”Paß auf, was du dir wünschst ... es könnte in Erfüllung gehen.” 01
Kapitel 1
Mit einem leisen Seufzer betrachtete Steve das Bild in seiner Hand – es zeigte ihn mit seinem letzten Freund, wie sie glücklich in den Fotoautomaten grinsten, ein Tag, an dem sie viel Spaß zusammen gehabt hatten. Das war vor drei Monaten – ihre Beziehung war noch jung gewesen und Steve dachte, daß er nun den Kerl fürs Leben gefunden hatte. Doch gerade dieser Kerl fand es gut, sich immer wieder nach etwas Besserem umzusehen und ein Manager war nun einmal um Klassen besser als ein armer Student. Steve konnte ihm aber nicht wirklich böse sein – dafür war noch genug der alten Liebe vorhanden und er seufzte erneut, strich sich ein paar der etwas längeren Ponysträhnen nach hinten und legte das Bild zusammen mit ein paar anderen Kleinigkeiten in den alten Schuhkarton, der vor ihm lag. Er verbrachte noch eine weitere Viertelstunde damit, die wenigen Kleinigkeiten, die Axel ihm noch gelassen hatte, in den Karton zu packen – dann nahm er ihn und verstaute ihn in der kleinen Abstellkammer im Gang, ging in sein Schlafzimmer und schloß die Augen, als er den Kopf in den Nacken legte. "Ich wünschte, ich könnte endlich den Mann kennenlernen, mit dem ich mein Leben lang zusammen sein kann – ohne, daß er mir nach ein paar Monaten wegläuft. Ach shit, ich wünschte, es wäre möglich..."
~~~***~~~ Währenddessen in einer anderen Welt... ~~~***~~~
Das Leben konnte schon ungerecht sein, entweder man wollte eine Beziehung oder studierte, Beides brachte er einfach nicht unter einen Hut. Jonathans letzter Lover hatte Schluss gemacht, weil er zuviel lernen musste. Zum dritten Mal war es ihm schon passiert und langsam resignierte Jo. "Ich konzentriere mich aufs Studium, danach finde ich vielleicht was." murmelte er zu sich selbst und verschränkte die Arme hinter seinem Nacken. Er starrte missmutig die Zimmerdecke an und seufzte leise. Warum fand er nur nie Jemanden, der akzeptierte, daß er sein Studium beenden wollte? Warum fand er nie Jemanden, der seine Interessen teilte? Warum fand er nie Jemanden, der ihn nicht nur zum Poppen haben wollte? Das Schicksal hatte sich eindeutig gegen ihn verschworen. "Ach verflucht! Ich wünschte, es gäbe Jemand, der mich so liebt, wie ich bin!"
~~~***~~~ ganz woanders... ~~~***~~~
Mit einem breiten Grinsen auf den Lippen hatte ein Gott dies beobachtet. Loki, der Schrecken der Gottheiten, hatte diese unbedeutenden Wesen aus Langeweile beobachtet. Das klang nach einem vielversprechenden Spaß. "Passt auf, was ihr euch wünscht... es könnte in Erfüllung gehen." lachte er und klatschte in die Hände, um den einen zum Anderen zu bringen. Oh ja, das würde ein Spaß werden!
~~~***~~~ Für einen Moment zurück zu Steve... ~~~***~~~
Einen Moment lang spielte Steve mit dem Gedanken, noch etwas fernzusehen oder etwas für sein Studium zu tun – er mußte noch ein wenig die römische Geschichte lernen, es war unsicher, ob die Lehrerin Morgen nicht einen Test schrieb. Doch irgendwie fand Steve einfach nicht die Energie dazu. Stattdessen schnappte er sich seinen MP3-Player, steckte sich die Ohrstöpsel in die Ohren und schaltete an, ehe er sich leise summend auf sein Bett fallen ließ. Aber plötzlich lief etwas schief – aus dem Nichts heraus erschien ein mannslanger, weißleuchtender Riß unter ihm und teilte sich, so daß der junge Student schreiend hindurch und aus etwa zwei Metern Höhe auf ein anderes Bett fiel, in dem schon Jemand lag.
