem Hoffnungskandidaten gemacht hatte, aber er hatte ja auch klargestellt, daß er erstmal nur eine normale Freundschaft wollte.

Doch Adi machte keine weiteren Avancen und lächelte nur, ehe er aufhorchte, als Oma Tannenhofer sie zum Tee rief. "Komm, schalte das Gerät einen Moment lang aus – gehen wir Elsbeths Tee trinken, sie kocht ihn noch immer am Besten." Noch während er sprach, reichte der schlanke Geist ihm das Diktiergerät und kaum hatte Emile es ausgeschalten, lachte Adi auf und zog den jungen Forscher einfach an dessen Hand aus dem Kaminzimmer, damit sie in der Küche ein wenig Zeit verbringen konnten.

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