Jo hatte weiterhin die Zimmerdecke angestarrt und vor sich hingebrütet. Als allerdings ein Licht auftauchte, das nicht von seiner Lampe kam, riss er die Augen auf. Seine Augen wurden noch größer, als irgendwer durch dieses Licht und direkt von der Zimmerdecke auf sein Bett fiel. Instinktiv fing er den Kerl auf und schnaufte ziemlich, weil der nicht gerade ein Fliegengewicht war. Als Nächstes stieß er ihn aber auch schon von sich und somit vom Bett, er selber sprang auf der anderen Seite aus dem Bett und starrte auf das Etwas, das da am Boden lag.
Jenes Etwas schnaufte ziemlich und versuchte, sich erst einmal zu beruhigen. Doch als Steve sich auf den Ellbogen aufrichtete und auf den jungen Mann blickte, der ihn mißtrauisch von der anderen Seite des Bettes ansah, schrie er erneut auf und krabbelte rückwärts vom Bett weg, bis er mit dem Rücken an eine Kommode stieß. "Verdammt – was bist du?! Bist du ein Teufel oder ein Dämon oder sowas?! Und wo bin ich hier, das ist doch nicht mein Zimmer? Und was war das für ein Licht? Und bleib mir ja vom Leib!" Es war offensichtlich, daß der junge Mann große Angst hatte – noch niemals zuvor hatte er einen Mann mit roter Haut und völlig schwarzen Augen gesehen, und die drei Paar langen Eckzähne und die leichten Krallen an den Fingern halfen da nicht sehr, ihn zu beruhigen. Hinzu kam, daß dieser Kerl nur eine schwarze Unterhose mit halblangen Beinen anhatte und diese absolut nicht verbarg, daß der Rothäutige gut bestückt war... und der Rest des Körpers war ebenfalls groß und gut gebaut, kräftig, aber nicht zu sehr, und das maskuline Gesicht unterstützte die Wirkung noch.
Zumindest die Sprache war gleich, nur die Haut und Augenfarbe nicht. Jonathan starrte den rosafarbigen Menschen einfach nur an. Er hatte noch nie Jemand mit einer rosa Haut gesehen und die Augen waren auch seltsam. Als dieser Kerl ihn Dämon und Teufel nannte, war es aber um Jo geschehen. "Nenn mich ja nicht nochmal so, kapiert, du... du rosa... ähm, Etwas!" Er blieb aber, wo er war, dieser Kerl war ihm nicht ganz geheuer. Er sah aus wie ein Mensch, aber die Haut war einfach nicht normal.
Das wiederum sorgte dafür, daß Steve ein wenig doof guckte – und als er den Blick kurz schweifen ließ, sah er einige Fotos auf dem Nachtkästchen, auf denen rothäutige, blauhäutige und auch einige gelbhäutige Menschen zu sehen waren. Doch das, was ihn erneut kreidebleich werden ließ, war das, was er sah, als er aus dem Fenster in den Nachthimmel blickte. "Oh Gott... das... sechs Monde? Wie... wo... wo zum Geier bin ich hier?" Das Letztere war nurmehr leise gekeucht – denn all das begann langsam zuviel für Steve zu werden.
Das war mehr als nur seltsam und Jo traute sich nun doch langsam etwas näher heran. Er hatte sich geirrt, die Haut war nicht Rosa, sondern hatte ein sachtes Bronzebraun, allerdings war selbst das nicht normal. "Natürlich sechs, wieviel denn sonst?" fragte er misstrauisch und blieb wieder stehen. "Das ist doch normal, genau wie die zwei Sonnen."
"Zwei? Oh Gott... das... Nein, das ist nicht normal? Wo ich herkomme, gibt es nur eine Sonne... und nicht so viele Monde. Und vor allem keine Menschen mit roter Haut – oder so blauer oder gelber Haut. Bin ich hier in einem Science-Fiction-Film gelandet? Und das buchstäblich auf dir, Sorry nochmal, Großer." Langsam ergab das Ganze einen zwar höchst merkwürdigen, doch etwas erklärbareren Sinn... zumindest, wenn Steve sich das Ganze wie einen Film vorstellte, wo Menschen auch so einfach mir nichts, dir nichts in eine andere Welt verfrachtet wurden. "Das ist wie in 'Parallel-Universe' mit Hank Cuber... nur nicht ganz so abgefahren."
"Kein Prob." erklärte Jo bei der Entschuldigung und stutzte, als der Typ den Film erwähnte. "Du kennst den Film?" Das Ganze wurde immer verrückter. ‚Okay, ganz ruhig bleiben, Jo, das bekommst du schon gerafft, vielleicht träumst du auch nur.' Er kniff sich in den Arm und seufzte, weil nichts passierte. Er lag nicht in seinem Bett, er stand noch da und starrte auf den komischen Kerl. "Okay, das bekommen wir schon hin... du kennst den Film, ich kenne ihn auch, wir sprechen auch die gleiche Sprache, das is ja schon mal ein Anfang." Jo beruhigte sich langsam, obwohl das Ganze wirklich nicht normal war.
Ein leises "Jep." murmelnd, schüttelte Steve kurz den Kopf, denn auch er hatte sich kurz gezwickt und innerlich aufgeseufzt, als es schmerzte. Einen Moment lang überlegte er, doch dann entschloß er sich, stand auf und kam zu dem Anderen, hielt ihm die Hand hin und grinste etwas schief, als er sich vorstellte. "Hi, ich bin Steve. Schätze mal, du bist doch kein Teufel, Hm? Sorry, aber in meiner Welt werden Teufel und Dämonen genauso dargestellt wie du: Rote Haut, schwarze oder glühende Augen, Krallen und lange Fänge im Mund. Fehlen nur noch die Flügel, der Schweif und die Bocksfüße."
"Jonathan. Und unsere Teufel sind Grün, dito Schweif und Bocksfüße." Jo nahm die Hand, als er sich vorstellte, und kuckte auf die rosig bis bronzene Farbe. Irgendwie war das wirklich total abgefahren. Er konnte auch nicht umhin, seinem Gegenüber in die Augen zu starren. Die Pupillen waren rund und keine Schlitze. "Cool, runde Pupillen."
Das wiederum irritierte Steve ein wenig. "Äh – ja? Sind die bei euch anders? Ich hab gesehen, daß die Blauen und Gelben auf den Fotos andere Augen haben wie du... krass. Frage – kann ich mich hinsetzen? Ich merk langsam, wie mir die Knie weich werden." Das war auch irgendwie kein Wunder – zuerst der Schreck und nun das... außerdem sah dieser Kerl irgendwie seltsam gut aus, und der Händedruck war ebenso fest wie angenehm, etwas, das den jungen Hellhäutigen noch mehr verwirrte.
"Ja klar, Sorry. Geh ruhig vor." Jo ließ die Hand los und nickte zur Tür, die in die Wohnküche führte. "Ich zieh mir nur was über." Er war halb nackt und hatte weniger an als Steven, und so zog er rasch eine Hose und ein Shirt aus seinem Schrank und schlüpfte hinein. Dann beeilte er sich und folgte in die Küche, um sich zu Steven zu setzen. "Magst du was trinken?"
"Wenn du vielleicht ein Bier oder ne Cola hättest? Beides geht..." Es war schon fast erschreckend, wieviel Bekanntes er hier in der Küche sah – unbewußt drehte er eine Dose Kakao in den Händen und als er es merkte, stellte er sie wieder auf den Tisch, seufzte und strich sich durch die Haare. "Das ist unheimlich, Jonathan... ich seh so viel, das ich kenne, all die Marken. Aber die Leute darauf – die Farben stimmen einfach nicht. Das ist alles so krass, ich komm mir vor wie im falschen Film."
"Glaub ich gern... ich meine, selbst ich komme mir so vor und ich bin noch da, wo ich hingehöre." Jo stand auf und holte Bier aus dem Kühlschrank, etwas Alkoholisches würde ihnen Beiden jetzt sicher ganz gut tun. "Ach ja, wegen den Pupillen, wir haben Schlitzpupillen. Siehst du?" Er stellte Steve das Bier hin und drehte eine Zeitung um, wo eine Werbung hintendrauf war. Dort war eine blaue Frau, deren Augen man gut sehen konnte.
Neugierig werdend, neigte sich Steve näher und murmelte ein leises "Wahnsinn...", ehe er wieder verstummte und die Frau deutlicher musterte. "Wow. Wenn ich auf Tussen stehen würde, würd ich jetzt sabbern, sie sieht verdammt gut aus. Weißt du – in meiner Welt gibts Leute, die sich Kontaktlinsen reintun, die Schlitzpupillen haben... und so eine rote Farbe wie die da auf dem Bild hat. Und bei euch isses normal – schon Wahnsinn irgendwo. Dafür muß ich dir richtig unheimlich vorkommen, Hm, Großer?"
Daß Steve Schwul war, überraschte Jonathan doch ein wenig, er selber war es ja auch, sagen tat er es vorerst noch nicht. "Ein Bisschen schon irgendwie, aber bist nicht beängstigend... ungewohnt halt." Es war schwer zu beschreiben. Jo konnte aber nicht ganz verhindern, daß er den Grünäugigen weiterhin musterte. "Und bei dir gibt es echt welche, die sich solche Kontaktlinsen einsetzen? Schon krass." Gerade, weil es bei ihnen so normal war.
"Jep. Sie wollen rausstechen – meist sind das Goth oder wenn man sich für Halloween oder andere Partys verkleidet. Manche machen das auch für die Discos, die tun alles, um aufzufallen. Sich die Zähne verlängern lassen oder zuschleifen... Tattoos, die ganze Palette. Nur die Hautfarbe kann man bei uns eben nicht ändern – lediglich die Weißen, also Menschen wie ich, können in der Sonne bräuner werden. Dann gibts bei uns noch Braunhäutige und Schwarzhäutige und die Asiaten haben eine leichte, gelbe Tönung." Leise seufzend, nahm Steve einen Schluck Bier und lachte dann leise, schüttelte den Kopf und betrachtete sich die Marke. "Verdammt – das schmeckt wie daheim. Ich komm mir so fehl am Platz vor... sag mal, was hast du eigentlich gemacht, kurz bevor ich durch dieses komische Leuchten fiel? Vielleicht gibts da ja nen Zusammenhang." Der Gedanke kam Steve ganz spontan – irgendwie fühlte er, daß da was sein könnte, doch was genau, wußte er nicht.
"Öhm." brachte Jo nur heraus, er hatte kurz über die Hautfarben nachgedacht, die Steve genannt hatte. "Was ich gemacht habe? Ich lag im Bett und hab drüber nachgedacht, wie ungerecht das Schicksal ist, weil ich keinen vernünftigen Freund finde." Jetzt war raus, daß auch er auf Männer stand. "Und du?"
Steve saß da wie ein Tier im Scheinwerferlicht – erst, als die Bierflasche aus seinen schlaffen Händen auf den Tisch knallte, schreckte er auf und stellte sie richtig hin, schluckte schwer und lachte schließlich leise. "Das gibts doch nicht – das gibts nicht. Ehrlich? Ich hab das Gleiche getan. Ich stand da und dachte an das Aas, das mich wegen einem Manager verlassen hat... und wünschte mir, daß ich endlich mal Jemand kennenlerne, der nicht gleich nach nem Monat mit dem erstbesten Wichser, der mehr Geld hat, davonläuft. Irgendwie ist das doch nen schlechter Scherz, oder?"
Jo, der gerade einen Schluck genommen hatte, verschluckte sich sofort und hustete gequält. "Was? Das kann doch nicht wahr sein!" Bei seiner Antwort hustete er noch immer und beruhigte sich nur schwerlich. Steve hatte Glück gehabt, daß er ihm nicht das Bier ins Gesicht gespuckt hatte. "Das ist ein Witz, oder?"
"Äh – nope. Hier, das ist der Kerl, der mir den Laufpass gegeben hat." Noch während er sprach, hob Steve den Hintern kurz an, holte aus der hinteren Jeanstasche seinen Geldbeutel und zog daraus ein ziemlich abgegriffenes Foto, das ihn mit seinem ehemaligen, blonden Lover zeigte. "Ich hätte es eigentlich wissen müssen – er liebt es, zu shoppen, und ich kann ihm das eben nicht bieten. Ich Idiot hätte früher drauf kommen müssen, dann hätte ich einige hundert Dollar mehr in der Tasche... äh... oder auch nicht, hier nützt es mir ja nichts mehr." Nun doch ein wenig verlegen, kratzte sich Steve am Hinterkopf und gab Jo das Foto, damit dieser es sich betrachten konnte.
"Wow... also die Haarfarbe ist hier total trendy bei den Punks. Irgendwie ist der hübsch." Der Blonde war schlank, hatte diese blonden haare und dunkelblaue Augen, und seine Haut war wirklich Rosa. "Wenn er Blau wäre, hätte ich den auch nicht verschmäht." gestand er und gab das Foto zurück. "Aber jetzt mal was anderes. Was soll ich jetzt mit dir machen? Du fällst hier mehr auf als ein Albino."
Ein leises "Jep, hübsch isser... und er ist gut im Bett. Aber mehr auch nicht." auf das vorige antwortend, hob Steve bei den letzten Worten von Jo jedoch eine Braue, lehnte sich wieder an den Küchenstuhl an und nahm einen Schluck Bier, während er nachdachte. Schließlich stellte er die Flasche wieder an den Tisch, drehte sie abwesend zwischen den Händen und seufzte schließlich leise. "Keine Ahnung, Jo. Selbst, wenn ich als Teilalbino durchgehen könnte, meine Augen sind ein Problem. Davon abgesehen, daß ich nur ein paar Scheine dabei habe, und die dürften hier nicht gültig sein, Hm? Meine Papiere kann ich jedenfalls vergessen..." Erneut leise seufzend, nahm Steve seinen Geldbeutel zur Hand und die paar Geldscheine heraus, ehe er seine Ausweis betrachtete und schließlich wieder aufsah. "Wo bin ich hier eigentlich? In meiner Welt war ich in San Franzisco."
"Bist du immer noch." murmelte Jo und lehnte sich über den Tisch, um sich Geld und Ausweis anzusehen. "Fast wie bei uns, aber hast Recht, damit kannst du bei uns nichts anfangen." Er gab alles zurück und seufzte leise. "Muss schauen, ob man nicht irgendwie Papiere für dich bekommt. Und dein Aussehen, das wird doch kniffliger. Ne Sonnenbrille oder Linsen, aber is ja auch keine Dauerlösung." Wenn Jonathan ehrlich war, dann war er im Moment ziemlich ratlos.
Genauso ratlos wie es auch sein Gegenüber war. "Eigentlich könnte es schon fast lustig sein, Hm? Wir sind Beide ohne Kerl und irgend ein Gott oder sowas fand es ne gute Idee, uns einfach zusammenzuschmeißen. Hätte mir wenigstens etwas Startkapital geben können – aber das wäre ja dann zu einfach gewesen. Du Frage... kann ich ne Weile hierbleiben? Zumindest, bis ich ne Bude und nen Job bekommen und mir Papiere besorgt habe? Ich geh dir auch nicht auf die Nerven, ich kann mich gut selber beschäftigen... auch wenn ich das Studium denk ich jetzt knicken kann." Das wiederum war etwas, das ihn leise grummeln ließ, denn die drei Jahre Studium waren nun umsonst gewesen.
Jo seufzte leise und nickte. "Kann dich ja schlecht einfach auf die Straße setzen. Und wenn du mich nicht störst, hab ich nix gegen, ich muss nämlich pauken. Und du? Was hast du angefangen zu studieren?" Das machte ihn schon neugierig.
"Geschichte... und weniger angefangen, als mehr fast zu Ende gebracht. Ich studiere schon seit drei Jahren – tja, war wohl umsonst. Und kein Prob, ich weiß, daß man zum Pauken ungestört sein muß... ich konnte das selber nicht leiden, wenn mein Ex mich dauernd unterbrochen hat. Und keine Sorge – ich bin stubenrein, ich helf auch beim Putzen, Okay?" Man sah Steve an, daß er sehr erleichtert war... Jo hätte ihn auch eiskalt rauswerfen oder ihn gar der Polizei übergeben können.
"Okay, dann ist das erstmal geregelt." Auch Jo wusste, daß er Steve der Polizei hätte übergeben können, aber irgendwie brachte er das nicht übers Herz. Wer wusste schon, was man dann mit ihm anstellte und wo er hingebracht würde. Er hatte Filme im Hinterkopf, wo Fremde in Labors gesperrt wurden und allein der Gedanke, daß es auch wirklich so passieren könnte, ließ ihn kurz schaudern. "Ich denke, wir reden Morgen weiter, ich mach dir das Schlafsofa fertig. Ich hab Morgen eine Prüfung."
Das ließ den Anderen aufhorchen und er nickte, ehe er ernster werdend nickte. "Dann solltest du dich wirklich hinlegen – Prüfungen sind nie einfach. Und keine Angst, ich stell dir nicht die Bude auf den Kopf, schließlich bin ich auf dich angewiesen, Großer. Was studierst du eigentlich?" Während er sprach, stand Steve schon auf und stellte die inzwischen leeren Bierflaschen in den Korb mit anderen Flaschen, der an der Seite stand, lehnte sich dann an die Küchenzeile und blickte neugierig zu dem Rothäutigen, der noch am Tisch saß.
"Ich will Physiotherapeut werden. Ich hab Morgen eine Anatomieprüfung für den Bewegungsapparat der unteren Gliedmaßen. Kurz gesagt, Anatomie der Beine." Er drehte sich seitlich und klopfte auf seine Beine. "So, ich mach dir jetzt dein Bett klar." Mit den Worten stand er auf und ging zum Wohnbereich der Wohnküche. Ruckzuck klappte er das Sofa aus und holte ein Kissen und eine Decke aus dem Schrank, der in seinem Schlafzimmer stand. "Wenn du Klamotten brauchst, ich kann dir erstmal was von mir geben, auch wenn es vielleicht ein Bisschen zu groß ist."
Das sorgte dafür, daß Steve kurz seufzte und dann nickte. "Nicht viel – sind ja fast gleich groß und breit. Ist aber nen wichtiger Job, den du da lernst... hab selber schon mal sowas gebraucht, als ich mir beim Basketball die Bänder überm rechten Knie riß. Scheußliche Sache, aber der Kerl hat mich wieder so gut wie neu gemacht. Also wenn du Jemand zum Üben brauchst, ich bin gern dein Dummie." Es wäre wenigstens etwas, bei dem er sich nützlich machen konnte – denn selbst wenn er immer saubermachte, wäre das längst nicht genug für die Mühen und Kosten, die Jo hier auf sich nahm. Und solange Steve keinen Job hatte, würde er ihm auch kein Geld für all das geben können... ein Gedanke, der ihn ziemlich belastete.
Daß die ganze Sache belastend für Steve war, konnte man ihm ansehen. "Danke für das Angebot und mach dir keine Sorgen, wir schaffen das schon irgendwie. Wir schlafen jetzt erstmal drüber und dann ist der Kopf wieder klarer." Jetzt war nicht ans Nachdenken zu denken. Es war schon recht spät, sie hatten gerade voll den Stress gehabt und sie waren müde. "Morgen sieht die Welt schon anders aus." Bei dem Kommentar lief er dunkel an und wisperte ein "Sorry, das tut's ja so oder so für dich."
Steve schmunzelte noch über diesen Versprecher, als ihm etwas auffiel... und noch im selben Moment erwachte auf seinen Zügen sichtbares Erstaunen, als er zu Jo ging und in dessen Gesicht blickte. "Wow... bist du gerade Rot geworden? Ah, Shit - ich meine... Schwarz?" Und noch im selben Moment kam ihm die Lösung und er lachte leise, ehe er den Kopf schüttelte und verlegen lächelte. "Laß mich raten... euer Blut ist Schwarz, oder?"
"Genau, es ist Schwarz." Jo beruhigte sich langsam und lächelte kurz. "Und deins ist Rot? Weil du rotwerden gesagt hast." Er kuckte den Grünäugigen an, als würde er erwarten, daß er Rot werden würde. "Ich bin gespannt, was wir noch für Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausfinden."
"Wahrscheinlich genug von Beidem, Hm? Und jap, mein Blut ist Rot." Um es zu zeigen, nahm Steve von der Seite eines der etwas schärferen Küchenmesser und stach sich kurz in die Fingerkuppe, legte es zur Seite und grinste, als sich an der kleinen Wunde ein dunkelroter Bluttropfen bildete. "Fast die gleiche Farbe wie deine Haut – das Blut mit Sauerstoff ist heller, das Blut ohne Sauerstoff so wie das hier. Aber frag mich nichts genaueres... ich war schon immer mies in Bio, nur bei der Fortpflanzung hab ich gut aufgepaßt, weils da ja gefährlich werden kann."
Jo hatte sich den Bluttropfen angeschaut und kuckte Steve nun verblüfft an. "Wie meinst du das mit gefährlich? Bei Heteros kann die Frau schwanger werden, aber das is auch schon alles. Gibt es bei euch etwa noch Geschlechtskrankheiten?" Auf seiner Welt waren die schon vor Jahrzehnten mit einem ausgeklügelten Vorsorgesystem ausgerottet worden.
Das wiederum sorgte dafür, daß Steve das Grinsen förmlich aus dem Gesicht fiel. "Wie... äh... ja? Syphillis, Aids, Hepatitis... manche haben auch so Pilze, aber das ist eher selten. Und hier gibts das nicht? Wow. Moment mal." Ihm kam gerade ein Gedanke, und der ließ sein Grinsen so breit werden, daß es von einem Ohr zum anderen zu gehen schien. "Das heißt, daß man hier auch keine Gummis hernehmen muß? Verdammt, das ist der Wahn. Ich hasse diese Teile nämlich, fühlt man ja nix durch den Mist." Dann hob er den Finger an die Lippen und leckte den Bluttropfen runter, wischte das restliche Bißchen an der Jeans ab und nickte, als die winzige Wunde schon zu bluten aufgehört hatte.
"Syphilis gab's, aber das andere eigentlich weniger, soweit ich weiß... und klar ohne Gummi, außer du hast ne Frau und willst kein Kind machen." Jo hatte die Verhütung in der Schule gelernt, aber nur, um Schwangerschaften zu verhindern, und daß es früher halt einige Krankheiten gab, die aber ausgerottet worden waren, genau wie Masern und andere Kinderkrankheiten. "Musstest ihr die Dinger dauernd benutzen?"
Leicht die Schultern zuckend, setzte sich Steve auf die Lehne des Sofas und überlegte einen Moment, wie er es am Besten sagen sollte – dann entschied er sich und antwortete ihm. "Eigentlich ja – wenn man nichts riskieren wollte. War man in einer festen Beziehung ließ man sich testen, und wenn Beide nichts hatten, konnte man die Teile wegwerfen. Natürlich immer vorausgesetzt, daß Beide treu waren. Weißt du was? Ich denke, daß in meiner Welt einige der Geschlechtskrankheiten wie Aids oder Hepatitis absichtlich entwickelt oder verbreitet wurden... sie sind nämlich tödlich. Aids noch immer zu 100%, wenn es ausbricht. Und es ist vor allem in armen Ländern mit viel Bevölkerung verbreitet, weil die sich entweder keine Kondome kaufen können oder es nicht kennen. Wer weiß, was die Idioten vom Militär nicht alles ausprobiert haben, und dann lief es total ausm Ruder. Zumindest ist es hier nicht der Fall – das ist irre. Endlich mal nicht auf der Hut sein müssen... irre." Man sah Steve gut an, was er dachte - und daß er sich über diesen kleinen Lichtblick sehr freute.
"Tödlich? Du lieber Himmel... krass." Solche Krankheiten, die über den Geschlechtsakt übertragbar waren, gab es hier wirklich nicht und er war froh darüber, wenn er hörte, was das alles sein konnte. "Und jap, du kannst in einen Club oder so gehen, dir einen Kerl schnappen und ihn durchvögeln, ohne ein Kondom zu benutzen, falls du das gerade denkst." grinste er schließlich, denn daß Steve so etwas dachte, war deutlich zu sehen.
"Hey, als ob du sowas nicht gern machen würdest, Hm? Dein Grinsen spricht Bände, Großer. Schätze mal, dir hüpfen sie eh reihenweise hinterher, wenn du dich wo zeigst – hast ja gut was zu bieten. Und mach dir keine Gedanken, mal was mitzubringen, ich schnapp mir dann einfach ne Jacke, ne Mütze und ne Sonnenbrille, steck die Hände in die Taschen und bleib in den Gassen. Okay? Ist ja deine Wohnung." Allein die Vorstellung, daß sich Jo Jemanden für eine Nacht holte, war mehr als nur heiß – doch Steve respektierte, daß dieser Privatsphäre haben wollte, auch wenn das hieß, eine Nacht auf der Straße verbringen zu müssen.
"Im Moment hab ich keine Zeit für sowas... und ich bin für nen Roten eher bescheiden bestückt und durchschnittlich groß und breit." erklärte er und holte eines seiner Lehrbücher hervor. Dort blätterte er kurz durch und zeigte Steve dann ein Bild, wo alle drei Farben nackt zu sehen waren. "Da, kuck."
Ein leises, sichtlich verwundertes "Bescheiden?" wispernd, zögerte Steve einen Moment – doch dann kam er zu dem ein klein wenig Größeren, blickte auf das Foto und wisperte ein hörbar geschocktes "Heilige Scheiße.", ehe er wieder verstummte. Steve betrachtete das Bild sehr genau – der Gelbhäutige war sehr schlank und doch eher klein untenrum, der Blaue war durchwegs Mittelmaß, aber der Rote war defintiv beeindruckend. Ein wahrer Schrank von einem Mann – und dazu einen Penis, der schon fast furchterregend war. "Sind die Roten bei euch alle so? Uff – das ist ziemlich... viel. Der ganze Kerl da ist ein Koloß, denke, langsam krieg ich mit, wie das hier ist. Ihr Rote habt sehr viel Ähnlichkeit mit den Dunkelhäutigen auf meiner Welt, die Asiaten sind hier wie drüben eher kleiner und schlank und gelbhäutig und was bei mir Weiß ist, ist hier bei euch Blau. Aber sowas wie der Rote da... Hui. Ich weiß nicht, ob ich sowas in meine Nähe lassen würde – der ist mir etwas arg groß, auch wenns verdammt gut aussieht."
"Wie gesagt, ich bin zwar rein Rot, aber nur Mittelmaß. Ich bin jedoch ziemlich froh, die Großen, Breiten werden oft als dumm abgestempelt und landen meist beim Football, auf Baustellen und alles, was halt Kraft braucht. Wir sind ne Minderheit, früher sind wir Sklaven gewesen, aber langsam klappt es, daß die Roten den gleichen Status haben wie die Blauen." Jo klappte das Buch zu und legte es wieder zurück. "Wenn du ein Seme bist, der mal Uke sein will, solltest dir keinen von den großen Roten schnappen, eine gewisse Dominanz ist da beim Sex und die beißt sich mit deiner."
Leise seufzend, nickte Steve und setzte sich wieder auf die Sofalehne, ehe er ihm etwas resigniert antwortete. "Ich war noch nie Uke – hab nur manchmal dran gedacht, daß es auch mal ganz schön wäre, verwöhnt zu werden, als daß ich immer die ganze Arbeit mach. Vielleicht hab ich mir auch immer die falschen Kerls gesucht, keine Ahnung. Davon abgesehen, daß ichs jetzt eh knicken kann – wenn ich nach deiner Reaktion am Anfang geh, dann will entweder überhaupt Keiner mit mir mit, oder nur deshalb, weil ich ein Freak bin. Da mach ichs mir lieber selber unter der Dusche, Danke."
"Wart erstmal ab, du bist ja gerade erst angekommen und einen Freund hast du zumindest schon mal." Jo meinte sich und das war sein Ernst. "Aber jetzt schlafen, ich muss früh raus... Mist, schon so spät." Ein Blick auf die Uhr zeigte es ihm und er musste morgen fit im Kopf sein, was jetzt in der Situation nicht ganz einfach war, weil ja ein Mensch von einer anderen Welt einfach so in sein Bett gefallen war.
"Shit – sorry, Großer, ich wollte dich nicht noch unnötig aufhalten. Geh ruhig und mach dir keine Sorgen... ich stell nichts an und bin auch brav, gehe nicht ans Telefon und bin so ruhig, daß kein Nachbar auf die Idee kommt, daß hier Jemand ist. Und danke dir, ich bin froh, daß du mein Freund sein willst." Kurz die ebenso breite Schulter des Anderen drückend, nickte Steve aufmunternd auf das Schlafzimmer – dann löste er sich und nahm die dünne Decke und das Kissen, drapierte es auf dem Schlafsofa und wartete darauf, daß Jonathan ins Bad ging und sich fertig machte, damit er es auch noch kurz nutzen konnte.
Jo putzte sich nur noch die Zähne, bettfertig war er ja eigentlich schon gewesen. Er legte Steve noch eine eingepackte Zahnbürste hin, ebenso eine neue Tube mit Zahncreme und verließ das Bad. Im Schlafzimmer zog er sich wieder bis auf die Unterhose aus und schlüpfte dann in sein Bett, um zu schlafen. Soweit es eben ging, weil seine Gedanken bei Steve waren. Aber dann schlief er doch ein und vertraute darauf, daß sein Wecker ihn pünktlich wecken würde.